Читать книгу Der letzte Monarch - Simone Lilly - Страница 3

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 3.

„Aber Marléne, wir sind nicht lange weg.“

„Ja.“, genervt zog sie die Mistgabel näher an sich heran. Sollten ihre Eltern doch nach Paris gehen wann immer sie wollten. Es war ihr egal.

„Wir gehen jetzt“, hallte es aus der Küche wieder zu ihr hinaus in den Stall

„Ja ist gut.“, brüllte sie beinahe ungehalten zurück, warf die Gabel auf den Boden und stand gebieterisch über ihr, so als würde sie hoffen das Werkzeug würde sich auf ihren boshaften Blick hin von selbst zu ihr hinauf bewegen.

Die Tür fiel ins Schloss, sie war allein. Endlich. Erschöpft schlich sie sich hinaus aufs Feld, nicht allzuweit, sonst hätte sie von ihren Eltern aus noch vom Weg aus gesehen werden können. Neben dem kleinen Brunnen sank sie auf die Knie, setzte sich wenig später in einen Schneidersitz und riss wahllos Gräser aus dem Boden. Eigentlich hatte er alles verändert. Nur mit seiner Anwesenheit hatte er ihr Leben auf den Kopf gestellt. Verdammt nochmal konnte sie es ihm verübeln nicht gesagt zu haben wer er war? Sicherlich hätte sie nicht so unhöflich und … normal reagiert hätte sie von Anfang an gewusst dass ein König vor ihr stand, bei ihr lebte. Hätte sie sich verändert um gut vor ihm dazustehen? - Ja hätte sie. Sehr sogar. Sie liebte ihn. So sehr, dass es ihr jeden Tag aufs neue die Kraft nahm aufzustehen, sie im noch so unbequemen Bett liegen bleiben wollte, sterben wollte. Ihre Eltern wussten davon nichts. Wussten nichts von den Qualen die sie durchleiden musste, von der Furcht eines Tages nach Paris zu gehen , um dort Ware zu verkaufen, dort zu erfahren, Louis hätte sich verlobt. Mit einer Prinzessin, einer anderen als ihr. Diese Angst begleitete sie wann immer sie auch nur einen Fuß aus dem Haus setzte. Aber eines nicht allzu weit entfernten Tages wäre es soweit. Louis würde heiraten müssen. Ob er nun wollte oder nicht. Wen er wollte oder nicht. Er brauchte Nachkommen, brauchte eine Königin. Dieser Tatsache musste sie ins Auge blicken. Sie, Marléne konnte bis an ihr Lebensende alleine bleiben, es scherte keinem was sie tat und wann sie es tat. Nicht aber Louis, sein Handeln wurde genauestens beobachtet.

Vielleicht ist es auch besser so, schloss sie in Gedanken, glaubte es aber selbst nicht. Diesen Satz hatte sie sich schon so oft vorgebetet, dass er ihr eher wie eine dreiste Lüge sich selbst gegenüber vorkam. Das war es auch. Alles war besser als hier zu sein. Besonders wenn es darum ging in Louis‘ Nähe zu sein. Wie liebevoll er immer mit ihr umgegangen war, wie er sich Sorgen um sie gemacht hatte, wie er sich um sie kümmerte, wie er sie liebte. Ein warmer Schauer überkam ihre Haut als sie an seine zärtlichen Berührungen dachte. Schnell stand sie auf und musste sich die Beine vertreten um an andere Gedanken zu kommen. Ein Lachen stahl sich auf ihre Lippen. Zielsicher ging sie wieder in die Wohnstube. Legte sich kerzengerade ins Bett, in das Bett, in dem auch er mit ihr gelegen war. Warm zugedeckt schloss sie die Augen. Dachte daran, wie er sie küsste, wie er sie streichelte, ihr sagte, dass sie ihm viel bedeutete. Sich wieder daran zu erinnern war schön, es brachte ihr ihre Vergangenheit wieder. Ihre gemeinsame. Eine, die Louis womöglich schon längst vergessen hatte. Die er mit einer anderen Frau sicherlich wiederholt hatte. Doch ihr gefiel es sich immer wieder daran zu erinnern. Müdigkeit überkam sie, doch sie wollte wach bleiben und an ihn denken. Jetzt, da niemand bei ihr war hatte sie die Ruhe die sie brauchte um ihn vollständig vor ihrem inneren Auge abzubilden.

Eine Weile lag sie in den Kissen. Dringende Arbeiten warteten auf sie, aber sie konnte sie nicht tun. Sie musste einfach da liegen. An ihn denken, schlafen, träumen. Es knarzte, wie immer in ihrer alten Hütte. Das Holz war morsch, allein schon der kleinste Vogel machte so laute Geräusche dass man meinte, er würde nicht als Tier auf dem Dach sitzen, sondern als Räuber durch die Wohnstube laufen.

Die Müdigkeit wurde stärker, einnehmender. Nein sie durfte nicht einschlafen. Sie musste arbeiten, ihr Vater würde wütend sein, hätte sie nicht den Stall ausgemistet, ehe er und ihre Mutter aus Paris zurückkehrten. Doch sie wollte einfach hierbleiben.

Ihre Fingernägel bohrten sich ins Laken, zum Zeichen, dass sich daran festhalten wollte, dass sie nicht gehen wollte. Eine sanfte Brise strömte ihr entgegen, sie war arm und sorgte für ein wohliges, behütetes Gefühl. Sachte blinzelnd schlug sie die Augen auf, waren ihre Eltern doch wieder aus der Stadt zurückgekehrt? Zwei große Augenpaare musterten sie, starrten ihr direkt ins Gesicht. Zuerst hatte Marléne sie gar nicht wahrgenommen, doch als sich schon nach wenigen Momenten ein Gesicht zu ihnen formte, begann sie zu schreien. Es war ein greller, herzerschütternder Schrei den sie selbst von sich nicht kannte.

„Bst.“, sagte die Person kräftig, sprang auf und presste ihr seine starke Hand auf den Mund. Nach Luft schnappend musste Marléne schweigen, schluckte und funkelte ihn ungläubig an. „Ich bins doch nur.“

Ja, er war es doch nur. Wie selbstverständlich stand Louis über ihr. Als wäre es das einfachste von der Welt wieder hier zu sein. Seine Hand ruhte noch immer auf ihrem Mund, sie war warm und Marléne genoss die unverhoffte Berührung. Louis‘ Kleidung passte überhaupt nicht hierher. Sie wirkte schwer und edel. Er trug eine leichte Rüstung, zwar keinen Umhang, doch kam er ihr eher vor als wäre er ein frisch ausgesandte Soldat.

Ohne etwas zu sagen beugte er sich zu ihr, zog seine Hand von ihr und küsste sie. Sofort wollte er wieder aufhören, doch sie zog ihn energisch zu sich. Seine Zunge bohrte sich immer weiter in ihren Mund, er erhob sich, stieg zu ihr ins Bett und ließ zu, dass sie sich für einen Moment ungehalten darin herumwälzten. Erst dann schien er wieder zu Bewusstsein zu gelangen.

Sichtlich beschämt sprang er auf, landete kurz vor dem Esstisch auf den Beinen und kratzte sich wild schnaubend am Hinterkopf. Eine Geste, die er immer zu tun pflegte, sobald er durch irgendetwas peinlich berührt wurde. Wie auch jetzt.

„Was ist los?“, fragte Marléne, die sich selbst kaum wiedererkannte. Sich nichts mehr wünschte als weiterhin mit Louis im Bett zu liegen, ihn weiterhin zu berühren, berührt werden. Noch immer fühlte sie seine warmen Hände auf der Innenseite ihrer Oberschenkel. „Was ist los?“, wiederholte sie beleidigt und rückte sich das schmutzige Kleid zurecht.

Louis war blass geworden, konnte sich kaum beherrschen. Es schmeichelte ihr, bewies ihr, dass sie sehr wohl Wirkung auf Männer ausübte. „Wir müssen los.“, sagte er knapp, riss sie am Arm nach oben und zerrte sie aus der Hütte.

Der Himmel war von dunklen Wolken durchzogen. Marléne wehrte sich nicht, bekam es aber mit der Angst zu tun. Direkt auf dem kleinen Erdweg, welcher zu ihrer bescheidenen Hütte führte wartete eine Kutsche. Es war kein großes Gespann . Zwei Pferde, ein Kutscher, zwei Wachmänner. Mehr waren es nicht. Trotzdem, für Marléne viel zu viel. Kurz stemmte sie ihre Beine in die Erde, wollte Louis ausbremsen, doch er wurde nur kurz von ihrem Gewicht nach hinten gerissen, lief dann aber weiter. „Erkläre ich dir drinnen.“, zischte er ihr entgegen.

Viele ihrer Nachbarn spähten aus den Häusern und Feldern hervor. Mit Sicherheit dachten sie, das arme Mädchen würde entführt, vergewaltigt und getötet werden. Keiner half ihr. Schockiert fragte sie sich was wohl ihre Eltern später von ihnen erfahren würden : Eure Tochter wurde heute von einem seltsamen Mann in eine Kutsche gezerrt, ist dann losgefahren, konnte sich nicht befreien und ist verschwunden. Wie schön und beruhigend musste es für ihre Eltern sein. Besonders für ihre Mutter.

Der letzte Monarch

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