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Lorenzo der Prächtige war ein bescheidener Mann

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Er hatte schon zu Lebzeiten den Nimbus eines ungewöhnlichen Menschen, der nicht nur durch den unermesslichen Reichtum auffiel, den die Familie Medici angehäuft hatte, sondern vor allem durch seine Ausgeglichenheit und seinen Kunstsinn.

Als Lorenzo am 1. Januar 1449 geboren wurde, waren die Medici in Florenz die mächtigste Familie, die nicht nur die Geschicke des Stadtstaates bestimmte, sondern auch auf kulturellem Gebiet den Ton angab. Deshalb war es kein Wunder, dass die Eltern für das Kind die besten Lehrer ihrer Zeit auswählten, sodass der Knabe schon im zarten Alter von dreizehn Jahren die Werke der antiken Schriftsteller in den Originalsprachen zu lesen vermochte. Daher ließ er, sobald er die Möglichkeit dazu hatte, diese grandiosen Dichtungen ins Italienische übersetzen, denn nicht nur er wollte in der Lage sein, sich mit dem philosophischen Gedankengut der Griechen und Römer auseinandersetzen zu können. Die Schönheit der Sprachen faszinierte ihn so, dass er schon als Kind selber kleine Gedichte zu schreiben begann. Später verband er Text mit Melodien in seinen Tanzliedern und Karnevalsliedern, die von maskierten Darstellern aufgeführt wurden.

Lorenzo war ein rundum gebildeter Mann, als sein Vater Piero im Jahre 1469 die Augen für immer schloss. Mit seinen zwanzig Jahren hatte er eine gründliche politische Schulung genossen, außerdem war er in die Geheimnisse der Geschäfte eingeweiht worden, die die Medici in ganz Europa machten. Denn nicht nur das Bankenwesen lag in den Händen der Florentiner Familie, sondern in allen Wirtschaftszweigen waren sie mit ihren Faktoreien präsent. Allein im Tuchgewerbe unterstanden ihnen dreihundert Betriebe mit 10.000 Beschäftigten. All dies galt es zu verwalten und zu erhalten, wobei natürlich viel Geld in die Kassen floss. Lorenzos Großvater Cosimo, der den Beinamen »der Alte« führte, wies noch auf dem Sterbebett auf die finanzielle Lage der Familie hin, indem er mit letzter Kraft flüsterte: »Ich hinterlasse euch unermesslichen Reichtum.«

Cosimo und auch sein Sohn Piero der Gichtige konnten ruhig die Augen schließen, denn sie hatten in Lorenzo, der schon bald als »il Magnifico«, der Prächtige, bezeichnet wurde, einen würdigen Nachfolger. Der junge Mann hatte zum richtigen Gespür für den Umgang mit dem ererbten Vermögen zudem noch politisch eine gute Hand, denn in den Zeiten, da die Stadtstaaten, unterstützt vom Papst oder dem französischen König und deutschen Kaiser, gegeneinander das Kriegsbeil ausgruben, bedurfte es großen diplomatischen Geschicks, um nicht in dem allgemeinen Chaos, das immer wieder entfacht wurde, unterzugehen.

Lorenzo wählte von Anfang an die richtigen Leute als seine Berater und Unterstützer aus. Dabei hatte sich in Florenz eine seltsame Konstellation ergeben, denn offiziell waren die Medici keineswegs die Herrscher über die Stadt. Aber Lorenzo scharte diejenigen um sich, die offizielle Ämter hatten, und machte sie von sich abhängig, allerdings ohne sie zu bestechen. So handelten diese Männer politisch ganz im Sinne ihres Mäzens, der nach dem Motto lebte: »Ich gebe, damit du gibst.« Vielleicht hatte sich Lorenzo durch das Studium der Politik im antiken Rom die Regierungsform des Prinzipats zum Vorbild genommen, denn seine Einflussnahme auf die Politik von Florenz glich dieser Art der Staatsführung.

So sehr Lorenzo alle, die es verdienten, großzügigst unterstützte und damit die bedeutendsten Männer seiner Zeit an sich zog, so bescheiden war sein eigener Lebensstil. Mit seiner Gemahlin Clarice, die aus dem Hause Orsini stammte, hatte er vier Töchter und drei Söhne, von denen einer in späterer Zeit als Papst Leo X. auf dem Stuhle Petri sitzen sollte. Obwohl er keineswegs einen seinem Reichtum angemessenen Lebenswandel führte und immerwährend versuchte ausgleichend zu wirken, hatte Lorenzo unversöhnliche Feinde, deren Mörderhand er beinahe zum Opfer gefallen wäre. In die sogenannte »Pazzi-Verschwörung« waren nicht nur Florentiner verwickelt, sondern auch der Erzbischof von Pisa und Papst Sixtus IV. Lorenzo entkam aus der Kirche, wo der Anschlag stattfand, nur mit knapper Not, sein Bruder Giuliano fand den Tod. Großmütig, wie Lorenzo war, verfolgte er Riario, den Hauptverschwörer und Neffen des Papstes, nicht weiter, ja er verzieh ihm sogar. Aber dies hatten die Attentäter keineswegs beabsichtigt, sie wollten keine Absolution. Im Gegenteil: Der Papst verbündete sich nun seinerseits mit dem neapolitanischen König Ferdinand, um neuerlich gegen Lorenzo vorgehen zu können. Außerdem exkommunizierte er die gesamte Medici-Familie ohne Ausnahme. Die Situation hätte sich für Lorenzo brenzlig entwickeln können und sicherlich einen blutigen Krieg nach sich gezogen, wäre Lorenzo nicht in jeder Hinsicht kompromissbereit und friedfertig gewesen. Er zog nach Neapel und es gelang ihm, Ferdinand dazu zu bringen, sich vom Einfluss des uneinsichtigen Papstes zu lösen. Ob es nur der Überredungskunst zuzuschreiben war, dass Ferdinand umschwenkte, oder auch die drohende Türkengefahr ihn zur Einsicht brachte, bleibt dahingestellt. Denn die Osmanen hatten schon Otranto besetzt, sodass ein einheitliches Vorgehen der italienischen Stadtstaaten gegen diesen unerbittlichen Gegner dringend vonnöten war.

Auch Papst Sixtus IV. wurde durch die Gefahr der Stunde gezwungen, seinen Hass gegen Lorenzo aufzugeben, und musste froh sein, dass der Florentiner nicht nachtragend war. Es war das Werk Lorenzos, dass es endlich zu einem Friedensvertrag zwischen den Stadtstaaten Rom, Mailand, Florenz, Neapel und Venedig kam. Endlich wäre die Voraussetzung gegeben gewesen, Italien aus dem Einflussbereich der anderen europäischen Mächte zu ziehen, noch dazu, wo hier ein völlig neuer Zeitgeist zu Tage trat. Die Welt hatte sich gewaltig verändert, Dichter, Maler, Musiker und Bildhauer waren daran gegangen, den Menschen neu zu gestalten, die mittelalterlichen Vorstellungen vom Leben im Diesseits und nach dem Tode hatten sich längst überholt, der Einfluss der Kirche schien zu schwinden, denn die hohen geistlichen Würdenträger liebten das süße Leben auf dieser Erde genauso wie die Päpste. Die Welt war in Italien früher im Umbruch als anderswo.

Und die Medici waren zwar nicht die Initiatoren dieses gewaltigen Wandels, sicherlich aber seine Mäzene. Denn ohne ihre großzügigen Unterstützungen der Künstler auf allen Gebieten hätte es länger gedauert, bis die neuen philosophischen Ideen und die modernen Kunstrichtungen in ganz Europa Eingang gefunden hätten.

Schon der Großvater und der Vater Lorenzos hatten ein besonders enges Verhältnis zur Kunst und den Künstlern gehabt. Daher war es beinahe selbstverständlich, dass Lorenzo die meisten Künstler seiner Zeit großzügig unterstützte, allen voran Michelangelo Buonarroti und Sandro Botticelli, indem die Meister ihre grandiosen Werke in seinem Auftrag schufen. Schon bald verbreitete sich der Ruf von Florenz als außerordentlicher Kunststadt in ganz Europa und jeder, der sich für die neuen Kunstrichtungen interessierte, versuchte, einmal im Leben nach Florenz zu kommen, denn auch neue aufsehenerregende Formen der Architektur lockten in den Süden.

Lorenzo der Prächtige begnügte sich nicht nur mit der Förderung der Malerei und Bildhauerkunst, er unterstützte auch die Dichter und Denker seiner Zeit. Unter seiner Ägide schrieb ein Machiavelli »Il Principe«, ein staatsphilosophisches Werk, das die Jahrhunderte überdauern sollte.

Das Mäzenatentum Lorenzos kostete die Medici viel Geld, zu viel Geld, wie sich herausstellen sollte. Denn wirtschaftliche Krisen waren auch in dieser Zeit durchaus üblich und so schmolz das Vermögen der Familie überraschend schnell dahin. Außerdem war Lorenzo selbst wesentlich weniger daran interessiert, sich um die geschäftlichen Belange des Hauses zu kümmern, als es nötig gewesen wäre. Die instabilen politischen Ereignisse in Europa trugen ein Übriges dazu bei, die Geldtruhen in Florenz zu leeren. Besonders übel allerdings war, dass Lorenzos Sohn und Nachfolger Piero in keiner Weise den Geist und das politische Flair seines Vaters geerbt hatte, sodass mit dem Tod Lorenzos am 8. April 1492 der Anfang für die spätere Bedeutungslosigkeit des Hauses Medici gekommen war.

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