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2. IN VINUM VERITAS
ОглавлениеEs war im Jahre 870 nach christlicher Zeitrechnung, als der tapfere Mönch Calvinus sein sicheres Kloster im Frankenland verließ, um den heidnischen Nordmännern seinen Glauben zu bringen.
Über Friesland stieß er mit zwei Glaubensbrüdern bis ins Land der Dänen vor und traf dort beizeiten auf die ersten Anhänger des in seinen Augen falschen Glaubens.
Die Gefahr für Leib und Leben verachtend, betraten sie waffenlos die nächst größere Siedlung und verlangten, vor den Dorfobersten geführt zu werden.
Die Nordmänner, denen dieses furchtlose Auftreten sehr zu gefallen schien, brachten sie ohne ihnen ein Leid zuzufügen in die große Halle ihres Jarls.
„Wer bist du und warum verlangtest du, zu mir gebracht zu werden?“, wollte der Jarl, ein blonder Hüne namens Fargrim Aalspießer, von Calvinus wissen.
„Ich bin gekommen, um euch auf den Pfad des wahren Glaubens zu führen!“, antwortete dieser mit ruhiger, fester Stimme.
„Uns zu führen?“, wiederholte Fargrim fragend. „Du siehst nicht so aus, als wolltest du uns als Söldner verdingen, oder sagen wir lieber, du siehst nicht so aus, als könntest du uns bezahlen.“
„Du verstehst mich nicht“, unterbrach ihn Calvinus schnell, und mahnte sich, seine Formulierungen besser zu durchdenken. „Ich will euch den einzig wahren Gott nahebringen, der obersten Macht über alles Leben!“
„Oh, wir verehren Odin bereits sehr, doch auch Thor und Freyr haben ihre Anhänger und unsere Fischer halten es natürlich mit Njörd“, antwortet der Jarl.
Calvinus schüttelte aufgebracht den rasierten Kopf: „Nein! Nicht diese Götzen! Den wahren Gott, den Vater im Himmel, der seinen Sohn Jesus Christus auf die Erde gesandt hat, um uns sein Reich zu verkünden.“
Endlich schien der Hüne zu verstehen: „Ah, du bist Christ! Warum sagst du das denn nicht gleich? Von deiner Sorte haben wir auch einen hier.“ Er wandte sich zu einem der Männer in der Halle: „Arn, hol Helger den Händler her, sicherlich wird er unseren Gast gerne kennen lernen wollen.“
„Es wohnt ein Christ unter euch?“, fragte Calvinus ungläubig. „Also werdet ihr schon bekehrt?“
„Bekehrt?“ Mit diesem Wort konnte Fargrim nichts anfangen.
„Verkündet er euch aus der heiligen Schrift?“, erklärte der Mönch. „Hält er Messen mit euch ab?“
„Oh, nein“, der Jarl schüttelte lachend den Kopf. „Helger ist wohl eher ein scheuer Mensch. Er meidet unsere Gesellschaft und bleibt lieber für sich!“
„Wer will es ihm verdenken“, flüsterte Calvinus zu seinen Begleitern. „Es wird nicht leicht sein, als einziger Christ unter diesen Heiden zu leben!“
„Wahrere Worte wurden in dieser Halle noch nie gesprochen!“
Calvinus drehte sich erschrocken zu dem Mann um, der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war und sein Flüstern offenbar gehört hatte.
Noch bevor der Mönch irgendetwas sagen konnte reichte ihm der Neuankömmling aber mit einem freundlichen Lächeln die Hand zum Gruße: „Mein Name ist Helger Hafgerson. Ich bin erfreut, Männer meines Glaubens in diesem ungläubigen Vorhof der Hölle anzutreffen!“
„Ebenso wie ich“, versicherte ihm der Mönch.
„Doch was führt euch hierher?“, wollte der bekehrte Nordmann wissen.
„Ich habe es mir zum Ziel gesetzt“, erklärte Calvinus voller Stolz, „den Heiden des Nordens den wahren Glauben zu verkünden.“
„Da habt ihr euch viel vorgenommen!“, lachte Helger. „Ich habe schon oft versucht, ihnen die heilige Schrift nahe zu bringen, aber glaubt mir, es gab auf diesen ganzen Seiten voller Weisheit und Erhabenheit nur eine Stelle, die ihre Aufmerksamkeit erregt hat. Die Hochzeit von Kanaan, auf der Jesus Wasser in Wein verwandelte. Das war für sie ein wahres Wunder. Alles andere…“ Er zögerte: „Nun, ich wiederhole ihre Worte besser nicht. Sie waren auf jeden Fall nicht besonders angebracht.“
„Das glaube ich euch ungesehen!“, murmelte Calvinus und schaute in die grinsenden Gesichter der Nordmänner. „Aber warte ab, Bruder. Vielleicht kann ich ihnen auf andere Weise klar machen, dass sie sich auf dem falschen Weg befinden.“
„Was schwafelt ihr beiden da?“, unterbrach sie Fargrim. „Wenn ihr über euren schwachen Gott sprechen wollt, dann schert euch aus meiner Halle und sucht euch einen anderen Ort!“
„Schwacher Gott?“, begehrte der Mönch mit donnernde Stimme auf. „Nicht mein Gott ist es, der schwach ist, sondern deine Götzen; und wahrlich, ich werde es dir beweisen!“
Fargrim lachte laut auf und alle anwesenden Heiden folgten seinem Beispiel. „Und wie gedenkst du, das zu tun?“, wollte der Jarl wissen.
„Ich folge dem Beispiel einer meiner Vorgänger!“, verkündete er bedeutungsvoll. „Bonifatius hat viele eurer Verwandten im Süden zum rechten Glauben bekehrt, indem er ihnen die Machtlosigkeit ihrer Götzen vor Augen führte! Ich sah eine gewaltige Esche vor deiner Halle stehen. Ist sie einem deiner Götter geweiht?“
„In der Tat!“, bestätigte Fargrim. „Das ist Odins heiliger Baum! Wieso?“
„Gebt mir eine Axt!“, forderte der Mönch. „Ich werde diesen Baum fällen und ihr werdet sehen, dass mich euer Odin weder daran hindern, noch mich dafür strafen wird!“
Wieder lachte Fargrim auf und diesmal konnte sich auch Helger ein Grinsen nicht verkneifen.
„Das soll dein Beweis sein?“, fragte der Jarl nach, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. „Diesen Baum zu schützen ist unsere eherne Pflicht. Wenn wir dir gestatten würden, ihn zu fällen, während wir untätig dabei zusehen, welchen Grund hätte Odin dann noch uns beizustehen? Er würde uns deines schwachen Gottes für würdig halten und nicht einmal uns genug Beachtung für eine Bestrafung geben, geschweige denn dir!“
Helger zog dem verwunderten Mönch am Ärmel seiner Kutte. „Du solltest mehr über die Völker lernen, die du zu bekehren versuchst“, raunte er ihm zu.
„Ich verstehe das nicht. Bei Bonifatius hat es doch gewirkt“, rechtfertigte sich Calvinus.
„Wie dem auch sei“, unterbrach ihn Helger schnell, „Ihr solltet euch ganz schnell was anderes einfallen lassen, bevor…“
„Weißt du, wie man so etwas bei uns regelt?“, fiel ihnen Fargrim ins Wort.
„Zu spät“, seufzte Helger und warf Calvinus einen mitleidigen Blick zu.
„N-nein“, stotterte der Mönch, dem jetzt doch ein wenig beklommen zumute war.
„Unsere Götter gewähren demjenigen von uns, der ihr Wohlgefallen hat, die Feuerprobe zu bestehen“, erklärte der Jarl. „Wenn du uns von der Macht deines Gottes überzeugen willst, so bekommst du nun eine gute Gelegenheit dazu!“
„Die Feuerprobe?“, fragte Calvinus zögernd, während ihm der Angstschweiß langsam den Rücken herabfloss.
„Tyrfin, leg dein Schwert in die Feuerstelle!“, rief Fargrim einen seiner Krieger an, bevor er sich wieder dem Mönch zuwandte. „Es ist ganz einfach. Während das Schwert in der Glut liegt hast du Zeit, um zu deinem Gott zu beten. Wenn es dann rot glüht, wirst du es mit der Hand aus dem Feuer ziehen und zu mir tragen. Wenn dein Gott so mächtig ist, wie du sagst, wird dir dabei sicher kein Leid geschehen. Wenn aber doch, dann werden wir dich zu Odins Ehren, und als Verzeihung, weil wir deinen Worten gelauscht haben, an seiner heiligen Esche aufhängen!“
Zitternd stand Calvinus da und wusste nicht, was er sagen sollte. Der Angstschweiß rann ihm nun in Strömen von der Stirn und seine Zähne klapperten unaufhörlich aufeinander. Wahrscheinlich wäre er noch an Ort und Stelle ohnmächtig geworden, wenn ihm nicht plötzlich Helger zur Rettung gekommen wäre.
„Es ist sehr bedauerlich, Jarl“, sagte er zu Fargrim, während er den zusammen gesackten Calvinus mit den Händen aufrichtete, „aber leider kann unser Gast dieser Aufforderung ebenso wenig nachkommen, wie ihr seinem Wunsch, den Baum fällen zu dürfen.“
„Wieso nicht?“, fragte der Jarl und auch der Mönch schaute erwartungsvoll auf den christlichen Händler.
„Er hat seinem Gott geschworen, niemals eine Waffe zu berühren. Oder was denkt ihr, wieso er sonst unbewaffnet vor dir erschienen ist.“
„Stimmt das?“, wandte sich Fargrim ohne Umschweife an Calvinus.
„Ja“, bestätigte der Mönch nach langem Zögern und hatte nicht einmal gelogen, da er ein solches Gelübde noch schnell gen Himmel schickte, bevor er antwortete.
„Außerdem ist er sicher erschöpft von der langen Reise“, ergänzte Helger. „Gebt ihm eine Nacht Zeit, sich zu erholen. Morgen früh wird er sicher wissen, wie er euch von der Macht Gottes überzeugen kann.“
„Gut!“, stimmte Fargrim zu. „Er und seine Begleiter sollen heute Nacht deine Gäste sein.“
Sofort schob Helger den immer noch bestürzten Mönch und seine beiden Begleiter vor sich her aus der Halle und führte sie zu seiner Hütte.
Erst dort fand Calvinus seine Fassung wieder. Er dankte Helger mit vielen Worten für die Rettung aus höchster Not und schließlich für seine Gastfreundschaft.
„Die Feuerprobe hätte ich nicht bestehen können, denn das Feuer ist das Element des Teufels!“, rechtfertigte er später seine Angst. „Doch dank deiner Hilfe bleibt mir ein wenig Zeit, um einen anderen Weg zu suchen, der uns ans Ziel führt.“
Beinahe die ganze Nacht saß der Mönch wach auf seinem Strohlager und suchte nach diesem Ausweg. Doch erst als die Morgenröte im Osten die Dunkelheit vertrieb, kam ihm ein Gedanke, der vielversprechend zu sein schien. Zufrieden legt er sich zurück und gönnte sich ein wenig Schlaf.
Zur Mittagszeit erwachte er, geweckt von den lauten Gebeten seiner beiden Begleiter. Von Helger war nichts zu sehen. Wahrscheinlich ging der Händler seinem Tagewerk nach. Also weihte er niemanden außer den beiden Mönchen in den Plan ein, doch diese befanden ihn für ebenso aussichtsreich, wie er selbst.
Calvinus ging zu dem Feuer, das seine Mitbrüder entfacht hatten, und zog mit Helgers Schürharken ein paar glühende Stücke Kohle aus dem Feuer und legte sie in eine Holzschüssel. Schnell, und ohne Aufmerksamkeit zu erregen, eilte er mit der Kohle zu der Halle des Jarl und schaute sich davor nach einem geeigneten Ort für seinen Plan um. Er fand ihn in einem dürren Dornbusch, der unweit vom Eingang der großen Halle entfernt einsam auf dem staubigen Platz stand. Er versicherte sich, dass niemand sein Augenmerk auf ihn gerichtet hatte, dann bog er die Zweige zu Seite und schüttete die Schüssel mit der glühenden Kohle vorsichtig unter das Astwerk.
Nun war Eile geboten. Er rannte in die Halle und traf dort zu seiner Erleichterung tatsächlich auf Jarl Fargrim und einige seiner Gefolgsleute. „Wenn ihr die Macht meines Gottes sehen wollt“, rief er mit fester Stimme, „dann kommt heraus vor eure Halle und ich werde sie euch zeigen!“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging würdevoll aus der Halle. Draußen angekommen, kniete er sich mit erhobenen Händen in die Mitte des Platzes und betete so laut, dass es jeder hören konnte, zu seinem Gott.
„Oh, allmächtiger Vater im Himmel! Gewähre deinem gehorsamen Diener die Gnade und sende diesen wilden Heiden ein Zeichen deiner Macht!“
Aus dem Augenwinkel beobachtete er den Busch, doch noch hatten die dürren Äste kein Feuer gefangen.
Er wiederholte sein Gebet ein zweites und schließlich ein drittes Mal, doch nichts geschah.
Er hörte das belustigte Murren der Nordmänner hinter seinem Rücken und erwartet jeden Moment, dass Fargrim den Befehl erteilen würde, ihn an Odins Esche zu hängen, als der Busch endlich Feuer fing.
„Seht das Zeichen!“, rief er aufgeregt und zeigte auf den brennenden Dornbusch. „Seht die Allmacht meines Gottes!“
Triumphierend drehte er sich zu den Nordmännern um, doch zu seiner Enttäuschung zeigte keiner von ihnen auch nur eine Spur von Ehrfurcht oder wenigstens nur Erstaunen.
„Das ist dein Beweis?“, fragte Fargrim enttäuscht. „Ein Busch der Feuer gefangen hat? In der Nähe der Schmiede passiert das dreimal am Tag.“
„Aber versteht ihr denn nicht?“, rief Calvinus beinahe wütend. „Der brennende Dornbusch war ein Zeichen Gottes für das auserwählte Volk!“
„Du verlangst von Odin als Beweis, er solle dich mit einem Blitz spalten, wenn du Hand an seinen Baum legst“, spottete Fargrim, „doch die unglaubliche Macht deines Gottes soll sich uns durch ein brennendes Büschlein zeigen? Jedes Kind wäre mit einem glühenden Span in der Lage dieses Wunder zu wirken. Das ist alles andere als beeindruckend.“
Nach und nach verließen alle den Platz, nur Helger, der von Calvins Ordensbrüdern gefunden und herbeigeholt worden war, blieb da und ging auf den sichtlich niedergeschlagenen Mönch zu.
„Ich hatte es dir gesagt“, sagte er tröstend, „bis auf eines finden sie alle anderen Wunder Gottes belanglos!“
Helger hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass seine Worte Calvinus Trost spenden könnten, doch zu seinem Erstaunen hellte sich die Mine des Mönches plötzlich auf. „Das ist es!“, rief er freudig aus und klatschte mehrmals in die Hände. „Danke Freund, du hast mich auf einen großartigen Einfall gebracht.“
„Hab ich das?“
„Ja, in der Tat. Doch für die Umsetzung brauche ich deine Hilfe.“
„Ich helfe gerne, wenn es bewirkt, diese Heiden zu bekehren“, versicherte der Händler.
„Das wird es“, gelobte Calvinus. „Wie weit entfernt ist die nächste christliche Siedlung? Oder noch besser – ein Kloster?“
„Ich treibe Handel mit einigen Christen in Altina, das ist eine friesische Siedlung fünfzig Meilen von hier. Soweit ich weiß, stehen diese auch mit einem Kloster in Verbindung.“
„Ausgezeichnet! Wann kannst du aufbrechen?“
„Aufbrechen?“, fragte der Händler verwirrt. „Wohin? Weswegen?“
„Ich werde dir einen Brief mitgeben, den du dem Vorsteher des Klosters übergeben wirst.“
„Willst du sie zu den Waffen rufen, damit sie dich befreien? Das kann ich nicht zulassen. Diese Menschen hier teilen zwar nicht meinen Glauben, aber mein Blut. Ich werde sie nicht verraten!“
„Das sollst du nicht“, beruhigte ihn Calvinus. „Glaube mir. Der Abt soll dir nur etwas aus dem Besitz der Kirche übereignen, was bei der Bekehrung der Heiden dienlich sein dürfte.“
Helger nickte: „Dann habe ich keine Einwände. Schreib deine Nachricht, wenn ich heute noch aufbreche, bin ich in drei Tagen zurück.“
„Der Segen des Allmächtigen sei mit dir!“
Sofort schrieb Calvinus seine Nachricht nieder und übergab sie dem abreisefertigen Händler. Dann ging er in die Halle des Jarl und wünschte mit Fargrim zu sprechen.
„Nun, Mönch?“, höhnte dieser als er Calvinus sah. „Kommst du, um uns ein neues Wunder deines Gottes zu zeigen? Was ist es diesmal? Ein brennender Baum? Oder vielleicht willst du einen Eimer Wasser weihen und das Feuer im Dornbusch auf wunderbare Weise löschen?“
Alles lachte, doch Calvinus zeigte darüber keinerlei Regung. „Ihr habt meinen Gott verhöhnt“, sagte er mit strafender Stimme. „Das würde euch teuer zu stehen kommen, doch ich habe erkannt, dass es meine Schuld war, und will deshalb ein gutes Wort für euch einlegen. Drei Nächte und drei Tage werde ich zu Gott beten, um euer Seelenheil zu retten, doch am Abend des dritten Tages wird er ein Wunder vollbringen, dass euch eure Götzen vergessen lässt!“
„Das will ich für dich hoffen!“, riet ihm Fargrim mit einem bösen Lächeln. „Sonst wird es dein toter Körper sein, der am Abend des dritten Tages an Odins Esche baumelt.“
„Du selbst wirst diesen Baum fällen wollen, wenn mein Gott sein Wunder gewirkt hat!“, sagte Calvinus spitz, während er aus der Halle ging.
Wie er es gesagt hatte, verbrachte er die nächsten drei Nächte und Tage in Helgers Hütte und betete. Allerdings nicht für das Seelenheil der Nordmänner, sondern für eine sichere und vor allem erfolgreiche Rückkehr des Händlers.
Endlich, am Mittag des letzten Tages vor Ablaufen der Frist, kam Helger mit einer Ochsenkarre in das Dorf gefahren. Calvinus lief sofort zu ihm und begutachtete die Ware. Ihm gefiel was er sah.
„Für was brauchst du sieben Fässer Wein?“, wollte Helger wissen. „Willst du dir die Freiheit erkaufen?“
„Mehr als die Freiheit“, antwortete der Mönch verschwörerisch. „Ich werde ein paar Seelen kaufen.“
„Die Hochzeit von Kanaan?“, fragte der Händler zweifelnd.
„Ganz recht!“, nickte Calvinus. „Ich muss nur noch einen Weg finden, die Fässer unauffällig in die Halle zu bringen, und alle glauben zu lassen, dass es Wasser ist. Mir ist bisher noch keine Möglichkeit eingefallen.“
„Das dürfte ohnehin nicht einfach sein“, meinte Helger nachdenklich. „Wenn man in der Halle Wasser braucht, holt man es direkt vom Brunnen. Wasser in Fässern gibt es nur unten am Fluss!“
„Wieso ausgerechnet am Fluss?“, fragte Calvinus nach. „Dort gibt es doch genug Wasser?“
„Für die Schiffe“, erklärte der Händler. „Wenn sie in See stechen, müssen sie Süßwasser mitnehmen. Rudern macht durstig und Met und Bier machen müde.“
Calvinus dachte kurz nach, dann wandte er sich wieder an Helger.
„Also, wenn ich heute Abend den Jarl auffordern würde, mir sieben Fässer Wasser zu bringen…“
„…dann würde er sie unten am Fluss füllen und in die Halle bringen lassen!“, vollendete der Händler mit einer Geste des Verstehens.
„Dann weißt du, was zu tun ist“, lächelte der Mönch verschwörerisch. „Aber füll noch ein achtes Fass mit Wasser und markiere es mit einem Kreuz.“
Der Händler nickte und fuhr mit seinem beladenen Wagen weiter zu dem am Rande der Siedlung gelegenen Flusshafen, um zu tun, worum Calvinus ihn gebeten hatte.
Der Mönch ging derweil siegessicher und gut gelaunt mit seinen Ordensbrüdern in die Halle des Jarls, wo Fargrim bereits auf ihn wartete.
„Ah, Mönch!“, rief er, als er die drei in seiner Halle bemerkte. „Kommst du zu einem Wunder oder zu deiner eigenen Hinrichtung?“
„Das werden wir sehen“, antwortete Calvinus gelassen und setzte sich mit seinen Begleitern an einen der Tische in der Nähe von Fargrims Hochstuhl. „Der Abend ist noch jung. Lass uns abwarten, welches Wunder mein Herr für euch gewählt hat.“
„Nicht so zuversichtlich, Mönch!“, warnte der Jarl höhnisch lachend. „Hier drinnen gibt es keine Büsche, die zu brennen beginnen könnten!“
Die Halle erbebte vom Lachen der Nordmänner.
„Er wird euch überzeugen. Da bin ich mir sicher!“, gab Calvinus mit gespielter Milde zurück.
„Wenn nicht…“, begann Fargrim.
„Baumele ich an der Esche deines Götzen, ich weiß“, unterbrach ihn der Mönch gelangweilt. „Wenn das so sein sollte, wäre das mein letzter Tag auf Erden. Sicherlich gönnt ihr mir doch einen Schluck Wein als Henkersmahlzeit.“
„Wein?“, Fargrim lachte auf. „Leider haben wir hier keinen Wein. Ihr müsst mit Bier oder Met vorlieb nehmen!“
„Keinen Wein?“, gab sich Calvinus enttäuscht. „Das ist sehr bedauerlich. Christen feiern gerne mit Wein, wisst ihr! Vielleicht hat euch ja Helger schon von der Hochzeit von Kanaan erzählt?“
„In der Tat. Dort soll dein Gott Wasser in Wein verwandelt haben. Wirklich, Mönch, das wäre ein Wunder dem selbst ich mich nicht entziehen könnte.“
„Nun, vielleicht soll das euer Zeichen sein!“, gab Calvinus zu bedenken.
„Das ist leicht zu prüfen. Tyrfinn, geh an den Brunnen und hole uns einen Eimer Wasser!“
„Warte!“, hielt Calvinus ihn auf. „Warum soll man ein so großes Wunder mit nur einem Eimer verschwenden. Hole besser gleich acht Fässer, denn so viele waren es in Kanaan!“
Fargrim schien von dieser Idee begeistert und schickte Tyrfinn zum Fluss, um acht Fässer mit Wasser zu besorgen.
Schneller als erwartet war der Mann mit einem mit acht Fässern beladenen Ochsenkarren zurück. Mit ihm gekommen war auch Helger der Händler, der zufällig am Fluss war um Wasserfässer für seine nächste Reise vorzubereiten. Als er von Calvinus Wunsch hörte, war er gerne bereit, seine acht Fässer für den Mönch herzugeben.
Nachdem die Fässer in die Halle gebracht waren, ging Calvinus scheinbar wahllos auf eines der Fässer zu, achtete aber insgeheim darauf, dass es das von Helger mit einem Kreuz markierte Wasserfass war, und ließ es öffnen. Er füllte eigenhändig ein Trinkhorn und brachte es dem Jarl.
„Trink, Jarl Fargrim Aalspießer“, forderte er ihn auf.
Fargrim nahm einen Schluck und setzte sogleich mit einem bösen Lächeln das Trinkhorn ab. „Wasser!“, rief er laut vernehmbar seinen Gefolgsleuten zu. „Heute Abend bekommt Odin einen Mönch geschenkt!“
„Nicht so schnell!“, unterbrach ihn Calvinus mit gebieterischer Stimme. „Glaubst du etwa, mein Gott verschwendet seine Wunder an wilde Heiden? Nein! Wasser für die Heiden, Wein für die Christen! Schwöre erst bei deiner Ehre, dass du und all deine Gefolgsleute, ohne Ausnahme, euch von euren Götzen lossagen werdet und keinen anderen Gott als den der Christen annehmen werdet!“
Der Jarl lachte laut auf: „Ihr Christen wisst nie, wann ihr aufgeben müsst!“ Er hielt sich die Faust ans Herz und verkündete gespielt feierlich: „Ich, Fargrim Aalspießer, schwöre bei meiner Ehre, wenn das Wasser aus diesen acht Fässern zu Wein wird, werde ich und alle hier anwesenden augenblicklich zu Christen!“
„Die sieben Fässer, die noch geschlossen sind, müssen reichen. Mit dem Wasser des achten werde ich euch noch an Ort und Stelle taufen!“
„Meinetwegen!“, gestand ihm der Jarl immer noch lachend zu.
Calvinus ging zurück und ließ nun eines der anderen Fässer öffnen. Er roch sofort den aromatischen Duft des Weines und füllte mit einem leichten Grinsen das Trinkhorn und reichte es wiederum Fargrim.
Ohne etwas anderes als Wasser zu erwarten, nahm der Jarl einen großen Schluck. Plötzlich riss er die Augen weit auf und setzte hustend und spuckend das Trinkhorn ab. Verstört schaute er zuerst in das Horn, dann zu Calvinus und schließlich zu den gespannt wartenden Männern in der Halle.
„Wein“, sagte er zuerst zögernd und leise, dann lauter und schließlich schrie er es regelrecht heraus, „Wein!“
Sofort eilten die anderen Nordmännern zu den Fässern, um sich selbst von diesem vermeintlichen Wunder zu überzeugen.
„Nun?“, rief Calvinus triumphierend in die Runde und stellte sich neben das Wasserfass. „Wer will der erste sein, den ich im Namen des einzigen, des wahren Gottes taufen soll?“
Fargrim erhob sich von seinem Hochstuhl und rief feierlich: „Bei meiner Ehre gab ich dir mein Wort und bei Od… – bei Gott, ich werde es halten!“
Langsamen Schrittes ging er auf Calvinus zu und kniete sich mit gesenktem Haupt vor ihn.
Ein paar lateinische Worte rezitierend, goss der Mönch dem Jarl ein wenig Wasser auf sein Haupt und nahm ihn in die Gemeinschaft der Christen auf.
Nach und nach taufte er zusammen mit seinen beiden Begleitern alle Männer, Frauen und Kinder der Siedlung.
Fargrim betrachtete dieses Schauspiel Wein trinkend von seinem Hochstuhl aus, als sich Helger der Händler, ebenfalls mit einem gefüllten Trinkhorn, zu ihm gesellte.
„Auf dein Wohl, Bruder“, begrüßte er seinen Jarl und hob sein Trinkhorn zum Gruße.
„Auf deines, Bruder“, entgegnete Fargrim wohlwollend. „Und natürlich auf das des ehrwürdigen Bruder Calvinus, auch wenn er etwas länger gebraucht hat als die anderen.“
„Ich habe mein Bestes getan, um ihn darauf zu stoßen“, entschuldigte sich der Händler. „Aber dafür ist dieser Wein erheblich besser als der letzte!“
„Das ist wahr!“, stimmte Fargrim lachend zu. „Aus Klöstern kommt immer ein ganz besonders guter Tropfen.“
„Wie oft bist du jetzt eigentlich schon getauft worden?“, wollte Helger wissen.
„Das weiß nur Odin!“, lachte der Jarl und nahm einen großen Schluck.