Читать книгу Der Weg vom Singenden zum Sänger - Sassy Bernert - Страница 6

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Einführung

Ganzheitliche Stimmbildung ist sowohl in der Lehre als auch in der Umsetzung umfangreich, detailliert sowie gehaltvoll und auch die Ergebnisse spiegeln genau diese Qualitätsmerkmale wieder. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Laien oder professionelle Sänger/innen handelt.

In diesem Buch geht es in erster Linie um Sie, liebe ambitionierte Hobbysänger und Hobbysängerinnen. Die umfassende, spannende und aufschlussreiche Arbeit ermöglicht allen interessierten und von Gesang faszinierten Menschen, die Gesang gekonnt oder gekonnter ausführen möchten, ihr persönliches und individuell gegebenes volles Potenzial auszuschöpfen. Das Ziel ist freier, gesunder, gekonnter, erfüllter, sowie erfüllender Gesang; der Weg führt über die Balance der Sängerpersönlichkeit. Im besten Fall sollen auch Hobbysänger eigenständig in der Lage sein, ihre Stimme ökonomisch, gekonnt und bewusst einsetzen zu können.

Grundvoraussetzungen schaffen – mit den persönlichen und individuell vorhandenen Fähigkeiten

Auf einem stabilen Fundament kann aufgebaut, addiert, gestärkt, entwickelt und vertieft werden. Das Erlernen von Stimm- und Gesangstechniken fällt so nicht nur wesentlich leichter, sondern kann auch erst unter einer optimal geschaffenen Gesamtkonstitution in vollem Umfang greifen.

Professionelles Arbeiten – mit den persönlichen und individuell gegebenen Fähigkeiten

Auch für Hobbysänger – gleich mit welchen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Intentionen sie in den Unterricht kommen – führt nur der Weg zum Ziel.

Greifbares Können auf solidem Untergrund anstatt oberflächlicher Herumschusterei auf einer schwammigen Tragfläche

Insbesondere im Hobbybereich sind die Voraussetzungen, Fähigkeiten und die Bereitschaft, die die Sänger und Sängerinnen mitbringen, von stark unterschiedlicher Natur, die Wünsche und Ansprüche hingegen sind häufig ähnlich. Das individuelle Ziel gibt neben der basisbildenden Arbeit, die für jeden Sänger und jede Sängerin eine höchst individuelle ist, den Weg vor. In der Gesangspädagogik kann man nicht pauschalisieren. Jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse und Veranlagungen. Genauso gilt es für die Schüler und Schülerinnen, die eigenen Bedürfnisse und Veranlagungen kennenzulernen und zu entwickeln. Der Blick soll dabei verstärkt ihnen selbst und nicht dem Außen gelten.

Access all areas

Besonders spannend ist neben der Gesangstechnik und dem Performancetraining natürlich der Zugang in unsere ganz persönlichen Bereiche. Wir lernen unseren Körper und unsere Persönlichkeit auf eine Weise kennen, die in Konsequenz aus uns deutlich bewusstere Sängerpersönlichkeiten macht. Wer weiß, was er tut, und ein Verständnis dafür bekommt, beherrscht sein Instrument und ist infolgedessen auch besser im Umgang damit. Singen ist an sich etwas ganz Natürliches, zumindest erfordert Gesang natürliche Vorgänge, bei denen der ganze Mensch involviert ist.

Bei Menschen, bei denen die grundsätzlichen Abläufe in gutem oder sehr gutem Maße funktionieren, und die zudem eine gute bis sehr gute Musikalität mitbringen, kann daher auch Gesang in gutem bis sehr gutem Maße funktionieren, ohne dass sie je geschult werden. Da die Abläufe meist unbewusst funktionieren, haben sogenannte »Natursänger/innen« oftmals zunächst keinen bewussten Ein- und Zugriff auf ihr Tun, was unter anderem am fehlenden fachlichen Bewusstsein liegt. Möchten sie ihr »Tun« in »Können« verwandeln, gilt es zunächst zu den stimm- und gesangstechnischen Fertigkeiten und dem Verständnis für deren Anwendung ein Bewusstsein für die physiologischen, mentalen sowie emotionalen Abläufe herzustellen und diese zu verbinden, zu entwickeln und zu vertiefen. Dennoch kann mit Natursängern, zumindest physiologisch betrachtet, oftmals schon ganz anders gearbeitet werden, als mit jemandem, der grundsätzlich verstärkt Imbalancen auf einer oder mehreren Ebenen aufweist.

Ein großes Maß an Bescheidenheit und Leidenschaft in Bezug auf die anstehende Arbeit bringen hingegen oftmals Menschen mit, die in Relation gesehen weniger günstige Voraussetzungen haben. Viele erzielen durch Spaß, Freude, Liebe, Leidenschaft, Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen, Ausdauer, Geduld und Fleiß ganz bemerkenswerte Leistungen, bis hin zu einem professionellen Niveau.

Vieles ist möglich – für alle, die anfangen, durch die notwendigen Arbeitsprozesse zu gehen. Jedem der sein gesangliches »Tun« in »Können« verwandeln oder es entwickeln möchte, gebührt ein volles Maß an individueller fachlicher und sachlicher Aufmerksamkeit.

»Schlau und schnell« versus »klug und gewissenhaft« –»Klang« versus »Basisarbeit mit dem Ziel Klang«

In der Praxis ist es am Anfang einer gemeinsamen Arbeit mit Anfängern durchaus keine Seltenheit, dass die Schüler/innen denken, dass durch einmaliges Vormachen oder Erklären einer Übung seitens des Lehrers und durch einmaliges »perfektes« Nachmachen ihrerseits eine schnelle und rasche Entwicklung möglich ist, frei nach dem Motto: »perfekt, passt, abgehakt, next«. Die Prioritäten der Schüler können zu Beginn von den (noch) zu vermittelnden Prioritäten der Lehrkraft mitunter stark abweichen.

Wenn nicht fachgerechte Ideen auf die Praxis treffen

Möchte eine Schülerin oder ein Schüler beispielsweise bereits nach den ersten Stunden einfach nur »schöner« klingen und der Vocal-Coach möchte sie oder ihn erst einmal in einen grundsätzlichen »Sängermodus« bringen und wichtige Basisarbeit machen, ist dies vorab zu besprechen. Hat man eine gemeinsame Basis gefunden, finden Ergebnisse permanent statt, von Anfang an, jedoch sollten die Schüler nicht die Erwartungshaltung, sondern neben der Lust und der Freude an der Arbeit vielmehr ihren Einsatz, ihre Offenheit, ihre Aufmerksamkeit und die Umsetzung, also das »Wie« an erste Stelle setzen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sind Klarheit und Verständlichkeit auf der einen und Offenheit sowie eine realistische Erwartungshaltung auf der anderen Seite nötig.

Bei der personenzentrierten Arbeit geht es um die gesamte Persönlichkeit. Alle Ebenen, die für Gesang notwendig werden, können bearbeitet werden. Dies betrifft sowohl

• den stimm- und gesangstechnischen Aspekt,

• die körperliche,

• emotionale und

• mentale Ebene sowie die

• gesamte Persönlichkeit,

• deren Musikalität sowie

• mögliches Performancetraining.

Mit einem ganzheitlichen Ansatz in der Stimmbildung schaffen wir zu den gesangstechnischen Fähigkeiten die notwendigen Grundvoraussetzungen, die für freien, gesunden und personalisierten Gesang grundlegend erforderlich sind, und zwar durch

• Ordnung

• Lösung

• Ergänzung

• Wahrnehmung

• Aufbau

• Bewusstsein

• Verbindung

• Entwicklung und

• Vertiefung auf allen Ebenen.

Auf dieser Basis kann gearbeitet werden.

Gesang ist eine Form des Ausdrucks. Ausdruck ohne Emotion, ohne persönliche Substanz und ohne Einfluss unserer authentischen Persönlichkeit ist möglich, doch Gesang kann noch viel mehr sein. Jeder Mensch ist anders, jeder benötigt etwas anderes, jeder möchte etwas anderes. Es gibt viele Formen, wie man Gesang ausführen kann; im besten Fall mit allem, was uns als Mensch und als Persönlichkeit zur Verfügung steht, dann wird es rund, dann wird es stimmig.

Personenzentriertes Stimmtraining basiert auf einem stabilen Fundament, die Sängerin und den Sänger betreffend, und kann daher nie oberflächlich gelehrt oder erlernt werden. Die Voraussetzung, der Einsatz, die Möglichkeiten und das gesetzte Ziel müssen in Relation gesetzt werden und Sinn machen. Unter dieser Voraussetzung und der Bedingung, dass die Stimmgesundheit nicht gefährdet wird, entscheidet den Grad der Vertiefung jeder Schüler und jede Schülerin für sich selbst. Vieles ist möglich!

Ziel auf emotionaler Ebene ist es, unser Gefühlsleben mit der Musik zu verbinden

Jede Ebene hat sowohl generelle als auch individuelle Ziele, die verfolgt werden können. Allgemein gilt es, im besten Fall durch die jeweiligen Prozesse zu gehen und nicht daran vorbei oder um sie herum. Auf mentaler Ebene geht es beispielsweise im ersten Schritt meist hauptsächlich darum, eine grundsätzliche Ordnung, Ruhe, Konzentration und den korrekten Fokus zu finden, um den Sängerkörper gezielt anleiten und ansteuern zu können. Diese Arbeit, alle Ebenen betreffend, wird sowohl anhand von Stimm- und Körperübungen als auch anhand von stimm- und gesangstechnischen Übungen sowie des Repertoires geübt, trainiert und in den Alltag mit einbezogen.

Der Alltag als optimale Übungsplattform zur Bildung des neuen Fundaments – uns selbst

Viele der im Unterricht erworbenen Kenntnisse aller Ebenen bezüglich der Grundstruktur der Persönlichkeit, sollten immer wieder bewusst in den Alltag integriert werden, bis sie zu einem Teil unserer Persönlichkeit und unseren physiologischen Abläufen geworden sind, wie weich federnde statt durchgedrückte Knie, als ein Beispiel für die körperliche Ebene. Wir erwarten von unserem Körper nicht einfach, dass er abliefert, wann wir es möchten, sondern wir liefern ihm die langfristige Grundvoraussetzung, indem wir diese generell schaffen und in unser Leben integrieren.

Die Folge ist, neben deutlich höheren und bewusst anwendbaren Stimm- und Gesangsleistungen, eine erhöhte Qualität in der Lebensführung. Dies ist sicher mitunter auf das deutlich gesteigerte Bewusstsein sowie die gesamte Persönlichkeit betreffende Achtsamkeit zurückzuführen. Dabei spielt es keine Rolle, wie der Alltag eines/r Studierenden aussieht. Die Übungen sollen so eingebaut werden, dass sie uns in unserem Alltag unterstützen und ihn bereichern. Die Integration der Aufgaben macht großen Spaß und sorgt nicht nur für Freude und gute Laune, sondern auch für die eine oder andere positive Überraschung.

Unser System gewöhnt sich schnell an die neue Achtsamkeit uns selbst betreffend. Je besser eingestellt, in Balance und aufgewärmt ein Sängerkörper ist, desto leichter kann Gesang abgerufen werden.

Legit Singing & Belting

Vergleicht man die Klangideale des klassischen Gesangs mit denen im Musical oder Pop-/Rockgesang, sind diese enorm. Dennoch muss das eine das andere nicht ausschließen, ganz im Gegenteil. Klassisches Gesangstraining kann ein wunderbares, gesundes und wertvolles Fundament für sämtliche Gesangsstile bilden. Daher arbeite ich in meinem Unterricht neben der »Integrativen Stimmtherapie und Stimmpädagogik ISTP«© nach Evemarie Haupt, meiner langjährigen und geschätzten Lehrerin und Mentorin, unter anderem auch nach den Prinzipien der schwedisch-italienischen Schule, mit denen ich in Wien erstmals in Kontakt gekommen bin. Bei der Interpretation von Liedern gilt es, neben dem Stil der jeweiligen Epoche und des jeweiligen Gesangs- und Musikgenres, auch die Aussage des Komponisten zu beachten. Hierfür entwickelt der Sänger, allein oder gemeinsam mit einem Vocal-Coach, die Interpretation des Liedes.

»Singende/r« oder »Storyteller«

»Natursängerisch veranlagte Singende« oder »Natursängerisch veranlagte Storyteller«

Finden Sie heraus, ob Sie »Singende/r« oder »Sänger/in« in diesem Sinne sind und lassen Sie sich, wenn Sie mögen und ohne sich weiter an den für diesen Kontext gewählten und entwickelten Begriffen festzuhalten, auf ihre persönliche neue Stufe des Gesangs ein. Diese Begriffe haben keinerlei wertende oder gar abwertende Bedeutung.

Der letzte Teil des Buches bietet Gesangsunterrichtenden im Pop-, Rock- und Musicalbereich eine Checkliste für eine mögliche Einteilung der Begabung und Eignung der/des Studierenden. Im Verlauf des Buches spreche ich generell sowohl von »Sängern« als auch von »Singenden«, ohne dass eine Verbindung zu den spezifisch oben genannten Begriffen und deren Verwendung besteht. Werden die oben genannten Begriffe in diesem speziellen Kontext verwendet, ist dies durch Kursivsetzung gekennzeichnet.

Wichtig ist, dass jeder von seinem individuellen Standpunkt aus beginnt. Es wird erarbeitet, was notwendig und erwünscht ist, und begonnen wird mit dem, was vorhanden ist.

Gesang ist eine Sache, die persönlicher nicht sein könnte – vorausgesetzt, wir machen ihn dazu

Gesang kann vieles sein und obwohl der ursprüngliche Sinn und Zweck von Gesang eigentlich aus der Natur der Sache heraus klar sein könnte, muss Gesang nicht für alle Menschen den gleichen Sinn und Zweck erfüllen. Für alle, die sich weiterentwickeln möchten, gilt es, Qualität in das bereits Vorhandene zu bringen und darauf aufzubauen. Die Freude und der Spaß am Singen und Tönen steht an erster Stelle!

Es können alle notwendigen Fertigkeiten erarbeitet werden, um das Repertoire in einem künstlerisch-sängerischen Modus, sowohl stimm- und gesangstechnisch als auch mental und emotional, durch einen individuell optimal eingestellten Klangkörper präsentieren zu können. Das Schöne ist, dass der Aufwand anders und womöglich intensiver werden kann, jedoch in Summe nicht zwangsläufig langwieriger sein muss – je nach Voraussetzungen, Fähigkeiten, Einsatz und Zielsetzung. Sicher ist jedoch, dass die Ergebnisse langfristiger und dauerhafter Natur sind und auch der Weg zum Ziel bereits Spaß, Freude und Qualität auf ganzer Linie mit sich bringt.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Freude beim Durchlesen und Arbeiten mit diesem Buch. Genießen Sie ihren Weg zum Ziel! Alles, was wir unserem Leben an Können und Kunst hinzufügen möchten und von Qualität sein soll, dauert seine Zeit. Die Erfahrung, die eigene Stimme bedienen zu können, kann auch für Hobbysänger einen positiven Lebenswandel mit sich bringen. Unsere Motivation entscheidet mitunter über die Qualität unserer Reise und unser Wert über die Ausdauer. Unsere Ziele und Visionen sind der Wegweiser, doch die Reise selbst mit allen Ups und Downs ist es, die Entwicklung und Reifung in uns bewirkt. Das Großartige daran ist der Prozess.

Noch ein Hinweis: Das Gendern ist richtig und wichtig, doch manchmal macht es das Lesen zu schwierig. Ab und an weiche ich daher von den üblichen Regeln des Genderns ab.

Herzlichst,

Ihre Sassy Bernert

Der Weg vom Singenden zum Sänger

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