Читать книгу Für immer Shane ~5~ - Simone Lilly - Страница 4

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 4.

Entgegen seine Laune hatte das Wetter wenig Interesse daran sie zu unterstreichen, oder es ihr gleichzutun. Die Sonne strahlte unbarmherzig vom Himmel, schien auf die anderen ihm entgegen kommenden Autos hinab, blendete Shane in den Augen, die er gequält zusammenkniff. Unter seinen Tränen konnte er ohnehin schon nichts mehr erkennen. Dr. Mohnam war ihm jetzt im Nachhinein betrachtet, ziemlich taktlos erschienen. Frei heraus hatte er ihm ins Gesicht gesagt: Sie haben Lungenkrebs.

Matt wechselte Shane die Straßenseite, bremste aber kurz vor einer roten Ampel ab. Quietschend kam er zum Stehen, wurde kräftig nach vorne geschleudert und fiel wieder in seinen Sitz zurück. Erschrocken legte er einen anderen Gang ein.

„Machen Sie einen Termin aus. Ich sterbe so oder so.

Wie hatte er das einfach sagen können? Ohne vorher zu überlegen was eine solche Operation für Folgen haben konnte, dass er nicht mehr aufwachen konnte. Zwar stimmte es, dass er auch so sterben würde, trotzdem. Denn Shane hatte noch bevor er mit Britney oder seinen Kindern, anderen Ärzten geredet hatte, noch bevor er die Nachricht über seine Erkrankung überhaupt verdaut hatte, einer Operation zugestimmt.

Wütend schlug er auf den Schaltknüppel. Sein metallener Ehering kratzte an ihm entlang und ließ Shane erschrocken auf ihn hinabblicken. Das Auto war neu, der Gedanke an eine Beschädigung grauenhaft. Aber gottseidank war keine Kerbe zu sehen. Sein Herz machte eine Pause, seine Atmung erschlaffte. Morgen war es soweit. Um genau acht Uhr morgens würde ihm die Narkose gesetzt werden, er würde schlafen, vielleicht für immer. Oder er würde leben, würde alt werden, würde bald nicht mehr daran denken und an diesen Abschnitt seines Lebens nur noch durch eine kleine Narbe an seiner Brust erinnert werden.

Lustlos ließ er das Fenster hinunter und spuckte seinen abgekauten Kaugummi achtlos hinauf. Hinter ihm wurde gehupt. Aber das war eine Wunschvorstellung.

„Bei Bluthusten besteht nur eine geringe Chance der Heilung …“

Wow, wie viel Mut ihm Dr. Mohnam gemacht hatte, wie er versucht hatte ihn aufzubauen. Anstelle dieses Satzes hätte er genauso gut sagen können: „Sie werden bald 34? Genießen Sie diesen Geburtstag, es wird Ihr Letzter sein.“

Geschickt parkte er sein Auto in der Einfahrt, sperrte es ab, ließ das Garagentor hinunter und betrat schnellen Schrittes das Haus. Anders als sonst, strömte ihm keine wohlriechenden Gerüche, wenn er aus der Arbeit nachhause kehrte, entgegen. Aber es war ja auch noch früh, niemand rechnete zu dieser Zeit mit ihm. „Hallo“, brüllte er in das große Gebäude hinein, schmiss seinen Schlüssel lautstark auf den Glastisch im Wohnzimmer und stülpte sich seine Jacke von den Armen.

Keiner meldete sich zu Wort. Erstaunt krempelte er sich die Ärmel nach oben und erklomm die Treppen, die zu den Kinderzimmern führte. Das allererste Zimmer, das Babyzimmer, Maidreds Zimmer, war leer, wo auch immer Britney war, sie hatte das Mädchen mitgenommen. Was er auch voraussetzte, denn sie konnte noch nicht allein gelassen werden. Das zweite Zimmer gehörte Oliver, das dritte Latonia. Sachte klopfte er an.

„Ja?“

Olivers schon dunkle Stimme drang klar durch die Tür. Glücklich jemanden anzutreffen trat Shane ein. Olivers Zimmer wurde eigentlich an Tagen wie diesen von hellem Licht durchflutet. Gerade deswegen hatte er wahrscheinlich seine grauen Jalousien heruntergelassen, sodass es angenehm düster war.

„Hi Dad“, begrüßte er ihn sofort und schaltete seine Stereoanlage leiser.

Shane hatte Olivers Zimmer erst vor gut einem Jahr renoviert, jugendlicher gestaltet, hatte die Wände von gelb auf weiß gestrichen, eine modische Schlafcouch gekauft, einen kleinen Flachbildfernseher, eine Wii und eine große Stereoanlage, die beinahe täglich lief.

„Hallo“, obwohl sein Sohn schon fünfzehn war, ließ er es sich nicht nehmen, laut Oliver, uncool auf ihn zuzugehen und ihm einen kurzen Kuss auf die Strin zu geben. Da sie alleine waren und keine Freunde aus der Schule bei ihm waren, beschwerte er sich auch nicht. Kurz sagten sie nichts. Shanes Blick glitt zu Olivers Schreibtisch, an dem er saß, blieb an einem Bilderrahmen hängen. Des Spaßes halber hatten sie ein Jugendbild von Shane und ein aktuelles von Oliver zusammengeklebt, verblüffend ähnlich lächelten sie ihm hinter dem Glas entgegen, als wären sie Zwillinge.

Schitzend hatte Oliver sich ebenfalls die Ärmel seines lila kariertem Hemdes hochgekrempelt und sich missmutig über seine Hausaufgaben gebeugt.

„Was machst du denn?“

„Chemie.“

Shane räusperte sich vernehmlich, setzte sich auf das weiche Bett und schlug die Beine übereinander. „Wo ist Mom?“

„Mit Lato und Maidred beim Einkaufen.“

„Aha.“

Wirklich viel wurde zwischen den Männern nie gesprochen. Tatsächlich hatte das letzte ernste Gespräch zwischen ihnen damit begonnen, dass Oliver eines Abends, als Britney mit Latonia und Maidred bei Mall gewesen war, zu ihm gekommen war, kaum sprechen konnte, rot angelaufen war, und das Gespräch mit: Dad, da ist dieses Mädchen …, begonnen hatte.

Dass ein Satz ihm Schweißausbrüche über den Körper jagen konnte, hätte Shane bis zu diesem Abend nicht geglaubt. Schlagartig war ihm bewusst geworden, wie groß Oliver geworden war. Kein kleines Baby mehr war, sondern es schon bald an der Zeit war, ihm die ersten Kondome zu kaufen, auf Partys mitzugeben und zu hoffen, er würde davon Gebrauch machen. Anders als Shane es in dem Alter getan hatte.

„Wie geht’s dir?“

Fragend blinzelte Shane seinem Sohn entgegen.

Oliver drehte sich mit dem Schreibtischstuhl ganz zu ihm und setzte sich in einen ungelenken Schneidersitz. „Ich meine wegen Morgen.“

Er wusste von der Operation, auch von seiner Krankheit hatte Shane ihm erzählt. Oliver war immerhin schon fünfzehn, alt genug um zu erfahren, was seinem Vater bevorstand. Oliver war nicht nur sein Sohn, er war auch – anders als es sein sollte – eine art Psychiater für Shane. Hatte er ein Problem, ob in der Arbeit oder eben gesundheitlich, konnte er mit ihm sprechen. So konnte es auch Oliver. Sich bei ihm ausheulen, sich mit ihm freuen. Worauf Shane besonders stolz war, war es, dass Oliver ihn gerne mit auf Feiern nahm, nicht nur, dass er mit seiner Hilfe in angesagt Clubs hineingelangte, ab und an Alkohol trinken konnte, er genoss es richtig, war stolz auf seinen Vater. Unwillkürlich musste Shane grinsen. Ein weiterer Vorteil so jung Vater geworden zu sein. Man war auch noch jung, wenn die Kinder größer waren.

„Ja, es geht schon noch.“, log Shane und runzelte die Stirn. Seine Aufregung war kaum auszuhalten, immer wieder verdrängte er den Gedanken daran, dass seine Kinder vielleicht ohne ihn aufwachsen würden, dass er niemals mit Maidred über Verhütung sprechen würde, niemals Latonias ersten Freund sehen würde. Seine beiden Kinder niemals aufwachsen sehen würde.

Gewieft schnappte Oliver nach Luft, rollte dichter an ihn heran und legte ihm seine Hände auf die Knie, so als wäre er der Vater. „Du hast also keine Angst?“

Keine Angst. Wenn du wüsstest! Ich sterbe vor Furcht.

„… ich meine, die Narkose, der Eingriff …“

„Oliver bitte.“, bettelnd legte er seine Hände auf die Finger seines Sohnes, hob sie langsam nach oben und stand selbst wankend auf. „Natürlich bin ich nervös. Sag‘ mir einen der das nicht wäre.“

„Brauchst du jemanden zum Händchenhalten?“

„Oli das ist nicht lustig!“ Shanes Stimme war lauter geworden, um Olivers Lachen zu übertönen. Dass sein Sohn sich darüber keine Gedanken machte, war klar, Shane war sein Vater, er war immer da, und würde es laut Oliver auch immer sein.

„ Dad …“

Milder hörte Shane erleichtert, dass die Haustür ging, Tüten in den Flur gestellt wurden, und Lationa motzend die Stufen in den ersten Stock erklomm. „Ist schon gut, Oli. Ich weiß wie du es meintest.“, müde deutete er mit dem Zeigefinger auf Olivers offen auf dem Tisch liegendes Chemieheft. „Mach’ deine Hausaufgaben. Es gibt bald Essen.“

Für immer Shane ~5~

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