Читать книгу Kinderblutrausch - Shey Koon - Страница 3
Geburtstagsgeschenk
ОглавлениеLos, komm schon! Auf, auf, die paar Meter schaffst du noch!“ feuerte ich meinen Jungen mit dem eisernen Ton eines Feldwebels an. Bens Training gestaltete ich mittlerweile härter, und er schindete sich mit den zusätzlichen Gewichten an den Füßen und an den Handgelenken wahrlich ab. Ich kannte kein Erbarmen mit ihm, dennoch, ich war stolz, er ging mit dem nötigen Ernst an seine Ausbildung zum Jäger heran. Jeden neuen Tag kämpfte er sich durch das harte Programm, scheute selbst vor den schwierigsten Aufgaben nicht zurück. Für seinen größten Wunsch war er bereit alles zu geben.
„Na, put, put, put. Wo bleibt der kleine Grünschnabel?“
Ihn zu necken, das gefiel mir. Der Umriss unserer Villa zeichnete sich am Ende der Straße ab. Ben ging in die Hocke, kniff seine Augen zu, während er den tiefsitzenden Schmerz auspustete. Sein Schweiß tropfte auf den heißen Asphalt, blitzartig schnellte er hoch, sprintete mit seiner letzten Kraft los. Ich klatsche begeistert in die Hände. Das war genau die richtige Einstellung. Niemals aufgeben, ständig das Letzte aus sich rausholen. Ich rannte neben ihm her, hielt meinen Daumen nach oben. Kaum im trauten Heim angekommen, zerrte er sich die Gewichte vom Körper und trottete erschöpft unter die Dusche. Ich nutzte die Zeit für meine Dehnübungen.
Eve und Melanie begleiteten Steve beim Shoppen, hatten sich ihm angeboten, ihn bei seiner rosa Luxustour zu beraten. Als ob er das nötig gehabt hätte. Ich dachte mir meinen Teil. Meine Ladys nutzten jede Gelegenheit, um sich in Frankfurts Edelboutiquen umzusehen. Es war ja schließlich notwendig, dass sie ihre Bekleidungsräume auffrischten und ihren Schuhbestand drastisch erhöhten. Es war ihnen gegönnt.
Jedoch, und darüber zerbrach ich mir tatsächlich den Kopf, wir wollten Djan in vier Wochen ein Konzept vorlegen, eine Strategie, die es in sich hatte. Ich war heilfroh, dass Steve nach unserer Asienreise, die Vitória und George das Leben gekostet hatte, nicht Hals über Kopf abgesprungen war. Nachdem meine Muskeln ausreichend gelockert waren, sprang ich ebenfalls unter die Dusche. Vitórias bildhübsches Gesicht blieb mir in meinen Gedanken hängen. Das, was kurz vor ihrem Tod in die Kamera geblickt hatte, war ihr unbezähmbarer Stolz, denn kein Zweifel besaß die Macht ihren Willen brechen. Sie war für die richtige Sache gestorben.
„Trauert nicht um mich. Mein Weg ist nun am Ende.“, hatte sie uns wortlos entgegengehalten.
Dennoch, ich trauerte um jeden verlorenen Jäger und um jede getötete Jägerin. Natürlich, ich war mir der tragischen Tatsache bewusst, dass wir in jedem verdammten Augenblick der Jagd unser Spiel spielten, und der Einsatz war nichts Geringeres als unser eigenes Leben. Insgeheim hoffte ich jedes Mal aufs Neue, dass wir verlustfrei aus der Jagdsaison hervorgingen. Ein unerreichbarer Wunsch, doch ich klammerte mich an diese Hoffnung.
Ich trocknete meinen Körper ab, befühlte meine Narben, spannte meinen Muskeln.
„Gesund und fit. Ich kann nur beten, dass du mir noch lange erhalten bleibst. Und glaube nicht, dass ist alleine wegen dem Kampf.“, witzelte ich mit meinem Körper. „Eve und Melanie, du kennst die zwei Liebeshungrigen Geschöpfe neben mir, sie fordern vollen Einsatz.“
Wie auf ein geheimes Zeichen schwoll mein Schwanz an.
„Ja, so ist es gut. Du bist noch im Boot, das wollte ich sehen.“ Zufrieden lächelte ich in den Spiegel.
Ich kleidete mich in die pure Form des Lagerfelds, streifte mir sieben Diamantblingringe mit grünen und roten Steinen über und suchte nach meinem Jungen. Wie sollte es anders sein, Ben kraulte bereits die Asagis am Rand des Teiches. Er hatte einen richtigen Narren an den zutraulichen Koikarpfen gefressen und widmete jede freie Minute seiner Zeit, um bei ihnen zu sein.
„Ben, denk dran, Mr. Bone trifft in einer halben Stunde ein. Bereite dich lieber sorgfältig vor, du weißt wie leicht er austickt.“ Ich schmunzelte fürsorglich.
„Ja, ist schon gut.“ Ben spurtete ins Haus, denn vor Mr. Bone verspürte er tatsächlich fürchterlichen Respekt. Ein Privatlehrer mit englischen und spanischen Wurzeln, verdammt streng und dazu cholerisch veranlagt. Wenn er sich unnötig gereizt fühlte, schrie er das gesamte Haus zusammen. Ich verschmähte seine Lehrweise um keinen Deut, Bens Übermut war mit sanften Mitteln einfach nicht zügeln, nein, sein Lehrer brauchte die nötigen Eier in der Hose. Die Lehrkraft unterrichtete meinen Jungen vorerst in den üblichen Schulfächern, damit er den Anschluss an dem Bildungsgrad bekam, der in seinem Alter üblicherweise Standard war. Ben wies große Wissenslücken auf.
Derweil nahm ich mir die Unterlagen zur Hand, die Eve und Melanie für mich vorbereitet hatten, mit halben Herzen nur, ich war für die organisatorischen Dinge ungeeignet. Ich dankte dem Himmel jeden Tag, dass ich meine Engel an meiner Seite hatte. Sie bereiteten gewissenhaft die Aufträge vor, buchten die Flüge, die Hotels und die Wägen. Sie orteten die Zielpersonen für mich und entsendeten mich zum Ausführen meines finalen Moves. Danach feierten sie mit mir ausgiebig unseren Erfolg. Wir waren ein unschlagbares Team. Es läutete an der Türe. Ben sprang die Treppen hinunter, öffnete hastig die Türe.
„Guten Tag, Mr. Bone.“ Ein grauhaariger Herr, annähernd an die sechzig Jahre, casual gekleidet, trat behänd ein.
„Los, los. Wir könnten schon längst über den Büchern sitzen.“
Mr. Bone trieb Ben in den eigens für ihn eingerichteten Klassenraum. Es war ein großzügiger Raum, ausgestattet mit der neuesten Technik und mit Anschauungsmaterialien, wie es in den namhaften Universitäten des Landes nicht besser hätte sein können. Es vergingen keine zehn Minuten, da schellte Mr. Bone Ben lautstark für seine Begriffsstutzigkeit. Ich hörte mit Absicht weg, schließlich war es Bens Wunsch gewesen ein Privatschüler zu sein. Er hatte sich sein Schicksal selbst herbeigesehnt. Und die Dinge nahmen ihren Lauf. Melanie wollte für ihren Schützling den besten Lehrmeister, ließ deshalb ihre Kontakte spielen und hatte schlussendlich den knochigen Kerl ausgewählt. Tja, ich hielt meine Finger raus und amüsierte mich köstlich über ihre Entscheidung.
Plötzlich wuschelten mir mehrere Hände durch mein Haar. Ich erschrak, fuhr hoch. Melanie und Steve hatten sich von hinten an mich ran geschlichen.
„Steve lass das lieber. Eve hackt dir sonst deine Hand ab.“, warnte ich ihn vor.
Abermals schimpfte der Lehrer aus dem Klassenraum. Steve und Melanie hielten sich den Mund zu, um nicht lauthals loszulachen. Eve platzte über die offene Verandatür herein.
„Unser Küken ist fleißig. Das gefällt mir.“ Sie küsste mich wild, ich streichelte ihren knackigen Po.
Melanie schmiegte sich an mich ran. Und Steve schleppte den Päckchenberg alleine ins Haus.
„Deine Girls wollten mir beim Einkauf behilflich sein. Soweit ihr ehrenwertes Vorhaben. Rate mal wie viele der Päckchen mir gehören?“ Er kramte in dem mannshohen Stapel und fischte zwei rechteckige Pakete hervor, hielt sie mir vors Gesicht.
„Ich verziehe mich jetzt an den Pool und genieße die letzten sonnigen Tage. Viel Spaß beim Einräumen.“
Kess zwinkerte er mir zu. Meine Ladys zerrten mich ohne Umwege ins Schlafzimmer, fielen über mich her, rissen mir den Lagerfeld vom Leib, nahmen mich hart ran und fickten mich gnadenlos. Ihre geilen Pussys fraßen mich auf. Sie stöhnten und schrien, krallten ihre Nägel in mein Fleisch. Mein Schwanz schmerzte, meine Lippe blutete, mein zerkratzter Rücken wurde taub. Keuchend ließen sie sich neben mich fallen, kraulten mir mein Haar und pusselten mich befriedigt ab. Mein Schweiß vermischte sich mit dem Blut, sie spielten mit den hellroten Schlieren, streichelten meine geschundene Haut. Kichernd verschwanden sie ins Bad. Ich fühlte mich benutzt und liebte diesen Zustand. Also nochmals unter die Dusche. Am Pool trafen wir zusammen.
„Mein Prinz, denk dran, Ben hat nächste Woche Geburtstag. Fünfzehn. Süß, nicht?“, erinnerte mich Melanie. Eve nickte wissend.
„Ich weiß.“, antwortete ich. „Was wollt ihr ihm schenken?“, fragte ich verheißungsvoll nach, denn ich war fantasielos. Was wünschte sich ein fünfzehnjähriger Junge, der alles bekam, was sein Herz begehrte?
Melanie, Eve und Steve schmunzelten mich seltsam an. In mir bimmelten alle meine Alarmglocken. Ich roch den Braten auf der Stelle. Sie hatten nicht nur mit dem Geld um sich geschleudert, nein, sie hatten die Shoppingtour auch zum Quatschen genutzt.
„Ihr werdet Ben auf keinen Fall in den Puff schicken. Das lasse ich nicht zu. Bäh, wie kommt ihr auf solche Ideen?“
Alle drei schüttelten zeitgleich ihren Kopf.
„Nein, was denkst du denn von uns? Wir dachten eher an etwas mit Spannung.“ Ich wartete ab. „Was hältst du davon, wenn wir ihm eine Abenteuerreise schenken?“, fragte Eve unschuldig nach.
Ich hob meine Schultern. Mir war der Sinn nicht klar.
„Eine Abenteuerreise? Ich weiß nicht, er bekommt für sein Alter mehr Abenteuer als ihm wahrscheinlich guttut.“, wandte ich ein.
Melanie senkte ihren Kopf, blickte mit ihren hübschen Augen über den Brillenrand hinweg.
„Keine gewöhnliche Abenteuerreise. Wir dachten eher an etwas Außergewöhnliches. Etwas sehr, sehr Außergewöhnliches.“
Argwöhnisch hob ich meine Augenbrauen und war gespannt auf das, was kommen sollte.
Melanie spitzte ihren Schmollmund. „Naja, nichts Wildes.“ Sie erforschte meine Gesichtszüge, wartete kurz ab. „Vielleicht eine klitzekleine Jagd.“
Ich schüttelte meinen Kopf.
„Was habt ihr euch nur wieder für einen Unsinn ausgedacht? Ihr wollt meinem Jungen tatsächlich eine Jagd auf eine Zielperson schenken.“
Ich starrte in drei erwartungsvolle Gesichter.
„Er muss schließlich üben. Das liegt doch klar auf der Hand.“, rechtfertigte Eve den Vorschlag.
Steve hielt sich vornehm zurück.
„Eine Familienjagd sozusagen.“, fügte Melanie an, in der Hoffnung mich zu besänftigen.
„Bevor wir uns eines Syndikats annehmen, sollten wir Ben auf den gewaltigen Auftrag vorbereiten, ihn gegen die Herausforderungen einer Jagd stellen und prüfen. Eben mal schauen, wie weit er mittlerweile ist. Er hat die letzten Monate hart trainiert. Seinen unbändigen Überlebenswillen kann er einzig im Tun verstärken.“
Eve setzte gekonnt ihre erlernte Meistertechnik in dem Fach der Verführung ein, bemühte sich, mich um den Finger zu wickeln.
„Ich denke im Familienrat unterliege ich der Abstimmung. Das hat also keinen Sinn.“, antwortete ich, mimte dabei den Machtlosen. „Zuallererst sollten wir ihn fragen, ob er überhaupt will.“, stellte ich zur Bedingung.
Aber klar. An ihren freudestrahlenden Gesichtern war es ein Einfaches raus zu lesen, dass das bereits hinter meinem Rücken geschehen war. Ich zog mein nächstes As aus dem Ärmel.
„Sein empfindlicher Gesundheitszustand ist gerade auf der Höhe, dass ich mich ernsthaft sorge, ob übermenschliche Anstrengungen im Moment förderlich für ihn sind. Lasst uns doch einen Trip zu Jo und seiner grauhäutigen Familie machen. Außerdem wartet Djan auf unseren Strategieplan, den wir ihm spätestens in vier Wochen vorlegen sollten.“
Eve verschwand für einen kurzen Augenblick ins Haus. Als sie rauskam, wedelte sie mit einem Stapel Papierzettel in der Hand, mir verschlug es die Sprache.
„Der Plan steht?“, posaunte ich laut raus.
Eve legte mir die Papiere vor.
„Nein. Das ist eine Bestätigung vom Arzt, dass Bens Gesundheitszustand stabil ist und er jeglicher Belastung standhalten kann.“
Das hätte mir klar sein müssen, meine Ladys waren super vorbereitet.
„Steve hast du mitgemischt?“, fragte ich anklagend.
Er verneinte, räkelte seinen durchtrainierten Oberkörper und pfiff unwissend in den Himmel.
„Kann der sich nichts Anständiges anziehen?“, nörgelte ich in meinen Gedanken.
Die verstohlenen Blicke meiner Ladys übersah ich nicht und das ging mir ziemlich auf den Nerv. Ich las den Zettel durch. Bei genauer Prüfung fiel mir der Name des Arztes auf. Da stand in kleiner Schrift, kaum lesbar, der Name Thorsten. Ich tötete Steve mit meinen Augen, aus zweierlei Hinsicht.
„Eigentlich sollte ich mich hintergangen fühlen und beschweren, aber es würde eh nichts nützen. Gut, wenn ich den Faden jetzt weiterspinne, dann gehe ich davon aus, ihr habt die Zielperson bereits festgelegt.“
Meine Ladys busselten mich zeitgleich. Anscheinend hatten sie mit einer wesentlich heftigeren Gegenwehr gerechnet. Aber ich war nicht zum Streiten aufgelegt. Ehrlich zugegeben, ich hätte mir schwergetan, auf die Schnelle ein tolles Geschenk an den Haaren herbeizuziehen. Eine Jagd, warum denn nicht? Es brachte ein neues Abenteuer hervor, ein weiteres Monster würde ins Gras beißen und meine Junge gewänne an Erfahrung. Allein die Ausübung des Spiels förderte die Geschicklichkeit eines Jägers und schärfte dessen Sinne, die Theorie vermittelte nur die Bandbreite, die ein Jäger beherrschen sollte, wenn ihm sein Leben lieb war. Also warteten wir auf Ben.
Mr. Bone trieb ihm den Unterrichtsstoff gnadenlos ins Gehirn. Mein Junge jammerte nicht, fügte sich seinem Schicksal und gab das Beste, zu dem er fähig war. Mit hängenden Schultern trottete er aus seinem Klassenzimmer, kam auf uns zu, er war mit seinen Nerven restlos fertig. Im Augenwinkel sah ich, dass ihm meine Hotties zublinzelten. Sein angestrengtes Gesicht hellte sich schlagartig auf, jauchzend sprang er in die Luft, rannte zu mir her und drückte mich so fest, dass mir die Luft wegblieb.
„Danke Paps. Nichts hätte ich mir sehnlicher gewünscht. Für C.B. ist eine Jagd genau das richtige Geschenk. Ich will mir doch einen Namen machen. Irgendwann sollte ich damit beginnen.“
Ich erwiderte seine herzhafte Umarmung und streichelte ihm seinen lockigen Wuschelkopf.
„Du willst nur vor dem Unterricht fliehen.“, scherzte ich.
Eve und Melanie ließen mir keine Zeit zum Durchatmen, drängten mich ins Haus an den runden Mahagonitisch. Ben rannte in sein Zimmer, holte eine Tasche herbei und leerte den Inhalt über den Tisch.
„Wer ist der Auftraggeber?“, fragte ich nach.
„Djan!“, bekam ich zur Antwort. Mein Auftraggeber hatte sich mit meinen Ladys verbündet. Jetzt wurde es unheimlich.
„Djan. Das kann ich nicht glauben.“, meldete ich mein Unbehagen. Es war unmoralisch den Auftraggeber zu bitten, bei einer bestimmten Zielperson mitzubieten. Nur leider hatte er mich in der Hand. Ich hatte dergleichen selbst schon getan.
„Naja, wir haben uns einen kleinen Splitter aus dem großen Ganzen rausgezogen. Arbeiten gewissermaßen schon einmal vor.“, beschwichtigte mich Melanie.
Ben ordnete den Stapel und überreichte in mir. Auf der ersten Seite war das Bild eines dunkelhäutigen Jungens, von etwa sieben Jahren, der seinen Arm um ein fünfjähriges Mädchen gelegt hatte. Leere, abgestumpfte Augen blickten in die Kamera. Der Junge umgriff fest den Lauf eines senkrecht stehenden Maschinengewehrs. Um seine Stirn war ein blutbefleckter Verband gewickelt. Das schwarze T-Shirt hing in Fetzen, genauso wie seine verdreckte Sporthose. Sowohl er als auch das Mädchen waren barfuß. Das ausgehungerte Mädchen verlor sich in ihrem grauschmutzigen Kleid, klammerte sich ängstlich an den Jungen.
Unter ihnen stand ein Text: „Vor dem Verkauf wurde dem Buben mit einer stumpfen Rasierklinge die Hoden abgetrennt, dem Mädchen wurden die Klitoris und die Schamlippen abgeschnitten und die weibliche Scham zugenäht. Beide wurden bei vollem Bewusstsein verstümmelt.“
Ich legte das Foto zur Seite und widmete mich der zweiten Seite.
„Brasiliens Kinder – Alptraum in den Favelas“, stand als Überschrift in fetten roten Buchstaben. Der folgende Text las sich als eine abscheuliche Auflistung des Horrors.
Unschuldige Straßenkinder wurden für billiges Geld versklavt, vergewaltigt, prostituiert oder durch Zwangsarbeit zu Tode geschunden. Jeder Sektor des verbrecherischen Marktes erhielt seinen Anteil.
Gesetzeswidrige Adoptionen füllten die Konten der Kinderhändler mit unermesslichem Reichtum, die besonders schönen Kinder, Buben wie Mädchen, waren für die Zwangsehen bestimmt. Besonders störrische Kinder wurden in geheimen Trainingslagern abgerichtet und als Kindersoldaten an die Gangs verscherbelt, oder in die internationalen Kriegsgebiete verschifft, um den mordgierigen Warlords nach einer grausamen Ausbildung als blutrünstige Bestien zu dienen. Die armseligen Geschöpfe, die keinen Absatz fanden, wurden kurzerhand für den Organhandel getötet und ausgeweidet.
Der Name des Jungens war Rafael, das Mädchen hieß Fee, ein Geschwisterpaar. Beide wurden von ihren Häschern entführt und von Brasiliens Straßen in den Südsudan verschleppt, sie wurden an die Waffen getrieben und gezwungen sich im Bürgerkrieg zu verdingen. Von der ersten Stunde an wurde ihnen eingebläut, dass jeglicher Widerstand zwecklos war. Hätten sie sich dem Befehl ihres Besitzers widersetzt, wären sie vor den Augen der anderen bestialisch gefoltert und durch eine Kinderhand abgeschlachtet worden.
Doch der erbarmungslose Krieg fegte über ihre zarten Körper hinweg, von Macheten zerstückelt wurden sie wie Müll liegengelassen, verbluteten, hungrige Geparden beendeten die Qual, beseitigten die Leichen bis auf die Knochen. Ich kämpfte mit dem Würgereiz. Obwohl ich dem Grauen in all seine abscheulichsten Gesichter geblickt hatte, trieb es mir nach wie vor die Tränen in die Augen und mein Magen rebellierte dagegen an.
„Lese weiter Paps! Die Schweine haben den Tod verdient.“, knurrte mir Ben entgegen.
Eve, Melanie und Steve guckten hart, hatten sich längst mit dem Auftrag befasst. Ich blätterte um. Drei Frauen lachten mir teuflisch entgegen, sie waren als die Drahtzieher des internationalen Kinderhändlerrings aufgeführt. Alleine in São Paulo führten sie einen Mitarbeiterstab von vierhundertvierundvierzig Gehilfen an, die sie sich durch Candomblé, eine mit dem Voodoo eng verwandte Religion gefügig machten.
„Sin, Teu und Miq. Was sind das denn für Namen?“, fragte ich nach.
Geschockt las ich Zeile um Zeile. Sie lockten die hungernden und umherstreunenden Kinder mit Süßigkeiten in ihre Obhut und entführten die Arglosen. Sie verwerteten sie in die einzelnen Bereiche der Sklaverei, die hilflosen Geschöpfe wurden wie gewöhnliche Handelsware gehandelt, verschwanden für immer in die dunklen Kanäle. Ihre Verbindungen reichten über den gesamten Globus, bis in die Tiefen eines weltumspannenden Netzwerkes des Horrors.
„Ihr bedenkt hoffentlich, dass ihr damit die erste Unruhe provoziert. Uns bleibt dann nur noch der Weg nach vorne, Schritt um Schritt. Ich stimme gerne zu, allerdings unter der Bedingung, dass der gesamte Entwurf bis zum Ende dieses heiklen Auftrages steht.“
Eve und Melanie zogen ihre Augenbrauen frech nach oben. Ich legte die Akte des Grauens auf die Seite, suchte den Augenkontakt zu meinem Jungen, in seinen Pupillen sprühte deutlich der Glanz der Jäger. Eve und Melanie küssten mich, ich war wieder einmal ihr Held.
„Steve bist du dabei?“, fragte ich unumwunden.
Er klatschte sich mit Ben ab.
„Hey, sein Geburtstag, oder? Klar bin ich mit von der Partie, diese Party lass ich mir doch nicht entgehen. Mein Liebling Thorsten wird zwar schimpfen, aber so ist er halt.“
Eve, Melanie und Ben stürzten sich direkt auf die strategische Arbeit, denn die Organisation einer erfolgreichen Jagd nahm bei weitem die meiste Zeit in Anspruch. Je gründlicher die Taktik geplant wurde, desto geringer war das Risiko für unser Leben. Ich ging mit Steve in den Garten, plauschte noch ein paar Minuten mit ihm, als es laut von der Straße zu uns herüber schallte.
„Shey, wohnst du hier?“
Ich zuckte zusammen, hatte ich den Tag über nicht schon genug Horror. Sprachlos blieb ich stehen, wünschte, dass die Realität sich schlagartig ändern würde.
„Sandra, was machst du denn hier?“, fragte ich angewidert.
Steve schlich sich fort, flüchtete Hals über Kopf ins Haus. Sandra blieb betont vor dem Tor stehen, wartete darauf, dass ich sie hereinbat. Doch ich blieb still, verweigerte hartnäckig jedes Gespräch.
„Ich habe das gesetzliche Recht zu überprüfen in welchen Lebensumständen mein Sohn lebt. Wenn dir das nicht passt, dann wird dir mein Rechtsanwalt schreiben. Wir werden ja sehen, wie weit du mit deinem asozialen Verhalten kommst.“
Mir blieb die Spucke weg. Ben spurtete an mir vorbei.
„Mama, komm rein! Stehe doch nicht rum.“ Mein Junge drückte sie. „Cool, dass du mich besuchst.“
Er geleitete sie an mir vorbei ins Haus. Ihr arroganter Blick sprach Bände. Jedoch, Ben wohnte nun mal genauso in unserem Haus, ich hätte es ihm niemals verbieten können, diesem Scheusal Einlass zu gewähren, auch wenn sie von mir ein lebenslanges Hausverbot bekommen hatte. Ich eilte hinterher. Eve und Melanie grüßten Sandra nicht, starrten sie wie ein ekliges Ungeziefer an, versperrten den Zugang zu unserem privaten Bereich.
„Ben, zeig ihr ruhig deine Räume, der Rest geht sie nichts an.“, ersuchte Eve meinen Jungen.
Ben war unsere unterkühlte Art unangenehm, auch wenn er dafür wohl Verständnis aufbringen musste. Sandra suchte die Nähe zu ihrem Sohn. Die Führung nahm kein Ende.
„Du lebst im Paradies. Ist das der Grund, warum du mich nicht mehr besuchst? Bist jetzt etwas Besseres.“
Sandra versprühte in gewohnter Weise ihr Gift. Ben fehlten die Worte.
„Warum sagst du das? Das stimmt doch überhaupt nicht.“
Bens Freude wich dem Ärger.
„Ich bin jedenfalls der festen Meinung, dass dich dieser Umgang mit deinem Erzeuger zum Schlechteren verändert. Ich habe dich doch nicht mit so viel Liebe aufgezogen, damit du ein Arschloch wie der hier wirst.“
Abwertend deutete sie mit ihrem Finger zu mir rüber. Steve huschte mit einer gepackten Tasche an uns vorbei, sein Gesicht war auffällig geschminkt, an der Türe drehte er sich um und klimperte mit seinen künstlichen Wimpern.
„Ich besuche Thorsten, werde bei ihm übernachten. Ihn mal richtig gut rannehmen, seinen geilen Knackarsch so durchficken, dass er drei Tage nicht scheißen kann.“
Dann entschwand er und ließ uns mit aufgerissenen Münder zurück.
„Du kommst sofort mit mir! Ich werde es nicht dulden, dass du bei solchen perversen Schweinen lebst. Sie haben dir doch hoffentlich nichts angetan!?“, wetterte Sandra schockiert und zog an Bens Arm.
Ben betrachtete Eve und Melanie, drehte seinen Kopf zu mir rüber, wir waren wie eingefroren.
„Mama, es ist besser du gehst jetzt.“, forderte er sie barsch auf.
„Du setzt mich also vor die Türe? Gut, aber vergiss nicht, dass ich dich geboren habe. Du brichst mir die Seele.“
Ben begleitete Sandra vor das Tor, steckte ihr ein paar Hunderter zu, gab ihr eilig einen Kuss auf die Wange und drehte sich um. Sie lief laut schimpfend die Straße runter.
Mein Junge setzte sich mit Eve und Melanie abermals über die Unterlagen, wir verloren kein Wort darüber. Es verstrichen ein paar Minuten bevor der Frost aus unseren vier Wänden wich und die familiäre Wärme zurückkehrte. Ich beschloss eine Runde mit dem Bugatti meiner Ladys zu drehen, der Versuch, meinen Kopf freizubekommen.
„Sandra soll doch froh sein, dass Ben lebt. Mann, echt. Und er sieht verdammt gut aus. Stolz solltest du sein, du dumme Schlampe.“, schimpfte ich.
Meine Gedanken rasten kreuz und quer durch meinen Kopf. Ich wehrte mich gegen die Qual des Ärgers, wollte es nicht zulassen, dass Sandra mir den Tag versaute. Ich fuhr ziellos umher.
Die Vergangenheit hielt mich in ihren Griff, ich verfluchte sie für das, was sie mir und Ben angetan hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, dass es nur eine klitzekleine Fingerbewegung am Abzug benötigt hätte, damit endlich Ruhe einkehren hätte können.
Letztendlich hielt mich einzig die Tatsache zurück, dass die Giftschlange auch Bens Mama war, die ich mit heller Freude über den Jordan geschickt hätte.