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Sven Sebestas letzer Fall
ОглавлениеMein Name ist Sven Sebesta. Mein Büro liegt im dritten Stock eines Hauses, das aus mir schleierhaften Gründen bislang von der Abbruchgesellschaft verschont geblieben ist. Ich könnte freilich ein wenig recherchieren, aber mit der Abbruchgesellschaftsmafia will ich mich nun wirklich nicht einlassen. Die arbeiten naturgemäß viel mit Beton.
Seit vier Jahren verdinge ich mich nun als Privatdetektiv. Woher das Wort verdingen kommt, habe ich übrigens nie verstanden. Vier Jahre, in denen ich durchaus gezwungen war, mich mit dem Abschaum der Menschheit zu arrangieren. Diese Stadt ist voller Kreaturen, die für einen schnellen Dollar bereit sind, Dinge zu tun, für die man einen schnellen Dollar kriegt.
Manchmal denke ich daran, die Stadt zu verlassen und mich irgendwo in einer kleinen Gemeinde auf dem Land niederzulassen. Aber in meiner Profession hätte ich da wohl nicht soviel zu tun, außer den üblichen Eifersuchtsdramen: der Knecht vom Huber Bauern geht mit dem Pferd vom Schmidt Bauern fremd und ich müsste kompromittierende Fotos von den beiden im Pavillon beschaffen. Da bin ich doch lieber in der Stadt. Der Job ist manchmal das Weiße vom Ei, aber ich kann damit meine Brötchen finanzieren. Andere haben nichtmal Brötchen. Andere wiederum haben Langusten. Aber ich mag Fisch sowieso nicht.
Es war ein staubiger Apriltag. Ich hatte gerade aus meinem Buchmacher einen letzten Vorschuss rauswringen können und wusste, es musste bald wieder ein Fall her. Eine untreue Ehegattin. Ein missgünstiger Kollege. Ein Kind, das Lollis an den Meistbietenden verschachert. Irgendwas. Der Whisky begann mir auszugehen.
Und während ich noch so da saß und sinnierte, kam sie herein.
Was soll ich Ihnen sagen?
Zum ersten Mal wußte ich, warum ich gerade diesen Job gewählt hatte und nicht Fensterputzer oder Dentalhygienikerin geworden bin. Es war nämlich wie im Film. Ich fiel wie aus allen Wolken.
Ihre Brüste glichen Bananen, ich meine natürlich Melonen. Sie waren so prall als wären zwei Paar Brüste einfach aufeinandergeschraubt worden.
Ich habe des öfteren Klientinnen, mit Brüsten, prall wie Melonen. Und Beinen, prall wie Melonen. Und Armen. Und Hintern. Und der Kopf. Man könnte sagen, meine durchschnittliche Klientin hat mehr Ähnlichkeit mit dem Michelinmännchen als mit Claudia Schiffer.
Der Engel, der gerade durch meine Tür hereingeschwebt war, trug ein schmuckes, oranges Kostüm. Ihre schwarzen Haare waren unter einem braunen Hütchen versteckt.
"Mr. Sebesta?"
"Das bin ich. Aber nennen Sie mich Sven."
Elegant sprang ich hinter meinem Schreibtisch hervor, um ihr den Besucherstuhl zurechtzurücken, stolperte dabei über das Telefonkabel und knallte mit der Fresse auf den Boden. Ich war verliebt und verlor einen Zahn.
"Sind Sie verletzt?" fragte sie.
Ich stand auf, spuckte Blut und rearrangierte mir den Kiefer.
"Geht schon."
Ich rückte ihr den Sessel zurecht, sie nahm Platz.
"Mein Name ist Susan Bookhalter. Ich möchte mit Ihnen über das Verschwinden meines Vaters sprechen."
"Bookhalter?" fragte ich und goss mir meinen letzten Whisky ein, "der Nachtclubkönig?"
Susan nickte.
"Der Gründer vom Moulin Blue?"
Susan nickte.
"Ei der Daus!" sagte ich.
"Ich habe mit Daddy vorletzten Sonntag noch im Moulin Blue zu Mittag gegessen. Er war voller Pläne und hat mir erzählt, dass er im Sommer zur Erholung nach Kalifornien, USA will. Und jetzt ist er seit zehn Tagen spurlos verschwunden."
Sie nannte ihren Vater Daddy. Ich fragte mich, ob ich sie soweit kriegen würde, mich auch Daddy zu nennen. Das ist so ein Nacho-Ding. Ich meine natürlich Macho-Ding.
"Wieso gehen Sie eigentlich nicht zur Polizei?" fragte ich.
"Mein Vater ist Geschäftsmann, Mr. Sebesta. Er arbeitet in einem Milieu, das von allerlei seltsamen Gestalten bevölkert wird. Von zwielichtigen Gestalten. Auch mein Vater war im Geschäftsleben durchaus...zwielichtig."
"Sie meinen, überall wo er hinging, war so ein schummriges Licht und man konnte nie so genau sein Gesicht sehen, und die Luft war verraucht, und es war immer Dämmerung, selbst zu Mittag, meinen Sie das?"
"Nein, ich meine, dass mein Vater durchaus Kontakt zum Verbrechen hatte, Sie Doofie. Er führte immerhin einen Nachtklub!"
"Nun mal langsam mit den jungen Fröschen."
"Heißt das nicht langsam mit den jungen Pferden?"
"Ist das nicht Jacke wie Ärmel?"
"Heißt das nicht Jacke wie Hose?"
Ich schüttelte den Kopf, der mir schwer wurde.
"Hatte Ihr Vater denn Feinde?" fragte ich und wünschte mir noch einen Whisky. Wünschwünschwünsch. Er kam nicht.
"Berkowits natürlich."
"Berkowits, der farbenblinde Fahrlehrer?"
Susan verneinte.
"Berkowits, Autor des Millionenbestsellers Frauen putzen anders?"
Susan verneinte.
"Berkowits, der nihilistische Countrysänger?"
Susan verneinte. Ganz plötzlich hatte ich einen Verdacht.
"Berkowits der andere Nachtclubkönig?"
Susan nickte.
"Genau den. Als ich Daddy vor zwei Wochen besucht habe, saßen wir im Moulin Blue in seinem Büro. Und plötzlich springt die Türe auf und dieser Berkowits steht im Türrahmen. Er schreit Bookhalter, ich werde nicht ruhen, bist ich dich ruiniert habe! Diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide! Einer muss weg und dieser eine werde nicht ich sein!!"
"Sie verdächtigen also diesen Berkowits-Typen?" sagte ich.
"Das tue ich."
Ich zündete mir eine Zigarette an.
"Dann werde ich mir den Typ mal ein bisschen genauer ansehen, Baby!"
"Ich sage das nur ungern", formulierte Susan, "aber ihre Krawatte steht in Flammen."
*****
Berkowits, schätzte ich, war Bookhalters Todfeind.
Captain Flint von der hiesigen Polizei war meiner. Fies und mies sein war alles, was ihn interessierte. Er hätte jederzeit die Hauptrolle in dem Film Captain Flint ist ein kompletter Bastard übernehmen können. Er mag mich nicht. Er hält mich für einen Versager. Ich trinke besseren Whisky und schlafe länger. Er hat zu viele Kilos und vermutlich kriegt er keinen mehr hoch.
Als wir uns das erste Mal begegnet sind, sagte ich Sie haben zu viele Kilos und vermutlich kriegen Sie keinen mehr hoch.
Und er haute mir ein paar in die Fresse und warf mich ins Kittchen.
Drei Tage lebte ich in der Zelle ohne einen Lolli, dafür aber mit dem Psychokiller Big Joe, der es auf meinen zarten, babyweichen Hintern abgesehen hatte.
"Ich will einen Kuss!" sagte er.
"Oh lieber Freund", sprach ich, "wie klug und feinfühlig von Ihnen, Ihre Gefühle so offen auszu-sprechen, sie nicht zu verstecken, wie so viele Menschen es tun. Wieviel Elend es mit sich bringt, seine Wünsche, Bedürfnisse und Nöte zu verdrängen. Sollen doch alle Menschen auf dieser schönen Welt ihre Herzen sprechen lassen! Frei sind sie geboren und frei sollen sie leben, ohne Angst vor Repressalien, die ihnen ein schlechtes Gewissen oder ein verdrängter Traum auflegen! Aber wenn du mich anfasst, bring ich dich um."
Big Joe gab dann Ruhe.
Mit solchen Leute muss ich mich abgeben.
Und jetzt auch noch mit diesem Berkowits.
Ich wollte in aller Ruhe ermitteln. Dafür war natürlich eine Verkleidung notwendig. Ich liebäugelte kurz mit meinem Napoleonkostüm, entschied mich dann aber doch für die Klempnerparnier.
Mit Käppi, blauen Latzhosen, einem Rollkragenpullover und einem Schnurrbart radelte ich auf meinem Rad in Richtung Moulin Pink, Berkowitzens Nachtclub.
Ein Polizeiwagen zwang mich zum Stehenbleiben, ich bremste.
Ein Polizist stieg aus.
"Verkehrskontrolle!" sagte eine bekannte Stimme. Das zugehörige Gesicht war das von Flint.
"Na, wohin fahren wir denn?" fragte er.
"Ich bin Klempner von Beruf", sang ich.
"Na dann zeigen Sie mir mal ihre Zulassung", forderte Flint grinsend.
"Meine Zulassung, meinen Sie?"
"Ja, ich will Ihre Zulassung."
"Das ist das Ding, wo draufsteht, dass ich als Klempner zugelassen bin, oder?"
"Ja, sowas nennt man Zulassung und die will ich jetzt sehen!"
"Achso, meine Zulassung! Ich habe keine. Hören Sie Flint, Sie wissen genau, das ich es bin!"
Ich nahm den Schnauzer runter und mein Käppi ab.
"Sven Sebesta, der Detektiv!" erklärte ich, "und jetzt halten Sie mich nicht auf, ich muss arbeiten!"
"Für mich sind Sie nur ein schmutziger kleiner Betrüger, der sich als Klempner ausgibt und vermutlich schwarz arbeitet. Für solche Leute ist in diesem Land kein Platz!"
Und er haute mir ein paar in die Fresse und sperrte mich drei Tage in die Zelle zu Big Jim, dem Psychokiller. Der hatte es auf meinen zarten, babyweichen Hintern abgesehen.
"Ich will einen Kuss!" sagte er.
"Mein lieber Freund", sprach ich, "seien Sie versichert, dass ich Ihre Offenheit zu schätzen weiß! Sie stehen zu Ihren Gefühlen und sagen sie klar heraus! Sie sind keiner, der Intrigen spinnet, Dünkel säet oder gar Zwietracht entfachet, wie einen finstren Sturm am Firmament. Nein, ein aufrichtiger Kerl blüht vor mir auf! Viele andere Menschen könnten in Ihrer Geradlinigkeit ein leuchtendes Beispiel finden, das sie der Seligkeit ein Stückchen näher bringt! Ich bewundere Sie! Aber wenn du mich anfasst, schlag ich dich tot!"
Big Jim gab dann Ruhe.
So kann ich wirklich nicht arbeiten.
Wieder in Freiheit beschloss ich, direkt in Berkowits' Nachtclub unterzukommen, um dort in aller Ruhe zu ermitteln. Als Tarnung musste der Bauchredner-Act mit Assistent Shorty herhalten. Wie der Name schon sagt, ist Shorty nur einen Meter groß und verdingt sich als Gelegenheitsarbeiter. Da. Schon wieder. Verdingt. Furchtbares Wort.
*****
Ich saß mit Shorty auf dem Schoß im Büro von Berkowits, dem anderen Nachtklubkönig. Dieser machte ganz auf Geschäftsmann und trug einen Anzug, an der Wand hing ein Diplom. Auf dem Kopf hatte er einen Cowboyhut, im Mund eine Zigarre, an der Krawatte eine diamantene Krawattennadel. Er wirkte elegant und aufgeräumt und war auch durchaus nicht unfreundlich.
"Sie möchten also hier bei mir im Moulin Pink als Bauchredner auftreten!" begann er.
"Das ist mein Begehr", sagte ich.
"Ich hab ein riesiges Ding!" schrie Shorty.
"Nicht schlecht!" kicherte Berkowits, "können Sie auch die Nummer mit der Milch?"
"Ich mach es lieber mit Whisky!" sagte ich lässig.
Berkowits schob mir ein volles Glas rüber. Ich trank genüsslich.
"Ich hab ein riesiges Ding!" rief Shorty.
"Gefällt mir echt gut!" freute sich Berkowits und lachte laut.
"Jetzt passen Sie auf!" sagte ich und zog eine Karotte aus meiner Tasche und begann darauf zu kauen.
"Ich hab ein riesiges Ding!" rief Shorty.
Berkowits fiel vor lauter Lachen vom Sessel.
"Jungchen!" versicherte er mir dann kichernd, "Sie sind ein humoristisches Genie! Ich engagiere Sie für eine Vorstellung pro Tag, am Wochenende zwei!"
"Das gefällt mir!" sprach ich.
"Pass auf, dass er dich bei der Bezahlung nicht beschummelt, das fiese Stück Scheiße!" rief Shorty.
Stille brach aus.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören.
Also fallen natürlich nicht, aber aufprallen.
Berkowits Gesichtsbacken, die eben noch fröhlich aufgebläht waren, schlafften nach unten, die Zigarre fiel ihm aus dem Mund. Seine kleinen Schweinsäuglein röteten sich. In der Ferne heulte ein Hund.
"WAS HAT ER GERADE GESAGT?!" brüllte Berkowits.
"Pass auf, dass er dich bei der Bezahlung nicht beschummelt, das fiese Stück Scheiße!" wiederholte Shorty.
"Es ist die Freude über das Engagement!" versuchte ich zu beschwichtigen.
"Sonst prügle ich ihn windelweich...", rief Shorty.
"Still jetzt!" zischte ich.
"...mit meinem RIESIGEN DING!!" schloss Shorty.
Berkowits gluckste kurz, dann lachte er dröhnend, sein ganzer Bauch wackelte fröhlich mit.
Die Tür sprang auf und ein untersetzter Herr im billigen Anzug stürmte ins Büro.
"Boss, Boss!" rief er.
Berkowits drehte sich wütend zu ihm.
"Waldo, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du anklopfen sollst, bevor du reinkommst!"
"Aber Boss", stammelte Waldo.
"Nichts da. Dir hätte man rechtzeitig Manieren einprügeln sollen. Jetzt bleibt es wieder an mir hängen. Also noch mal raus mit dir, huschhusch. Dann klopfst du an und ich sage herein. Und dann kommst du herein und sprichst von deinem Begehr. Verstanden?"
"Aber Boss", stammelte Waldo.
"RAUS MIT DIR!"
Waldo zuckte die Achseln, ging wieder nach draußen und klopfte an die Tür.
"Herein, herein!" sagte Berkowits.
Waldo trat ein.
"Boss, die Stiere sind auf dem Weg hier her!"
"Die Stiere?!" fragte Berkowits, "ich hab dir das schon hundertmal gesagt: es heißt BULLEN, nicht Stiere. Wann wirst du Ochse das endlich kapieren?!"
"Aber Boss...", stammelte Waldo.
"Nichts da, wir werden das solange durchspielen, bis du es begriffen hast!"
"Aber Boss...", stammelte Waldo.
"RAUS MIT DIR!"
Waldo zuckte die Achseln, ging wieder nach draußen und klopfte an die Tür.
"Herein, herein!" sagte Berkowits.
Waldo trat ein, erneut.
"Boss, die Bullen sind auf dem Weg hier her und ich habe einen Sack Kokain bei mir!" war Waldo ganz hektisch.
"Warum hast du Idiot das nicht gleich gesagt?!" kam Berkowits in Panik, "wir müssen den Stoff verstecken!"
"Geben Sie ihn doch in den Tresor an der Wand, der als Bild getarnt ist!" schlug Waldo vor.
"Du Depp, wie oft soll ich dir noch sagen, dass das ein Bild an der Wand ist, das als Tresor getarnt ist!!"
"Was sollen wir tun?" fragte Waldo zappelnd. Draußen waren schon Polizeisirenen zu hören.
Berkowits' Blick fiel auf mich.
"Gerettet!" rief er erleichtert und schnappte sich Shorty, "Wir verstecken den Stoff einfach in der Puppe!"
"Formidable Idee, Boß!" rief Waldo.
"Wie oft soll ich dir noch sagen, dass das Wort formidabel nicht gangstergemäß ist?!" rief Berkowits.
"Aber...meine Puppe!" rief ich.
"Ich kauf Ihnen eine neue!" rief Berkowits und schaufelte Shorty die Drogen in den Schlund.
Einen Sack Koks.
Ich schluckte, damit meine Tarnung nicht aufflog ließ ich mir aber nichts anmerken und hoffte, dass Shorty eine gute Konstitution hatte.
"Machen Sie auf, Berkowits!" sagte eine Stimme von draußen, die ich unzweifelhaft als die von Flint erkannte.
"Komme gleich!" flötete Berkowits.
"Hier spricht Inspektor Flint! Ich möchte mich mal bei Ihnen umsehen!"
"Sofort!" flötete Berkowits und setzte mir den vollgestopften Shorty wieder auf den Schoß.
"Und keinen Mucks!" flüsterte Berkowits mir zu.
Der Chef vom Moulin Pink nickte Waldo zu und dieser öffnete die Türe. Shorty begann auf meinem Schoß zu zucken. Flint trat ein. Shorty’s linkes Augenlied zwinkerte mit einer Geschwindigkeit von 150 Kilometer pro Stunde.
"Jetzt sind Sie dran Ber-", begann Flint, dann fiel sein Blick auf mich, "was wollen denn Sie hier?!"
Shorty begann zu knurren.
"Ich versuche neue Einkommensquellen zu finden", erklärte ich.
Shorty vibrierte auf meinem Schoß.
"Ich habe ein Riesending!" rief er.
"Ich glaube das haben wir heute schon gehört", bemerkte Berkowits.
"Nämlich einen Gummiknüppel!" rief Shorty, sprang auf den Tisch, schlug zwei Räder zu Flint und zog ihm denselben aus seinem Gürtel.
Eines habe ich bei diesem Fall gelernt: unterschätzen Sie niemals einen ein Meter großen Kerl der bis oben zu voll mit Koks ist. Das können Sie jetzt mit nach Hause nehmen.
Shorty rammte den Stock gegen Flints Knie. Der Inspektor sackte stöhnend zusammen.
"Beschütze mich!" krächzte Berkowits und versteckte sich hinter seinem Assistenten. Waldo packte sich die Stehlampe und wollte damit Shorty abwehren. Mein enthusiasmierter Assistent packte sich die Lampe und biss sie in zwei Teile.
"Eine gute Lampe, eine schöne Lampe!" fauchte er, "aber satt bin ich noch nicht!"
Und er machte einen Satz vorwärts und hing schon mit seinen Zähnen an Waldos Nase fest.
"Uaahhrgg!" schrie Waldo und die Tränen spritzten ihm aus den Augen.
"Du verdammter Scheißhaufen!" wütete Flint und näherte sich mir wie ein Cowboy beim Neun-Uhr-Duell, "du hast mir das letzte Mal in meine Arbeit gepfuscht! Im Garten von dem Typen haben sie die Leiche von Jem Bookhalter gefunden! Das ist mein Fall! Nicht deiner!"
Waldo drehte sich kreischend im Kreise, an seiner Nase hing Shorty und genoss sein Leben.
"Bei Anfragen," sagte ich zum näher kommenden Flint, "wenden Sie sich an meinen Assistenten. Oder sind Sie nicht Mann genug, es mit einem Zwerg aufzunehmen?!"
Wie auf Befehl ließ Shorty Waldos Nase los, flog drei Meter durch die Luft, knallte gegen die Wand, rammte einen Sessel, dass dieser in seine Bestandteile zerbarst, katapultierte sich aufs Sofa und landete schließlich genau auf Flints Kopf.
"Ich verscheißer mich!" rief Waldo und war schon bei der Türe raus.
"Das heißt Ich verpiss mich!" machte Berkowits deutlich und Flint fragte er: "Was soll das heißen, die Leiche von Jem Bookhalter liegt in meinem Garten?!"
"DER KERL REISZT MIT DIE HAARE AUS!!" schrie Flint, aufdessen Haupt ein kleiner Mann arbeitete.
"Hehe!" sagte Shorty.
"Das sind Unterstellungen der übelsten Sorte!" gab sich Berkowits ganz unschuldig.
"DER KERL KNABBERT AN MEINEM OHR!!" schrie Flint.
"Hoho!" sagte Shorty.
"Ich war kein Freund von Bookhalter, aber umgebracht habe ich ihn nicht!" stellte Berkowits klar.
"UND SEINE FAUST STECKT IN MEINER NASE!" schrie Flint.
"Hihi!" sagte Shorty.
"Na dann schauen wir uns Ihren Garten doch einmal an", schlug ich vor.
"Ich habe nichts zu verbergen", sagte Berkowits.
"AAAARRGGHHH!" schrie Flint.
"Huhu!" sagte Shorty.
*****
Ich saß auf meinem Sofa, Susan daneben, einschmeichelnder Gesang schwebte aus dem Plattenspieler durch die Wohnung, auf dem Tisch stand eine schöne Flasche Wein. Aus dem Altglascontainer. Wein aus dem Tetrapak hatte ich hinein geleert. Das Sofa war von Ikea, der Gesang von einem Frank-Sinatra-Imitator.
Ich wollte Susan die Lösung des Falls präsentieren. Ich wollte außerdem herausfinden, ob sie mich auch Daddy nennen würde. Ich wollte außerdem wissen, ob sie nicht vielleicht einen reichen Onkel hatte, der verschwunden war. Oder zumindest einen, der an einem Bauchredner-Act interessiert war.
"Tja Susan, Ihr Vater ist zwar leider tot, aber der Übeltäter ist gefasst", sagte ich in schmeichelhaftem Tonfall, "Berkowits leugnet zwar, aber die Fakten werden ihn überführen."
"Sven-"
"Ich weiß, dass das natürlich eine harte Sache ist. Ihr Vater so einfach tot. Nie wieder wird er Ihnen einen Lolli schenken, das muss sehr schmerzlich für Sie sein."
Susan trank einen Schluck Wein.
"Nicht so schmerzlich wie der Wein hier", sagte sie mit angewidertem Gesicht.
"Sie sind ja ganz schön hart."
"Wissen Sie, Mein Vater und ich haben uns nicht so gut verstanden."
"Warum das?"
"Er war sehr konservativ. Er wollte, dass ich einmal sein Geschäft übernehme. Aber Nachtclubs haben mich nie interessiert."
"Und was interessiert Sie, Schönste?"
"Ich habe mein ganzes Leben der Erforschung von Aliens gewidmet. Außerdem bin ich Lesbierin."
Mit einem Mahl hatte ich kein persönliches Interesse an dem Fall mehr. Es ist nie gut, sich etwas mit Klientinnen anzufangen. Das würde ich ihr sagen, auch wenn es verdammt schwer für sie sein würde. Zuerst verliert sie ihren Vater, dann ihre große Liebe. Aber das Leben ist hart, und ich bin nicht Mutter Teresa. Und schon gar nicht Vatter Teresa.
"Eigentlich bin ich da, um Ihnen die wirkliche Lösung zu präsentieren", sagte sie ernst, "mein Vater wurde nämlich entführt."
Sie zog einen zerknitterten Zettel aus der Tasche und reichte ihn mir. Darauf stand, in krakeliger Kinderschrift zu lesen:
Erdlinge! Wir möchten in Frieden mit euch leben! Aber wir wollen von euch akzeptiert werden! Wir glauben an euch! Also glaubt auch an uns!! Jem Bookhalter hat nicht an uns geglaubt. Als er schlief, haben wir ihn entführt, um ihn zu zeigen, dass es uns wirklich gibt. Als er dann bei uns im Raumschiff aufwachte, erschreckte er so sehr, dass er verschied. Wir haben seine Leiche im Garten eines gewissen Berkowits abgeladen. Mit freundlichen Grüßen, eure Außerirdische.
"Der Zettel lag heute morgen in meiner Post", sagte Susan.
"Ähem", begann ich, "ich komme nicht umhin, zu bemerken, dass diese...Nachricht auf einem schmuddeligen kleinen Stück Papier mit einem extrem schmierigen Kuli geschrieben worden ist."
Susan nickte.
"Ich habe mir immer vorgestellt, dass Außerirdische extrem hoch entwickelte Lebensformen sind, die ihre Nachrichten über ein furchtbar kompliziert vernetztes Netzwerk aus Netzen an uns senden", meinte ich.
Susan lachte spöttisch.
"Das ist die übliche Propagande von der Scheiß-Nasa! Außerirdische kochen auch nur mit Wasser!"
Die Frau wurde mir langsam unheimlich.
"Ich muss das schon erklären", sagte sie schnell, "diese Außerirdischen sind ganz tolle Leute, wie du und ich. Sie haben Gärten und mögen Opern und sind ur sensibel und pflegen sich und können gut tanzen und sind überhaupt total kulturell interessiert!"
Hörte sich an wie so eine überwutzelte Frau in einer Nachmittagstalkshow, die sich für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen einsetzen, weil die so lieb sind und so feinfühlig und so kreativ und so einfühlsam. Was man anscheinend wird, wenn man permanent auf öffentlichen Toiletten herumhängt, immer auf der Suche nach ein wenig Empfängis. Der einzige Unterschied war, dass es Homosexuelle tatsächlich gibt, Außerirdische aber nicht.
Die Frau musste ich loswerden. Schnell stand ich auf und führte sie zur Türe.
"Miss Bookhalter. Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch. Der Fall ist geklärt, Sie bekommen meine Rechnung zugesandt."
Tür auf, raus damit.
*****
Am nächsten Abend trottete ich mit Shorty durch die dunklen Gassen. Ich war müde und fühlte mich geschafft.
"Shorty, ich bin reif für den Urlaub", sagte ich.
"Wo willst du denn hin?" fragte er, als wir in die dunkle Seitengasse, die zu meinem Büro führt, einbogen.
"Ich weiß nicht. Immer nur diese dunklen Seitengasse sind langweilig. Ich will mal was Neues sehen, was Interessantes. Nicht immer die selben langweiligen Großstadtgesichter, verstehst du?"
Shorty nickte.
"Geht mir genauso!" pflichtete er mir bei.
Zuerst war es nur ein kleiner Lichtpunkt auf dem Boden. Dann wurde er größer und größer, wie ein Loch, das sich auftut.
"Was ist das, Boss?" fragte Shorty.
"Ich habe keine Ahnung", sagte ich, dann hörte ich ein immer lauter werdendes Brummen. Wind zog auf, der Lichtfleck am Boden hatte bereits einen Durchmesser von vier Metern.
Ich schaute nach oben. Das Raumschiff war um die 12 x 12 x 7 Meter groß und leuchtete. Shorty und ich kamen in den Einfluss des Lichtkegels und wurden schwuppdiwupp nach oben in das UFO gesaugt.
*****
Die Erde ließen wir hinter uns. Shorty und ich waren festgebunden im Empfangsraum des Raumschiffs. Die Außerirdischen sahen aus wie 3 Meter große Radieschen mit messerscharfen Zähnen auf Beinen. Sie trugen Lederhandschuhe.
"Erdlinge", sagte der Anführer, "ich bin hier der Anführer. Das erkennt ihr an meinem Hut, auf dem Anführer steht. Ihr habt nicht an uns geglaubt. So wie dieser Bookhalter-Typ. Darum kommt ihr jetzt mit uns in unsere Heimat. Und um deine Frage zu beantworten, verdingen nannte man in früheren Zeiten das, womit Ungelernte ihr Geld verdienen, zum Beispiel als Assistent oder Aushilfe."
Ein klugscheißendes Alien. Das fehlte noch.
"Nun mach schon Shorty!" sagte ich listig zu meinem Assistenten, "zeig ihnen dein Riesending! Du weißt schon, so wie damals bei Berkowits!"
"Aber Boss, da war ich voll auf Drogen!"
Oh. Genau.
Fuck.