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Das Fest der Feste fand in Wien statt
Оглавление»Aus der Stadt zogen dem Kaiser und den Königen auf eine Viertelmeile des Weges entgegen an die tausend fünfhundert Bürger und Bürgersöhne, alle in Scharlach gekleidet …«
So berichtete ein Chronist im Jahre 1515. »Vor ihnen her ritten sechs mit ritterlicher Würde geschmückte Ratsherren in silbernem Harnisch, um die Fürsten im Namen der Stadt mit Gruß und Geschenken zu bewillkommnen. Nach diesen kamen fünfhundert deutsche Landsknechte mit langen Spießen und Handröhren, alle schön und gleich gekleidet …« Die Ehrenformationen, die gekommen waren, um Kaiser Maximilian und den Königen Vladislav II. von Böhmen und Ungarn und Siegmund von Polen einen prächtigen Empfang zu bereiten, nahmen schier kein Ende, denn auch die hohe Geistlichkeit hatte ihre Vertreter im prunkvollen Ornat gesandt, hinter ihnen schritten würdevoll die Professoren der Universität, die Doktoren in ihren Talaren und die bunt gekleideten Studenten, gefolgt von begeisterten Schulknaben, die bunte Fähnchen lustig schwenkten. Auch die Zünfte hatten ihre Abgeordneten geschickt, wobei sich ihnen zahllose Handwerker angeschlossen hatten, die einmal in ihrem Leben einen echten Kaiser und zwei wirkliche Könige sehen wollten.
Ganz Wien war in hellste Aufregung geraten, als bekannt geworden war, dass der allseits beliebte Kaiser Maximilian sich entschlossen hatte, hier in der Stadt an der Donau seine Enkel an die Kinder von König Vladislav II. zu verheiraten. Dabei war allerdings auch zur Stunde noch nicht klar, wen er eigentlich als Bräutigam für die zwölfjährige Anna ausersehen hatte, denn weder Karl, der in den Niederlanden lebte und dereinst die Nachfolge seines Großvaters als Kaiser antreten sollte, noch dessen Bruder Ferdinand, der in Spanien erzogen wurde, waren gefragt worden, ob sie die kleine Ungarin heiraten wollten. Auch Maria, der Schwester der beiden Knaben, die erst zehn Lenze zählte, war es nicht anders ergangen, ihr wurde ganz einfach befohlen, mit großem Gefolge und unter ärgsten Strapazen wochenlang gen Osten nach Wien zu ziehen, um hier den ein Jahr jüngeren Knaben Ludwig zu heiraten, von dem man ihr rein gar nichts erzählt hatte, außer, dass er einmal König von Böhmen und Ungarn werden sollte.
Aber der kaiserliche Großvater wusste, was er tat. Er hatte schon so manches Mal gewinnbringende Ehen arrangiert, wobei es ihm keineswegs auf das Glück der Eheleute ankam, sondern lediglich auf eine reiche Mitgift oder großen Ländergewinn. Auch jetzt schien alles darauf hinzudeuten, dass sich der Einflussbereich der Habsburger entscheidend ausweiten würde, die Doppelhochzeit in Wien würde dies offiziell besiegeln. War Maximilian zwar ein Leben lang von Geldnöten bedrückt gewesen, seine diplomatischen Strategien erwiesen sich auf Grund seines einnehmenden Wesens und seines persönlichen Einsatzes als meisterlich. So gelang es ihm, selbst in schwierigsten Zeiten oft noch im letzten Moment Geldgeber für seine Unternehmungen zu finden, und die reichen Fugger in Augsburg öffneten auch jetzt, nicht ganz uneigennützig, wieder ihre Geldtruhen. Die Geschäfte, die im Osten winkten, waren den Fuggern schon die 50.000 Gulden wert, die man dem Kaiser für das glanzvolle Fest in Wien bereitwillig zur Verfügung stellte, damit wirklich alles, was die Herzen der hohen Herrschaften begehrten, vorhanden war.
Nach dem Einzug der Majestäten in die Stadt begann das allgemeine Fest, zu dem die Wiener Bevölkerung samt und sonders eingeladen war. Seltsamerweise war die junge Maria zunächst in dem eher abgehausten Cilli-Hof untergebracht worden, der als Schießstätte gedient hatte und in dem es nicht nur unerträglich nach Pulver stank, sondern in dem auch die Ratten aus und ein liefen. Die Enttäuschung des jungen Mädchens war aber bald überwunden, als prächtig goldbeschlagene Kutschen für sie und Anna vorfuhren, die die kleinen Bräute zum Stephansdom bringen sollten, wo sie schon von dem jeweiligen Bräutigam erwartet wurden. Dabei hielt man vergebens nach einem jungen Mann für die glutäugige Anna Ausschau, denn weder Karl noch Ferdinand waren persönlich zu der Trauung erschienen, keiner von beiden hatte nur die geringste Ahnung, für wen sich eigentlich der Großvater als Stellvertreter mit der jungen Ungarin trauen ließ. Denn Maximilian, der sich vor dem Grabmal seines Vaters Friedrich III. den goldglänzenden kaiserlichen Ornat hatte anlegen lassen, dessen Wert von den staunenden Gästen auf eine Million Gulden geschätzt wurde, gab sein Jawort dem Vertreter des Papstes kurioserweise für einen seiner beiden Enkel. Zu der kleinen Braut an seiner Seite meinte Maximilian:
»Wiewohl Wir itzt Euer Liebden das Wort gegeben, dass Ihr Unser Gemahlin seyn sollet, so ist doch solches geschehen im Namen Unserer beiden abwesenden Enkel und in der Meinung, Euer Liebden an einen von denselben zu vermählen, den Wir auch hiermit Euch ehelich versprechen. Und weil mein Enkel Carl die Königreiche Castillien und Arragonien, sein Bruder Ferdinand aber das Königreich Neapel zu erben und zu erwarten hat, so erklären und nennen Wir hiemit Euer Liebden eine Königin und wollen Euch zu einer solchen gekrönet haben!«
Nach diesen Worten schritt der Kaiser feierlich auf Anna zu und setzte eine kleine goldene Krone auf ihren Lockenkopf. Anna hatte gehofft, die tatsächliche Gemahlin Karls zu werden und war zunächst bitter enttäuscht, als sie erfuhr, dass schon ein Jahr später sein Bruder Ferdinand für sie ausersehen war. Sie ahnte damals nicht, dass sie, als sie 1521 in Linz tatsächlich mit Ferdinand »richtig« getraut wurde, in ihm einen ausgesprochen liebevollen Ehemann an ihrer Seite haben sollte, der seine Gemahlin auf seinen Reisen stets mitnahm und behauptete, als ihm die hohen Kosten für die komplette auswärtige Hofhaltung vorgehalten wurden, das Geld wäre auf diese Weise besser angelegt als für amouröse Abenteuer.
Anschließend an die Trauung des Kaisers folgte die der beiden Kinder Maria und Ludwig, die einander kurz vorher persönlich kennengelernt hatten. Nur wenige Stunden später standen sie schon vor dem Altar und besiegelten durch ihr »Ja« ein gemeinsames Leben. Obwohl sie schon beim ersten Kennenlernen Sympathie füreinander empfunden hatten, fanden sie dennoch keine Möglichkeit, wenigstens ein paar Worte zu wechseln, da Ludwig nur Ungarisch verstand und Maria Französisch und Flämisch. Es dauerte allerdings nicht lange, da vermochte sie sich mit ihren Damen auf Deutsch zu unterhalten, das sie zur Belustigung aller ein Leben lang mit leicht wienerischem Akzent sprach.
Nachdem noch 200 Jünglinge zu Rittern geschlagen worden waren und der besondere Liebling Kaiser Maximilians, Siegmund von Dietrichstein, mit Barbara von Rottal getraut worden war, verließ die erlauchte Gesellschaft den Dom. Jetzt konnte das Fest beginnen! Turniere und nächtelange Bankette wechselten einander ab, Tausende Kerzen und Fackeln erleuchteten die Stadt, in der geschmaust und getrunken wurde, bis der neue Tag graute. Allein 300 Speisen standen auf der kaiserlichen Tafel, so dass keiner mehr so richtig wusste, was seinen Gaumen noch kitzeln sollte. Der Kaiser und die Könige schlürften den köstlichen Wein aus goldenen, mit Edelsteinen besetzten Pokalen, während die jungen Eheleute Kinderspiele wie zu allen Zeiten spielten. Und während in den Straßen Wiens gesungen und getanzt wurde, Bier und Wein in Strömen flossen und der Duft der gebratenen Ochsen durch die Stadt zog, trennten sich die Majestäten in Wiener Neustadt, wo am 3. August 1515 der Freundschaftsbund noch einmal offiziell besiegelt wurde, bevor die Wege endgültig auseinandergingen.
Vier Jahre vor seinem Tod war es Kaiser Maximilian noch einmal gelungen, durch seine ausgeklügelte Heiratspolitik die Weichen für das Habsburger Reich für die nächsten Jahrhunderte zu stellen, er hatte die Voraussetzungen für ein vereintes Europa geschaffen, das erst in ferner Zukunft tatsächlich Wirklichkeit werden sollte.