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Erst im Dezember stellte Sharon Falconer Elmer als Assistenten an.

Als Cecil Aylston gehen mußte, sagte er, leise und in kaltem Ton: »Das wird das letztemal gewesen sein, meine liebe Prophetin und Glaubenshausiererin, daß ich den Versuch gemacht habe, anständig zu sein.« Es ist aber bekannt, daß er einige Monate lang versuchte, eine Rettungsmission in Buffalo zu leiten; und wenn er auf seinen Geisteszustand untersucht wurde, so geschah das nur, weil man beobachtet hatte, daß er viele Stunden dasaß und vor sich hinstarrte. Er wurde in einer Spielhöhle in Juarez umgebracht, und als Sharon davon hörte, war sie sehr traurig – sie sprach davon, seine Leiche zu holen, war aber zu sehr mit frommen Arbeiten beschäftigt.

Elmer stieß zu Beginn der Meetings in Cedar Rapids, Iowa, zu ihr. Er eröffnete die Meetings für sie, machte Ankündigungen, sprach Gebete, predigte, wenn sie zu müde war, und sang vor, wenn Adelbert Shoop, der Musikdirektor, indisponiert war. Er schuf ein Dutzend ordentlicher Predigten aus Exegese-Enzyclopädien, aus Handbüchern für Evangelisten und Leitfäden für Predigtentwürfe. Er hatte eine mächtige Ansprache, nur für die Männerandachten, über die Kraft und Wonne der vollständigen Keuschheit; er erzählte, wie Jim Leffingwell die Torheit der Lüste am Totenbett seiner Tochter einsah; und er hatte eine erhebende Ansprache für alle Gelegenheiten, über die Liebe als den Morgen- und den Abendstern.

Er unterstützte Sharon, wo Cecil sie gebremst hatte – so sagte wenigstens sie. Obgleich sie sich ihren poetischen Wortschatz bewahrte, ermutigte er sie gerade in jener derben und vulgären Anklage der Sünden, die Cecil schaudern gemacht hatte. Er sprach auch von Cecil als »Osric« – was sie sehr spaßhaft fand – als »Percy« und »Algernon«. Er redete ihr zu, die größten Städte zu bestürmen, die feinsten und die rohesten Auditorien, und sich nicht mit den lauen Hochkirchenphrasen anzukündigen, die Cecil für gut befunden hatte, sondern auf eine Weise, die für einen Zirkus paßte, eine Versammlung der Elchbrüder oder einen neuen Messias.

Unter Elmers Zureden wagte sie sich zum erstenmal in größere Städte. Sie fiel über Minneapolis her und riskierte, lediglich von Sekten wie der Bibelgemeinde, den Nazarenern, der Gotteskirche und den Wesleyaner-Methodisten unterstützt, ihre Ersparnisse für teure Pacht und zweispaltige Sechszollinserate.

Minneapolis begeisterte sich ebenso wie kleinere Ortschaften an Sharons Stimme und Augen, an ihren griechischen Gewändern, an ihrer goldweißen Altarpyramide; die Einnahmen waren zufriedenstellend. Danach schob sie Indianapolis, Rochester, Atlanta, Seattle, die beiden Portlands und Pittsburgh zwischen kleineren Städten ein. Zwei Jahre lang war das Leben für Elmer Gantry ein Wirbelwind.

Es hatte ein so rasendes Tempo, daß er in der Erinnerung keine Stadt von der anderen unterscheiden konnte. Das Ganze war ein Durcheinander aus glühenden Predigten, verzückten Bekehrten, Aufforderungen zum Zahlen, Zügen, dem Tadeln lässiger persönlicher Arbeiterinnen, Rügen für Adelbert Shoop wegen Betrunkenheit, dem Hinauswerfen von Adelbert Shoop, dem Zurückholen von Adelbert Shoop, wenn kein anderer so salbungsvoll frommer Tenor zu finden war.

Einer Pflicht wurde er nie müde: zu Nutz und Frommen heilsuchender Damen herumzustehen, Eindruck zu machen und sehr männlich auszusehen. Er pflegte sie zärtlich bei den Händen zu fassen und zu stöhnen: »Wollen Sie nicht hören, wie die Stimme unseres süßen Heilands ruft, Schwester?« Und alle, alte Jungfern in traurig vertrockneter Mädchenhaftigkeit und mißverstandene Frauen, hielten seine Hand fest und wurden der sorgfältig geführten Summe geretteter Seelen zugezählt. Sharon sah darauf, daß er sich für diese Rolle richtig kleidete – in doppelreihiges Dunkelblau mit schneidiger Krawatte im Winter, und im Sommer in weiße Anzüge und weiße Schuhe.

Doch so laut auch die Röcke um ihn rauschten, Sharons gewaltiger Zauber war so groß, daß er ihr treu blieb.

Wenn er in diesen zwei Jahren eine Derwischgestalt war, so war sie eine Sternschnuppe; begeistert in ihren Predigten, leidenschaftlich mit ihm, dann wieder ein nichtsnutziges Kind, das lachte und sich sogar zur Predigtstunde weigerte, ernst zu sein; einmal voll edler Freigebigkeit, dann wieder ein Geizhals, der über zehn Cents für Marken ein Geschrei erhob. Immer, in jeder übersteigerten Laune, war sie seine Religion und sein Existenzgrund.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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