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Der erste Tag

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Prolog

»Hey aufwachen Schlafmütze! «

Die grelle Stimme beendete unsanft den Traum. Gemächlich sog er die Luft ein, dabei er den intensiven Geruch von frisch gesägtem Holz bemerkte.

»Ich bin nackt! Was ist da unter mir? «, wurde ihm bewusst.

Der Versuch sich aufzurichten wurde von dem Bändern unterbunden die seine Arme und Beine fixierten.

Eine einzelne Glühbirne spendete ein spärliches Licht, weshalb die Schatten ihre Dunkelheit ausbreiten konnten. An der Wand links stand ein Tisch, die Schwärze verbarg die Gegenstände darauf. Neben ihm verschmolzen die Umrisse einer Person mit dem Halbdunkel.

»Wo bin ich? «, fragte er, um die Stille zu durchbrechen.

»Was denkst du, wo du bist? «, bekam er die Antwort, nachdem der Schemen sich aufgerichtet hatte.

»Wozu haben Sie mich entführt? « versuchte er es erneut.

»Keine Angst mein Freund. Du sollst schon bald erfahren, wieso ich dich hierher brachte. «

»Was ...? «, murmelte er verständnislos und zog an den Fesseln.

»Wir beide wollen heute eine unvergessliche Zeit erleben, doch am Ende dann werde ich dich eliminieren«, sagte die dunkle Stimme.

»Ist das ein Scherz? Warum bin ich festgebunden? Wenn sie mich nicht sofort losbinden, wird mein Anwalt …«

»Was wird er dann?! «, fragte der Unbekannte spöttisch.

"Was habe ich getan! WER SIND SIE!", schrie der Gefesselte aus.

"DAS will ich dir gleich in Ruhe erklären, aber erst kurz vor deinem Tod. Ich will, dass mein Gesicht das Letzte ist, das du siehst!" Aber vorher müssen wir uns noch ein bisschen Vergnügen!"

Er trat aus dem Schatten und zog eine Sturmmaske über den Kopf. Kurz sah er noch das Kinn, dann schauten nur noch die Augen durch den Sehschlitz auf ihn herab. Der Blick war erfüllt von Hass, doch auch seltsam vertraut. Er ging hinüber zum Tisch und nahm eine Nagelpistole.

Was hat der mit der Pistole vor?“, schoss es ihm durch den Kopf.

"Ich werde dich noch etwas besser befestigen. Nur für deine Sicherheit. Sonst fällst du uns noch herunter!"

"WAS? NEIN!“ schrie er, als der Maskierte sich näherte.

Er presste das Werkzeug, auf das linke Knie und drückte ab. Das kalte Eisen durchschlug den Knochen und drang in das Holz ein.

Ein Schmerzensschrei durchbrach die Stille. Die Gesichtszüge verkrampften sich. Wieder ein durchdringender Schmerz. Er hatte ihm einen zweiten Nagel in das Knie geschossen. Der erneut aufflammende Schrei mischte sich mit einem freudigen Lachen. Als der maskierte Peiniger das zweite Knie durchschoss, begann sein Körper zu zittern.

"Was meinst du, hält das?!", fragte der Unbekannte und rüttelte an beiden Beinen.

Er schrie als Antwort, aber sagte kein Wort. Er wollte nicht die Genugtuung geben und betteln. Ein Versuch seine Würde zu erhalten, doch er wusste nicht wie lange er durchhalten konnte.

"Wollen wir doch mal sehen, ob wir die Arme auch fixieren müssen!"

"Nein bitte!", flehte er leise.

Der Schmerz in seinen Knien machte ihm die Ausweglosigkeit bewusst. Er würde nicht aufhören, womit er begonnen hatte.

Der Maskierte zog an den Armen und genoss den Scherz in den Augen seines Opfers.

Er hob die Nagelpistole an. Dann bohrten sich mehrere Nägel durch die Armgelenke. Schmerzensschreie und Freudengelächter vermischten sich erneut. Endlich zeigte sich die Ohnmacht gnädig und beendete die Folter, vorerst.

Als er wieder erwachte, dachte er, für einen winzigen Moment, dass er einen Albtraum hatte. Doch die Schmerzen zerstörten diese Illusion. Die Übelkeit schoss schnell und heftig in ihm auf. Dann ran der Mageninhalt des Mannes über die rechte Schulter, hinunter auf den Boden. Ruckartig zog sich sein Magen erneut zusammen. Diesmal traf der Schwall die Wunden am Armgelenk. Die Magensäure brannte in den noch blutenden Öffnungen. Er spähte in die Dunkelheit und sah einen Infusionsbeutel neben sich stehen.

"Also wollen wir weitermachen?", fragte der Maskierte

Er durchlebte den Albtraum, doch es wird kein Aufwachen geben. Die Erkenntnis, dass er die Nacht nicht überleben würde, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Ein letztes Mal betete er, obwohl er nie besonders religiös war. Aber in keiner Weise für sich, sondern für seine Familie, denn er hatte die Augen und die Stimme erkannt. Ein Schauer durchlief ihn, denn er hatte es nicht für möglich gehalten, dieses Augenpaar je wiederzusehen.

Eric starrte auf sein Telefon als es ihn aus dem Schlaf riss.

Wer ruft mich den bitte um 3.42 Uhr morgens an?“, fragte er sich, doch er ahnte es bereits.

"Ja", sagte er knapp.

„Hier ist Sabrina", sagte sie mit Aufregung in der Stimme.

"Moin Sabrina. Was gibt es, das nicht bis morgen früh hätte warten können?"

"Es tut mir leid, dass ich dich an deinem freien Tag so früh wecken muss. Aber wir haben hier eine große Sache. Eine Leiche wurde aus dem Hafenbecken gefischt. “

„Wo genau wurde sie gefunden?“, fragte Eric.

„An den Landungsbrücken.“

In ihrer Stimme war deutlich ihre Aufregung zu erkennen, aber Eric verstand sie gut.

"Henning wollte dich erst nicht anrufen, aber als wir die Leiche sahen, mussten wir dich einfach informieren. Sie sieht übel aus."

"Ich mach mich gleich auf den Weg", sagte er und drehte sich auf den Rücken.

"Wir halten hier so lange die Stellung."

"Gut ich beeile mich", verabschiedete er sich, ohne eine Antwort abzuwarten, legte auf und machte sich auf den Weg ins Bad.

Er öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. Sein müdes Spiegelbild begrüßte ihn von der Wand gegenüber. Er drehte den Wasserhahn auf und lies das kalte Wasser erst über seine Hände laufen, dann wusch er sich das Gesicht. Mit der linken Hand führ er sich über das Gesicht und spürte seinen kratzigen Dreitagebart. Mit der anderen Hand rieb er sich die grünen Augen, dann strich er sich die braunen Haare nach hinten.

Den freien Tag hätte er eigentlich gut gebrauchen können. Er wollte einfach mal abschalten, den ganzen Tag vor der Glotze sitzen und die Zeit verstreichen lassen. Den Kopf von allen Gedanken befreien, die sich darin angestaut hatten. Doch die Schattenseite der Polizeiarbeit, die Erinnerungen an alte Fälle, sollte er heute nicht verdrängen können. Seine Therapeutin, die er sehr unregelmäßig aufsuchte, konnte ihm dabei leider nicht helfen. Zumindest empfand er es so.

Nichts kann Erinnerungen wie diese ausradieren, aber mit der Zeit werden sie lernen wie sie mit ihnen umgehen müssen", hatte sie einmal zu ihm gesagt.

Doch Zeit war ihm wieder nicht vergönnt.

Eric schaute sich im Badezimmer um. Seine Hose hatte er über den Wannenrand geworfen, das Hemd lag auf dem Fußboden davor. Zuerst griff er sich die Hose und schlüpfte hinein. Während er mit der rechten Hand das Hemd vom Boden aufklaubte, zog er mit der linken die Zigarettenschachtel aus der Hosentasche. Einhändig öffnete er die Schachtel, zog mit den Lippen eine Zigarette heraus und steckte die Schachtel wieder weg. Anschließend warf er sich das Hemd über die Schultern und knöpfte es zu.

Auf dem Weg in die Küche zündete Eric sich die Zigarette an. Seine Gedanken kreisten nun bereits wieder um die Arbeit. Ein neues Rätzel wollte gelöst werden. Doch Eric war froh darüber, dass er sich dem nicht allein stellen musste. Auf Henning, einen langjährigen Weggefährten, konnte er sich schon immer verlassen.

Die Beiden kannten sich schon seit der Aufnahmeprüfung für die Polizeischule. Der Hannoveraner war schon immer legendär für sein Gedächtnis und seine empathische Begabung gewesen. Schon als kleines Kind schockierte er seine Familie und später auch jeden, der seine Bekanntschaft machte. Einmal hatte er Eric erzählt, wie er am ersten Schultag seine Lehrerin zu weinen gebracht hatte. Sie ahnte, dass sie von ihrem Mann betrogen wurde, doch sie versuchte, es sich von den Kindern nicht anmerken zu lassen. Als Henning ihr in die Augen sah, erkannte er, dass es ihr schlecht ging, und sprach sie darauf an. Noch am gleichen Tag übergab sie die Leitung der Klasse an einen anderen Lehrer. In den folgenden Jahren lernte er seine Fähigkeit zu kontrollieren und vor seinen Mitmenschen zu verbergen. Doch nützlich war sie sehr für ihn, gerade bei Ermittlungen. Manche Kollegen hatten ihm deshalb schon den Spitznahmen Graham gegeben, nach dem FBI Ermittler aus der Filmreihe um Hannibal Lecter.

Eric schätzte die Begabung seines Kollegen sehr, aber nur, solange er sie nicht gegen ihn einsetze und in ihm las wie in einem Buch. Vielleicht war aber genau diese Begabung der Grund für ihre enge Freundschaft. Henning verstand Eric wie kaum ein anderer Mensch und Eric konnte sich, nach all den Jahren ihrer Freundschaft, ebenfalls gut in ihn hineinversetzten.

Nach der anstrengenden Ausbildung auf der Polizeischule begann der harte Polizeialltag und ihre Wege trennten sich vorerst. Eric wurde als Kommissar zur Kriminalpolizei in Hamburg versetzt und jagte seitdem Mörder, während Henning einen Platz bei der Drogenfahndung bekam. Hier blieb er die ersten drei Jahre seiner Laufbahn und machte sich einen Namen. Seine Begabung hatte ihm während zahlreicher Verhöre von Drogendealern gute Dienste erwiesen. Doch er wollte schon immer zu den Ermittlern der Kriminalpolizei gehören, gemeinsam mit seinem Freund Eric Morde aufklären und in die Abgründe zerstörter menschlicher Seelen blicken. Eines Tages kam seine Chance.

Das neueste Mitglied seines Teams war Sabrina. Sie war vor ein paar Monaten zu ihnen gestoßen, als Hermann, ein langjähriger Kollege und erfolgreicher Ermittler, seinen verdienten Ruhestand angetreten hatte.

Als er sie das erste Mal sah, konnte er nicht glauben, dass sie sich den richtigen Job ausgesucht hatte. Blond, lange Beine, blaue Augen und ein tolles Lächeln. Eigentlich könnte Sie in einer dieser Modelshows im Fernsehen mitmachen und würde sie dann auch noch locker gewinnen. Aber ihr bedeutete all das nichts. Sie gehörte schon immer zu den Frauen, die sich lieber die Finger schmutzig machten, als sich den ganzen Tag um ihr Aussehen zu kümmern.

Schnell bereitete er sich in der Küche einen Kaffee zu, extra stark. So hatte er seinen Kaffee am liebsten, besonders zu dieser Uhrzeit.

Fünf Minuten später saß er schon in seinem Auto, einem alten 3er-BMW und schaute auf die Uhr. Es war 4.10 Uhr, die Morgendämmerung würde bald beginnen, und einen weiteren Frühsommertag einläuten.

Nach und nach werden dann die Bewohner der Stadt ihren Tag beginnen. Ahnungslos, über die Vorkommnisse der letzten Nacht. Doch schon bald werden die Aasgeier aller Medien sich auf den Fall stürzen. Dann beginnt die Unruhe.

"Tja das wird mal wieder ein langer Tag", dachte der ausgelaugt Kommissar.

Von seiner Wohnung bis zum Hafen war es nicht sehr weit. Die Fahrt würde nicht lange dauern, doch er genoss jede Sekunde der Ruhe, die ihm noch vergönnt war.

Zerstörte Leben

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