Читать книгу Die HexenLust Trilogie | 3 Erotische Romane - Sharon York - Страница 8

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Erst die Arbeit ...

In den ersten Augenblicken, in denen man erwacht, ist alles gut. Die Bettwäsche lag wie eine schützende Hülle über meinem entspannten Körper und hatte genau die richtige Temperatur, um mich einfach weiterschlafen zu lassen. Meine Atmung war ruhig und der undurchsichtige Schleier, der mich beim ersten Augenaufschlag umgab, hatte etwas Besinnliches. Und dann erwachte der Geist. Unbarmherzig schlägt der Kopf mit aller Macht zu und verdrängt alles Schöne und Angenehme mit den verschlingenden Überlegungen, welche man im Schlaf vergessen konnte.

Es war bereits kurz vor Dienstbeginn, als ich aus der Dusche stieg. Durch die feuchten Nebelschwaden suchten meine Finger ein Handtuch, das ich mir mit geschickten Griffen um die Haare schlang. Der Spiegel war beschlagen. Meine Zukunft schien wie dieses Spiegelbild. Ich wusste, dass ich es bin, aber mein Antlitz selbst war hinter dieser undurchsichtigen Wand verborgen.

Ich hatte genug. Mit schnellen Zügen wischte ich über den Spiegel, spürte die Feuchtigkeit an meiner Hand und sah mir selbst in die Augen. Im weißen Schein drang das helle Grün, das mich anfunkelte, noch mehr durch. Wie bei einem exotischen Frosch oder den frühen Bildern von Monet stach es mir entgegen.

Wortlos schrie ich mich selbst an, fixierte mich und brachte mich selbst wieder zur Raison.

Reiß dich zusammen, Isabelle. Es gibt Wichtigeres, als diesen Typen.

Mehrmals atmete ich dabei aggressiv, als müsste ich der jungen Frau im Spiegelbild Angst einjagen. Mein Gesicht ging wie von selbst nach vorn, sodass ich die Kühle des Glases ganz nahe spüren konnte.

Scheiß auf ihn! Konzentriere dich auf deine Arbeit. Du bist jetzt Sicherheitsoffizier, hast die Verantwortung für den Zirkel und die jungen Hexen ...

Meine eigene Ansprache wurde von Britney Spears »Circus« unterbrochen, das von meinem Handy im Wohnzimmer ertönte. Nur mit dem Handtuch auf dem Kopf tappte ich durch die Wohnung und nahm das Telefonat entgegen.

Ohne Umschweife oder den Ansatz einer Begrüßung feuerte meine Chefin los. Eigentlich nicht ihre Art, aber es schien jetzt bereits im Zirkel hoch her zu gehen.

»De la Crox am Apparat. Haben Sie noch ihre Kontakte, Miss Ashcroft?« Wenn sie ihre Anrede so wählte, war sie nicht allein.

»Ja, Madame.«

»Befragen Sie sie!«

»Ja, Madame.«

»Und Miss Ashcroft ... Passen Sie auf sich auf!«

»Ja, Madame.«

Keine Zeit für Geplänkel. Ihre Stimme war seltsam angespannt, als ob ihr die absolute Sicherheit fehlen würde, das Problem in dieser Nacht bewältigen zu können. Das Telefonat bestätigte meine Vermutungen und machte mir auf unmissverständliche Weise klar, dass dieser Nikolai doch kein Wald- und Wiesendämon war und dem Zirkel mehr Ärger bereiten konnte, als de la Crox zugeben wollte.

Schnell warf ich mich in die Uniform und legte ein dezentes Make-up auf. Ich entschloss mich dazu, meine Haare erst zu föhnen, dann in einen lockeren Zopf zu binden. Bevor ich die Wohnung verließ, noch etwas Parfüm – ein wenig hinter die Ohren und auf den Venushügel. Schließlich war es sozusagen eine Dienstanweisung, Informationen zu besorgen.

Die Nacht hatte den Tag beinahe abgelöst. Golden und wunderschön war ihr orangefarbener Kampf, den die Menschen Dämmerung nannten, entbrannt. Wobei der Sieger, wie an jedem Abend, der Gleiche war. Auch die Hitze war einer wohligen Wärme mit einem leichten Wind gewichen, der eine angenehme Brise in die Stadt hereintrug.

***

Als mein Wagen aufheulte und ich mir den Weg in die City bahnte, ging ich im Kopf die weitere Vorgehensweise des Abends durch. Die Ankunft eines so mächtigen Dämons wie Nikolai dürfte hohe Wellen geschlagen haben. Die Frage war nur, wer war mutig oder dumm genug, mir irgendetwas zu erzählen, was der Zirkel mit seinen unzähligen Quellen und Spionen noch nicht wusste. In jeder größeren Stadt gab es eine gewisse Anzahl von harmlosen Dämonen, die von uns toleriert wurden. Dann gab es solche, die auffielen und Ärger machten, das waren die Gefährlichen, um die sich der Zirkel so schnell wie möglich kümmern musste, damit die Menschen mit ihrem kleinen Seifenblasenleben weitermachen konnten. Und dann gab es Dämonen, wie dieser Nikolai einer war. Solche, die nicht auffielen, aber richtig viel Ärger machten. Es waren nicht die Wasserdämonen, die nachts aus dem Hudson krochen und Hunde unter Wasser zogen. Es waren auch nicht die lächerlich überschätzen Vampire, die ab und zu mal einen Obdachlosen rissen. Richtig gefährlich waren Dämonen, die im Hintergrund arbeiteten und ganze Armeen auf die Beine stellten.

Was hatte dieser Nikolai an sich, das meine Chefin, bei der sonst Eis durch die Adern floss, mich auf einmal mit zitternder Stimme warnen ließ? Nun, ich sollte dieses schleunigst herausfinden, doch meine erfolgversprechendste und auch angenehmste Adresse sollte ich mir für den späten Abend aufheben. Vielleicht war mein Kontakt dann etwas betrunkener und redseliger. Aber erst die Arbeit ...

***

Dass die schlechten Bezirke früher am Hafen waren, lag an den billigen Arbeitskräften, die dort hausten und die meiste Zeit auf See verbrachten. Ironischerweise hatte die Entwicklung in der Neuzeit einen genau umgekehrten Verlauf genommen. Die Upper West Side war nun die Topadresse mit Bars, schicken Büros und teuren Wohnungen, die sich an den Verlauf des Hudsons schmiegten.

Als ich meinen Wagen am Rande des Flusses abstellte, rauschte das Wasser gurgelnd vorüber und schickte mir seinen typisch maritimen Duft über die Brüstung. Auf einmal erfasste mich wieder ein Gefühl, eine Ahnung, etwas Unbehagliches, als ob mein Körper mir ein Signal senden würde, das ich nicht zuordnen konnte. Mehrmals ließ ich meinen Blick über die jugendlichen Partygänger oder die älteren Bummler schweifen. Nichts Ungewöhnliches, nur Leute, die den Abend begannen oder beendeten. Doch vor allem waren es nur Menschen. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und ging auf das Gebäude zu.

Die Außenfassade des Altbaus strotzte mir entgegen, während ich an den typischen roten Backsteinen hochsah. Nur wenige konnten es sich leisten, hier eine Wohnung mit traumhaftem Blick über das Wasser und den naheliegenden Stadtgärten zu kaufen – einer davon war nicht menschlich und genau dieser war mein Ziel.

Ich machte mir gar nicht erst die Mühe zu klingeln, sondern öffnete die eisenbeschlagene Tür mit einem Entriegelungszauber. Während der Aufzug mich in die oberen Etagen brachte, betrachtete ich mein Spiegelbild und musste den Gedanken des Unbehagens ein weiteres Mal verdrängen. Wie bereits heute im Bad fühlte ich mich einfach nicht wohl in meiner Haut, als würde mein Herz gleichzeitig langsamer und schneller schlagen wollen. Ich legte meine Haare sanft über die weiße Bluse.

Auch an der Wohnungstür missachtete ich die Gebote der Höflichkeit und ging einfach in den Wohnraum. Der Eingangsbereich war erfüllt von leichten, raschelnden Geräuschen und leisem Fluchen. Still schlich ich über den teuren Teppich und betrachtete die stilvolle Einrichtung des Besitzers, bis ich beim Türrahmen des Schlafzimmers angekommen war. Gespannt hielt ich inne und ließ die Laute auf meine Sinne wirken.

»Verdammter Mist ... Das brauche ich ... Oder doch nicht. Vielleicht das ... Scheiße! ... Passt das?«

Amüsiert zogen sich meine Mundwinkel nach oben und ich ging einen Schritt nach vorn. Sofort fiel mir die Unordnung im Zimmer auf. Überall lagen Kleidungsstücke, halb gefüllte Koffer und Käfige verstreut. Die Kadaver von Kaninchen bildeten einen unnatürlichen Kontrast zu dem nussbraunen Parkettboden. Von einigen war nur noch der Kopf übrig, bei anderen wiederum schien es, als hätte jemand ein Stück aus ihnen herausgerissen und sie dann qualvoll verbluten lassen. Dazwischen keuchte ein dicklicher, kleiner Mann mit Halbglatze und hochrotem Gesicht, während er extravagante Anzüge in einen viel zu kleinen Koffer zu stopfen versuchte. Es stank bestialisch und ich musste mir selbst befehlen, nicht einige Schritte zurückzufallen.

»Verdammter Mist ... Warum passt der Scheiß denn ...«

Mein Blick streifte jedes einzelne tote Tier und heftete sich, so durchdringend wie Feuer, auf den Mann.

»Störe ich, Creepy?«

Der spitze, beinahe weibische Schrei durchzog den gesamten Raum und der kleine Mann stürzte in die hinterste Ecke der Wohnung. Aus seinem eben noch vor Anstrengung brennenden Gesicht war die Farbe gewichen, als er sich an die Brust fasste und nach Luft japste.

»Der Zirkel, oh Gott, ich dachte, oh Gott ...«

Mit gekreuzten Armen ging ich auf ihn zu. Sein fettes Gesicht glänzte und aus jeder Pore schien er zu schwitzen.

»Wen hast du denn erwartet?«

Augenblicklich lachte er mir mit einem breiten Grinsen entgegen, als er sich mehrmals die Handflächen am gelben Countryhemd abrieb.

»Ich? Niemanden! Wieso?«

Mein Blick fuhr über die Kleidungsstücke am Boden.

»Du willst verreisen?«

»Urlaub«, sagte er langgezogen und mit zittriger Stimme. »Hin und wieder muss man sich das mal gönnen, findest du nicht, Isabelle?«

Ich nickte beiläufig. Wir wussten beide, dass dies nur ein Spiel war und er die ersten Bälle geschlagen hatte, jetzt kam es auf meine Konter an.

»Ich dachte, die Geschäfte laufen gut, warum haust du denn ab?«

Seine Finger griffen tippelnd ineinander.

»Ach, weißt du, jeder braucht mal ’ne Pause.«

Ich schwieg und griff nach dem einzigen Käfig, in dem sich noch etwas bewegte und ein besonders junges Kaninchen sich ängstlich in eine Ecke gekauert hatte. Die Nase dieses Geschöpfes wippte so schnell auf und ab, dass ich nur ahnen konnte, was es gerade durchmachte, denn mir war sein Schicksal durchaus bewusst. Creepy gehörte zu einer besonders widerwärtigen Art von Schlangendämonen, die es auf groteske Art und Weise zu etwas gebracht hatten. Eigentlich harmlos, doch diese Art konnte sich in eine riesige Wasserschlange verwandeln. Kiloweise Drogen konnten im Schlund dieses Tieres unbemerkt ins Land gebracht werden. Deswegen war die Wahl seiner Wohnung, direkt am Hudson River, bestimmt kein Zufall. Der Zirkel ließ ihn gewähren. Was sind schon ein paar Drogen im Vergleich zu den Informationen, die er lieferte. Mit seiner Hilfe hatten wir ein paar Halbwesen des unteren Bodensatzes töten können. Mörder und Vergewaltiger, der letzte Abschaum der Dämonenwelt. Dafür durfte er mehr oder weniger unbehelligt seine Geschäfte führen. Manchmal musste man eben das kleinere Übel wählen.

Mit meinen langen Fingernägeln öffnete ich schnell den Käfig und nahm das kleine Fellknäuel auf den Arm.

»Und was ist mit dem Süßen hier, möchtest du es etwa auch zurücklassen?«

Sein Blick schoss auf das weiße Kaninchen, dass ich schützend im Arm hielt.

»Ich hole mir auf der Fahrt etwas zu essen«, entgegnete er so schnell wie möglich. »Laufen ja viele von den Dingern rum in diesem Sommer.«

Hitzig sah ich ihn an und legte so viel Abscheu in meinen Blick, wie es mir möglich war. »Du bist ekelhaft.«

Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Jeder tut, was er kann, Babe.«

Babe? Wollte er mich verarschen?

»Pass auf, was du sagst, Schlange. Für dich immer noch Isabelle. Sag mir lieber, was du über Nikolai weißt.«

Creepy schüttelte heftig mit dem Kopf, als wolle er den Gedanken an ihn so schnell wie möglich loswerden, als wäre er eine Krankheit, vor der man sich schützen müsste. Dazu kicherte er mit seiner hohen, durchdringenden Stimme und hielt sich eine Hand vor dem Mund.

»Nikolai, der Herrscher? Bist du nicht etwas zu alt für solche Märchen? Ein Sohn des Teufels? Ich bitte dich, Isabelle.«

Behutsam legte ich das kleine Kaninchen zurück in seinen Käfig und schloss die Tür.

Creepys Blick blieb an dem Tier haften und neigte sich zu Boden, während er seine Lippen mit der spitzen, gespaltenen Schlangenzunge benetzte und ein zischendes Geräusch ausstieß.

»Alles Märchen, damit böse, kleine Hexen zu Hause bleiben und sich nicht in Dinge einmischen, von denen sie keine Ahnung haben.«

Sofort schoss ich auf den dicklichen Mann los und formte noch in der Luft einen Feuerball, der fackelnd in meiner Hand lag, und den ich gefährlich nahe an sein Gesicht heranführte. Die rote Glut leuchtete seine Augen völlig aus und die vormals weiße Haut schien nun orange zu pulsieren. Mit der einen Hand griff ich grob nach seinem Hemd und zog ihn noch etwas näher an mich heran. Innerhalb von wenigen Herzschlägen schoss Panik in sein Gesicht und glänzte im Schein der Flamme.

»Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass mir deine Meinung wichtig ist. Und jetzt will ich etwas über Nikolai wissen!«

Verschreckt zuckte er zusammen und hielt meinem Blick nur unter größter Mühe stand.

»Rede mit mir, Creepy!«, fauchte ich lauter.

Durch meine Adern floss nun Zorn und Wut, dann erspähte ich im Augenwinkel einen Schatten. Nur ganz leicht, als hätte ein Windhauch einen Vorhang erfasst, aber genug, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Langsame, unbeholfene Bewegungen gingen von der Tür aus. Dann roch ich Ton. Golem!

Diese willenlosen Kreaturen ... Einmal erschaffen von ihrem Meister, dienten sie ihm bis in den Tod. Starken Beschwörern war es sogar möglich, ihnen Menschengestalt zu geben, nur im Kampf verwandelten sie sich in die künstlich gebildeten Wesen. Sofort drang mir der Geruch von frischem Lehm in die Nase. Mit einem tiefen Grunzen kamen ihre tönernen Schritte auf mich zu. Es dauerte nur Sekunden, bis sie ihre menschliche Gestalt abgelegt hatten. Mit leerem Blick griff der Erste nach mir. Nur unter größter Mühe konnte ich Creepy einen Tritt in die Magengegend verpassen und mich unter dem Schlag der Gestalt wegducken. Im Flug schleuderte ich den Feuerball gegen die hünenhafte Brust des Golems. Doch bei einem Wesen, das aus Feuer und Lehm gefertigt wurde, zeigte mein Zauber natürlich nur geringfügige Wirkung. Immerhin hatte ich Zeit, um mich aufzurichten und meinen Verstand nach den richtigen Sprüchen zu durchsuchen. Creepy kroch auf allen vieren in Richtung Tür.

»Er ist zurück!«, schrie Creepy voller Verzückung mit hoher Stimme. »Der Herrscher ist zurück und niemand wird ihn aufhalten. Hörst du, Hexe? Niemand!«

Hastig kroch er um die Ecke und stürzte aus der Wohnung heraus. »Ihr werdet sterben! Alle werdet ihr sterben!«

Seine Stimme hallte in der weitläufigen Wohnung wider, als der Golem sein tönernes Antlitz auf mich richtete und die riesigen Hände drohend ausstreckte.

Ich vollführte eine ausladende Handbewegung und schoss zwei Feuerbälle auf die Angreifer. Meine Gedanken rasten.

Was war nochmal der Zauber gegen einen Golem? Wassermagie? Bestimmt nicht. Windattacken? Blödsinn.

Hätte ich nur in den anderen Unterrichtsfächern so gut aufgepasst wie in Feuerkunde, wäre ich nicht in dieser misslichen Lage. Ein Golem holte mit seiner Pranke aus, doch ich konnte mich unter seinen Beinen wegrollen. Als mir ein weiteres Mal dieser bestialische Gestank in die Nase drang, fiel es mir wieder ein. Lehm und Ton – Erdzauber!

Auf den Knien und mit zusammengekniffenen Augen legte ich beide Hände flach auf den Boden. Meine Lippen formten die Worte der Beschwörung schnell und lautlos. Ich spürte, dass meine Haare mir im Gesicht hingen, als die Erde unter meinen Füßen leicht erbebte. Das ganze Gebäude schien sich zu bewegen, während meine Fingernägel langsam ins Erdbraun abglitten. Als hätte ich sie tief in Schlamm getaucht, zog es sich nun auch zu meinen Händen hin, dann griff es auf meine Arme über. Ich fühlte, wie die gesammelte Macht der Erde durch mich strömte, spürte ihre uralte Kraft. Der Zauber kostete Kraft – viel Kraft. Immerhin waren wir in der fünften Etage und über diese Distanz die Kraft der Erde zu sich zu ziehen, bedeutete, dass man unzählige Meter überbrücken musste. Wütend biss ich die Zähne aufeinander und konzentrierte mich noch mehr, sah aber auch, dass die beiden Lehmgestalten auf mich zuschritten.

In dem Herzschlag, wo sie zu einem ihrer vernichtenden Schläge ausholten, warf ich den Erdzauber auf die Angreifer. Ohne auch nur einen Schrei von sich zu geben, zerfielen sie zu Staub und Sand. Dreck spritzte in alle Richtungen des Raumes. Noch kurz wanden sie sich und schlugen wild im Schlafzimmer umher. Man hätte meinen können, dass sie für einen kurzen Wimpernschlag so etwas wie Schmerzen empfinden konnten, dann lagen vor mir nur zwei große Haufen trockener Erde.

Atemlos spähte ich zur Tür. Creepy war entkommen und längst über alle Berge. Ächzend richtete ich mich auf, wollte mir durch die Haare fahren. Doch im nächsten Moment entdeckte ich meine von Schlamm beschmutzten Hände.

Großartig! Und ich war erst vor ein paar Tagen im Nagelstudio gewesen. Ich betrachtete mein Gesicht in der Spiegelwand des großen Wandschrankes. Es war übersät von dunklen Spritzern. Im Bad wusch ich mich notdürftig, ließ dabei meinen Gedanken freien Lauf.

Auch wenn Creepy ein nicht unbedingt gefährlicher Dämon war, hatte er es doch zu etwas gebracht. Aber wer würde ein ungefährliches Halbwesen wie ihn beschützen wollen, dessen einzige Fähigkeit darin bestand, sich in eine Schlange zu verwandeln? Die Worte, die er rief, als er mit einem schrillen Lachen aus der Wohnung gestürzt war, hallten mir im Kopf wider. »... er ist zurück!«

Anscheinend waren de la Croxs Bedenken mehr als gerechtfertigt. Nachdem ich meine Hände trockengerieben und mehr schlecht als recht gereinigt hatte, rief ich in der Zentrale an und meldete den Vorfall. Alles wurde akribisch protokolliert, man würde ein Reinigungsteam schicken, das die Wohnung säuberte und darauf achtete, dass die Menschen neue Erinnerungen erhielten, falls jemand etwas von dieser kleinen Auseinandersetzung mitbekommen hatte. Auch wenn die Hexen in der Reinigungsabteilung äußerst gut im Manipulieren von Gedächtnissen waren, war Madame de la Crox doch alles andere als begeistert, wenn sie angefordert wurden. Wenn es nach ihr ging, würden alle Einsätze mit höchster Diskretion durchgeführt werden. Zumindest wurde sie nicht müde, dieses bei jeder Lagebesprechung zu betonen.

Ein Geräusch im Schlafzimmer riss mich aus meinen Überlegungen. Hastig lugte ich um die Ecke. Zwischen den beiden Erdhügeln und der von Dreck bespritzter Kleidung Creepys raschelte es irgendwo. Ich spähte durch den Raum, bis ich wieder das winzige Geräusch vernahm. Sofort fiel ich auf den Boden und blickte unter das Bett. Tatsächlich!

Zwischen einigen Staubschichten kauerte ein kleines, weißes Fellknäuel. Anscheinend hatte sich im Trubel sein Käfig geöffnet und es war hierhin geflüchtet. Mit hoffnungsvoller Naivität streckte ich die Hand aus. Zuerst machte es keine Bewegung, doch irgendwann drehte es das zuckende Näschen und hoppelte zaghaft auf mich zu. Mehrmals beschnupperte es meine Hand, bis ich es zärtlich greifen und auf den Arm heben konnte. Sofort kuschelte es sich an meine Bluse. Irgendetwas musste ich an mir haben, dass es mir sofort sein Vertrauen schenkte. Im selben Moment war mir das Schicksal des kleinen Tieres bewusst, wenn das Reinigungsteam hier eintraf. Ich rümpfte kurz die Nase, fackelte nicht lange und verließ mit dem Kaninchen und seinem großräumigen Käfig die Wohnung.

Die Nacht war nun über die Stadt hereingebrochen, als ich auf die Straße trat. Was für ein interessantes Bild ich abgeben musste. Mit dunklen Dreckspritzern übersät ging ich zu meinem schwarzen SLK und setzte meinen neuen Begleiter auf dem Beifahrersitz ab.

Da war es wieder! Dieses ungute Gefühl, diese aufkommende Unsicherheit. Während ich vorsichtig die Beifahrertür schloss, drehte ich mich um und spähte ins Schwarze. Es musste nun zweiundzwanzig Uhr durch sein. Überall waren Menschen – auf dem Weg zur nächsten Party oder Pärchen, welche die glitzernde Oberfläche des Wassers genießen wollten.

Der zunehmende Mond spiegelte sich leicht wiegend im Hudson, doch ich konnte auf der Straße nichts ausmachen, was meine Empfindungen erklären würden. Ich wandte meinen Blick nach oben. Keine Ahnung, warum Vampire, diese hässlichen, stinkenden und total überbewerteten Wesen, immer die Dächer für ihre nächtlichen Trips benutzten, aber auch dort war niemand zu sehen.

Die George-Washington-Brücke war hell erleuchtet und thronte über dem Fluss. Ich musste meinen Blick verschärfen, als ein heller Punkt dort herausstach. Ein junger Mann in einem weißen Hemd und noch helleren Haaren schien mich zu fixieren. Von ihm ging eine unheimliche Anziehung aus, deren Wirkung ich mir nicht erklären konnte. Es war, als würde er mit mir durch ein unsichtbares Band sprechen und mich zu ihm hinziehen. Wir standen keine einhundert Meter auseinander, doch aus irgendeinem Grund vermochte er, mir tief in meine Seele zu blicken. Er traf dort einen Teil, den ich nur allzu gern vor mir selbst verbergen würde. Er schien Sachen zu sehen, die ich mir selbst nicht eingestehen wollte. Ein Schauer lief über meinen Rücken und zauberte eine Gänsehaut. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen und während dieses Herzschlages war ich bei ihm auf der Brücke. Ich konnte den Duft seiner Haut atmen, ihre Wärme spüren. Mein Verstand verlor sich in seinen Augen. Er nahm mein Gesicht in beide Hände, kam mit den Lippen ganz nahe an meine. Ich wollte ihn küssen, seine Hände berühren. Langsam schloss ich die Augen ...

Irgendwo krachte eine Bierflasche und lenkte meine Aufmerksamkeit nur für eine Sekunde von der Person ab. Doch als sich mein Blick wieder auf die Brücke richtete, war er verschwunden. Ich hatte mit meinen vierundzwanzig Jahren schon einiges in der magischen Welt erlebt, aber so etwas war selbst mir noch nicht untergekommen. Ich zog die Nase hoch, sah mich noch einmal um und stieg schließlich in meinen Wagen ein. Es war Zeit für den angenehmen Teil des Abends, den ich mir – gelinde gesagt – auch verdient hatte.

Die HexenLust Trilogie | 3 Erotische Romane

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