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Mariana im Licht

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Mellow saß mit seiner Großmutter Aurilia im lebhaften Stadtpark. Sie fütterten, wie jeden Sonntag, die quakenden Enten. Gurrende Tauben gesellten sich fröhlich dazu.

„Großmutter Auri, heute Nacht habe ich über 100 Schnupps am Himmel gezählt. Hast du auch welche gesehen?“

„Nein Mellow, nachts schlafe ich tief und fest. Und das solltest du auch tun. Du benötigst ausreichend Schlaf, schließlich bist du noch im Wachstum.“, tadelte ihn Aurilia und zog ihre schmalen Brauen nach oben. Sie warf den Enten die Brotkrumen vor die Schnäbel, die es sich hungrig schnappten, und atmete tief ein, denn das bereitete ihr wirklich Sorge. Die Sternschnuppen, das entging auch ihr nicht, leuchteten noch immer zuhauf am helllichten Tage. Ein deutliches Zeichen, das konnte sie nicht übersehen. Das Böse verfolgte bereits seine Beute, war auf der Jagd nach dem Junge mit silbernen Haaren.

Mellow stand auf, schlenderte zu den Enten hin und wartete einen kurzen Moment bevor er BigBlu zu sich lockte.

„Put, put, put. Komm BigBlu, hol dir dein Brötchen!”

Er streichelte dem Enterich über sein grünblaues Köpfchen.

„Großmutter, warum sehen denn die anderen die Schnupps nicht? Weder am Tag noch in der Nacht? Minja hat bisher noch keine einzige gesehen, während ich schon erstaunlich viele gezählt habe.“

Unvermittelt drehte Mellow sich zu seiner Großmutter um, sie erwiderte standhaft seinen fragenden Blick, hob abermals neckisch ihre dünnen Augenbrauen und lächelte ihn an.

„Ich glaube nicht, dass Minja die gesamte Nacht über aufbleibt und jede einzelne Sternschnuppe zählt. Viele Menschen nehmen sich überhaupt keine Zeit mehr, um den weiten Himmel zu bestaunen, geschweige denn eine prächtige Sternschnuppe zu bewundern. Also wundere dich nicht.“

Insgeheim hoffte Aurilia, dass Mellow sich mit dieser Antwort zufriedengeben würde. BigBig drehte ausgelassene Runden über den getrübten Entenweiher, stürzte sich aber nicht hinein, denn das Wasser war für seinen Geschmack zu schlammig. Er bevorzugte klares und frisches Wasser. Außerdem konnte er schmutzige Federn auf den Tod nicht ausstehen. Die leichte Brise trieb die herrlichen Wolken kaum voran und die Sonne zeigte sich in ihrem schönsten Gelb. Hie und da flackerte eine Schnuppe am Himmel auf. Die Menschen, die vorbeispazierten, besaßen tatsächlich keinen Blick für die wundersamen Dinge, die über ihren Köpfen geschahen. Sie schwatzten und lachten, sie aßen, sie nippten an ihren Flaschen, aber sie schauten nicht nach oben. Vielleicht hatte seine Großmutter ja doch recht.

Mellow verbrachte mit ihr den restlichen Nachmittag in dem wunderschönen und geruhsamen Park, bevor sie sich gemeinsam auf dem Nachhauseweg begaben. BigBig flog hungrig hinterher. Vor dem Haus umarmte Aurilia Mellow, bat ihn, sich in aller Seelenruhe um seinen gefiederten Freund zu kümmern, der es nicht mehr abwarten konnte, dass es endlich zum Fischen an den Bach ging. Der Türknauf knackte beim Drehen und die Türe ließ sich seltsamerweise schwer öffnen. Eine Hitzewelle schlug ihnen aus dem Flur entgegen. Mellow blickte Großmutter Aurilia verwundert an.

„Na, da ist wohl der Teufel los.“, scherzte Aurilia im unbekümmerten Ton, zwinkerte und lächelte.

„Geh schon, ich besuche das » Tor des Moooo «, solange ihr weg seid. Werde bald wieder da sein. Los, auf geht’s!“

Mellow tat wie ihm geheißen und er begleitete BigBig an den Bachlauf, der unweit des Hauses sein klares Wasser führte. Dort schwamm allerlei quirliger Fisch, BigBig freute sich über die riesige Auswahl. Er flog schnurstracks zu seinem Ausschauast, beobachtete das rauschende Wasser unter sich und behielt die schwimmende Beute fest im Blick. Blitzschnell stürzte er auf die Wasseroberfläche zu, tauchte ab, doch der Schnabel blieb leer. Der zweite Sturzflug blieb ebenfalls erfolglos. Erst bei seinem dritten Anlauf zappelte ein silbernes Fischlein im Schnabel, das er gierig verschlang. Bevor BigBig satt war, brauchte es noch einigen Jagderfolg. Mellow wartete derweil geduldig auf seinen blauen Saphir. Erst als BigBigs seinen Bauch restlos vollgeschlagen hatte, flog er Mellow zufrieden hinterher.

„Großmutter, wir sind zurück!“, rief Mellow laut durch das Haus, bekam aber keine Antwort.

„Wahrscheinlich ist sie noch hinter dem » Tor des Moooo «.“, dachte er sich mit rümpfender Nase, denn ein schwefeliger Geruch verpestete die warme Luft. Er zuckte seine Schultern und öffnete die Fenster bevor er in sein Zimmer verschwand. Vorsichtig tapste er über den Boden, blieb vor einem dicken farbigen Buch stehen, begutachtete es und hob es auf. Das Buch handelte von den mysteriösen schwarzen Löchern. Seit Mellow den geheimnisvollen Kosmos wahrnehmen konnte, fand er in spannend und rätselhaft zugleich. Es wunderte ihn, dass der Mensch mittlerweile so viele Rätsel enträtselt hatte. Er sog das Wissen der Bücher förmlich in sich auf, dennoch blieben unzählige Fragen ungeklärt. Während des vertieften Lesens und dem Angucken der farbigen Bilder, blickte er eher zufällig zur runden Monduhr, die über der Türe hing. Seit Stunden schon war seine Großmutter Aurilia verschwunden. Das war normalerweise nicht ihre Art, also begab er sich auf die Suche nach ihr.

„Großmutter, wo steckst du?“, rief er durch das Haus. Doch es blieb still. Zuerst durchforstete er ihr Schlafgemach. „Vielleicht ist sie eingeschlafen.“, dachte er sich. Danach suchte er sie in der Küche und im Keller, ging vor die Eingangstüre, läutete die Glocke und überprüfte die Garage. Doch sie war nirgends aufzufinden, das laute Rufen blieb vergebens.

Mellow wusste um diesen geheimnisvollen Eingang. Aurilia erzählte ihm schon von klein auf über das sagenumwobene » Tor des Moooo «. Nur dass es dieses unsichtbare Tor gab, aber nicht wie es zu finden war, oder was sich dahinter verbarg. An diesem Tage, so beschloss er eigensinnig, wollte er diesem Geheimnis auf dem Grund gehen. Er spähte hinter jede Türe des Obergeschosses, dessen Räume allesamt leer waren. Kein einziges Möbelstück war aufgestellt, keine Spinnenwebe klebte in einer der vielen Ecken. Nachdem Mellow Zimmer für Zimmer eingesehen hatte, setzte er sich erschöpft auf die Treppenstufen, verschränkte seine Arme und blies enttäuscht seine Backen auf.

„Wieso finde ich dieses verflixte » Tor des Moooo « nicht? Es aufzuspüren kann doch nicht so schwer sein.“

Während er über diese Frage grübelte, klingelte es. BigBig unterbrach das Putzen seines Gefieders und flatterte eifrig zur Türe. Mellow sprang mit einem wendigen Satz die Treppe herunter und riss die Türe auf. „Großmutter, endlich. Wo warst …“ Doch er verstummte sofort wieder.

„Hallo Mellow, siehst genervt aus.“, stellte Minja besorgt fest. „Was ist passiert?“

„Ach, ich sorge mich. Großmutter ist schon viel zu lange weg. Du kennst sie. Das ist ungewöhnlich.“

„Na, die wird schon wiederkommen. Schau mal, ich habe uns leckere Schokohasen mitgebracht.“

„Jetzt um diese Zeit? Ostern ist lange vorbei. Wo hast du die denn aufgetrieben?“, hakte Mellow erstaunt nach.

„Die hat mir Onkel Klaus aus China mitgebracht. Und das sind keine Osterhasen, sondern ausgefallene Schokohasen. „Fancy Hoppers. Wirst Augen machen.“

Minja griff in ihren vollen Rucksack, grub einen Hasen hervor, der mit seiner Schaufel und der grünen Mütze, das Aussehen eines fleißigen Gärtners besaß. Der zweite Hase, den sie heraus kramte, glich einem Astronauten, mit einem goldbeschichteten Helm über seinem Kopf. Mellow riss ihn sofort an sich, als sie ihm die Schokoüberraschung hinhielt.

„Juhu, da vergeht mir schlagartig die schlechte Laune.“, jauchzte er. Mellow freute sich wahnsinnig über sein Geschenk. Er öffnete zaghaft die Verpackung und brach sich ein großes Stück der braunen Süßigkeit ab. Genüsslich drückte er sich die schmelzende Leckerei an den Gaumen, während er sich gierig das nächste Stück abbrach.

„Mmmmh, ich liebe Schokolade.“, schmatzte Mellow und das Verlangen stand ihm unverhohlen in den Augen. Plötzlich erschrak er. Mit offenen Mund und aufgerissenen Augen starrte er aus dem Fenster, japste nach Luft, wedelte mit den Armen.

„Pass auf! Minja, geh sofort in Deckung! Da draußen!“

Er ließ den Hasen auf den Boden fallen, zeigte hektisch in die Richtung des Fensters, schnappte geistesgegenwärtig Minjas Hand und zerrte sie kraftvoll zu Boden.

„Ja, spinnst du denn total?“, wetterte Minja los, während sie ihr Kleid von der zerbrochenen Schokolade säuberte.

„Guck doch!“, brüllte er. „Die Schnuppe, sie fliegt auf uns zu, gleich kracht sie ins Haus.“

Minja drehte sich hastig um, entdeckte aber nichts Auffälliges.

„Mellow ich sehe nichts. Soweit ich es beurteilen kann, ist alles beim Alten.“ Sie suchte vergebens die Seiten des Fensters ab. „Der Baum steht da, wo er sein soll, der Himmel hat sein übliches Blau, Wolken ziehen vorbei und die Sonne überstrahlt alles. Passt also. Die Welt ist in allerbester Ordnung.“

„Minja, rede keinen Unsinn!“

Mellow blieb beharrlich, deutete abermals raus.

Minja stand auf, schüttelte genervt ihren Kopf und biss die nächste Stelle des zerbrochenen Hasen an. „Ich bin doch nicht blind. Aber weiter als bis zum Himmel kann ich nicht gucken.“

Mellow duckte sich, denn die Sternschnuppe zersprang glühend im Vorgarten und ein Glutregen übergoss den Rasen. Doch, das Unglück blieb aus. Er sprang hoch, stierte raus in den Garten, doch es gab keinerlei Spuren eines Einschlags, noch nicht einmal verbrannte Grashalme. Nichts, absolut nichts war zu sehen. Mellow winkte wütend ab, verkroch sich ins Bad und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Nach der Erfrischung beruhigte er sich alsbald. Minja schlug ihm vor, sie in die Stadt Fow Fonk zu begleiten. Mellow willigte ein, denn im Moment war es unsinnig weiter nach Aurilia zu suchen. Wahrscheinlich befand sie sich noch immer hinter dem geheimnisvollen Tor. Mellow bat BigBig zuhause zu bleiben, jedoch die Eisvögel sind bekannt für ihren Dickkopf, also flog er mit. So begaben sie sich zu dritt auf den Weg in die Stadt. Die Fahrt dauerte eine gute Stunde. Sie vertrieben sich die Zeit und besprachen ihr nächstes Vorhaben. Da Mellow pleite war, schmiedeten sie den Plan, das Teleskop selbst zu bauen. Sie redeten sich heiß und verloren sich in ihren Fantasien. Doch, kaum erreichten sie die Stadt Fow Fonk, stellten sie entsetzt fest, dass die Menschen um sie herum eine feindselige Stimmung ausstrahlten. An jeder Ecke wurde gestritten. Die Hunde knurrten sich gegenseitig an, fletschten ihre Zähne und spielten nicht mehr miteinander, vielmehr gingen sich die Hundebesitzer lieber gleich aus dem Weg. Die Katzen jagten sich durch die Straßen, fuhren ihre Krallen aus und zerkratzen jeden, der ihnen in den Weg kam. Müll und zerbrochenes Glas lag auf der Straße, einige Haustüren waren eingetreten worden.

„Hier ist es gruselig. Mellow wir sollten vorsichtig sein. Die

Leute suchen Streit. Darauf habe ich überhaupt keine Lust.“, nörgelte Minja mit verkniffenen Augen.

Mellow pfiff BigBig sofort zu sich und packte ihn schützend unter sein Shirt. Die Jungen und Mädchen prügelten sich kreischend, zogen sich an den Haaren und spuckten umher. Die Autos hupten bei jeder Gelegenheit, fuhren auf oder zwängten sich mit aller Gewalt durch die engsten Stellen.

„Minja, hast du Angst? Du hast Recht. Die Stadtbewohner verhalten sich heute wirklich seltsamer als sonst.“

„Ja, ziemliche Angst. Normal ist das nicht. Die Leute benehmen sich bescheuert. Und nicht nur die Leute. Selbst die Tiere sind gemein zueinander.“

Eheleute gifteten sich missgelaunt an und das Pärchen, das genau vor ihnen stand, löste geradewegs ihre Verlobung auf. Wütend warf die hübsche Blondine den wertvollen Verlobungsring in den Gully und stapfte energisch davon. Ihr Ex-Verlobter beschimpfte sie wüst, während er die entgegengesetzte Richtung einschlug.

„Willst du zurückfahren? Wir können auch ein anderes Mal in Stadt.“, fragte Minja verunsichert nach.

„Nein, lass uns trotzdem das Zoogeschäft besuchen. Vielleicht finden wir dort eine niedliche Freundin für BigBig. Er soll schließlich nicht alleine bleiben.“

„Mellow, du bist ein echter Träumer. Hast kein Geld mehr auf Tasche, aber eine Freundin für BigBig haben wollen.“

Mellow hörte geschickt weg, und so liefen sie durch die lauten Straßen, gingen jeglichem Ärger aus dem Weg, und waren heilfroh, als sie unbeschadet vor dem Zoogeschäft standen. Sie schritten durch die verdunkelte Glastür, doch der Lärm, der ihnen entgegenschallte, war nicht auszuhalten, sie hielten sich postwendend die Ohren zu. Ein unerträglicher Mix aus Kreischen und Quieken erfüllte den Raum. Die Tiere waren außer Rand und Band. Sie sprangen gegen die metallenen Gitter ihrer Käfige, schmissen das Futter auf den Boden, oder randalierten sonst wie herum. Die Hunde bellten und knurrten. Die Vögel flatterten aufgeregt umher, hackten wild auf ihre Artgenossen ein, solange bis die Federn flogen. Mellow guckte Minja verdutzt an.

Er suchte sofort den gestressten Inhaber des Geschäftes auf, fragte lauthals, warum hier der Teufel los sei. Der Besitzer, ein untersetzter Mann mit schütteren Haaren, zuckte überfordert seine hängenden Schultern, rückte seine schmale Brille zurecht und hielt ihm das Schild „Geschlossen“ vor die Nase. Enttäuscht verließ Mellow mit Minja das Geschäft. BigBig drückte sich zitternd und verstört an Mellows Brust. Sie beeilten sich, wollten auf dem schnellsten Weg zurück zum Bus, der sie sicher aus der aufgehetzten Stadt bringen sollte. Sie warteten und warteten. Aber vergebens, es wurde bereits später Abend und die Sonne verschwand hinter dem Horizont, trotzdem fuhr kein Bus die Haltestelle an.

„Mellow, wahrscheinlich taucht der Bus nicht mehr auf. Willst du hier schlafen?“, fragte Minja genervt.

Mellow schüttelte seinen Kopf.

„Lass uns laufen. Im Bushäuschen schlafen, dazu habe ich keine Lust. Außerdem bekomme ich da kein Auge zu.“

Und so marschierten sie los, BigBig zog hungrig seine Kreise über ihre Köpfe hinweg. Der nachtschwarze Himmel war bewölkt und zeigte keinerlei Sterne und der kreisrunde Mond versteckte sich mit den Schnuppen ebenfalls hinter der dichten Wolkendecke. Die beiden Freunde unterhielten sich über das raue Benehmen der Stadtbewohner. Aber so sehr sie auch grübelten, sie fanden dafür keine einleuchtende Erklärung. Letztendlich einigten sie sich darauf, dass die Stadtbewohner allesamt bekloppt waren. Dieses Mal zwar mehr wie sonst, aber eben vielleicht doch nicht so außergewöhnlich.

„Das erklärt noch immer nicht das seltsame Verhalten der Tiere im Zoogeschäft.“, murmelte Minja vor sich hin, beließ es aber dabei und nahm die Hand von Mellow. Sogleich fühlte sie sich sicherer und marschierte wortlos neben ihm her.

Es dauerte knapp an die drei Stunden, bis sie endlich die Umrisse ihres Dorfes erkannten. Kaum bogen sie auf dem Weg zu Mellows Haus ein, erspähte Mellow die Kontur einer gebückten Gestalt, die vor dem Gartenzaun stand.

„Großmutter! Großmutter Auri, bist du es?“, schrie Mellow gespannt in die Nacht und rannte los. Minja blieb angewurzelt stehen. Die unbekannte Gestalt drehte sich um, humpelte ein paar Meter vom Tor weg und löste sich in grauen Rauch auf. Mellow erschrak fürchterlich, stolperte rückwärts bis er wieder auf der Höhe von Minja war.

„Hast du das gesehen?“ Mellow packte Minja an den Armen und rüttelte sie mit vorstechenden Augen. Minja erwiderte nichts, schüttelte verneinend ihren Kopf. Mellow zerrte sie ins Haus.

„Ich schaue mich um, Minja. Vielleicht ist Großmutter hier.“

„Warte, ich helfe dir! Dich kann ich nicht alleine lassen.“

Sie entdeckten kein Lebenszeichen. Mellow versank in großen Kummer. Unfassbar, dass Aurilia sang und klanglos verschwunden war, ohne einen Brief oder sonst eine Nachricht zu hinterlassen. Minja tat alles Mögliche, um Mellow geschickt abzulenken. Sie bot ihm Schokolade an, die ihr Freund aber ablehnte. Sie begann eine Unterhaltung über das schwarze Loch. Auch dazu hatte Mellow keine Lust. Erst als sie die Zeichnungen für das Teleskop hervorkramte, war Mellow bei der Sache. Und so zeichneten und tüftelten sie die gesamte verbleibende Nacht bis in den frühen Morgenstunden hinein. Sie überlegten den Aufbau des Rohrs, studierten die Glasstärken und den notwendigen Schliff der Lupen, solange bis ihnen beiden vor Müdigkeit die Augen zufielen.

Abermals erwachte Mellow am goldenen See, obwohl er zuvor keine Sternschnuppen am Himmel gesichtet hatte. Die Helligkeit brannte in seinen Augen, er kniff sie zu und blinzelte durch die zitternden Wimpern. Nach einer geraumen Zeit beobachtete er erneut das Flirren über der glatten Oberfläche des Sees. Auch dieses Mal sah er von den vorbeihuschenden Wesen nur unscharfe Konturen, so sehr er sich auch bemühte, sich zu konzentrieren. Plötzlich erschrak er. Eine Silhouette zeichnete sich ab. Sie war zwar undeutlich zu sehen, aber mit der notwendigen Anstrengung auszumachen. Der Umriss glich dem einer menschlichen Figur.

„Etwas größer vielleicht als ein durchschnittlicher Mensch.“, flüsterte er gespannt.

Die flirrende Gestalt schwebte schnurstracks auf Mellow zu, stoppte vor ihm. Er hielt erstaunt die Luft an, blieb regungslos, denn damit hätte er niemals gerechnet. Aufmerksam richtete er seinen Blick auf die Figur. Er sah, wie sich der Körper von dem goldenen, lichtbeherrschenden Hintergrund abzeichnete. Ein weibliches Wesen stand vor ihm. Ihr langes Haar umwallte ihr durchscheinendes Gesicht. Es schien fast so, als ob sie ein Kleid aus Federn trug und zwei Flügel auf dem Rücken hatte. Zumindest schirmte sie das unermesslich helle Licht ab, und Mellow konnte seine Augen einen Moment lang entspannen. Je länger er seinen Blick auf diese Erscheinung richtete, desto mehr erahnte er von ihrem Aussehen.

„Hallo, Mellow.“, begrüßte ihn die weibliche Erscheinung.

„Ich heiße Mariana.“

Mello schluckte verblüfft, es verschlug im die Sprache.

„Ha-, Hallo.“, stotterte er los. „Wo-, Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er verunsichert nach.

„Das ist eine lange Geschichte. Im Moment zählt nur, dass wir uns endlich treffen. Die Welt, wie du sie kennst, wird sich bald schon wandeln. Du bist in großer Gefahr.“

Doch ehe er sich versah, wachte er verwirrt bei sich zuhause auf. Das war eindeutig zu viel für ihn. Sofort weckte er Minja, um ihr von seinem sonderbaren Erlebnis zu erzählen. Minja knurrte patzig, als Mellow sie aus ihrem tiefen Schlaf riss, fand die Geschichte dann aber doch spannend, so dass sie mit großen Ohren hinhörte.

„Mariana, sagst du? Ist auf jeden Fall ein weiblicher Name. Aber Kleidung aus Federn? Und Flügel? Bist du dir da sicher?“

„Ja, wenn ich es dir doch sage. Auch wenn ich nur wenig gesehen habe. Sie trug übergroße Vogelfedern am Körper.“

Während des Erzählens streichelte er über den fedrigen Kopf von BigBig. Der Eisvogel hielt seine Augen geschlossen und tschiepte wohlwollend.

„Und du bist dir sicher, dass sie sagte, du bist in Gefahr?“

„Ja, Minja. Ich habe ihre warnenden Worte noch im Ohr. Aber kein Grund zur Sorge. Es war ja nur ein Traum.“

Jetzt bekamen beide vor Aufregung kein Auge mehr zu und rafften

sich auf, sich ein Frühstück zuzubereiten. Bald schon erfüllte

ein leckerer Bratgeruch die Küche.

„Minja, wir müssen etwas unternehmen. Es ist nicht normal, dass

sich Großmutter Auri noch nicht zurückgemeldet hat.“

Mellow wendete gekonnt die brutzelnden Kartoffelscheiben.

„Anscheinend ist ihr etwas zugestoßen. Ich kann es mir nicht anders erklären, dass sie grundlos wegbleibt.“

Minja nickte zustimmend. Sie beschlossen nach dem Frühstück die Umgebung abzusuchen, und wenn das nicht ausreichte, die Polizei anzurufen. Nach einem gelungenen Mahl verließen sie mit BigBig das Heim und klingelten ihre Nachbarschaft ab. Kaum jemand öffnete seine Türe und gab bereitwillig Auskunft. Sehr ungewöhnlich stellten beide fest. Die Wenigen, die ihre Türe öffneten, wimmelten Mellow und Minja mürrisch ab. Sie gaben ihnen das Gefühl, unerwünschte Störenfriede zu sein. Diese abweisende Haltung kannte er noch aus früherer Zeit, als er mit Aurilia in das Dorf Nuckelon gezogen war. Aufgrund seines einzigartigen Aussehens, vor allem durch seine künstlich wirkenden silbernen Haare und den großen bernsteinfarbenen Augen stieß er auf die Ablehnung seiner Nachbarn. Damals mieden die Dorfkinder ihn, hatten Angst vor ihm. Es war eine sehr schwere Zeit für Mellow. Heutzutage gehörte er zum festen Kern der Dorfbewohner, keinen kümmerte es mehr, dass er so anders war, als all die anderen. Nach etlichen Stunden erfolgslosen Suchens gaben sie erschöpft auf. Mellow schnappte sich das Telefon und rief bei der Polizei an.

„Hallo, hier ist Mellow. Ich brauche ihre Hilfe.“

„Ja, wo wohnst du denn?“, fragte der Polizist schroff.

„Ich wohne im Heiligen Weg 3.“

„Gut, dann berichte erst einmal was geschehen ist!“

Mellow sprudelte mit seinem Anliegen heraus. Aber der Polizeibeamte gab ihm nach nur wenigen Worten in einer wirschen und bestimmten Art zu verstehen, dass er sich unmöglich darum scheren könnte, denn es ging momentan drunter und drüber.

„Deine Großmutter ist eine erwachsene und rüstige Dame. Die wird schneller heimkommen, als es dir lieb ist. Hat halt sicherlich nur vergessen, dir Bescheid zu geben. Melde dich nächste Woche, wenn sie bis dahin nicht aufgetaucht ist.“

Dann legte der forsche Polizeibeamte auf.

Mellow kam sich ziemlich alleine gelassen vor.

„Was können wir sonst noch tun?“, fragte er Minja.

Er überlegte für einen kurzen Moment, ob er sie in das Geheimnis um das » Tor des Moooo « einweihen sollte, nur hatte er seiner Großmutter Aurilia hoch und heilig geschworen, niemanden, aber auch absolut niemanden davon zu erzählen.

„Wir können tatsächlich nur abwarten. Auch wenn uns das nicht gefällt.“, sprach Minja.

„Komm, lass uns die restlichen Schokohasen verspeisen!“, forderte Minja ihren Freund auf, bevor er ganz und gar in Trübsal versank.

Die kommenden Tage vertrieben sie sich die Zeit zu Hause, spielten am Computer, aßen was die Küche an Lebensmittel hergab, schmusten mit BigBig und zeichneten fleißig an den Plänen für ihr Teleskop. Mellow war nur mit einem halben Herzen dabei. Ihr Unterschlupf blieb vorerst ungenutzt. Die Sorge um seine Großmutter Aurilia plagte ihn sehr, so sehr, dass er kaum mehr Schlaf fand, was ihn ziemlich reizbar stimmte. Mellow wurde grimmig, ständig pöbelte er Minja an. Sie bemühte sich, ihm aus dem Weg zu gehen. Es fiel ihr von Mal zu Mal schwerer und es war nur eine Frage der Zeit, bis die miese Stimmung endgültig in den Keller stürzte.

„Ich will Spiegeleier, keinen Eiermatsch.“, brüllte Mellow beim

Abendessen los, knallte wutentbrannt die heiße Pfanne in die Spüle.

„Findest du nicht, dass du mit deiner fiesen Laune übertreibst?

Eier sind Eier. Egal ob gespiegelt oder gerührt. Das bleibt sich doch gleich.“, entrüstete sich Minja stocksauer. Sie verspürte riesigen Hunger. „Echt super. Das waren unsere letzten Eier. Schmeiß doch alles weg. Für was mach ich mir die Mühe?“

Sie steigerten sich hitzig in ein Wortgefecht. Es war nur eine Kleinigkeit, aber das Feuer des Streites breitete sich wie ein ungezügelter Brand aus. Sie schubsten sich und schon bald rauften sie sich kreischend am Boden. Mellow packte Minja in den Schwitzkasten, drückte zu bis sie kaum mehr Luft bekam. Erst als ihr Kopf rot wurde, ließ Mellow endlich von ihr ab, verwies sie aber zornig des Hauses. Tief gekränkt schnappte Minja ihren leeren Rucksack und stürmte geschlagen außer Haus. Mellow verzog sich in sein Zimmer, knallte gereizt die Tür hinter sich zu, achtete nicht weiter auf BigBig, der flatternd vor der Türe zurückblieb. Der Eisvogel beschwerte sich mit lautstarken Tschiepen. Mellow empfand sich nicht als glücklicher Gewinner. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich traurig und unglücklich. Nicht nur, dass seine Großmutter verschwunden war, jetzt hatte er auch noch seine beste Freundin in die Flucht geschlagen. Er stürzte sich aufs Bett, vergrub den Kopf zwischen seine Arme, bis nur noch sein silberner Schopf zu sehen war, und heulte bitterlich los. Große Tränen kullerten ihm über die Wangen. Sein hilfloses Schluchzen durchzog das Haus. Seine Kraft war erschöpft und missgelaunt glitt er in einem Dämmerzustand ab.

Ein sanftes Rütteln weckte ihn. Mellow öffnete seine bernsteinfarbenen Augen und erschrak bis in die Knochen. Eine wunderschöne Frau beugte sich über ihn, ruckelte an seinem liegenden Körper. Rubinrotes Haar umrahmte ihr Gesicht und ihr Lächeln war eine wahre Wonne.

„Komm, Mellow, es wird Zeit für dich. Steh auf!“, ermunterte sie ihn.

Mellow erhob sich und verschmälerte seine Augen. Sonderbar erschien es ihm, dass er die Frau, die ihn weckte, genauer wahrnehmen konnte, als jemals ein flirrendes Wesen zuvor.

„Bist du es, Mariana?“, fragte er erstaunt nach. Sie bejahte seine Frage mit einem zustimmenden Nicken.

„Wo sind deine Flügel?“, hakte er nach.

Mariana wirbelte herum und es dauerte nur einen Wimpernschlag, sie verwandelte sich schlagartig. Ihre flauschigen Federn schimmerten dunkelviolett. Marianas Auftritt erschien anmutig und ihre Stimme klang zart.

„Ist dieser Ort Wirklichkeit, oder nur ein Traum?“

„Dieser Ort ist die Wirklichkeit. Auch für dich. Selbst wenn du träumst. Dieses Mysterium wird sich für dich bald schon öffnen und dann wirst du ganz klar erkennen, dass es wirklich ist.“

Für einen klitzekleinen Moment fühlte sich Mellow nicht mehr ganz so allein.

„Mariana, aber ich träume doch. Es fällt mir schwer zu glauben, dass dies wirklich geschieht.“

Mariana blickte ihm tief in seine schmalen Augen.

„Träume sind letztendlich nur eine andere Art von Wirklichkeit.

Du kannst mich sehen. Du kannst mich hören. Du sprichst mit

mir. Ist das denn nicht die Wahrheit?“

Mellow nickte, das klang mehr wie einleuchtend.

„Dann sag mir, in welcher Gefahr befinde ich mich?“

Nach einer Pause unterbrach sie die Stille.

„Du suchst noch immer nach Aurilia, oder?“

Mellow horchte gespannt auf.

„Ja, ich suche Großmutter Auri schon seit einigen Tagen. Weißt du vielleicht, wo sie sich befindet?“

Seine Stimme bebte vor Aufregung und er konnte die Spannung kaum mehr ertragen.

„Nein, über den Verbleib Aurilias weiß ich nicht Bescheid.“

Mellow atmete enttäuscht ein und schnaufte entmutigt aus.

„Aber ich kenne jemanden, der vielleicht Auskunft geben kann.“

Noch bevor Mariana weitersprach, verschwand Mellow aus ihrem

Blickfeld und wachte zuhause, noch immer über seinem Bett gebeugt, auf. Mit aller Mühe zwang er sich, erneut einzuschlafen, erkannte aber, dass es sinnlos war. Er war innerlich viel zu aufgewühlt.

Mit einem Satz sprang er hoch, öffnete die Türe, rief laut nach BigBig und rannte mit ihm in der Hand auf die Straße. Er sprintete ohne Umweg zu Minjas Haus. Der Himmel war wolkenlos und er sah die vielen Sternschnuppen auf die Erdoberfläche treffen. Er hämmerte kraftvoll gegen die Türe, aber niemand öffnete. Mellow rüttelte fest am Türknauf, drehte wild in beide Richtungen, es half nicht, die Türe blieb verriegelt. Er rannte ums Haus, überprüfte jedes Fenster, in der Hoffnung, dass er durch eines schlüpfen könnte. Jedoch ohne Erfolg.

„BigBig, ich brauche deine Hilfe. Flieg und wecke Minja!“

BigBig befolgte die Bitte, noch immer gekränkt, weil Mellow ihm die Türe vor dem Schnabel zugeschlagen hatte. Er flog auf den Kamin, blickte nach unten in den Schlot, sah den Ruß und schüttelte sich vor Ekel. Eisvögel achteten peinlich genau darauf, sich nicht zu beschmutzen. Doch dann bemerkte er erleichtert, dass ein Oberlicht geöffnet war. Zu schmal für einen Jungen, für einen kleinen Piepmatz aber eine Leichtigkeit. BigBig tschiepte befreit auf.

Mellow wartete ungeduldig, verkrampfte, fühlte sich abermals beobachtet. Nervös prüfte er die Umgebung, erspähte einen heruntergekommenen bulligen Mann in zerlumpten Klamotten. Der bärtige Mann gammelte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, winkte Mellow eifrig zu. Mellow winkte nicht zurück. Der Mann jaulte auf, drehte sich um und schlurfte davon. BigBig flog heran und setzte sich auf Mellows Handrücken. Er drehte seinen Kopf mehrmals von links nach rechts und hob ab in Lüfte. Mellow überlegte nicht lange und rannte die Straße hinunter, auf direktem Weg zum Hauptquartier Wolke 7 am Waldesrand.

Völlig aus der Puste kam er an. Bei dem Versuch die Stahltüre zu öffnen, stellte er fest, dass sie von innen verriegelt war.

„Sind heute alle Türen für mich verschlossen?“

Er klopfte, rief nach Minja, rüttelte und zog mit aller Kraft an der Stahltüre. Vergebens. Die Türe bewegte sich keinen Millimeter. Niedergeschlagen setzte er sich auf den Boden.

„Mist. Echt, wie verhext. Wo seid ihr?“

BigBig landete auf seinem Kopf, rupfte ihm am silbernen Haar. Mellow war froh darüber, dass sich sein kleiner Freund, der Eisvogel, beruhigt hatte. Nach einer geraumen Zeit spitzte Minjas Kopf aus dem Dickicht hervor. Sie hielt nach allen Richtungen Ausschau.

„He, Minja. Hier bin ich!“, rief Mellow laut aus.

Minja blickte in seine Richtung und winkte ihn herbei. Mellow

sprang auf, rannte zur Türe, nahm seine beste Freundin in den

Arm und entschuldigte sich aus vollem Herzen.

„Ich weiß ja, dass du traurig bist, weil dir deine Großmutter

fehlt. Aber ich tue dir überhaupt nichts und du bist so giftig

zu mir.“, schellte Minja ihn.

Ansatzlos verpasste sie Mellow einen Bauchschlag, der sofort in die Knie ging und nach Luft japste. BigBig flog nach unten, flüchtete vor dem Streit, in die schützende Sicherheit.

„So, das musste jetzt einfach sein.“

Mellow stand wieder auf, hielt sich den Bauch, atmete tief durch und blickte Minja verständnislos an.

„Was ist, Mellow? So ist es mir ergangen, als du mit deinen Fäusten auf mich eingeprügelt hattest. Ich hatte bestimmt keinen Spaß dabei. Das kannst du mir glauben. Jetzt sind wir quitt. Und kein Wort mehr darüber.“

Sie blickten sich wütend an, brachen dann aber doch in einem schallenden Gelächter aus. Hand in Hand gingen sie nach unten. BigBig zupfte sich seinen Schlafplatz bequem. Mellow berichtete ihr von seinem unbegreiflichen Erlebnis am goldenen See.

„Ja, sie besaß unbeschreiblich schön geformte Flügel mit einem hohen Bogen und einem spitzen Auslauf nach unten.“, schwärmte er. „Und ihre Federn schimmerten dunkelviolett. Sie ist einzigartig und wunderschön.“

Minja überreichte Mellow die Nussschokolade und goss ihnen beiden einen Schluck hellbraunen Karamellsirup in die Gläser. Dann fragte sie ihn nach jeder erdenklichen Einzelheit aus und er stand ihr brav Antwort und Rede. Vergessen war ihr übler Streit. BigBig war froh, dass der Friede einkehrte. Mellow schleckte sich genüsslich über die pappigen Lippen.

„Und weißt du was das Beste daran war? Mariana kennt jemanden, der vielleicht Bescheid weiß, wo Großmutter sich befindet.“ Seine Augen strahlten vor Zuversicht.

„Das ist prima! Jetzt musst du nur noch schlafen und an den goldenen See zurückkehren.“

„Ach, Minja. Wenn das nur so einfach wäre. Ich bin so aufgeregt, dass es mir schwerfällt, einzuschlafen und zu träumen.“

„Vielleicht kann ich dir weiterhelfen. Wenn Onkel Klaus kein Auge zubekommt, dann trinkt von dem blauen Sirup, den der von deiner Großmutter bekommen hatte.“

Und so begaben sich die zwei auf den Weg zu Minjas Haus. Sie kramte im weißen Arzneischrank ihres Onkels, nach kurzem Stöbern fand Minja das Fläschchen und überreichte es ihrem besten Freund. Mellow verstaute die bläuliche Flüssigkeit sofort in seiner Hosentasche. Er nahm sich vor, noch am selben Abend davon zu trinken.

Sie schlenderten durch das sonst so belebte Dorf, das jetzt einen ausgestorbenen Eindruck hinterließ. Ödnis durchzog die leeren Wege und keine einzige Menschenseele war zu sehen. Bei Mellow drehte es sich eh nur noch um einen Gedanken. Er wünschte sich sehnlichst den Traum herbei, damit er die wunderschöne Mariana wiedertraf.

Sie schritten an den verrammelten Häusern vorbei, deren Fensterläden zugenagelt waren und die eine feindselige Stille ausstrahlten. Die Hunde waren aus ihren Zwingern und die Pferde von den Koppeln geholt worden, zurück in die sicheren Häuser und Ställe. Auch auf dem Spielplatz, in der Nähe von Wolke 7, fehlten die Kinder, die sonst so lautstark und ausgelassen spielten. Friedhofsstimmung breitete sich wie ein Fluch über das gesamte Dorf Nuckelon aus. Erleichtert trafen sie in ihrem Kellerraum ein und sperrten die Welt aus. BigBig schlief tief und fest auf seinem Schlafkissen. Minja zeigte Mellow ihre neuen Skizzen für das Fernrohr und sie fachsimpelten über die Weite, die sie mühelos damit erreichen könnten. So verflogen die Stunden bis zum Abend ziemlich schnell. Mellow bereitete sein Abendmahl vor. Er holte den blauen Sirup hervor, der süßlich duftete, und goss sich einen kräftigen Schluck ein. Und es dauerte keine Minute, bis ihm schläfrig die Augen zufielen. Aber so sehr er es auch wünschte, der goldene See blieb fern.

Mellow Tior

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