Читать книгу Die Wunder - Serendipity bibel - Страница 11
Heutige Probleme mit Wundern
ОглавлениеViele Menschen haben mit Wundern an sich Schwierigkeiten. Jahrhundertelang wurden sie als Beweise für die Berechtigung des christlichen Wahrheitsanspruchs angesehen; aber heute betrachten viele Christen sie nur als Anstoß erregende Relikte, die in unserer modernen Welt einfach fehl am Platze sind. Man sieht in ihnen so etwas wie unangenehme Verwandte, die man Freunden erst gar nicht vorstellen möchte: Sie gehören zwar zur Familie, aber man ist froh, wenn das niemand bemerkt.
Diese Ansicht entspringt einer Weltsicht, die sich durch die Aufklärung verbreitet hat. Auf eine einfache Formel gebracht: Es gibt in dieser Welt keinen Platz für Wunder, weil es keinen Platz für einen Gott gibt, der in Raum und Zeit Wunder tut. Während die Schreiber der Bibel an die Souveränität Gottes über alles, was geschieht, glaubten, denkt der heutige Mensch in den Bahnen der Naturgesetze und den Kategorien von Ursache, Wirkung und physikalischen Eigenschaften. Und falls das Übernatürliche überhaupt eine Rolle spielt, geht man von einer klaren Trennung zwischen einem naturwissenschaftlichen und einem spirituellen Bereich aus. Solch eine Sicht erkennt zwar an, dass die geistliche Dimension für das Innere des Menschen Bedeutung haben kann, aber eine Verbindung zwischen dieser inneren, geistlichen Welt und der „Realität an sich“ wird bestritten.
Die Schreiber der Bibel unterteilten ihre Welt jedoch nicht in solche voneinander hermetisch abgetrennte, heilige und weltliche Bereiche. Der Begriff „Naturgesetz“ war eine unbekannte Kategorie. Stattdessen stand das ganze Leben jederzeit unter der Kontrolle Gottes. Die Regenzeit im Frühjahr wurde nicht als natürliche Folge eines komplexen Wettergeschehens betrachtet, sondern als Gottes Geschenk, das die Fruchtbarkeit des Landes erneuern sollte. Wunder durchbrachen nicht von Gott unabhängige Naturgesetzmäßigkeiten und waren auch nicht überraschende Glücksfälle (die nichts mit Gott zu tun hatten). Sie waren Auswirkungen und erfahrbare Demonstrationen der besonderen Gegenwart Gottes. Die spirituelle Welt hatte großen Einfluss auf die physikalische.
Im Gegensatz dazu sieht der Mensch der modernen, technisierten Welt in Geschichte und Natur nur die Naturgesetze am Werk. Man geht davon aus, dass die Welt ein geschlossenes System von Ursache und Wirkung ist, das man untersuchen und verstehen kann. Eine solche Sicht schließt per Definition die Möglichkeit übernatürlicher Einflüsse aus. Diese Weltanschauung widerlegt allerdings nicht die biblischen Wunder; sie setzt lediglich voraus, dass sie nicht durch Einwirken von etwas Übernatürlichem geschehen sein können, und sucht nach alternativen Erklärungen.
Die Frage nach den Wundern ist in letzter Konsequenz die Frage nach dem Glauben.
Entweder glaubt man wie die Schreiber der biblischen Berichte, dass es einen Gott gibt, der frei ist, in seine Schöpfung einzugreifen. Oder man glaubt, dass die Welt ein geschlossenes System von Ursache und Wirkung ist, in dem nur natürliche Kräfte wirken. Beide Positionen gehen von einer Annahme aus und deuten die Wirklichkeit aufgrund dieser Annahme. Weder haben diejenigen, die die zweite Position vertreten, mehr Information oder Erkenntnis als die erste Gruppe, noch ignorieren diejenigen, die an der Realität der Wunder festhalten, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten vierhundert Jahre. Diejenigen, die an Wunder glauben (und zu ihnen gehören viele Naturwissenschaftler), sehen einfach keinen zwingenden Grund, auszuschließen, dass Gott in die Natur eingreifen kann. Die Möglichkeit von Wundern grundsätzlich abzulehnen, stellt für sie nicht die wissenschaftliche Haltung schlechthin dar, sondern allenfalls eine philosophische Position, die aufgrund von Einsichten bezogen wird, die selbst nicht mehr naturwissenschaftlicher Natur sind.