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Kapitel 3

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Diara erwachte als Erste und setzte sich auf. Sie sah links und rechts neben sich, beide jungen Männer waren noch im Tiefschlaf. Sie schaute über die Berge und blieb bei dem Gipfel gegenüber stehen. Der Himmel hinter den Bergen färbte sich langsam in einem orangegelben Farbton. Diara beobachtete fasziniert, wie sich die Sonne langsam hinter den Gipfeln empor schob und einen feurigen Strahlenkranz um sie legte. Seth regte sich in diesem Moment und stupste sie an.

»Seit wann bist du schon wach?«

»Seit die Sonne noch hinter den Gipfeln lag und wunderschöne Farben in den Himmel zeichnete.«

Seth setzte sich auf und sah zu den Bergspitzen. Die Sonne zeigte sich in Form eines grellen Feuerballes, unmittelbar zwischen zwei Bergspitzen. »Das sieht wirklich schön aus …, so einen Sonnenaufgang haben wir noch nie erlebt«, schwärmte er.

Inzwischen streckte sich Golo, der soeben aufwachte.

»Aha, ihr beide seid schon wach. Konntet ihr nicht gut schlafen?«

»Doch … aber ich hatte das Glück, früh genug wach zu werden, um dieses Naturschauspiel des Sonnenaufganges zu beobachten«, antwortete Diara. Golo warf einen kurzen Blick zur Sonne, oberhalb der Berge.

»So, so … ein Naturschauspiel, sagtest du. Für mich sieht sie so aus wie immer.«

»Das ist ja normal, wenn man den Aufgang der Sonne verschläft … so wie du«, gab Diara leicht vorwurfsvoll zurück.

»Tja, dann lasst uns aufbrechen, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«

»Halt nicht so schnell! Zuerst lass uns etwas Frühstücken, denn mit leeren Magen, kann man nicht kraftvoll Bergsteigen und wir müssen noch weit hoch­«, stellte Seth fest.

Erst jetzt sah Golo, dass sie den Gipfel doch noch nicht ganz erreicht hatten, sondern sich auf einem Bergplateau unterhalb des Gipfels befanden. Staunend und zugleich etwas enttäuscht stand Golo auf und sah sich um.

»Ich hätte schwören können, dass wir uns fast auf dem Gipfel befinden. Anscheinend war es doch schon zu dunkel, um die Bergspitze oberhalb von diesem Felsenhaufen zu sehen.«

»Egal, ob rauf oder runter … ohne Frühstück gehe ich nicht weiter!«, gab Diara bestimmt von sich.

»Gut, dann lasst uns etwas zu uns nehmen und dann gehen wir später eben ein bisschen schneller«, bestimmte Golo.

Während sie ihr Brot aßen und Quellwasser aus ihren Beuteln tranken, unterhielten sie sich, über den vor ihnen liegenden Aufstieg.

»Sag mal Golo, müsste das nicht bereits das Gebiet von Trudbert dem Steinmann sein?«, fragte sie und deutete zum Gipfel hoch.

»Wahrscheinlich.«

»Das ist bestimmt das Gebiet, das heißt, dass wir sehr vorsichtig sein müssen«, erklärte Seth.

»Auf jeden Fall, müssen wir ihn sehen, bevor er uns sieht, um uns rechtzeitig vor ihm in Sicherheit bringen zu können«, antwortete Golo. »Mein Vater sagte, dass er sehr angriffslustig ist und auch aus dem Hinterhalt angreift«, stellte Diara klar.

»Nun gut … wir sind aber zu dritt und er ist allein«, stellte Seth fest.

»Das stimmt nicht, wir sind nur zu zweit. Du kannst Diara nicht rechnen, sie ist schließlich ein Mädchen«, berichtigte Golo. Diara war entrüstet über Golos Aussage.

»Jetzt hör einmal gut zu Golo, ich bin zwar ein Mädchen, kann aber sehr wohl Kämpfen. Du brauchst dich nicht so aufzublasen, ich kann dafür mit Seth geistig in Verbindung treten und mit Zee sprechen. Golo, du bist nur ein Kämpfer sonst nichts!«

Bockig stand Diara auf und verließ den Schlafplatz.

Wo gehst du hin? Fragte sie Seth in Gedanken.

Ich muss mich entleeren. Golo sah ihr nach.

»Wo geht sie jetzt hin?«

»Sie muss einmal.« Golo schnaubte vor Wut.

»Woher weißt du das denn schon wieder? Sag nicht, wieder über Gedankenaustausch! Ihr macht mich noch krank damit!«

Es war nicht zu überhören, dass Golo wütend, ja sogar zornig war. Seth sah ihn an und zuckte nur kurz mit den Schultern, er packte wortlos sein Bündel und das von Diara zusammen. Golo löschte die Feuerstelle mit Sand und packte auch sein Bündel, während sie auf Diara warteten.

Diara fühlte sich spürbar wohler und sah mit Freuden, dass nicht unweit auf dem Geröllfeld, zwischen zerklüfteten Felspartien kleine Büschel mit Beeren wuchsen. Voll Hoffnung, dass sie auch genießbar waren, ging sie über den steinigen Hang darauf zu.

Große blaue Beeren luden zum Pflücken ein. Diara sah sie sich ganz genau an. Erst als sie sich sicher war, pflückte sie eine und steckte sie in den Mund.

»Hm, sind die lecker«, gab sie von sich und pflückte eine Beere nach der anderen und aß sie genüsslich. Um Diara‘s Mund zeigte sich langsam eine bläuliche Verfärbung.

Nachdem sie reichlich davon gegessen hatte und satt war, pflückte sie für ihre Begleiter noch einige Beeren.

»Diara … wo bleibst du denn?«, hörte sie Golo ungeduldig rufen.

»Ich komme gleich!«, rief sie zurück. Plötzlich hatten sich oberhalb, nicht weit von ihr, Steine in Bewegung gesetzt und kullerten den Hang hinunter. Huch …, wer hat die großen Steine losgetreten …, es war wohl ein Tier, dachte sie sich.

Nein …, hier oben gibt es keine so großen Tiere, die Steine lostreten können. Komm schnell zu uns!

Vernahm sie die Gedanken von Seth, der ihre Gedanken aufgefangen hatte. In diesem Augenblick warf die Sonne einen großen Schatten über sie. Diara traute sich kaum den Blick in diese Richtung, woher der Schatten auf sie traf, hoch zusehen. Zögerlich sah sie hinauf und erstarrte vor Schreck, als sie ein großes Lebewesen sah, das von der Statur aussah wie ein mächtiger Mensch, jedoch bei näherer Betrachtung war er zusammengesetzt aus vielen Steinen.

Das muss Trudbert sein, dachte sie und der Schreck fuhr ihr erneut in die Glieder. Diara hatte das Gefühl, als würden ihre Beine versagen. Sie hatte Mühe sich auf diese zu halten. Das übergroße Steinwesen stand regungslos, wenige Meter entfernt auf der Anhöhe vor ihr und starrte sie an.

Hat er dich gesehen? Fragte Seth, der ihre Gedanken empfangen hatte.

Ja … er steht nicht weit von mir entfernt und sieht mich an.

Diara … bring dich langsam und vorsichtig in Sicherheit. Versteck dich hinter einem Gebüsch, gehe aber langsam und rückwärts. Wir kommen zu dir, wo bist du genau?

Bei dem Geröllfeld oberhalb unseres Lagers.

Übermittelte sie Seth und dieser wendete sich sogleich an Golo.

»Diara ist in Gefahr, Trudbert hat sie gesehen.« Golo sprang auf.

»Weißt du, wo sie ist?«

»Ja, bei einem Geröllfeld weiter oben.«

»Ich wusste, dass es keine gute Idee war Diara mitzunehmen. Sie ist halt einfach nur ein Mädchen und diese machen immer Ärger, ich wusste es«, jammerte Golo vor sich hin.

»Da kannst du noch so viel jammern, du weißt genau, dass wir sie brauchen.« Seth ging vor Golo aufwärts und dieser folgte dem jungen Mann, mit dem im Nacken zusammengebunden weißen langen Haaren.

Inzwischen wurde Diara von Trudbert mit seiner knackenden Stimme, so als würden Steine aufeinander schlagen, angesprochen.

»Was machst du fremdes zweibeiniges Tier in meinem Reich?«

»Ich bin kein Tier. Ich stamme vom Volk der Birken, wir sind Bewohner des kleinen Birkenwaldes, einen Berg entfernt von hier«, gab sie unsicher von sich. Der Steinmann horchte, was Diara sagte und kam langsam näher. Bei jedem seiner Schritte flogen kleinere Steine in alle Richtungen. Gebannt sah Diara dem Steinmann entgegen. Was sollte sie tun, weglaufen? Nein, sie wusste, dass sie ihn Fragen musste, ob er etwas über den Verbleib von Zee wusste. Diara streckte ihren Körper in die Höhe und stemmte die Arme in die Taille, in der Hoffnung, dadurch etwas größer und gewaltiger auf Trudbert zu wirken.

»Was willst du hier?«, dröhnte jetzt seine knackende Stimme. Diara erschauderte, seine Stimme ging ihr durch Mark und Bein.

»Ich …, ich … wollte dich Fragen, ob du weißt, wo Zee der große weiße Vogel ist? Hast du ihn gesehen?«

Trudbert der Steinmann überlegte.

»Ooaahh …«, grölte er so laut, dass Diara zusammenzuckte.

»Wenn du das große weiße Federvieh meinst, das ist zu den Bergen der Cors geflogen.«

»Nein …!«, rief sie entsetzt aus. Panik stieg in ihr hoch, denn das würde bedeuten, dass sie sich in Lebensgefahr begeben mussten.

»Bist du dir ganz sicher, dass er dorthin geflogen ist?«

»Kind des Birkenvolkes, zweifelst du an meinen Worten? Übrigens kannst du dich wieder bequem hinstellen, deine gestreckte Körperhaltung beeindruckt mich nicht im Geringsten.«

Diara schmunzelte vor sich hin, sie spürte, dass Trudbert gute Laune hatte. »Nein, natürlich zweifle ich nicht, nur es ist ein weiter gefährlicher Weg dorthin und da muss sein Aufenthaltsort schon sicher sein.«

In diesem Augenblick tauchten Golo und Seth hinter einem Felsvorsprung auf.

Der Körper des Steinmanns kam plötzlich unruhig in Bewegung und die Steine die seinen Körper zusammenhielten, schlugen laut aufeinander. Ein ohrenbetäubendes Zischen kam aus seinem großen Mund und er griff sofort nach den am Boden liegenden Steinen und bewarf sie damit. Diara wusste im ersten Moment nicht, was geschehen war, dass Trudbert auf einmal so heftig reagierte. Erst als sie in die Richtung schaute, wohin er die Steine warf, sah sie beide jungen Männer. Golo und Seth sprangen sofort hinter den Felsen, von dem sie gerade erst hervorgekommen waren.

»Diara komm her! Schnell!«, rief Golo. Ohne einen Blick zurückzuwerfen zum Steinmann, setzte sie sich eilig in Bewegung und folgte ihnen. Hinter dem Stein angekommen, packte Golo sie bei der Hand und zog sie eilig mit sich. Sie folgten Seth, der vorauslief. Erst als sie weit genug weg waren und in Sicherheit, machten sie eine Pause, in der Diara berichten konnte, was sie von Trudbert erfahren hatte.

»Da haben wir ja noch einen gefährlichen Weg vor uns«, stellte Golo fest. »Wenn wir Glück haben, dann treffen wir auf unsere Soldaten und sie könnten uns vielleicht etwas unterstützen, falls es nötig ist«, sagte Diara. Seth schüttelte den Kopf.

»Nein, denen werden wir nicht begegnen. Sie kämpfen in den schwarzen Sümpfen gegen die Soldaten des Fürsten Sharx.«

»Puh …, dann sind wir auf uns allein gestellt«, gab Diara von sich. »Allerdings! Aber kann mir mal einer sagen, was diesen Vogel dazu treibt in die Berge der Cors zu fliegen?«, fragte Golo.

»Wer weiß warum? Wir werden es erst erfahren, wenn wir bei ihm sind. Lasst uns jetzt weiter gehen, damit wir bei Dunkelheit am Bergübergang sind. Dort werden wir unser Lager aufschlagen und dann im Morgengrauen das Gebiet der Cors betreten«, schlug Seth vor.

»Schuld an allem bist du!«, schimpfte Golo plötzlich los und sah dabei Diara böse an.

»Lass Diara in Ruhe, sie kann nichts dafür!«

»Das kann sie sehr wohl. Wäre sie nicht allein weggegangen, dann wären wir dem Steinmann nicht begegnet!«

Ein Wort gab das Andere und die beiden jungen Männer gerieten heftig aneinander. Während sie stritten und auf Diara nicht mehr achteten, merkten sie nicht, dass sich jemand unbemerkt angeschlichen hatte. Eine kalte Hand legte sich um Diara‘s Mund und zog sie Rücklinks mit sich fort. Die Gestalt schob Diara den Berg aufwärts, vor sich her, immer noch ihren Mund zuhaltend. Erst als sie einen sicheren Abstand hatten, hörte sie seine Stimme am Ohr. »Ich nehme jetzt meine Hand von deinem Mund, wenn du schreist, töte ich dich auf der Stelle … hast du mich verstanden?« Diara nickte und atmete tief durch, als ihr Mund wieder frei war. Jetzt erst konnte sie den Mann sehen, der sie weggeschleppt hatte. Es war ein junger Mann, ungefähr zwei Köpfe größer als sie und schlank. Er hatte alabasterfarbene Haut. Sie schimmerte in der untergehenden Sonne in hellen Pastelltönen. Er hatte große schwarze Augen und bläulich schimmerndes, schwarzes schulterlanges Haar.

»Ich bin Zaran, der Sohn des Fürsten Sharx und wer bist du?«

»Ich bin Diara die Tochter des Dorfältesten vom Volk der Birken.«

»Das ist sehr gut, dann habe ich ja genau die Richtige erwischt, mit soviel Glück hatte ich nicht gerechnet.«

»Warum hast du mich entführt und was willst du von mir?«

»Das wirst du schon noch sehen und jetzt müssen wir schnell aufwärtsgehen, wir müssen vor Einbruch der Dunkelheit den Bergübergang erreicht haben. Dort oben werden wir übernachten und im Morgengrauen hinuntergehen.«

»Seth und Golo werden uns schneller finden als du denkst, sicher steigen sie schon hinter uns her.« Zaran lächelte sie mitleidig an.

»Dein Wunschdenken wird nicht in Erfüllung gehen, denn schließlich werden sie dich erst einmal suchen, und somit würden sie in die Dunkelheit kommen. Wie du gesehen hast, ist der Weg bei guter Sicht schon gefährlich genug, man könnte sehr leicht ins Stolpern geraten und dabei abstürzen. Wenn sie klug sind, gehen sie erst morgen Früh weiter, denn als Tote oder Verletzte können sie dich nicht mehr befreien. Diara stolperte vor Zaran aufwärts.

»Am Ende dieser Felsenwand haben wir fast schon unser Ziel erreicht, dann können wir bald ausruhen. Sei jetzt besonders vorsichtig, der Weg ist direkt am Abhang und besonders eng, außerdem besteht der Boden aus lockerem Gestein, nicht dass du abstürzt.« Als Diara den Weg überquert hatte, lockerte Zaran ein paar Steine aus dem Felsen, sodass einige auf den Weg fielen und diesen unpassierbar machten.

»Warum hast du das gemacht?«

»Damit sie uns nicht folgen können, falls sie doch noch im Dunkeln weiter gehen sollten. Komm weiter, wir müssen noch den Bergsattel überqueren, erst dann sind wir auch vor den Trollen in Sicherheit.«

»Sagtest du Trolle?« Zaran nickte. »Wir befinden uns bereits im Gebiet der Trolle.«

»Lass mich kurz verschnaufen«, bat Diara.

»Gut, aber nur ganz kurz.« Diara nutzte die Gelegenheit und übermittelte Seth eine Nachricht.

Zaran der Sohn von Fürst Sharx, von den Cors, hat mich entführt. Warum weiß ich nicht;

Zaran sah zum Himmel. »Wir müssen weiter, komm!«

Golo und Seth hatten inzwischen bemerkt, dass Diara verschwunden war und suchten sie überall.

Sie waren bereits am Aufgeben als auf einer Berglichtung, plötzlich aus einer Felsenhöhle in der Nähe, eine große blaue Echse auf sie zugelaufen kam. Zischelnd und fauchend lief sie auf sie zu. Seth stolperte und verknackste sich beim Laufen den Fuß. Sie konnten sich gerade noch rechtzeitig auf eine Felsenwand retten.

Plötzlich erhielt Seth die Nachricht von Diara.

»Diara wurde von Zaran dem Sohn des Fürsten Sharx, vom Volk der Cors entführt!«, rief Seth entsetzt aus.

Diara und der weiße Vogel

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