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Die Illusion des Dualismus:
Immer auf der Suche gewesen, nach einem Weg, wie man “das Leben hackt”, als wäre es eine Art
Videospiel, wo man einfach nur einen Trick finden muss und plötzlich hat man ganz viel Geld auf dem
Konto, kann alle Welten freischalten, alles bauen, anpflanzen oder kaufen, was man will. Da muss es
doch
einen Trick geben. Einen den nicht viele kennen, aber doch irgendwo irgendwer. In irgendeinem Buch
wird es stehen, in irgendeinem weit entfernten Land versteckt, wen muss ich da fragen? Vielleicht doch
Gott? Oder Allah oder Brahma oder Vishnu? Warum gibt es überhaupt über 500 Gottheiten, die noch
keiner gehört hat und die Frage nach Gott irgendwie veraltet?
Warum ist es wichtig an welchen man glaubt, ist es nicht viel wichtiger, dass
man glaubt und das tun wir in jeder Religion. Was wäre wenn alle Religionen und alle Götter eigentlich in
ihrer Essenz haargenau das gleiche sind? Ein Symbol, ein Wegweiser, nur in verschiedenen Formen, doch
auf exakt das selbe hindeutend. Symbolisiert nicht Jesus am Kreuz das gleiche, wie die buddhistischen
Lehren des Leids?
Sie alle deuten auf etwas hin. Auf etwas, das wir nicht sehen können und auch nicht mit Worten
beschreiben, wir können es versuchen, doch all die Sprachen, die die Menschheit erfunden haben kann
auch niemals der Komplexität der Realität, geschweige denn dem Übersinnlichen, Göttlichen gerecht
werden. Wie können wir überhaupt annehmen das Wort “Baum”, ein Wort aus vier Buchstaben, zwei
Vokalen und zwei Konsonanten könnte das beschreiben, was ein Baum wirklich ist, ein riesiger, uralter,
Komplex verschiedenster biologischer Systeme und chemischer Prozesse, wie eine
unfassbar intelligente, natürliche Weltbeatmungsmaschine. Baum . Okay.
Gott. Ach, na klar weiß da jeder, was gemeint ist. Vielleicht ist Gott auch ein Baum oder Gott im Baum?
Und durch das ganze Benennen und das Erfinden und Definieren zu versuchen, die Welt besser zu
verstehen und zu vereinfachen machen wir eigentlich alles nur viel komplizierter als es ist. Weil es
eigentlich doch nur ist. Doch jetzt haben wir uns mit den ganzen -mus-sen:
(Feminis(mus); Sexis(mus; Rassis(mus) Buddhis(mus)…)und den ganzen verschiedenen
Schubladen von politischen Richtungen, sexuellen Orientierungen, Religionen, Kunstrichtungen,
Sportarten… eine ganz schön komplizierte Welt aufgebaut, wobei wir ja auch niemals jemanden in eine
Schublade stecken wollen… Bei dem Versuch, Probleme zu lösen, die Dinge zu vereinfachen, haben wir
ausversehen ganz schön viele Kriege und Auseinandersetzungen verursacht, wobei man sich fragt, ob es
das Ursprungsproblem dann wert war. Doch was war nochmal das Ursprungsproblem? Nach was suchen
wir hier eigentlich, was versuchen wir? Sind wir schon soweit abgedriftet von den eigentlichen Fragen,
dass wir uns nicht einmal mehr an sie erinnern? Wobei es kann sich ja auch jeder die Fragen stellen, die er
für wichtig hält. Wir sind ja meistens, wenn möglich ein freies Land. Ich frage mich allerdings schon,
warum sich so wenige die Fragen zu scheinen stellen, die ich mich schon seit gefühlten Ewigkeiten frage.
Und vielleicht will sie auch einfach keiner mehr fragen, weil das genau wie die Gottfrage, vielleicht ein
wenig veraltet wirkt. Aber ist sie das wirklich? Was machen wir eigentlich hier, dieser blaugrüne Ball mit
vielen Tausenden Ameisenmenschen drauf, die so furchtbar beschäftigt, den täglichen Dingen nachgehen,
Papiere hin und herschieben, arbeiten auf irgendwas hin, aber keiner weiß auf was, denn auf das, was
die Menschen als Rente bezeichnen ist es sicher nicht.Das wäre ja irgendwie Quatsch, soviel zu arbeiten,
ihr Leben lang, um dann endlich, wenn ihr Leben so gut wie vorbei ist, das machen zu können, was sie
wirklich wollen. Reisen, das Leben genießen, Zeit mit der Familie verbringen, dann ja, aber vorher keine
Zeit.
Wofür? Wozu ist sie gut, die Existenz dieser Ameisenmenschen im Allgemeinen und auch im Einzelnen?
Ich habe einmal eine Nacht lang an einem Fenster über einer Kreuzung einer Großstadt gesessen. Mich
gefragt, wo die alle hinwollen, mitten in der Nacht. So viele Autos und Fahrräder, die es so furchtbar eilig
haben.
Wo die wohl hin wollen und woran sie so denken, während sie da so vorbeifahren. Sehen die die anderen
Fahrer überhaupt? Nehmen sie die vielen Menschen wahr, die sich hier aneinander vorbei bewegen?
Keiner hält an oder zögert auch nur eine Sekunde. Stelle mir vor, wie es wäre, wenn irgendjemand mal auf
die Idee kommen würde anzuhalten, in der Mitte der Kreuzung. Sich einfach dahinsetzen würde. Die
Straße wahrnehmen, all die Menschen, die Fahrzeuge. Genau da sein, einfach nur sein. Von hier oben am
Fenster, fühl ich mich, als wäre ich kein Teil davon, verstehe die Menschen nicht, die alle in ihren eigenen
Welten versunken aneinander vorbei gehen, ohne sich gegenseitig zu sehen. Auf der anderen Straßenseite
ist eine Häuserreihe verschiedener Wohnungen, die aneinander grenzen. Sehe in den Fenstern
verschiedene Leben, die doch direkt nebeneinander und doch vollkommen getrennt verlaufen. In dem
einen sitzt jemand vor seinem Computer alleine, die ganze Nacht, sehe das blaue Licht und sonst nicht
viel. In der Wohnung daneben ist mehr Licht, jemand schaut Fernsehen, in welche Ferne sie wohl sehen.
Frage mich, ob die beiden sich kennen, wissen, wie der andere ist. Stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn
jemand mal aufhören würde, mit dem was er macht. Innehalten, jemandem in die Augen schauen und
sagen “Hallo anderer Mensch, schön dass du auch hier bist. Wie ist dein Sein heute?”
Ist es nicht komisch, dass nicht jeder mit jedem redet, jedem mit der gleichen Freundlichkeit und Offenheit
begegnet als wäre es sein bester Freund? Sind wir nicht alle nur die gleichen Wanderer auf der Erde, genau
gleich verwirrt, woher wir kommen und was das alles hier soll? Alle Teil des gleichen großen und Ganzen,
aus dem selben Material, mit ähnlichen Zielen, Träumen, Wünschen und Ängsten. Wie Kekse aus ein und
demselben Teig, die sich ein Backblech im Ofen teilen. Doch ein paar sind ein bisschen dünner oder dicker
als die anderen. Sie sind alle gleich, aber eben ein wenig anders geformt, manche sind ein bisschen brauner
gebrannt, aber kein Keks würde auf die Idee kommen, einen anderen Keks auszuschließen, weil er
dunkelbraun ist und nicht hellbraun. Es sind trotzdem alle aus einem Teig. Und kein Keks würde auf die
Idee kommen, auf dem Backblech Grenzen zu malen, welche die anderen nicht mehr übertreten dürfen
und sonst als “illegal” bezeichnet werden. Auf ein und demselben Backblech!?
Wie Wellen im riesigen Ozean, manche größer, manche kleiner oder schäumiger, Teil des Ganzen, keine
Welle würde je denken sie ist nicht wie die anderen Wellen. Am Ende ist doch alles einfach Wasser. Alles
eins. Ein System, eine Welt. Eine Einheit. Und aus diesem Einheitsgedanken heraus zu leben, sich das
immer wieder vor Augen zu führen, erweckt eine unglaubliche Liebe, Mitgefühl und Verständnis für ein
jedes Lebewesen auf der Erde.
Vielleicht hätten wir nicht ganz so viele Probleme und ein bisschen mehr Verständnis und Mitgefühl,
wenn wir uns alle nur als Menschen und nicht als Identitäten sehen und vergleichen würden. Und uns
einfach nur aufs Mensch sein beziehen.
Und so bewirkt das ganze Benennen und Definieren doch nur, dass unser Gefühl vom anders sein, der
Seperation von den anderen, immer mehr zunimmt. Nicht, das Individualismus etwas Schlechtes sei, nur
das wir eben nicht vergessen sollten, dass wir doch von der gleichen Masse abstammen. Dass die Frau vor
mir im Supermarkt, die so nervtötend langsam ihre Lebensmittel auf das Fließband packt, vielleicht gerade
erfahren hat, dass sie eine tödliche Krankheit und nicht mehr lange zu leben hat und sich daher so
Gedankenversunken in einer Art Schockstarre bewegt. Dass die Blonde, für einen Montag viel zu gut
gelaunte Kassiererin, vielleicht gestern die Liebe ihres Lebens kennengelernt und deswegen auf Wolke
Sieben schwebt und all den Einkäufern ihr Lächeln schenkt. Dass so unfassbar viele verschiedene
Realitäten auf kleinstem Raum, kaum sichtbar, direkt nebeneinander, miteinander ablaufen, von denen wir
absolut keine Ahnung haben. Wir wissen nie, was sich in diesen anderen Welten abspielt, kennen nie die
ganze Geschichte. Wissen nicht, wie es ist, er oder sie zu sein.
Während ich dies schreibe, wandert mein Blick zufällig an meinem linken Arm entlang. Über die Tattoos,
die Muttermale, ein paar Narben sind auch dabei. Merkwürdig, dass mir meine Tattoos gar nicht mehr
auffallen, ich sehe sie gar nicht mehr richtig. Sie sind schon so ein fester Bestandteil meines Körpers
geworden, als wären sie eigene Körperteile an sich. Ich hinterfrage sie gar nicht mehr und weiß, dass ich
sie, entgegen fremder Erwartungen niemals bereuen werde. Gerade deshalb, weil sie so sehr zu mir
gehören, dass ich sie mir nicht mehr wegdenken kann. Ntürlich sind sie auch einfach Kunst und mein
Körper die Leinwand. Aber sie sind auch wie Erinnerungen, die einfach Teil von meiner
Vergangenheit sind, nicht zu ändern. Aber genauso meine Zukunft, denn all meine Tattoos sind Symbole
oder Mantras, die mich immer daran erinnern, was wichtige Lektionen und Werte für mich sind und
diesen Werten und Visionen immer treu zu bleiben. Eines von diesen ist zum Beispiel “Sat Nam”, ein
Mantra auf Sanskrit, das übersetzt bedeuted “ Ich bin Wahrheit” oder “ Wahrheit ist
meine Identität”, was mich daran erinnert, immer, egal was kommt, ehrlich zu sein, in meinen Taten und
Worten, aber auch immer zu meiner eigenen Wahrheit zu stehen und immer und überall die Wahrheit zu
finden und zu lieben. Ein weiteres Tattoo ist ein Schriftzug überhalb meiner Armbeuge. Illusion steht da,
auch wenn es recht schwer leserlich ist. Es erinnert mich an die Illusion des Dualismus. Die Illusion der
Seperation. Dualismus ist die Theorie, dass alles Leben getrennt voneinander stattfindet und anders ist.
Dass ich getrennt von der Welt und getrennt von anderen Menschen existiere. Und vielleicht mögen es
auch verschiedene, kleine und eigenständige Systeme sein, aber dennoch sind sie alle Teil des großen
Systems, des großen Kreislaufs und aus ein und demselben Material geschaffen.
Das Tattoo erinnert mich daran, mir immer der Illusionen bewusst zu sein, die die Realität bereithält. Und
immer wieder aus dem Wirrwarr an Illusionen und Labyrinthen in denen man -sich ach so häufig
verfängt, zurückzukehren und zu erkennen, dass alles eins ist, dass wir alle eins sind.
Und irgendwie ist mein Körper mit all den Tattoos als Erinnerungsstützen und Inspirationen auch ziemlich
gut mit diesem Buch vergleichbar. Denn es ist, genauso wie diese eine Sammlung meiner wichtigsten
Erkenntnisse, Symbole, Erinnerungen und Wegweiser, die mich immer wieder zurück zu mir selbst
bringen und die vielleicht auch anderen helfen können, sich im Dschungel des Lebens entlang zu hangeln
und die ein oder andere Illusion wieder zuerkennen.