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Kapitel Eins

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Frans Blick folgte der Linie auf dem Monitor. Die Linie schnellte in die Höhe, als wolle sie den höchsten Berg erklimmen und stürzte dann sofort wieder in die Tiefe wie ein Fallschirmspringer, der vergessen hatte, an der Leine zu ziehen. Das Spiel wiederholte sich wieder und wieder. Wenn das keine Metapher für sein Leben war, dachte Fran.

Er beobachtete den EKG-Monitor, während sein Herz einige Male weiter schlug. Der Rhythmus war stark und gleichmäßig. Zumindest im Moment. Aber genau wie der Arzt, der gerade sein Herz untersuchte, wusste Fran, dass dieses Schlagen jeden Moment aufhören konnte.

„Offensichtlich alles beim Alten, Corporal DeMonti.“ Dr. Nelsons Stimme war gleichmäßig wie die Linie auf dem Monitor, die er beobachtete. Er kritzelte mit seinem Bleistift etwas auf seinen Notizblock, blickte dabei von einem Gerät zu dem anderen und dann wieder auf seine Uhr. Nicht ein einziges Mal schaute zu Fran.

Fran war es gewohnt, von denen übersehen zu werden, die höhergestellt waren als er. Als Corporal in der US-Armee hatte er sich um einen höheren Dienstgrad bemüht. Er war nur noch einen kleinen Schritt von der Beförderung zum Sergeanten entfernt gewesen – bis ein Einsatz schiefgegangen war.

Nein, die mangelnde Aufmerksamkeit des Arztes störte ihn also nicht. Was ihn allerdings störte, war, dass der Mann mit einem Bleistift schrieb. Das Graphit auf dem Papier war Fran nicht beständig genug. Es konnte mit dem rosaroten Gummi am anderen Ende des Bleistifts einfach wieder ausradiert werden. So, wie auch Frans Leben durch eine falsche Bewegung einfach ausradiert werden konnte. Wenn die Granatsplitter, die sich in seiner Brust festgesetzt hatten, nur wenige Millimeter nach links wanderten und sein Herz verletzten, war es vorbei mit ihm. Gelöscht von den Seiten des Lebens.

„Leider ist es immer noch zu riskant, zu operieren und die Splitter zu entfernen,“ sagte der Arzt. Er blickte auf und sah Fran endlich an. „Wir können im Moment nichts anderes tun als Ihre Therapie fortzusetzen. Und zu beten.“ Fran war jedes Mal wieder überrascht, wenn ein Arzt über das Beten sprach. Er hätte erwartet, dass ein Mensch, der sich den Naturwissenschaften verschrieben hatte, lieber greifbaren Dingen vertraute als geistlichen. Aber er hatte er sich schon mehrmals geirrt. Zumindest in diesem Krankenhaus für Veteranen. Er war hier schon vielen Frauen und Männern begegnet, die Situationen er- und überlebt hatten, in denen man das Überleben nur einer höheren Macht zuschreiben konnte. Daher scheuten sie sich nicht, den Herrn anzurufen, wenn ihr Verstand ein körperliches Problem nicht lösen konnte. Fran wusste sehr gut, dass Gott der Einzige war, der ihm noch helfen konnte. Somit hatte er auch kein Problem damit, dieses Medikament anzuwenden. Er hätte nur gern gewusst, was der Herr mit ihm vorhatte. Wollte er Fran bald zu sich holen? Oder war es sein Wille, Fran noch eine Weile auf der Erde herumlaufen zu lassen?

Fran zog es vor, einen soliden Plan zu haben. Aber er kannte auch das alte Sprichwort: Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Allerdings glaubte er auch nicht, dass Gott ihn nur zum Spaß ein bisschen zappeln lassen würde. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich der Schöpfer einen so grausamen Scherz mit ihm erlauben würde.

Als Fran das Untersuchungszimmer verließ, lächelten ihn einige der Frauen auf den Gängen an und versuchten, seine Blicke auf sich zu lenken. Mit bloßem Auge betrachtet wirkte Fran vollkommen gesund. Er hatte weder einen Teil seiner Gliedmaßen verloren noch sichtbare Narben davongetragen, wenn man die Narben auf seiner Brust einmal außer Acht ließ. Nein, seine Verletzung lag tiefer. Tiefer als die Metallsplitter in seinem Körper. Die Wunde reichte bis in seine Seele hinein.

Es war alles seine Schuld gewesen.

Als es geschah, waren Fran und seine Abteilung gerade mit einer Arbeit beschäftigt gewesen, die das Leben der Frauen und Kinder im Kriegsgebiet hätte leichter machen sollen. Die Explosion, die die Splitter in Frans Brust zurückgelassen hatte, hatte keinem seiner Männer das Leben gekostet. Doch sie hatte sechs Menschen die Lebensgrundlage geraubt und das Leben des Selbstmordattentäters genommen, der sein Leben einer fragwürdigen Berufung geopfert hatte.

Für die Überlebenden war seitdem nichts mehr wie zuvor gewesen. Und gerade als sie angefangen hatten, ihr Leben auf der Bellflower Ranch langsam wieder in den Griff zu bekommen, hatte die nächste Bombe eingeschlagen. Nein, das konnte nicht einfach ein Scherz von Gott sein. Dafür war das alles viel zu grausam.

Fran verließ den Parkplatz des Krankenhauses und machte sich auf den Weg zur Ranch. Sein Herz wurde weit, als er die Landschaft sah, die sich vor ihm ausbreitete. Montana war einfach wunderschön.

Fran war in New York City aufgewachsen. Seine Berge waren die Wolkenkratzer gewesen, seine Wiesen der Asphalt. Aber nichts kam der majestätischen Schönheit der Natur gleich, die sich hier in den Himmel erhob.

Afghanistan hatte die gleiche Wirkung auf ihn gehabt. Das Land, das von vielen als Wüste bezeichnet wurde, war voller zerklüfteter Berge und tiefer Täler. Schnee bedeckte die schroffen Berggipfel und die Täler waren fruchtbar und ernährten Vieh und Menschen.

Fran war erstaunt gewesen, an einem Ort, der als so schlimm beschrieben wurde, so viel Schönheit und Überfluss anzutreffen. Doch die Beschreibungen zeichneten eben nicht das ganze Bild. Die guten Menschen des Landes versuchten, nicht ins Visier des Krieges zu geraten. Doch nur zu oft gelang es ihnen nicht und der Pinselstrich der Gewalt legte sich auch über ihr Leben.

Fran bog in die Ranch ein. Nachdem der ihnen übergeordnete Offizier die Ranch gekauft hatte, hatten die Soldaten sie bald in „Purple Heart Ranch“ umbenannt. Die violetten Blüten der Glockenblume, welche das Siegel der Ranch zierten, erinnerten an die Purple-Heart-Auszeichnung, die man als Soldat bekam, wenn man im Krieg durch Feindeshand verwundet wurde. Jeder Mann von Frans Truppe war verwundet worden. Und nun, da sie hierhergekommen waren, um Ruhe und Heilung zu finden, war ihnen der nächste Schlag versetzt worden.

Fran und die restlichen Männer seiner Einheit mussten innerhalb weniger Wochen heiraten, wenn sie auf der Ranch bleiben wollten, auf der ihre Wunden zu heilen begonnen hatten und die ihnen ihren Lebensmut zurückgegeben hatte. Das Problem war nur, dass nicht viele Frauen bereit dazu waren, ein Leben lang an einen verwundeten Soldaten gekettet zu sein. Und ganz bestimmt nicht an einen, der sein Herz nicht verschenken konnte, weil es jeden Moment aufhören konnte zu schlagen.

Fran würde die Ranch also bald verlassen müssen. Doch er würde erst gehen, wenn er wusste, dass die anderen versorgt waren. Schließlich war er dafür verantwortlich, dass jeder von ihnen einen Teil von sich verloren hatte. So viel schuldete er ihnen also. Er würde dafür sorgen, dass sie die Sicherheit bekamen, die sie verdient hatten. Und wer weiß – vielleicht würden sie ja sogar Liebe finden.

Es war ein schöner Traum. Einer, den er früher einmal auch für sich selbst gehabt hatte. Doch für ihn würde sich dieser Traum nie erfüllen, denn seine Brust war eine tickende Zeitbombe.

Mit Der Hand Auf Seinem Herzen

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