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Vorwort

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Der Verlust eines Beines mag im allgemeinen für ein ernstlicheres Unglück angesehen werden als der Verlust einer Geliebten.

Dennoch wäre eine Tragödie, deren Katastrophe auf den Verlust eines Beines hinausliefe, durchaus lächerlich.

Das Unglück, das im Verluste der Geliebten liegt, hat dagegen, so gering es auch an und für sich erscheinen mag, zu mancher schönen Tragödie Anlass gegeben.

Adam Smith

Warum lieben Menschen?

Eine Antwort auf diese Frage kann nicht gegeben werden, da Liebe sich nicht mit dem Instrumentarium einer Wissenschaft, die nach Gründen forscht, begreifen lässt.

Liebe ist selbst ein Erster Grund, dem keine Ursache mehr vorgelagert ist und deshalb ein Fall für die Philosophie. Das ist zumindest die Auffassung der Schrift, die Sie gerade in Händen halten.

Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts ereignet sich grundlos, bedingungslos, ursachenlos. Sie kennt in ihrer Entstehung keine Notwendigkeit, keinen Nutzen, keinen Sinn und keinen Zweck. Noch deutlicher wird das, wenn sie von uns Besitz ergreift, ohne dass Aussicht auf Erfüllung bestünde, und sie ganz und gar den Hauptbestrebungen unseres Daseins zuwiderläuft, wie eine infektiöse Erkrankung angeflogen kommt und primär als Schmerz empfunden wird. Dennoch ist sie vorhanden und wirkt als dunkle Macht in uns . Auf die Liebe Hoffende oder (vorübergehend) glücklich Liebende verkennen das zuweilen und dichten ihr allerlei Phantastisches und Romantisches an, verknüpfen und verwechseln sie mit Empfindungen und Bestrebungen, die ihren Ursprung jenseits der Liebe haben.

Die Unfähigkeit der Gegenwart, das Wesen der Liebe zu begreifen, hängt wesentlich mit der radikalen Nutzenorientierung unserer Zeit zusammen. Alles muss irgendeinem Zweck gehorchen, wird gemessen, gewogen und beurteilt hinsichtlich des Nutzens, den es den Menschen als Individuen oder als Gesellschaft liefert. Was bringt es? Was kommt dabei heraus? Welchen Platz nimmt es in der Evolution ein? Welchen Anteil hat das Gehirn?

Damit kann Liebe nicht dienen. Sie ist kein Auswurf der Sexualität, kein Trick der Natur, kein neurologisches Phänomen und auch keine Verheißung auf außerirdisches, jenseitiges Glück. Sie kommt aus dem Nichts, taugt zu rein gar Nichts, verschwindet im Nichts.

Soziale Beziehungen, zu denen auch sexuelle Umgangsformen und Ehekonstellationen zählen, unterliegen dem historischen Wandel; der Kern der Liebe zwischen zwei Menschen aber scheint festgefügt und unwandelbar, so dass die großen Liebesgeschichten aus Mythologie, Dichtung und Film mehr verraten als sozialempirische Befunde der Gegenwart.

Als kosmischer Grundton und gestaltloser Hauch einer Hinterwelt kann Liebe nur ins Leben treten, wenn Haftungsvoraussetzungen vorhanden sind, die dem Allgemeinen seine konkrete Erscheinung verleihen. Es sind die Eintrittsbedingungen, die Verfassung der Individuen beim Erwachen der Liebe, die ihr ein dauerhaftes Gepräge geben, darin dem Eingangsmotiv einer Sinfonie ähnlich, das zu Beginn erklingt und allem was folgt seine Signatur verleiht. Familiäre Bindungen, Freundschaft, Partnerschaft verändern sich im Gang der Zeit, lösen sich oft notwendig aus den Entstehungsbedingungen ab. Liebe aber hat nur Bestand, solange das Eröffnungsmotiv nicht verstummt, was Liebenden im fortgeschrittenen Alter eine gewisse Jugendlichkeit verleiht, stammt doch die Grundmelodie ihrer Vereinigungssehnsucht aus einer längst vergangenen Zeit, in der sie noch jung waren. Beim Verlust des Urmotivs verschwindet die Liebe aus der Beziehung zweier Menschen. Übrig bleiben zwei, die „fassungslos“ geworden und verloren in den Kaffeetassen rühren, wie es Erich Kästner traurig-nüchtern im Gedicht über die „Sachliche Romanze“ beschreibt.

Beliebtheit, Kontaktfähigkeit, Glücksempfinden, Gesundheit, Zufriedenheit, Karriere, Bildung, Kindererziehung – für alles gibt es Programme, Konzepte, zu erwerbende Kompetenzen, die ein Maximum an Gelingen verheißen.

Erfolgsstreber, Kalorienzähler, Karriereplaner, Kompetenzförderer, Glücks- und Nutzenmaximierer mögen die Vorstellung von etwas Unbeherrschbarem nicht. Albträume, Angst, Krankheit, Verzweiflung, Depression und Begegnung mit dem Tode erinnern uns daran, dass die Planbarkeit Grenzen hat.

Liebe zeigt jedem, der von ihr befallen und verlassen wird – ob im kurzen Glückstaumel, im tiefsten Leid oder im schmerzlosen Verklingen -, dass es eine Macht außerhalb des Gestaltens, Wollens, Strebens und Machens gibt, die ungefragt die Seele besetzt, beherrscht und wieder aufgibt, ob es passt oder nicht.

Und waren voll Trauer und Sehnsucht

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