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Kapitel 25

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Die folgende Zeit war die schwerste ihres Lebens.

Ihre Verzweiflung wusste sie gut zu verstecken, schon, damit weder Emese noch Vazha etwas bemerkten. Mehr als einmal war sie versucht, Maksim zu sagen, dass sie sein Kind erwartete, aber etwas hielt sie zurück. Vielleicht war es die Angst, ihn noch mehr zu belasten. Denn Maksim, der sonst jede ihrer Gefühlsregungen wahrnahm, spürte nichts von ihrer Niedergeschlagenheit, war er doch selbst abgelenkt.

»Der Rat debattiert und debattiert und kommt zu keinem Schluss«, sagte er eines Nachts verbittert. »Meine und Zelinkans Ideen werden kaum gehört. Und jetzt konzentrieren sie sich tatsächlich auf die Wahnsinnsidee, das Niemandsland mit Krieg zu überziehen, um sich Menschenblut zu sichern!«

»Und was bedeutet das für die neuen Gesetze?«

»Es wird dauern und ein harter Kampf werden«, erwiderte er grimmig und zog sie an sich. »Aber wir werden sie durchsetzen!«

Es war dieser Moment, in dem sie mit kristallener Klarheit wusste, dass sie es ihm nicht sagen konnte. Nicht einen Augenblick zweifelte sie, dass er sein Kind anerkennen und lieben würde. Doch die Gesetze waren eindeutig. Er konnte das Kind nicht retten, wenn er es nicht schaffte, sie bis zum Sommer zu ändern. Und er würde es nicht schaffen. Er würde daran zerbrechen, wenn man seinen Sohn oder seine Tochter umbrachte. Vor allen Dingen, falls es sein Vater wäre, der es befahl. Alaric würde dem Gesetz Folge leisten, da war sie sicher.

Nein, es war ihr Kind, der Beweis ihrer Liebe.

Das sie ihr nicht wegnehmen durften.

Dessen Tötung sie nicht zulassen würde.

Als er in der Nacht zur Ratssitzung ging, verkroch sie sich in den Verliesen, damit niemand ihre Tränen sah. Schon lange gab es dort keine Gefangenen mehr und sie hatte die feuchten Gänge und leeren Zellen für sich.

Sie wanderte die Gänge auf und ab, wieder und wieder, doch ihr fiel nur eine Lösung ein. Sie musste fliehen, um ihr Kind zu retten. Sie musste Maksim verlassen. Bei dem Gedanken schluchzte sie laut auf und die steinernen Wände warfen das Geräusch auf unheimliche Weise zurück. Es war, als ob sie mit ihr weinten.

»Aber was bleibt mir denn übrig?«, flüsterte sie tränenüberströmt. »Sie werden dein Kind töten, Maksim. Es geht nicht anders.« Sie krümmte sich unter dem Schmerz der Verzweiflung und der Angst zusammen. Maksim verlassen. Emese, Vazha und die Festung verlassen. Sie vielleicht niemals wiederzusehen.

So lief sie dort umher, bis ihre Tränen versiegten und eine sonderbare Gefasstheit von ihr Besitz ergriff. Sie musste fliehen. Wo sollte sie hingehen? Sie kannte nichts und niemanden außerhalb der Festung. Das einzige, von dem sie wusste, war das Haus des Bundes der Ewigen. Warin hatte gesagt, dass man es erreichte, indem man dem Bach folgte, der dem See entsprang und in den Fluss mündete. Wo der Fluss das Gebirge verließ, sollte das Haus liegen. Konnte ihr Kind dort eine Heimat finden?

Sie legte die Hand auf ihren Bauch. »Was bleibt mir anderes übrig?«, wiederholte sie leise, aber mit fester Stimme. »Es tut weh, Maksim zu verlassen. Doch wie groß wird unser Schmerz sein, wenn sie dich töten?«

Und vielleicht … ja, vielleicht konnte sie, sobald er seine Vorhaben durchgesetzt hatte, zu ihm zurückkehren! Sie würde davon hören, wenn sich die Dinge im Qanicengebirge änderten, und mit ihrem Kind zu ihm zurückkommen. Sie hoffte, dass Maksim ihr dann verzieh.

Sie wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel trocken. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde Maksim verlassen, damit sein Kind leben konnte.

In den darauffolgenden Nächten fragte sie sich oft, ob sie wirklich gehen sollte. Wenn er neben ihr schlief, beobachtete sie Maksim mit zärtlicher Wehmut. Ihr Herz wollte schier zerbersten bei dem Gedanken, ihn zu verlassen. Ihm sein Kind vorzuenthalten. Aber es war für ihn das Beste, dessen war sie sich sicher. Sein Kind würde leben. Und er konnte seine Vorhaben ohne Leidensdruck durchführen.

Sie musste fortgehen, bevor man ihr das Kind ansah. Es blieben ihr noch etwa zwei Monde, aber sie wollte vorsichtig rechnen. Wer wusste schon, wie lange sie für ihre Reise durch das Gebirge brauchen würde? Ab einem gewissen Punkt wäre das Reisen zu beschwerlich oder gar nicht mehr möglich. Also gab sie sich noch einen Mond, nicht mehr.

Dass man sie zur Feldarbeit eingeteilt hatte, war ein Geschenk der Götter. Sie schmuggelte Proviant für ihre Reise aus der Festung, Trockenfleisch, Dörrobst, Nüsse, harter Käse. Die Nahrung, einen Lederschlauch, ein kleines Messer und etwas Zunder versteckte sie in einem hohlen Baum, der nahe der Felder in Richtung des Sees lag. Sie hatte den Baum gefunden, als sie sich einmal dort erleichtert hatte, und gab acht, dass den Kriegern nicht auffiel, wie sie diesen Ort wiederholt aufsuchte. Der gefährlichste Abschnitt ihres Fluchtwegs war von dem Baum bis zum Bach, eine Strecke, die durch Wald verlief, aber wo sie kaum Versteckmöglichkeiten hatte, da dort nur schlanke hohe Tannen ohne jegliches Unterholz standen. Außerdem wusste sie nicht, wie lange sie brauchen würde, um den Bach zu finden, da sie nur aus Erzählungen wusste, wo er entsprang, ihn aber noch nie gesehen hatte. Am Bach angekommen, plante sie, im Wasser zu waten, damit die Hunde der Jäger ihre Witterung verloren. Des Nachts würde sie sich auf Bäumen verstecken. Denn sie wollte bei Tageslicht reisen.

All diese Planungen lenkten sie nicht von ihren Schuldgefühlen gegenüber Maksim ab. Ganz im Gegenteil, sie verstärkten sie und ließen sie sich mehr als einmal in dunkle Ecken flüchten, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Sie redete sich ein, dass er es verstehen würde, später, wenn sie mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter auf die Festung zurückkehrte.

Sie musste ihr, sein, Kind retten. Und Flucht war die einzige Möglichkeit dazu.

Unvergängliches Blut - Sammelband

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