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3.Dezember

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Obwohl mich mein Wecker morgens so früh aus dem Bett holte (auch in der Vorweihnachtszeit) freute ich mich darüber nach der Schule nicht allzu viel zu tun zu haben. Zumindest war da nur eine Kleinigkeit geplant, die ich Jannik zeigen wollte. Ich stellte meinen Wecker aus und sprang aus dem Bett. Ich hatte zwar noch genug Zeit, aber wenn ich mich jetzt beeilte, konnte ich heute in aller Ruhe frühstücken. Doch erst wollte ich noch unter die Dusche. Ich wollte gerade das Badezimmer betreten, da kam mir mein kleiner Bruder Luca zuvor. Es nervte mich, aber mich aufzuregen würde mir auch nichts bringen. Somit musste ich mich damit abfinden und meinen Plan umschmeißen. Daher ging ich dann doch erst in die Küche, um zu frühstücken. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass mein Vater wie gewöhnlich am Küchentisch saß, doch das tat er diesmal nicht.

„Dein Vater muss heute mal wieder Überstunden machen und hat sich dazu entschieden früher anzufangen“, erklärte mir meine Mutter, als sie meinen verwunderten Blick gesehen hatte, während ich auf den leeren Stuhl meines Vaters blickte. Da er als Bauingenieur arbeitete war das eigentlich jedes Jahr vor Weihnachten so und ich hätte es mir eigentlich schon denken können. Er musste bestimmt noch einige Projekte vor Weihnachten fertig bekommen. Wir waren es in der Zeit gewohnt, dass er entweder eher anfing oder erst später nach Hause kam.

Ich setzte mich zu meiner Mutter an den Küchentisch.

„Unglaublich, dass schon wieder Dezember ist. Das Jahr ist schon wieder fast um“, fing meine Mutter ein Gespräch mit mir an.

„Ich kann es auch kaum glauben. Die Zeit rennt nur so davon“, antwortete ich.

„Magst du den Dezember eigentlich immer noch am liebsten?“, wollte sie wissen.

Eigentlich kannte sie die Antwort ja schon, aber ich reagierte trotzdem darauf. „Ja! Besonders toll wird es aber wieder, wenn es schneit“, sagte ich.

„Falls es dieses Jahr überhaupt schneit“, wandte meine Mutter ein. Damit wollte sie auf den letzten Winter anspielen, in dem wirklich an keinem Tag Schnee lag. Wir hatten viel eher Frühling. Fast schon Sommer. Der wärmste Tag im Dezember im letzten Jahr war so um die 20°C. Eindeutig viel zu warm für jemanden, der die kalte Jahreszeit so sehr liebte.

„Erstens: Erinnere mich bitte nicht an den letzten Winter. Zweitens: Sei nicht so pessimistisch! Und drittens: Dieses Jahr wird alles anders sein. Ich weiß das einfach!“, zählte ich meine wichtigsten Punkte auf und war auch wirklich fest davon überzeugt, dass es dieses Jahr anders werden würde. Besser!

Meine Mutter lächelte mir zu. Sie wollte mich einfach nur ein bisschen necken. Mehr nicht. Und das wusste ich auch.

„Ich glaube, Luca ist fertig im Badezimmer. Jetzt bin ich an der Reihe, sonst steht Jannik gleich vor der Tür und ich bin nicht einmal ansatzweise fertig“, erklärte ich. Ich stand auf und beeilte mich, damit mir nicht wieder jemand zuvor kam und ins Badezimmer ging.

Die Dusche tat mir unglaublich gut und wärmte mich noch etwas auf. So konnte mir ja nicht kalt werden, sobald ich gleich das Haus verlassen würde. Sicher war es draußen richtig kalt, da wir schon Anfang Dezember hatten.

In ein Badetuch gewickelt stand ich vor meinem Schrank. Erst hatte ich Probleme, mich zu entscheiden – weil mein Schrank einfach viel zu voll war, doch nach einigen Fehlgriffen wählte ich ein Wollpullover, auf den ein Pinguin gestickt war. Dazu zog ich eine hellblaue Jeans an. Ich wollte gerade mein Zimmer verlassen, da klingelte es an der Haustür. Ich beeilte mich, die Treppe herunter zu laufen, um Jannik die Tür zu öffnen zu können. Mein kleiner Bruder Luca war jedoch schneller als ich und bat meinen besten Freund ins Haus. Ich hielt auf der Treppe inne, denn Luca unterhielt sich gerade mit Jannik über Fußball und ich hatte davon keine Ahnung. Ich ließ die beiden kurz alleine und lief zurück in mein Zimmer, um noch schnell meinen Rucksack für die Schule zu packen.

„Mina? Wo bleibst du? Wir sollten uns so langsam mal auf den Weg zur Schule zu machen, sonst kommen wir noch zu spät“, rief Jannik mir aus dem Flur zu.

„Bin sofort da“, antwortete ich, nahm meinen Rucksack und lief die Treppe so schnell herunter, dass ich fast gestolpert wäre. Sofort schoss mir die Frage in den Kopf, ob Jannik mich wohl aufgefangen hätte, wenn ich jetzt gestürzt wäre. Wahrscheinlich würde er das schon tun. Etwas anderes konnte ich mir bei ihm einfach nicht vorstellen und ich wollte es auch nicht. Umso näher ich Jannik kam, desto schneller fing mein Herz an zu schlagen.

„Ich muss mir noch eben meine Winterklamotten anziehen. Sicher ist sicher.“

Jannik nickte. „Dann müssen wir aber auch wirklich los“, drängelte er.

„Ich beeile mich ja schon“, sagte ich, während ich versuchte, mir gleichzeitig meine Mütze aufzusetzen und mir den Schal um den Hals zu wickeln. Das musste wirklich lustig aussehen. Das gleiche tat ich dann auch wenige Sekunden später mit meinen Handschuhen und meinen Schuhen. Die Jacke zog ich mir erst danach über.

„Wir können dann auch los“, erklärte ich und war, in Hinsicht auf Kleidung für den Weg zur Schule auf jede mögliche Situation, in die ich geraten könnte, gewappnet.

„Ist dir das nicht viel zu warm so?“, fragte mich Jannik unterwegs.

Die Sonne schien so stark und hatte so viel Kraft, dass ich wirklich sofort ins Schwitzen gekommen war.

„Ja, es ist schon warm, aber wir haben ja eigentlich Winter und das will ich auch jedem zeigen“, antwortete ich ehrlich und in einem völlig ersten Tonfall.

„Und was machst du dann, wenn es noch kälter wird?“, hakte Jannik nach.

„Dann ziehe ich mich eben noch dicker an.“ Jannik fing daraufhin laut an zu lachen und brauchte eine gefühlte Ewigkeit um sich wieder zu beruhigen.

„Geht es denn wieder?“, fragte ich genervt, weil ich genau wusste, dass er über mich lachte.

„Gib mir bitte noch ein paar Sekunden“, antwortete er nach Luft ringend. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust. Manchmal können Jungs ganz schön gemein sein!

„In nicht einmal mehr drei Wochen sind übrigens schon Ferien“, stellte Jannik voller Vorfreude fest, nachdem er sich von seinem Lachanfall erholt hatte und wieder normal sprechen konnte.

„Ich weiß“, antwortete ich nur und zwinkerte ihm zu. Ich freute mich auch schon sehr auf die freien Tage. Lange schlafen und keinen Unterricht. Endlich frei sein und machen was man wollte. Das liebte ich so an den Ferien.

„Ich wünschte die Ferien würden jetzt schon anfangen. Genau jetzt… in diesem Moment“, sprach Jannik seinen Wunsch aus.

„Du weißt aber schon, dass ich keine gute Fee bin, oder?“, fragte ich ihn. „Ich kann leider keine Wünsche erfüllen“, fügte ich noch hinzu.

„Ja, das weiß ich natürlich. Trotzdem wünsche ich mir, dass die Ferien jetzt beginnen“, erwiderte er.

„Wer wünscht sich das nicht?“, entgegnete ich und sah ihn fragend an.

„Jeder normale Mensch wünscht sich das. Bis auf Workaholics. Die können sich das bestimmt nicht vorstellen, auch nur einen Tag ohne Arbeit zu haben. Einen Tag ohne Handy und Laptop ist für solche Menschen sicher unvorstellbar.“

So wollte ich später definitiv nicht enden. Ich schrieb zwar gute Noten und könnte es später auch beruflich bestimmt zu etwas bringen, doch ich würde nie meine Familie, meine Freunde und meine Hobbies wegen der Arbeit vernachlässigen.

Nach sechs nie enden wollenden Schulstunden hatten wir endlich frei. „Wieder ein Tag weniger“, sagte ich, während Jannik und ich das Schulgebäude verließen.

„Und wieder ein Tag mehr, an dem du etwas geplant hast, damit du mich von der Vorweihnachtszeit und Weihnachten überzeugen kannst“, erwiderte Jannik und verdrehte genervt die Augen.

„Wenn ich ehrlich bin, ist heute nichts Großes geplant. Du musst mich heute Abend nur begleiten, das ist alles. Davor lasse ich dir alle Freiheiten und du kannst machen, was du willst“, erklärte ich ihm.

„Wie spät denn heute Abend?“, fragte Jannik.

„Ich hole dich gegen halb sechs ab. Wir müssen dann aber auch wirklich sofort los.“

„Das ist ja kein Problem.“

„Alles klar. Ich wollte noch kurz in die Stadt, weil ich noch mit Niklas verabredet bin. Wir besprechen, welches Lied wir als nächstes zum Tanzen nehmen wollen und wann wir anfangen, uns eine Choreografie auszudenken. Das heißt, ich fahre heute nicht mit der Bahn zurück mit der du gleich fährst. Aber wir sehen uns dann ja schon später wieder.“

Ich hatte beobachtet, wie sich Janniks Körper angespannt hatte, nachdem ich „Niklas“ gesagt hatte. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und sein Gesicht war ganz starr. Als er merkte, dass ich ihn ansah, tat er so, als wäre alles in Ordnung, nickte mir lächelnd zu und ging. Dabei winkte er mir noch zum Abschied zu. Ich spürte noch immer seine Anspannung am ganzen Körper.

Nach dem Treffen mit Niklas war es schon fast 16:30 Uhr und somit war ich recht spät dran. Niklas und ich waren so mit dem Planen der nächsten Tanzstunden und der Auswahl eines neuen Liedes beschäftigt gewesen, dass ich die Zeit total vergessen hatte. Jetzt musste ich mich wirklich tierisch beeilen, um nicht so spät bei Jannik aufzutauchen. Immerhin hatte ich ihm deutlich gesagt, dass wir pünktlich los mussten. Da konnte ich selbst nicht zu spät bei ihm auftauchen. Ich stieg in die erste Bahn ein, die in Richtung Klettenbergpark fuhr, obwohl diese schon ziemlich voll war. Hätte ich sie jedoch nicht genommen, wäre ich viel zu spät bei Jannik angekommen. Er stand schon aufbruchsbereit in der Tür, als ich völlig abgehetzt bei ihm ankam.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wie immer pünktlich auf die Minute“, stellte er mit einem breiten Lächeln fest.

„Hast du etwa etwas anderes von mir erwartet?“, wollte ich von ihm wissen.

Mein bester Freund schüttelte energisch den Kopf. „Dann lass uns jetzt mal direkt auf den Weg machen, sonst kommen wir noch zu spät zu deiner Idee“, schlug Jannik vor und winkelte seinen Arm an, in dem ich mich sofort einhakte. So liefen wir dann zusammen zur Stadtbahn.

Wir fuhren bis zur Haltestelle „Dom/Hauptbahnhof“, an der wir auch ausstiegen. Dann führte ich ihn zum Kölner Dom und deutete ihm an, diese Sehenswürdigkeit zu betreten. Jannik sah mich irritiert an, weil er nicht verstand, was ich damit bezwecken wollte. Immerhin war er schon öfter im Dom gewesen. Nichts Neues also für ihn. Trotzdem folgte er mir ohne auch nur ein Wort zu sagen in das Kölner Wahrzeichen. Ich ging weiter hinein und setzte mich auf eine der mittleren Bänke. Jannik setzte sich zu mir, verknotete seine Hände und legte diese in seinen Schoß. Ich warf währenddessen einen Blick auf meine Armbanduhr. In wenigen Minuten war es 18:00 Uhr und das, was ich Jannik zeigen wollte, würde endlich beginnen. Ich ließ den Augenblick der Stille auf mich wirken. Dann ertönte jedoch die Orgel und hallte durch den ganzen Raum. Am Altar stellten sich um die dreißig Personen auf. Es war fair aufgeteilt: die eine Hälfte Männer und die andere Frauen.

Während aus der Orgel die ersten Töne von „Stille Nacht“ erklangen, griff ich nach Janniks Händen, ohne ihn dabei anzusehen. Er entzog sie mir nicht, sondern umklammerte meine Hand mit seinen Händen, was mich sofort zum Lächeln brachte. Dann fing der Chor an zu singen und die Geräuschkulisse, die mich umgab, löste eine gewaltige Gänsehaut auf meiner Haut aus. Es klang wirklich fantastisch. Mein Blick fiel auf Jannik, der seinen auf den Chor gerichtet hatte und ihnen gespannt zuhörte. Ich hoffte, dass es ihm genauso gut gefiel wie mir. Nach einigen Liedern hörte der Chor wieder auf zu singen und die Orgel verstummte. Meine Gänsehaut hatte sich sofort In Luft aufgelöst. Ich tippe Jannik mit meiner freien Hand auf die Schulter und deutete ihm an, dass wir gehen konnten. Leider ließ er sofort meine Hand los, die er während des ganzen Auftrittes des Chors festgehalten hatte. Gleichzeitig standen wir auf und verließen den Dom.

„Wahnsinn! Was eine Akustik da drin. Ich hatte sofort am ganzen Körper Gänsehaut, als der Chor angefangen hat zu singen. So heftig hatte ich das noch nie“, gestand er.

„Ich liebe es, den Chor singen zu hören. Der ist so gut. Dann hat es dir also gefallen?“, hakte ich noch mal nach. Danke, dass du mich hier her mitgenommen hast.“ Er nahm mich in seine Arme und drückte mir einen winzigen Kuss auf die Wange. Er löste sich leider viel zu schnell wieder aus der Umarmung.

„Willst du noch irgendwas machen?“, fragte er mich.

„Ja! Ein Foto von uns beiden mit dem Dom im Hintergrund.“

„Dann machen wir das doch“, willigte Jannik ein.

Wir stellten uns vor dem Dom, der wegen der Dunkelheit beleuchtet wurde. Ich drückte Jannik mein Handy in die Hand, der die Kamera darauf einstellte. Wir brachten uns beide in Position und er drückte auf den Auslöser. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse, war das Bild wirklich gut geworden.

„Danke“, sagte ich zufrieden und Jannik lächelte mich an.

„Willst du sonst noch etwas machen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Du hast mir für heute schon all meine Wünsche erfüllt.“

„Soll ich dich denn noch nach Hause bringen?“

Ich schüttele erneut den Kopf: „Du kannst gerne an deiner Haltestelle austeigen. Das ist wirklich kein Problem für mich.“

„Auf deine eigene Verantwortung“, antwortete Jannik und zwinkerte mir zu.

Ich nickte ihm nur zu, denn ich wusste darauf auch nichts mehr zu sagen. Dann gingen wir gemeinsam zur Stadtbahnhaltestelle.

Vor Janniks Haltestelle, an der er eigentlich aussteigen sollte, wollte ich mich von ihm verabschieden, doch er winkte das mit einem breiten Grinsen ab. Ich verstand nicht, was das sollte, fragte aber auch nicht weiter nach. An meiner Haltestelle stieg er dann mit mir gemeinsam aus.

„Ich bringe dich doch noch nach Hause, denn ich will ja nicht, dass dir irgendetwas passiert“, sagte er und setzte einen besorgten Blick auf.

„Ich habe nicht mal einen Fußweg von fünf Minuten“, erwähnte ich.

„Und genau in diesen fünf Minuten kann so viel passieren“, ermahnte Jannik mich und fügte zu seiner Aussage noch hinzu: „Du kannst entführt, vergewaltigt oder ermordet werden. Das Risiko ist mir einfach viel zu groß und ich muss mir dann auch keine Sorgen um dich machen.“

„Das ist ja auch echt süß und lieb von dir, aber den Weg hätte ich auch alleine geschafft. Manchmal übertreibst du es mit deiner Sorge um mich wirklich ein bisschen.“

„Ich mag dich Mina-Mäuschen. Und das löst eben meinen Beschützerinstinkt aus.“ Mir wurde plötzlich ganz heiß, obwohl es in der letzten halben Stunde echt kalt geworden war. Vor der Haustür kamen wir dann zum Stehen.

„Auch wenn es in meinen Augen überhaupt nicht nötig war, aber danke fürs nach Hause bringen“, bedankte ich mich und drückte Jannik einen Schmatzer auf die Wange.

„Vielleicht wollte ich auch einfach nur ein kleines bisschen mehr Zeit mit dir verbringen.“ Als er das sagte, zwinkerte er mir lächelnd zu.

„Das freut mich jetzt aber“, antwortete ich und spürte die Hitze in mir aufsteigen.

„Schlaf nachher schön.“

„Melde dich bitte kurz, sobald du zuhause bist.“ Jannik nickte mir zu und ging.

Circa eine viertel Stunde später erreichte mich dann eine Nachricht von ihm. Er war gut angekommen und ich konnte jetzt erleichtert durchatmen. Ich aß heute mal wieder mit meiner Familie. Danach schauten wir und noch alle zusammen den Film Paddington an, bei dem ich mittendrin einschlief. Nach dem Film weckte mich meine Mutter, weil sie wollte, dass ich ins Bett ging. Mit halb offenen Augen schleppte ich mich in mein Zimmer, legte mich in mein Bett und schlief sofort wieder ein.

Die schönen Seiten des Winters

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