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Heimliche Recherchen

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«Liebste Viola!

Wie gut, dass ich dich habe, wenigstens eine Person, der ich meine Heimlichkeiten anvertrauen darf! Bisher habe ich Computer nur als Arbeitsinstrumente betrachtet und Jespers Laptop zuhause kaum genutzt. Aber jetzt bin ich richtig froh, dass er mir mal gezeigt hat, wie man damit ins Internet geht und – dass meine halben Arbeitstage mir genügend Zeit lassen, unbemerkt am Nachmittag im Internet zu surfen. Ich hätte nie gedacht, dass es derart interessant und aufregend sein könnte!»

Daphnes Job als Chefassistentin eines Rechtsanwalts brachte es mit sich, dass sie sich zwangsläufig mit der Bedienung eines Computers angefreundet hatte. Warum Jesper allerdings manchmal stundenlang davorsaß, um im Internet zu surfen, hatte sie nie verstanden, obwohl er versuchte, es ihr schmackhaft zu machen. Wenigstens hatte sie so viel von seinen Erklärungen verstanden, dass sie nun unter der Eingabe bestimmter Stichwörter das fand, wonach sie suchte.

Ganz wohl war ihr allerdings nicht dabei. Sie fühlte sich ein wenig wie ein Kind, dass es nicht lassen kann, verbotene Dinge zu tun. Ständig horchte sie, ob er nicht vielleicht eher nach Hause kam und sie dabei ertappen würde, wie sie aufregende erotische Geschichten las oder fassungslos in Erotikshops herumklickte. Sie befand, dass sie ziemlich naiv, fast unschuldig durchs Leben gestolpert war, was Sexspielzeug und erotische Fantasien betraf – was sicherlich auch Vorteile mit sich gebracht hatte. Aber in ihrer derzeitigen aufgewühlten Verfassung befriedigte sie es, Bilder anzusehen, die sie früher als unanständig abgetan hätte, oder Geschichten zu lesen, die sie an den Rand eines Orgasmus trieben.

Auf einmal verstand sie, dass ihre wilden nächtlichen Fantasien gar nicht so ungewöhnlich oder abartig waren, wie sie geglaubt hatte. Sie hatte Jesper gegenüber diese noch nie erwähnt, weil sie sich fürchtete, ihn mit ihren Neigungen zu konfrontieren. Es gab Internetseiten, in denen diverse Subkulturen ihre persönlichen Tipps austauschten und Ratschläge in der Handhabung von Instrumenten zur sexuellen Züchtigung gaben, die sie beim ersten Mal so erschreckten, dass sie die Seite schnell wegklickte und mit klopfendem Herzen den Computer ausschaltete. Aber ihre Neugierde war viel zu groß, um dem Reiz zu widerstehen, und bereits am nächsten Tag loggte sie sich wieder ein und berauschte sich an all dem Neuen – neu in dem Sinne, dass das, was sich in ihrem Kopf abspielte, dort teilweise dem Niedergeschriebenen entsprach. Manches war zu heftig, als dass sie es sich für sich selbst vorstellen mochte, aber anderes bestätigte ihre eigenen Fantasien, erregte sie sofort und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als es auszuprobieren.

Aufgeregt berichtete sie Viola ausführlich von ihren Entdeckungen und rechtfertigte, warum sie das tun musste und warum sie Jesper nicht davon erzählte. Wie denn auch – nach mehreren Jahren Ehe interessierte sie sich für eine Art von Erotik, die sie früher als undenkbar abgetan hatte! Hatte sie das? Sie war sich nicht einmal mehr darüber im Klaren. Gab es da eine große Schublade in ihrem Gehirn, in die sie alle heimlichen Wünsche verbannt hatte, voller Scham, weggeschlossen in einem Tresor, zu dem sogar sie selbst nicht den Aufenthaltsort des Schlüssels kannte und der jetzt wie durch ein Wunder geknackt worden war? Und was noch schlimmer wog – welche Fantasien hatte eigentlich Jesper? Hatte er womöglich ebenso wie sie darüber geschwiegen und litt ähnliche Qualen? Hatte sie selbst ihn vielleicht, ohne es zu wissen, durch Bemerkungen oder Verhaltensweisen ausgebremst? Sollte sie es ihm sagen, wie sie inzwischen fühlte und dachte? Wie würde er wohl reagieren? Was würde er davon halten?

«Ich muss vollkommen verrückt sein, liebste Viola. Warum geschieht das mit mir? Ist es wirklich nur die Hormontherapie oder befinde ich mich gleichzeitig in einer neuen Lebensphase, die dieses Verlangen in mir hervorruft, dass ich beinahe verbrenne? Du solltest mal Jesper hören, wenn er zu philosophieren anfängt. Er sagt, jeder Mensch macht mehrere Phasen in seinem Leben durch, die eklatante Änderungen mit sich brächten, ob man das nun wolle oder nicht. Ich habe mir darüber nie ernsthaft Gedanken gemacht, es einfach akzeptiert, ja, warum sollte es nicht so sein. Aber wie so oft, wenn man glaubt, das passiert nur anderen, aber niemals einem selbst, tritt genau das Unerwartete ein.

Wenn du mir nur einen Rat geben könntest, meine schweigsame Freundin. Soll ich die Flucht nach vorne antreten, ihm alles beichten, ihn mit meinen Empfindungen konfrontieren? Oder bringe ich so viel Geduld auf, strategisch vorzugehen, ihn langsam einzubeziehen? Oh, ich fürchte, ich schaffe weder das eine noch das andere!

Dabei geht meine Geilheit mit mir mehr und mehr durch und ich wünschte mir dabei, er würde mich aus diesem Kreislauf befreien!

Neulich war er ausnahmsweise mal eher zuhause als ich, saß am Tisch und las die Tageszeitung. Wir gaben uns nur einen flüchtigen Kuss, aber in diesem Moment hatte ich die Fantasie, er würde mich einfach packen, zu sich nah heranziehen, mir über meine Brüste streicheln, meine Bluse und meine Hose öffnen, bis über den Po herunterziehen, über die nackte Haut streicheln und –»

Daphne musste kurz beim Schreiben innehalten. Ihre Hand zitterte vor Erregung. Sie legte den Stift weg, schüttelte die Hand kräftig aus und fuhr dann hastig fort.

«– mich dann über seine Schenkel ziehen, um mir genussvoll, aber nicht zu hart den Hintern zu versohlen mit dem spielerischen Tadel, ich hätte das verdient, weil ich zu spät heimgekommen sei. Danach, wenn mein Hinterteil gerötet und ich etwas verlegen wäre, hätte er mich gestreichelt und schließlich auf dem Sofa mit mir Liebe gemacht. Sind das nicht wunderbar frivole Gedanken? Wie bringe ich ihn dazu, es auf diese Weise mit mir zu treiben? Oder verhalte ich mich kindisch? Bin ich zu alt für solche erotischen Spielereien?»

Wie schon mehrfach in letzter Zeit schloss Daphne ihr Schreiben mit einer Frage oder einer frustrierten Feststellung. Sie bewegte sich im Kreis, nein – noch schlimmer, in einer Spirale, die sich unaufhaltsam immer enger und enger zusammenzog. Sie hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn sie in der absolut verengten Mitte ankäme, aber sie hatte manchmal das Gefühl, sie würde ersticken.

Daphne beendete ihre handschriftlichen Zeilen an Viola und richtete ihre Aufmerksamkeit nun auf den Computerbildschirm, surfte noch eine Weile ziellos im Internet herum, loggte sich dann aus, klappte den Laptop zu und ging nach unten, um im Wohnzimmer zu bügeln.

Aber auch dabei schweiften ihre Gedanken immer wieder zu ihrem Problem zurück, dass sie sich wünschte, Jesper würde mehr Dominanz ausstrahlen, sie unter ihre Fittiche nehmen, in jeglicher Hinsicht mehr von ihr verlangen. Es gab eine Zeit, da hätte sie ihn genau aus denselben Gründen verlassen, sich niemals auf ein sexuelles Rollenspiel eingelassen. Sie hätte ihn für brutal gehalten, für abartig, pervers, für einen Frauenverächter. Jetzt wünschte sie sich genau dieses, von ihm gefesselt zu werden, mit verbundenen Augen auf seine Liebkosungen oder eine Züchtigung wegen angeblichen Ungehorsams zu warten. Sie zog sogar in Erwägung, dass er sie lüstern am ganzen Körper berührte, sie dann zitternd vor Lust hinhielt, verschnürt, festgebunden – eine Viertelstunde, eine halbe Stunde oder länger. Und sie könnte nichts dagegen tun, rein gar nichts, als ihn anzubetteln, damit er weitermachte. Ja, vielleicht nicht einmal das, denn er könnte ihr verbieten zu sprechen und sie für jedes Wort strafen, sie erst recht zappeln lassen und sie würde dabei bestimmt immer geiler werden. Sie wäre seiner Entscheidung völlig ausgeliefert.

Daphne gestand es sich ein: Sie war zu allem bereit, nur um von ihren Problemen erlöst zu werden und letztlich beschützt in seinen starken vertrauten Armen zu schmachten, und sie verachtete sich im selben Moment dafür, dass sie diesen Ausweg suchte und bereit war, ein Stück ihrer Freiheit, ihrer Selbstständigkeit, im schlimmsten Fall sogar ein Stück ihrer Persönlichkeit zugunsten des Erlebens einer heimlichen Sehnsucht aufzugeben.

«Autsch!» Erschrocken zog sie ihren Arm vom Bügeleisen zurück. Vor lauter Nachdenken hatte sie sich die Kante des Bügeleisens gegen den Unterarm gedrückt. Hastig stellte sie es ab und lief in die Küche, um kaltes Wasser über die verletzte Haut laufen zu lassen. Mit verkniffenem Gesicht betrachtete sie den geröteten Strich, der eine Kerbe in den Arm gebrannt hatte.

Viola

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