Читать книгу Mit Der Hand Auf Seinem Herzen - Shanae Johnson - Страница 5

Kapitel Zwei

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Eva atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann nahm sie den Stift zur Hand, der auf dem Papier vor ihr lag, schüttelte ihre verkrampfte Hand aus und versuchte es noch einmal.

Sie rechnete die Zahlen im Kopf durch. Beim Aufschreiben der Ziffern und des entsprechenden Betrags in Worten durfte sie keinen Fehler machen. Es war eine hohe Summe. Die höchste, die sie je im Leben am Stück bezahlt hatte.

Nachdem sie die Zahlen dreimal überprüft und anschließend noch dreimal durchgelesen hatte, legte sie den Stift zur Seite. Er rollte davon, aber sie ließ ihn rollen. Sie brauchte ihn nicht mehr. Das Geld war weg und ihr Konto nun leer. Aber das war es wert.

Vorsichtig riss sie den Scheck aus ihrem Scheckbuch. Es war der erste. Sie hatte noch nie zuvor einen Scheck ausgestellt. Sie hatte immer bar bezahlt. Es war ihr erstes Scheckkonto, das sie benutzte, um Schecks auszustellen und nicht, um welche einzulösen. Und es war ihr erster Scheck.

Sie reichte ihn der Frau hinter der Glasscheibe. Die Augen der Frau waren freundlich und ihr Lächeln geduldig. Sie überflog die Zahlen und Buchstaben auf dem Papier.

Eva hielt den Atem an. Hoffentlich hatte sie keinen Fehler gemacht. Sie konnte keinen einzigen Cent mehr in diesen Scheck investieren.

„Sieht alles gut aus, meine Liebe“, sagte die Frau.

Evas Schultern entspannten sich sichtlich, als sie das hörte.

„Hier ist Ihr Stundenplan.“ Die Frau von der Zulassungsstelle reichte Eva ein Blatt, auf dem Nummern von Räumen und Namen von Fächern und Professoren säuberlich aufgelistet waren. „Dann sehen wir Sie am Montag, Ms. Lopez.“

„Ja“, flüsterte Eva. „Das werden Sie.“

„Viel Spaß mit Ihren Kursen, Liebes.“

„Gleichfalls. Ich meine, danke. Haben Sie einen schönen Tag.“

Eva wandte sich vom Schalter der Zulassungsstelle ab und drückte ihren Stundenplan an die Brust. Die Schlange der Studenten hinter ihr, die sich ebenfalls anmelden wollten, war lang. Sie sahen gelangweilt und müde aus. Keiner schien so elektrisiert zu sein wie sie. Vielleicht, weil die meisten von ihnen Stipendien oder finanzielle Unterstützung bekamen oder Eltern hatten, die für ihr Studium aufkamen.

Eva hatte das alles nicht. Sie hatte jeden Cent selbst verdient, mit dem sie gerade das College bezahlt hatte. Es hatte drei Jahre gedauert, aber sie hatte es geschafft. Sie hatte genug für ihr erstes College-Semester verdient. Und zwar nicht nur für Online-Kurse. Nein, sie würde auf einem richtigen Campus unterwegs sein. Und es war auch nicht nur ein paar Kurse an einer Volkshochschule. Nein, das hier war ein richtiges College.

Sie wollte nicht etwas Besseres sein. Gut, im Grunde war sie das. Zum ersten Mal in ihrem Leben gehörte sie zur Elite. Sie wünschte sich nur, dass ihre Eltern sie sehen könnten. Irgendwie wusste sie, dass sie auf sie herabblickten und vor Stolz strahlten.

Sie hatte es geschafft. Sie hatte ihren Traum wahr gemacht. Ihre Eltern hatten ihr vom ersten Tag im Kindergarten an gesagt, dass Bildung der Schlüssel zu ihren Träumen war. Mit einer guten Ausbildung war alles möglich.

Eva wusste nicht genau, was sie mit ihrem Studium anfangen wollte. Sie wusste nur, dass sie studieren wollte. Sie liebte es, zu lernen und in einem Klassenzimmer zu sitzen, während der Lehrer vorn an der Tafel wunderbare Dinge erklärte.

Die vergangenen drei Jahre nach ihrem Schulabschluss waren ihr so trist vorgekommen. Doch bald würde sie wieder an einem Pult sitzen, wo sie hingehörte. Und dann war alles möglich.

Eva stieg in den Stadtbus und machte sich auf den Weg nach Hause. Ihr Zuhause befand sich nicht in den hübschen Stadthäusern rund um den Campus. Es befand sich auch nicht in einem der schicken Wohnungen im Geschäftsviertel. Nein, ihr Zuhause war ein heruntergekommener Wohnblock in dem alles andere als angesagten Viertel der Stadt, in dem die Menschen für Löhne arbeiteten, die oft unter dem gesetzlichen Minimum lagen.

Der Bus fuhr nicht bis zu ihrem Wohnblock. Eva stieg bei der Kirche aus. In den vergangenen Monaten, seit sie hierhergezogen war, war sie ein paarmal hier gewesen. Wo auch immer Eva hinzog, sie suchte sich stets eine Kirche in der Nähe ihrer Wohnung. Selbst wenn sie sonst niemanden in der Umgebung kannte – in einer Kirche fühlte sie sich immer zuhause.

„Guten Abend, Ms. Lopez.“

Beim Klang der bekannten Stimme drehte Eva sich um. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie den älteren Mann sah. „Hallo, Pastor Patel!“

Eva ging hinüber und um ihm die Hand zu schütteln. Doch der Pastor ignorierte ihre Hand und schloss sie herzlich in die Arme. Eva nahm dies dankbar an. Pastor Patels Umarmungen fühlten sich so an wie die, mit denen ihr Vater sie früher in die Arme geschlossen hatte.

„Ich habe Sie einige Wochen nicht gesehen“, sagte der Pastor mit leicht mahnendem Unterton.

„Ich habe ein paar Extraschichten eingelegt, um mehr Geld zu verdienen. Aber ab jetzt werden Sie mich häufiger sehen. Ich werde an den Wochenenden mehr Zeit haben. Ich habe es geschafft! Ich habe mich am College eingeschrieben.“

„Oh, meine Liebe, ich freue mich so sehr für Sie.“ Er strich ihr so liebevoll über ihre Schulter, wie es ihre Mutter immer getan hatte. „Aber ich wünschte wirklich, Sie hätten die Unterstützung von unserer Kirche angenommen.“

Eva schüttelte den Kopf. Neben der Bedeutung einer guten Ausbildung hatte ihr ihr Vater auch eingeschärft, dass man keine Almosen annahm. Wenn man etwas haben wollte, arbeitete man dafür. Was man entbehren konnte, gab man der Kirche und den noch Ärmeren. Und bei allem anderen verließ man sich auf die Familie. Das war die Philosophie, nach der ein Lopez lebte.

„Da Sie nun eine Studentin sind“, meinte Pastor Patel, „wären Sie bereit, morgen den Jugendlichen in unserer Kirche ein wenig von sich zu erzählen?“

Eva zögerte. Sie war nicht sicher, ob es schon etwas gab, was sie anderen beibringen konnte. Sie fand es schwer genug, ihre eigenen Geschwister dazu zu bringen, einen Rat von ihr anzunehmen. Doch sie wusste, dass Pastor Patel kein Nein akzeptieren würde. Also stimmte sie zu. Nach einer weiteren Umarmung ließ er sie gehen.

Mit zügigen Schritten eilte Eva die Straße hinunter. Es war offensichtlich, warum der Bus nicht bis zu ihrem Viertel fuhr. Auf der Straße lagen Glasscherben. Ein beißender Gestank drang aus einigen Gassen. Männer lungerten an den Straßenecken herum, obwohl es erst Nachmittag und noch lange nicht Feierabend war. Einer dieser Männer war ein wenig zu klein, um wirklich schon als Mann zu gelten.

„Carlos!“, rief Eva.

Der Junge drehte sich nicht um, aber sie wusste, dass er sie gehört hatte.

Eva marschierte zu ihrem Bruder hinüber. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht seine Hose hochzuziehen, die um sein Gesäß schlenkerte. Wo war der Gürtel, den sie ihm erst letzten Monat gekauft hatte? Mit einem argwöhnischen Blick drehte er sich zu ihr um. Die Jugendlichen um ihn herum begannen zu kichern.

„Ich hänge nur mit meinen Freunden rum“, sagte er.

„Schön, und jetzt kommst du mit nach Hause und machst deine Hausaufgaben.“

Die Jungen kicherten noch mehr.

„Geh nur mit deiner feinen Schwester, Kleiner. Wenn du mit deinen Hausaufgaben fertig bist, habe ich einen echten Job für dich.“

Eva schaute den Rowdy scharf an. Aber ihr böser Blick funktionierte nur bei Familienmitgliedern.

Carlos folgte seiner Schwester. Sie wusste, dass sie ihn blamiert hatte. Aber sollten diese Jungs nur denken, er sei ein Mutter- oder vielmehr Schwesternsöhnchen. Sie schädigte gern seinen Ruf, wenn sie ihn damit vor einem Leben auf der Straße bewahren konnte.

„Auf der Straße herumzuhängen, bringt dich nirgendwohin“, sagte sie, nachdem sie die Straße überquert hatten.

„Und die Schule schon? Guck dir an, wohin es dich gebracht hat.“ Carlos hob die Hände und deutete damit auf die Gegend, in der sie wohnten. Alles, was sie sah, waren verschiedene Brauntöne – von den Häusern um sie herum über die Erde auf der Straße bis zum Dreck in den Gesichtern der Kinder.

„Das wird sich bald ändern“, sagte Eva. „Ein Collegeabschluss hilft einem, hier rauszukommen. Du wirst schon sehen.“

Das Problem war, dass es mindestens zwei Jahre dauern würde, bis er sehen würde, dass sie mit ihren Argumenten recht hatte. Sie hoffte einfach, dass die Zeit ausreichen würde, um es ihm zu beweisen. Und in der Zwischenzeit würde sie nicht zulassen, dass sie ihren kleinen Bruder an die Straße verlor.

Mit Der Hand Auf Seinem Herzen

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