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KAPITEL 3: LETZTER BESUCH BEI AUSGRABUNGEN ALS KIND

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Wie gewöhnlich, sonntags wohlbekannt, haben die Kinder Schulfrei und geniessen die Freiheit.

„Ich gehe zu Esra zum Spielen, Mutter.“ An einem so wunderschönen Tag, wollte sie nicht daheim bleiben, rief Semira halbwegs, unterwegs zum Haustor, zu.

„Ja, es ist gut Kind…“, noch bevor Semira das Tor zugemacht hatte. „Vergiss nicht vor dem Abendessen daheim zu sein, mein Schatz“, hörte man ihre Mutter rufen.

„Ja, Mutter ist gut“, antwortete sie zurück.

Semira schlich um das grosse Haus herum, stiehlt sich davon, ging von dem hinteren Tor in den Stall, suchte sich ein gutmutiges Pferd aus. Zum Glück war es zufällig gesattelt. Ein schönes Tier, auf welchem ihr Vater ihr reiten beigebracht hatte. Diese glücklichen Tage lagen nicht lange her. Sie sah sie in ihren inneren Augen vor sich; Semira mit ihrem Vater, unterwegs zu Pferd über Felder, Äcker, in den Wald, aber auch über die kleinen Hügel. Glücklich und Zufrieden, mit einem noch herzlichen, sorgenlosen Lächeln.

Hanifa, in der Küche, hörte einen leisen Klick, an der Stalltür. Aber als es sofort wieder still wurde, dachte sie nicht mehr drüber nach, ging ihrer Arbeit nach.

Semira wusste ganz genau wohin. Der Wunsch, um dort zu sein, ist in den vergangenen Tagen so gewachsen, dass sie ihre Eltern anlügen musste. Es war, wie eine Sucht. Na, ja nicht direkt anlügen, später würde sie Esra bitten, wenn sie gefragt würde, sollte sie antworten, Semira wäre bei ihr gewesen.

Jetzt steuerte sie an Esras Haus vorbei, alles war ruhig, nicht wie sonst. Esra stand meistens mit ihrem drei Jahre jüngeren Bruder und spielte im Vorgarten. Wie gedacht, Semira konnte ja es später erledigen und auch mitspielen, sie lenkte ihr Pferd Mondschein ohne nach Esra suchen oder auf sie zu warten, direkt zu den Ausgrabungen.

-Es ist viel passiert-, überlegte sie sich unterwegs. Die Schule, die Lehrerin, ihre Eltern, der Geistliche. Alle, aber alle redeten ihr ein…das was in ihr steckt sei verhext.

-Heute Sonntag-; sagte sie sich, „Die Arbeiter würden am freien Tag nicht auf dem Terrain sein“.

Semira brachte ihr Pferd zum stehen, sprang vom oberen Terrain in die gewühlte, nackte Erde, weiter unten. Sie war nicht krank, sie war nicht verhext, wie die anderen behaupteten. Diese Ausgrabungen, diese verwühlte Erde gehörte zu ihrem Leben.

Sie atmete die Luft dort tief ein, schloss die Augen, setzte sich in ihre Visionen, die ihr Leben erfüllten, herein. Es waren schöne, unbekannten, aber vertrauten Gefühle. Und sie wusste…es wurde ihr allmählich klar, dass sie ein Teil davon war.

Aber, was sie nicht wusste, dass in diesem Augenblick, ihre Freundin Esra, gerade bei Semiras Haus angekommen war, um ihre Freundin zum spielen abzuholen.

Geradewegs kam Semiras Vater Kasim aus dem Dorfkaffee, traf sie schon vor dem Haustor.

„Guten Tag Esra“, begrüsste Kasim das Mädchen, dass er nicht desto weniger gernhatte, wie seine eigene Tochter, da sie schon von Kindesbeinen zusammen aufgewachsen waren.

„Guten Tag Onkel Kasim“, erwiderte Esra herzlich.

13- HELENAS TRÄNEN

Er ging voraus in den Vorgarten, das Mädchen folgte ihm. Semiras Mutter sah ihren Mann, kam ihm entgegen, ihn begrüssen zu können, aus Respekt.

„Du möchtest bestimmt zu Semira, nicht wahr Kleines“, fragte er Esra, zu ihr angewandt.

„Ja, ich würde sie gerne sehen, um mit ihr zu spielen“, antwortete sie freudig.

Das Wiedersehenslächeln, welches Hanifa ihrem Mann entgegen brachte, erkaltete mit einem Schlag, als sie Esra, hinter ihrem Mann folgend, hereinkommend sah.

„Gut, komm herein, du kannst ruhig zu ihr hochgehen“, nach dem er sich mit einem Blick überzeugt hatte, dass seine Tochter nicht unter den Anwesenden war.

„Danke, das mache ich gern“, schickte Esra sich an, in Esras Zimmer zu gehen.

„Sie…ist nicht in ihrem Zimmer“, kam Hanifa ins Stocken.

„Wie soll ich das verstehen…?“ Kasim reagierte barsch darauf.

„Semira…ist gegangen…zu suchen…Esra suchen“, Hanifa hilflos.

Kasim wurde stutzig. „Esra suchen?...Ja, warum ist Esra dann hier?“

„Ich…ich…dachte“

„Was dachtest du Weib!“

Hanifa besann sich zurück, fiel in Gedanken. Sie hatte sich also nicht geirrt, als sie die Stalltür klicken hörte. Sie geriet ins Nachdenken, richtig innerlich grübeln.

„Wo ist Semira?“, fragte Kasim barsch, mit rot angelaufenem Gesicht, vor seiner Frau.

Hanifas Herz sprang fast vor Schreck, nicht vor seinem übermässigen Befehlston, sondern vor ihren eigenen Vorstellungen, was ihr zu Ohren gekommen war, wo ihre Tochter sein könnte. Und an die Folgen konnte sie sich keine Vorstellungen malen.

„Sprich…wo ist Semira!“, brüllte Kasim seine Frau an.

„Ich…“, konnte sie nur heraus bringen, vor Angst und Schrecken, die gutmütige Frau.

„Ich..ich glaube, ich weiss es, bei den alten Ausgrabungen“, antwortete Esra in zittriger Stimme mechanisch, weil sie nicht mehr ansehen konnte, wie Semiras Mutter vor Vaters Zorn immer mehr verunsichert und eingeschüchtert wurde.

„BEI DEN AUSGRABUNGEN?“, wiederholte Kasim laut, mit immer noch rot angelaufenem Gesicht, weiter vor Wut und Ärger. Seine Tochter tat wieder unerlaubtes, unverzeihliches. Er lief zum Stall brannte vor seinen männlichen, gekränkten Stolz.

„Bey…“ Hanifa will ihn davon abhalten, rannte ihm nach.

„Geh mir aus dem Weg und aus meinen Augen“, Kasim stiess seine Frau zur Seite.

Hanifa kannte ihren Mann so lange. Aber dieser Wutausbruch war ihr nicht bekannt, so gross…so mächtig. Sie konnte sich nicht helfen, wie sollte sie ihrer Tochter beistehen. Sie sah mit verweinten Augen, wie ihr Mann in kürzester Zeit davon galoppierte, horchte noch lange zitternd den Hufschlägen nach.

„Entschuldigung…ich wollte nur…“, Esra geplagt vom schlechtem Gewissen, weiss sie nicht, wie sie sich entschuldigen sollte, dass sie ihre Freundin verraten, worauf sie ihr hoch und heilig versprochen hatte, bei allem Respekt, was sie getan hatte…wollte sie schliesslich eine Frau helfen, die vor ihrem Mann verloren vorkam.

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Hanifa konnte ihr nicht antworten. In ihrem Kopf dröhnten immer noch die galoppierenden

Hufschläge, und ihr unendliches Weinen um ihr einziges Kind.

Als der Vater bei den Ausgrabungen angekommen war, war Semira gerade damit beschäftigt, sich mit dieser Gegen wieder vertraut zu machen. Ihre Visionen konnte sie nicht mehr so richtig einsetzen, weil sie unterbrochen wurde.

„SEMIRA!“, die kraftvolle, barsche Stimme dröhnte fast in der ganzen Gegend.

Semira drehte sich zu der Stimme um. Es dauerte einige Zeit, bis sie ihre Augen öffnete.

Ihr Vater stand mit seinem verletzten, männlichen Stolz halb-göttisch oben. Auf dem oberen Terrain, von oben herab, sah er auf seine Tochter.

„Ja.“ Es kam nur mechanisch aus Semiras Mund heraus. Wieder, eigenartiger Weise, sprach sie das „VATER“ nicht aus.

„KOMM DA SOFORT RAUS!“

Es war ein Befehl und kam von ihrem Vater, Semira wusste, was sie zu tun hatte, sie folgte, trat aus den Ausgrabungen und stellte sich vor sein Angesicht. Als sie vor ihm stand, sah sie ihn ohne Reue, ohne Angst.

„Ja, Vater…“, jetzt kam sie zu sich, sie war wieder in dieser Welt, in der Gegenwart in der sie existierte.

„Kannst du mir erklären, was du hier zu suchen hast?“ Sie konnte es sich selber nicht erklären, was, ihre Augen schauen unterwürfig zum Boden. „Ich verbiete dir in Zukunft, je wieder hierher zu kommen und dieses Stück-Land“, zeigte auf das verwühlte Grundstück, „…zu betreten oder zu besuchen.“ Er ist so wütend, er überrollte sich in seiner eigenen Sprache.

„Ja, Vater“, antwortete Semira wieder unterwürfig.

„Du reitest heim und bleibst dort für immer, hast du mich verstanden!“

„Ja, Vater“, und sie folgte.

Semira stieg auf ein Stück Stein, damit sie das grosse Pferd besteigen konnte und ritt davon, heimwärts zu, wie ihr Vater ihr befohlen hatte.

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