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Drittes Kapitel.
Die Ankunft.

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Inhaltsverzeichnis

Es war sechs Tage später. Auf einem der vielen Bahnsteige des großen Leipziger Bahnhofes schritten zwei Damen auf und ab. Die ältere der beiden, die Frau Geheimrätin von Ringewald, sah sehr blaß und traurig aus, und ihre Tochter Eva bemühte sich, sie durch allerlei lustige Worte zu erheitern. „Paß auf, Mutter,“ sagte sie, „die beiden Buben werden uns viel Spaß machen.“

„Ich weiß nicht recht, Eva,“ antwortete die Geheimrätin, „ob es nicht eine Torheit war, die Buben einzuladen. Was sollen wir mit ihnen anfangen?“

„O, ich spiele mit ihnen und zeige ihnen unsere Stadt,“ rief Eva vergnügt, und ihr liebliches Gesicht strahlte wie ein junger Frühlingsmorgen. „In das Museum führe ich sie, in den zoologischen Garten, überall hin, ich freue mich schon darauf!“

Die Geheimrätin lächelte wehmütig. Sie wußte genau, daß sich ihre Tochter nur auf den Besuch freute, weil sie ihr damit eine Zerstreuung zu schaffen gedachte. „Mein gutes Kind, du,“ flüsterte sie leise, „wenn ich dich nicht hätte!“

Die schöne Eva von Ringewald unterdrückte einen tiefen Seufzer. Der galt dem großen Leid, das der Mutter und ihr Leben trübte, und sie sagte tapfer, sich zum Fröhlichsein zwingend: „Jetzt werden sie gleich kommen, in einer Minute werden sie da sein; wir wollen sie schon heiter empfangen, gelt, mein Goldmuttel?“

Die Geheimrätin konnte nicht mehr antworten, denn der Zug, der die Sternbübles nach Leipzig bringen sollte, fuhr just ein. Mit Puffpaff und lautem Gepfeife lief er in den Bahnhof ein. Die Türen wurden aufgerissen, Menschen stiegen aus, da und dort ertönten frohe Willkommrufe, Gepäckträger wurden herangewinkt, und ein paar Minuten war der Bahnsteig von lautem Getöse erfüllt. Doch alle hasteten, so schnell sie konnten, dem Ausgang zu. Der Bahnsteig leerte sich, und nach ein paar Minuten stand die Geheimrätin mit ihrer Tochter nur noch allein am Zug, dessen Türen ein paar Schaffner schlossen.

„Sie sind nicht gekommen,“ rief Eva traurig.

„Aber ihre Mutter hat doch heute gedrahtet, sie wären abgefahren.“ Frau von Ringewald sah sehr besorgt drein. „Wenn ihnen nur nichts zugestoßen ist!“ sagte sie ängstlich.

„Vielleicht sind sie irgendwo sitzengeblieben.“ Eva lief noch einmal den Zug entlang, und in diesem Augenblick rief ein Schaffner in ein Abteil hinein: „Hallo, hallo! Was macht denn ihr da drinnen?“

Neugierig blickte Eva in das Abteil und sah darinnen auf den Bänken zwei Büblein liegen, die so fest schliefen, als lägen sie um Mitternacht in ihren Betten.

„Das sind sie,“ rief Eva, „ganz sicher, das sind sie!“

Der Schaffner grinste. „Wollen Sie die abholen, Freileinchen?“

„Ja,“ antwortete Eva, „die Beschreibung paßt.“ Und sie rief laut die Namen: „Mathes, Peter, wacht auf!“

„Rrrrrr“ schnarchte der eine, „pff, pff“ schnaufte der andere.

Der Schaffner lachte. „Na, die haben einen gesegneten Schlaf,“ meinte er, „die muß man anders wecken!“

Und geschwinde kletterte er in das Abteil hinein und hob eins, zwei die Buben von den Bänken und stellte sie hin. „Aufwachen!“ schrie er.

Da rissen die Sternbübles, denn sie waren es wirklich, ihre Augen so weit auf, so weit es ging. Weil ihnen die Umgebung aber gar zu fremd vorkam, dachten sie, sie träumten noch, und fanden, ausgeschlafen hätten sie noch nicht, und, pardauz, lag der Peter rechts auf der Bank und Mathes links auf der Bank und rrrrrr, pff, pff schnarchten und pusteten alle beide weiter.

Ein zweiter Schaffner und ein Gepäckträger waren inzwischen herbeigekommen, auch die Geheimrätin stand vor dem Abteil, und alle miteinander lachten über die verschlafenen Büblein.

„Die können’s!“ sagte der zweite Schaffner, und flugs kletterte er auch in den Wagen, er packte Peter, sein Kamerad packte Mathes, und beide trugen die Buben auf den Bahnsteig, und dort setzten sie sie so fest auf den Boden, daß die Sternbübles nun wirklich munter wurden.

Sie gähnten, sahen sich an, sahen sich um, und weil ihnen die ganze Sache etwas sonderbar vorkam, brachen sie in ein lautes Geschrei aus. Das Brüllen nun verstanden die Sternbübles ausgezeichnet. Daheim in Breitenwert, in der Löwengasse, sagten die Leute nicht: „Der brüllt wie ein Ochse,“ sondern: „Der brüllt wie die Sternbübles,“ wenn jemand zu arg schrie.

Und wenn die beiden schrieen, dann sah Mathes den Peter an und Peter sah den Mathes an, und bei allem Schmerz und Kummer dachten sie meist: Ich kann’s noch lauter.

So ein mörderliches Geschrei war man aber auf dem Bahnhof von Leipzig nicht gewöhnt. Ein paar Beamte liefen noch herbei, der Zeitungsmann, einer, der Früchte und Keks verkaufte, alle kamen sie, und alle fragten sie: „Was ist los, was fehlt den beiden?“

Eva versuchte die Buben zu trösten. „Seid doch ruhig!“ bat sie. „Ihr seid ja am rechten Ort. Kommt, wir fahren jetzt mit einem Wagen zu uns!“

Die Sternbuben in der Großstadt

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