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Kapitel 4

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Mittwochnachmittag

McKenzie hatte sehr schlechte Laune. Die Special Unit, die überraschend schnell in Poolewe eingetroffen war – hatten die den Helikopter gechartert? – hatte ihr und ihrem Team den Fall aus der Hand genommen. Zwei Anzugträger, die in einer Limousine mit getönten Scheiben vor dem Cottage vorgefahren kamen, hatten mit gerunzelter Stirn auf die Absperrbänder geblickt und dann auf sie – die gerade mit dem Pressefritzen sprach. McKenzie konstatierte nebenbei, dass sie keinen Spürhund mitgebracht hatten.

„Wir übernehmen jetzt hier das Zepter“, sagte der Grössere, ein blonder hagerer Mann mit schütterem Backenbärtchen. „Detective Chief Inspector Huckley und Detective Sergeant Mull, National Intelligence Bureau.” Schnell flackerten zwei IDs auf – unmöglich, die so schnell zu lesen! – dann wieder streng: „Und Sie sind?” Die Frage war an den Journalisten gerichtet, aber McKenzie war schneller. Sie stellte sich vor und fügte, mit, wie sie hoffte, grosser Gelassenheit hinzu: „Darf ich Ihnen Stephen Light von den Gairloch Weekly News vorstellen. Ich habe ihm soeben erklärt…“

„Unwichtig. Setzen Sie uns bitte ins Bild. Mr. Light entschuldigt uns. Er kann sich an die Pressestelle in Inverness richten, die gibt ihm alle gewünschten Informationen, die wir freigeben können. – Was ist hier passiert?“ Damit nahm Huckley McKenzie am Arm und führte sie ohne viel Federlesens hinter das Haus, wo keine neugierigen Journalistenohren zuhören konnten.

McKenzie fühlte sich wie bei ihrem ersten Examen auf der Polizeischule. Trotzdem gab sie sich nicht so schnell geschlagen. „Können Sie mir Ihren Ausweis noch einmal zeigen – das ging vorhin zu schnell für mich.“ Huckley zuckte sichtlich zusammen, griff sich dann aber ins Jackett und produzierte seinen Ausweis ein zweites Mal, sein Adlatus tat es ihm gleich.

Nachdem diese Formalität erledigt war, bemühte sich der Chefinspektor sichtlich, seine ins Wanken geratene Autorität sofort wiederherzustellen und McKenzie blieb nichts anderes übrig, als gehorsam ihre Ankunft im Cottage und die Massnahmen, die sie bisher ergriffen hatte, zu schildern.

„Die Leiche ist also noch hier? Kein Arzt, keine SpuSi? Was ist mit der Zeugin?“

McKenzie musste zugeben, dass die Zeugin nicht mehr vor Ort war. Diese Information produzierte ein verächtliches Schnauben vonseiten des Sergeanten. Offenbar hielt er nicht viel von den ermittlungstechnischen Fähigkeiten der örtlichen schottischen Polizeibehörden. Huckley blieb eisig höflich. „Was können Sie mir zum Opfer sagen? Irgendwelche Feinde? Bekannte Fehden im Umfeld? Eine frustrierte Exfrau oder eine verschmähte Geliebte im Hintergrund?“

McKenzie richtete sich zu ihren vollen 1 Meter 60 auf. Der Mann wurde ihr zunehmend unsympathisch. So entgegnete sie möglichst hoheitsvoll: „Wir haben mit den Ermittlungen erst begonnen. Soweit bekannt, hat das Opfer allein gelebt und keine näheren Beziehungen gepflegt. Aber wir werden selbstverständlich…“

„Vielen Dank, Inspektor“, unterbrach Huckley sie rüde. „Aber wie schon gesagt, ab jetzt übernehmen wir. Wenn wir Ihre Hilfe brauchen, melden wir uns. Sie sind ja sicher im Büro zu erreichen.“

Das war’s. McKenzie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nicht so gedemütigt gefühlt. Huckley und Mull forderten von ihr den Schlüssel zum Cottage ein, liessen sie dann stehen und traten ein. Mull schloss demonstrativ hinter sich die Tür.

Nicht mal den Arzt hatte sie gesehen. Keine Chance zu erfahren, was der zu diesem Todesfall sagen würde. Und wie kam sie jetzt zurück nach Gairloch?

Vielleicht sollte sie zuerst die Umgebung erkunden. Der Schotterweg führte am Haus vorbei Richtung Osten. McKenzie ging ein paar hundert Meter weiter, aber als sie sah, dass in der unmittelbaren Umgebung keine anderen Häuser standen, gab sie auf und kehrte zurück. Das Cottage stand auf einer kleinen Anhöhe, das Grundstück dahinter fiel sanft zum Fluss hin ab. Ein kleiner Teil des Grundstücks war eingezäunt, der Rest mit Bäumen verschiedenster Herkunft bewachsen, und wie Constable Smith schon gesagt hatte, führte ein gekiester Weg hinunter zu einem kleinen Bootshaus, das aber leer war. Der Gedanke lag nahe, dass die Tatwaffe im Fluss entsorgt worden war, und McKenzie blickte sich aufmerksam um. Sie entdeckte keine Spuren, jedoch war das Ufer recht flach zugänglich – es wäre wohl nicht schwierig, einen Gegenstand in den Fluss zu werfen, die Strömung würde diesen in tiefere Stellen wegspülen. Was könnte der Täter benutzt haben? Einen Stein, einen Knüppel, einen Totschläger? Wohl eher etwas Schweres, das sofort sank. Kein Holz. Der Pathologe würde Näheres sagen können.

McKenzie trat vom Ufer zurück und blickte hoch zum Haus. Bei den reflektierenden Fensterscheiben konnte sie nicht erkennen, was im Haus selber vor sich ging, aber sie kannte das vorgeschriebene Prozedere. Sicher würden sich Huckley und Mull daran halten und ihr dann Bericht erstatten.

Im umzäunten Bereich des Gartens stand eine Holzbank, daneben eine Spritzkanne, mit der die Geranien vor den Fenstern gewässert werden konnten. Im Moment war das kaum nötig, von dem tagelangen Regen war genügend Feuchtigkeit in der Erde vorhanden. Tatsächlich machten die Blumen einen mehr als tristen Eindruck. Ob Mrs. McKay sich jeweils auch um sie kümmerte? Oder hatte Ruaridh McDougal einen grünen Daumen?

McKenzie suchte mit den Augen den Wasserhahn für die Giesskanne, aber da gab es keinen. Sie ging den gekiesten Weg wieder hoch und bog links um das Haus herum. Hier sah sie einen gemauerten Brunnen, dessen Deckel leicht zur Seite geschoben war. Vermutlich holte man sich hier bei Bedarf jeweils das Wasser für den Garten. McKenzie zog sich ihre Latexhandschuhe wieder über und schob mit einiger Mühe den Deckel weiter zur Seite. Im Innern des Brunnens war es finster und feucht. Der Brunnen war bis etwa dreissig Zentimeter unterhalb des Rands mit Wasser gefüllt. Natürlich hätte das Tatwerkzeug auch hier entsorgt werden können. Sie würde ihr Team bitten müssen, den Brunnen genauer zu untersuchen.

In diesem Moment hörte sie die Eingangstür von Heather Cottage quietschen. Offenbar waren die Anzugträger mit ihrer Erstuntersuchung schon fertig. Sie ging weiter und bog gerade um die Ecke, als Huckley zur Tür heraustrat. Er hatte ein Handy in der Hand und schien zu telefonieren. McKenzie hörte gerade noch, wie er Okay, wir warten hier auf Sie sagte, bevor er das Handy wieder zusammenklappte, sich umdrehte und sie erblickte.

„Was tun Sie denn noch hier, Inspektor?“ Der Ton war nicht sehr freundlich.

„Ich habe mich nur kurz umgesehen. – Wie weit sind Sie gekommen?“

„Die SpuSi und der Leichenwagen werden gleich hier sein. Wir nehmen die DNA von der Wand auf und suchen dann die Umgebung ab. Sie können die weitere Untersuchung gerne uns überlassen, wir tun alles Nötige.“

„Werden Sie nach der Tatwaffe suchen lassen? Ich habe gesehen…“

„Wir tun alles Nötige“, wiederholte Huckley, sichtlich ungeduldig. „Aber wir müssen natürlich auch unsere Ressourcen verwalten, wie Sie sicher verstehen werden. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte.“ Damit drehte er ihr den Rücken zu und machte sich zu einem nächsten Telefonat bereit.

Was sollte sie jetzt tun? Auf die SpuSi warten und die Kollegen aus Inverness weiter verärgern, oder sollte sie ein Taxi rufen und sich zurück auf den Weg nach Gairloch machen? Es war jetzt knapp nach siebzehn Uhr. Vielleicht konnte sie Mrs. McKay noch einmal befragen. Irgendetwas stimmte an der Aussage dieser Dame nicht, und McKenzie war fest entschlossen herauszufinden, was das war.

Sie machte auf dem Absatz rechts umkehrt und ging zu Fuss nach Poolewe zurück. Fünfzehn Minuten Marsch brachte sie ins Pub, wo sich inzwischen die halbe Dorfschaft zum Sensationsklatsch versammelt hatte. Mrs. McKay war der Mittelpunkt der Gesellschaft. Vor sich hatte sie einen Teller mit Scones, Konfitüre und Rahm stehen, sowie eine riesige Tasse dampfenden Tees. Sie genoss ihren neuen Status in vollen Zügen. So viel Aufmerksamkeit würde ihr in ihrem Leben nie mehr zuteilwerden, und so schilderte sie den Anwesenden - zum wievielten Mal wohl? -, wie sie am Mittag fast der Schlag getroffen hätte, als sie den armen Mr. Ruaridh da in seinem Blute liegend gefunden hatte. Die Details wurden immer farbiger, je öfter sie die Geschichte wiederholte.

McKenzie sagte nichts dazu, sondern stellte sich neben der Tür an die Bar und musterte die Gäste.

An einem der grösseren Tische sass ein Ehepaar mit zwei halbwüchsigen Jungs mit unmöglichen Frisuren beim Nachmittagstee. Der unverständlichen Sprache nach wahrscheinlich deutsche Touristen, sie hatten einen Rucksack dabei und kamen offenbar soeben von einer Wanderung zurück. Die Mutter blickte ziemlich erbost drein, es schien, als ob sie ihre Familie zum Gehen auffordern wollte, damit jedoch keinen Erfolg hatte. Ihr Mann hatte sich in die Zeitung vergraben und hörte seiner Frau nicht zu, die beiden Youngsters dagegen spitzten die Ohren in andere Richtung– vielleicht genügten ihre Englischkenntnisse, um etwas von den Schauergeschichten von Mrs. McKay aufzuschnappen. Auf jeden Fall waren diese Leute uninteressant. Unwahrscheinlich, dass sie ihre Ferien dazu nutzen würden, einen Einheimischen abzuschlachten.

Am Tischchen daneben sass die Reverendin der Episkopalkirche und trank ihren Sherry, wie jeden Tag um diese Zeit. Vielleicht würde sie sich, falls nötig, noch in offizieller Funktion als Seelsorger von Mrs. McKay betätigen, aber auch sie konnte sich McKenzie nicht als keulenschwingende Mörderin vorstellen. Eher schon die beiden Halbstarken, die lässig an die Bar lehnten und mit ihren von oben bis unten tätowierten Armen ihr Bierchen stemmten. Leider aber kannte McKenzie die beiden und wusste, dass das grimmige Aussehen täuschte und die beiden, die zu Hause voll und ganz unter der Fuchtel ihrer Mutter standen, nicht im Mindesten gewalttätig waren.

„Hey, Inspektor.“ Das war der Wirt. Er lehnte sich über die Theke zu ihr rüber und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Stimmt es, dass man den alten Ruaridh McDougal um die Ecke gebracht hat? Penny erzählt heute schon den ganzen Tag nichts anderes. Hat es etwas mit der Schlägerei zu tun?“

McKenzie war verwirrt. „Hallo, Malcolm. Wie geht es Ihnen. Wovon sprechen Sie?“

Malcolm Bligh zwinkerte ihr unverschämt zu. „Nun, Ihre Buddys haben meinen Leuten vorgestern den halben Tag Löcher in den Bauch gefragt. Ruaridh war ja auch bei der Schlägerei dabei. Dachte, vielleicht hätte das etwas mit seinem Tod zu tun?“

„Ruaridh McDougal war in die Schlägerei hier vor drei Tagen verwickelt?“ McKenzie blickte Bligh ungläubig an. Auf ihren Wangen erschienen zwei winzige rote Flecken. Purdy und Smith mussten das doch gewusst haben, wenn sie den Tathergang aufgenommen hatten. Sie hatten davon aber kein Wort gesagt. Was für eine Schlamperei! Die würden von ihr was zu hören kriegen! Aber momentan war Schadensbegrenzung vorrangig. Zuerst die Anzugträger aus Inverness, die eklatant wenig Respekt vor ihrer Kompetenz gehabt hatten und nun Malcolm Bligh, der sie genauso spöttisch anblickte. McKenzie hatte sich ihre Position in Beruf und Gesellschaft hart erarbeitet, und sie wollte ihre Autorität nicht so kampflos untergraben lassen.

„Meine Mitarbeitenden haben selbstverständlich einen Bericht darüber verfasst, den ich gelesen habe“, begann sie vorsichtig. „Aber die Details sind mir noch nicht vollständig klar. Können Sie mir in eigenen Worten noch mal schildern, was hier vorgefallen ist? Ich möchte mir aus erster Hand ein Bild machen.“

Malcolm Bligh zog seufzend die Schultern hoch. Ganz offensichtlich stahl ihm McKenzie die Zeit, aber da er sich normalerweise bemühte, das Bild eines gesetzestreuen Bürgers abzugeben, liess er sich herbei, die ganze Geschichte noch mal zu wiederholen, damit auch die Inspektorin es noch kapierte.

„War ein ganz normaler Sonntagabend, wissen Sie. Nicht viel los, nicht allzu viele Gäste, nur die Üblichen, die in Ruhe ihr Bierchen trinken wollten. Dann noch eine Gruppe Touristen, die mit dem Car vorgefahren sind – vorbestelltes Abendessen. Da…“

„Wer waren die Üblichen?“, unterbrach ihn McKenzie. Sie musste dem Ganzen ein bisschen Struktur geben, sonst kam sie hier nicht weiter.

Dem Wirt war das sichtlich unangenehm. Sein kantiges Gesicht mit den Pockennarben verzog sich missmutig. „Na ja, halt Fraser vom Laden, trinkt hier jeden Sonntag ein, zwei Bierchen, dann Robin Lough, Brett Piper und Liam McGregor…“

„Wer sind denn diese drei? Mit einem Namen wie Brett Piper sind die doch wohl nicht einheimisch.“

„Ach, die arbeiten in den Inverewe Gardens drüben, sind, glaub ich, seit letztem Oktober da als Gärtner angestellt. Gute Typen, machen keinen Ärger, bezahlen immer in bar.“ Und geben wohl gutes Trinkgeld, ergänzte McKenzie für sich.

„Woher kommen sie?“

„Lough ist der Sprache nach irgendwo aus dem Süden, verbringt hier sowas wie ein Praktikum, noch ziemlich jung und grün hinter den Ohren. McGregor ist von Down Under und Piper hat einen amerikanischen Akzent. Einmal hat er erwähnt, dass er auf der Suche nach seinen Wurzeln ist. Würde mich ja wundern, wenn er die ausgerechnet hier fände!“ Bligh liess ein Schnauben hören. „Aber, wie gesagt, gute Jungs, kein Ärger.“

„Aber letzten Sonntag hatten Sie ja dann doch Ärger. Wie kam das?“

„Na ja, sassen also alle da und ahnten nichts Böses. Da geht die Tür auf und es kamen so Camping-Typen rein, Sie wissen schon, lange Haare, Bärte, die einen schaudern machen, Hüte auf dem Kopf, Rucksäcke, na ja, das Übliche halt. Setzen sich da an meinen Stammtisch und wollen essen.“

„Und das gab Probleme? Dafür ist dieses Etablissement ja da, oder nicht?“

„Ja, aber doch nicht am Stammtisch! Der war reserviert für später, wenn die Golfer aus Gairloch zurückkommen würden. Haben jeden Sonntag um acht Uhr ihr Abendessen hier bei mir.“

„Aha, verstehe. Welches ist der Stammtisch?“

„Da hinten.“ Bligh zeigte auf einen unscheinbaren quadratischen Tisch in der hinteren Ecke, der sich in nichts von seinen Nachbarn unterschied.

„Wie konnten die Camper das wissen? Ist das angeschrieben? Stand ein Schild darauf mit Vermerk Reserviert?“

„Nee, das wohl nicht.“ Das kam etwas zögernd. Offenbar war sich auch der Wirt bewusst, dass hier eine Schwachstelle seiner Argumentation lag. „Aber Fraser ist dann aufgestanden und hat den Typen gesagt, sie sollten da verschwinden.“

„Und das taten sie? Verschwinden, meine ich.“

„Nee. Die sagten, sie seien müde und wollten jetzt essen. Der eine, ein baumlanger Kerl mit Brille, hat sogar gesagt, das sei ein freies Land hier und sie könnten sitzen, wo sie wollten.“

„Was geschah dann? Sind Sie eingeschritten?“

Bligh trat unsicher von einem Bein auf das andere. „Nein, ich war gerade am Essenauftragen für die Touris im anderen Saal. Ich habe davon nichts mitbekommen. Als ich zurückkam, war die Keilerei schon im Gang.“

„Aha. Woher wissen Sie dann, wie das abgegangen ist?“

„Nun, Fraser hat’s mir dann erzählt. Danach, als die Camper Leine gezogen hatten.“

Das ging McKenzie nun doch zu schnell. „Sie kamen also herein, als die Schlägerei gerade angefangen hatte, oder als sie schon zu Ende war?“

„Die waren gerade mitten drin. Fraser, Lough, Piper und die drei Camper. Fraser lag schon am Boden, blutende Nase, auch einer der Camper, der mit der Narbe auf der Wange, lag flach und wurde von einem der Gärtner – ich glaube, von Lough – nach Strich und Faden verdroschen.“

„Was ist mit McGregor? Tat der auch mit? Und wie kommt jetzt Ruaridh McDougal ins Spiel?“

„McGregor war nicht dabei. Vermutlich war er draussen, um eine zu rauchen. Aber McDougal kam gerade zu diesem Zeitpunkt zur Tür rein, als ich vom anderen Saal herkam. Er hat sich Lough gekrallt und von dem Camper weggezogen. Dann hat er versucht, die Lage zu beruhigen. Hat gesagt, dass nun gut sei und man sich die Hand geben soll.“

„Und war’s das dann? Gab es Frieden? Was haben Fraser, Piper und die andern beiden Camper getan?“

„Ja, die haben sich noch ein paar Knuffe gegeben, danach war aber Schluss. McDougal hat das gut hingekriegt. War ihm dankbar, sonst wäre womöglich noch Mobiliar zu Bruch gegangen.“

„Was haben Sie denn gemacht? Haben Sie auch eingegriffen?“

„Nee, ich hatte ein paar Gläser in den Händen. Die wollte ich nicht riskieren. Ich habe einfach zugesehen. McDougal hat das gut…“

„…hingekriegt, ich weiss. Hatten Sie den Eindruck, er kannte die Camper? Oder die Jungs aus den Gärten?“

Malcolm Bligh dachte angestrengt nach, etwas, was ihm sichtlich schwerfiel. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube nicht. Hat sie jedenfalls nicht mit Namen angesprochen. Hat nur alle aufgefordert, sich die Hand zu geben und hat dann eine Runde ausgegeben. Freibier für alle.“ Letzteres schien dem Wirt eine ausgesprochene Befriedigung zu geben. Wenn er auch nichts zur Schlichtung des Streits beigetragen hatte, war es ihm offenbar doch nicht zu peinlich gewesen, daraus Profit zu schlagen.

McKenzie seufzte. Diese Geschichte brachte sie einem Tatmotiv für den Mord an Ruaridh McDougal nicht näher. Sie würde sich alle Beteiligten, so sie denn noch greifbar waren, ansehen müssen. Allerdings zweifelte sie daran, dass einer dieser Rowdys, wenn er die Einmischung von McDougal vielleicht auch als Frechheit empfunden haben mochte, diesen dann zwei Tage später mitten in der Nacht zu Hause aufgesucht und umgebracht hatte. Besonders eingedenk der Tatsache, dass offenbar das ganze Pub nach der Schlägerei einhellig miteinander Brüderschaft getrunken hatte.

„Gehörte McDougal auch zu Ihren Stammgästen?“

„Stammgast war er nicht gerade“, brummte Bligh, „Aber er ist wohl schon öfters im Monat vorbeigekommen. Nicht immer zur selben Zeit, manchmal kam er morgens, kaum hatten wir geöffnet, für einen Kaffee. Abends eher selten, der arbeitete ja da irgendwo oben an einer Bar. Musste wohl selbst bis um Mitternacht schuften.“

„Hat er bei seinen Besuchen Kontakt zu den anderen Gästen gesucht?“

„Nee. Der hat sich immer etwas abseits gehalten. Obwohl, jetzt wo Sie fragen, kommt mir in den Sinn, dass er im letzten Monat oder so zweimal die Woche hier war, um Pool-Billard zu spielen – da hinten im Spielzimmer.“

„Mit wem denn?“

„Och, habe nicht so darauf geachtet. Wer halt gerade so da war. Ich blick da meinen Gästen nicht so auf die Finger. So lang die Ruhe geben, können sie meinetwegen spielen oder saufen, solange sie wollen.“

Das war nun auch nicht gerade hilfreich. McDougal konnte also sowohl mit den drei Jungs von den Inverewe Gardens als auch mit den Hippie-Campern auf irgendeine Weise Bekanntschaft geschlossen haben. Um das rauszukriegen, müssten zuerst aber mal aufwendige Ermittlungen eingeleitet werden. McKenzie beschloss, Smith und Purdy darauf anzusetzen. Das geschähe ihnen recht, langweilige Tür zu Tür-Befragungen machen zu müssen. McKenzie selber wollte sich dagegen mit dem zweifelhaften Whiskybrenner in Aultbea befassen. Das würde ihr immerhin wieder einen Grund geben, ihren kleinen Fiat auszufahren. Keinesfalls liesse sie sich von den Anzugträgern aus dem Fall drängen. Eine solche Chance, sich in ihrem Job in einem schwierigen Fall zu bewähren, kam für sie nicht so schnell wieder.

„Haben Sie in der letzten Zeit etwas Verdächtiges bemerkt? Leute, die sich ungewöhnlich benahmen? Wurden irgendwelche Geschichten am Stammtisch erzählt?“

Bligh schüttelte den Kopf. „Da gibt es ja immer die Touristen, die benehmen sich generell merkwürdig. Aber aussergewöhnlich? Nein, nicht dass ich wüsste.“

„Kamen die Golfer dann an dem Abend noch fürs Nachtessen?“

„Ja natürlich. Die wussten ja nichts von der Schlägerei.“ Blighs Ton deutete an, dass er die Frage überflüssig fand. „Ich habe mich dann auch nicht mehr um die Burschen gekümmert, hatte alle Hände voll damit zu tun, die Drinks auszuschenken und Greta in der Küche Beine zu machen.“

„Wer ist die Familie da hinten? Die mit den beiden Jungs? Ist die schon lange im Ort?“

„Wohl etwa eine Woche. Sind irgendwoher aus dem Süden Europas, bewohnen das Rosemary Cottage über der Brücke. Harmlos. Die Jungs langweilen sich ganz klar, hab’ die hier nie gesehen. Die Eltern kamen zweimal zum Billardspielen, und wenn ich mir ihre Schuhe so ansehe, haben sie heute wohl alle zusammen eine Moorwanderung gemacht. – Aber die beiden Kerle da drüben sollten Sie sich näher ansehen. Die machen mir schon die ganze Zeit den Eindruck, dass sie etwas zu verbergen haben.“ Damit deutete er auf zwei ältere Herren, die eifrig diskutierend und gestikulierend an einem Ecktisch beim Fenster sassen. Die beiden waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie dem Auflauf rund um Mrs. McKay bisher keine Beachtung geschenkt hatten.

McKenzie nickte dem Wirt zu und ging auf die beiden zu. „Guten Tag.“

Der eine, um die sechzig, längliches Gesicht und Knollennase, auf der eine runde Brille thronte, blickte auf. „Sie sehen doch, dass wir in einem Gespräch sind. Es hat noch genügend freie Tische hier.“

„Ich bin Detective Inspector Charlotte McKenzie, Polizeiwache Gairloch. Darf ich bitte Ihre Ausweise sehen?“

Der andere, dicklich, mit einer rötlichen Hautfarbe, die verriet, dass er viel Zeit im Freien verbrachte, knurrte etwas Unverständliches und griff sich dann in die Hosentasche. Beide produzierten ihre Personalausweise, die sie als Engländer aus London identifizierten.

„Was tun Sie hier?“

Es stellte sich heraus, dass die beiden Finanzleute aus der City waren und einen Monat Anglerurlaub in den Highlands gebucht hatten. Sie residierten allerdings in der Nähe von Ullapool und hatten sich nur ausnahmsweise soweit südlich vorgewagt, weil ihnen eine Zufallsbekanntschaft verraten hatte, dass die Fischerei im Hinterland von Gairloch viel erfolgsversprechender sei, als dort, wo sie zuerst ihre Ruten ausgeworfen hatten.

„Ihre Anglerlizenz?“

Der Knollennasige rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Wir wollten diese heute lösen, aber das Amt war geschlossen. Deshalb sitzen wir hier. Wir diskutierten gerade, ob wir hier übernachten und unser Glück morgen versuchen sollten.“

„Öffnen Sie bitte Ihre Rucksäcke.“ McKenzie war streng. Offensichtlich hatten die beiden wirklich etwas zu verbergen, wenn auch mit aller Wahrscheinlichkeit keinen Totschläger, mit dem sie einem Einheimischen den Schädel eingeschlagen hatten.

„Wir sind ehrbare Bürger. Was gibt Ihnen das Recht, unsere Sachen zu durchsuchen?“, brauste der Rotgesichtige auf. „Kein Wunder, geht es mit dem Land bergab, wenn harmlose Gäste von der Polizei belästigt werden. Ich werde mich bei meinem MP beschweren.“

„Tun Sie das. Was Ihre Frage betrifft - das Gesetz gibt mir jedes Recht, Ihre Taschen auf illegalen Fang zu durchsuchen. Zeigen Sie mir bitte jetzt sofort den Inhalt, bevor ich Sie in die Zelle schicken muss.“

Da aller Protest nichts half, taten die beiden Sportsfreunde schliesslich wie geheissen. Ihre Rucksäcke enthüllten vier prächtige silberne Lachse, die von McKenzie sofort beschlagnahmt wurden. Darüber hinaus verfasste sie mit nicht geringem Vergnügen eine saftige Anzeige wegen Verstosses gegen das Anglergesetz und entliess die beiden mit einer Verwarnung, sich nicht wieder in der Gegend blicken zu lassen.

Damit hatte sie den Mord aber noch nicht aufgeklärt. McKenzie übergab die Lachse an Malcolm Bligh für die Küche und bat ihn im Gegenzug, ihr seinen Pickup zu leihen, damit sie nach Gairloch zurückkehren konnte.

Tödlicher Whisky

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