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3. DIE SAGA VON WITTE WITTESSON TEIL 1: DES KÖNIGS NEUE MAUER
ОглавлениеH och im Norden herrschte in einem kleinen Reich der Jarl Harlof Thorlofsson, der aber weithin nur als König Harlof bekannt war. Diesen fremdländischen Titel hatte er sich einst selbst verliehen, um allen zu zeigen, welch weit gereister Mann er einst gewesen war, als er bis an die Küsten Afrikas segelte und sogar Rom und Konstantinopel mit eigenen Augen gesehen hatte.
Doch diese Zeiten lagen weit zurück und nun war er alt und nicht mehr bei bester Gesundheit. Trübsinnig saß er auf seinem Hochstuhl in seiner Hauptstadt Glänoy und beschloss, dass diese Welt ihm nichts mehr zu bieten hatte, weshalb er aus ihr scheiden wollte.
Da er aber den Titel eines Königs angenommen hatte, meinte er sein Reich vererben zu müssen, anstatt wie es Brauch war, dem fähigsten seiner Gefolgsleute zu hinterlassen.
Allerdings hatte ihm seine Frau nur Töchter geboren und keine Söhne, weshalb nun einer seiner drei Schwiegersöhne seine Nachfolge antreten sollte.
Er rief sie zu sich und unterbreitete ihnen seine Absichten.
Während einer von ihnen, nämlich Witte Wittesson, der Mann seiner jüngsten aber schönsten Tochter, den König diese Vorhaben auszureden versuchte, verlangten die beiden anderen, Aki Ivarsson und Gnupi Signundsson, nur zu wissen, auf welchen von ihnen die Wahl gefallen sei.
Der König sagte, dass er sich nicht unter ihnen entscheiden konnte, da Aki der Älteste, Gnupi der Stärkste und Witte der Klügste sei, weshalb er sich entschieden hatte, ihnen eine Aufgabe zu stellen und denjenigen zu wählen, der diese als erster erfüllen würde.
So sollte derjenige, der als erster eine zwei Mann hohe Mauer um die Hauptstadt ziehen konnte, nach ihm König sein.
Sofort eilten Aki und Gnupi zu ihren Gefolgsleuten, um sie zur Arbeit einzuteilen, nur Witte sagte: „Es ist Frühling und die Saat steht bevor. Meine Leute müssen säen und anbauen, sonst hungern sie im Winter. Da ist keine Zeit, eine Mauer zu errichten.“
Und so ließ Witte seine Gefolgsleute auf den Feldern und in den Wäldern ihre gewohnte Arbeit tun, während Akis und Gnupis Felder brach lagen, da ihre Mannen in den Steinbrüchen Steine schlugen und vom ersten Tag an mit der Arbeit an den Mauern beschäftigt waren.
Beide kamen anfangs gut voran, doch beäugten sie sich ständig misstrauisch und voller Neid, und immer wenn es so schien, dass einer einen Vorsprung herausarbeiten konnte, sorgte der andere dafür, dass durch Unfälle und Einstürze die Arbeit des Rivalen wieder ins Stocken geriet.
So lagen sie im Sommer weit hinter ihren Erwartungen zurück, als Harlof kam, um ihre Arbeit zu begutachten.
Als der König sah, dass Witte noch nicht mit dem Mauerbau begonnen hatte, fragte er ihn, wann er den ersten Stein legen wolle, doch dieser antwortete: „Es ist Sommer und meine Leute wollen auf Raubzug fahren wie in jedem Sommer zuvor. Da ist keine Zeit, eine Mauer zu bauen.“
Der König nickte verstehend, bedauerte aber Wittes Entscheidung, denn tief in seinem Herzen wünschte er, dass Witte den Wettstreit für sich entscheiden würde, um seine Nachfolge anzutreten.
So fuhr also Witte mit seinen Männern alsbald auf Raubzug, während Aki und Gnupi weiterhin an ihren Mauern bauten.
Aki trieb seine Arbeiter, in seinem unbändigen Wunsch König zu werden, so hart an, dass viele seiner Unfreien an der Mühsal zerbrachen und starben.
Hatte ihn sein unerbittliches Antreiben zuerst in Führung gebracht, warfen ihn nun diese Verluste wieder herb zurück, so dass Gnupi mit seiner Mauer gleichauf zog.
Um seine Möglichkeiten zu bewahren, lies Aki daraufhin einige von Gnupis Sklaven heimlich vergiften.
So lagen beide gleichauf und dennoch weit hinter ihren Erwartungen zurück als der Herbst die Blätter färbte und König Harlof ein zweites Mal ihr Vorankommen begutachtete.
Witte, der mit reicher Beute von seinem Raubzug zurückgekehrt war, hatte immer noch keinen Stein gelegt und der König fragte ihn, da er den Vorsprung der anderen für einholbar hielt, ob er nicht doch mit dem Mauerbau beginnen wolle. Doch wieder sprach Witte: „Es ist Herbst und meine Leute müssen ernten und Vorräte anlegen, sonst haben sie im Winter nichts zu essen. Da ist keine Zeit für einen Mauerbau.“
Der König verstand und fragte nicht weiter nach.
Und so brachten Wittes Gefolgsleute reiche Ernte ein, während Aki und Gnupi ihre Mannen weiterhin mit dem Mauerbau beschäftigten.
Die Tage wurden kürzer und die ersten Vorboten des Winters machten sich im Königreich bemerkbar, als Aki und Gnupi die Hauptstadt je zu einer Hälfte umzogen hatten und sich nun mit ihren Mauerenden an zwei Stellen gegenüberlagen. Hätte man die beiden Hälften mit ein paar Steinen verbunden, hätte Glänoy bereits jetzt eine starke und wehrhafte Mauer besessen. Doch die Aufgabe des Königs lautete, dass nur derjenige seine Nachfolge antritt, der zuerst mit seiner Mauer die Stadt umschließt, und so stritten nun Aki und Gnupi, wessen Mauer der des anderen weichen sollte. Natürlich wollte keiner der beiden nachgeben und so beschlossen sie, aneinander vorbeizubauen. Der Münzwurf sollte entscheiden, wer Innen und wer Außen weiterbauen musste.
Doch bevor dies geschehen konnte brach der Winter ins Land und es zeichnete sich ab, als solle er besonders hart und lang werden.
Da beschlossen Aki und Gnupi, den Bau den Winter über ruhen zu lassen, und erst im nächsten Frühling fortzusetzen.
Also kauften sie sich am Markt, was immer sie für den Winter brauchten und zogen sich in ihre Hallen zurück.
Ihre Gefolgsleute aber, die seit dem Frühling ununterbrochen an der Mauer gearbeitet hatten und weder Aussaat noch Ernte noch sonstige Vorkehrungen für den Winter getroffen hatten, froren und hungerten bitterlich.
Um Wärme und Essen bettelnd, klopften viele von ihnen an Wittes Tür, von dem sie wussten, dass er im Herbst reiche Ernte eingefahren hatte.
Witte hatte ein Einsehen und ließ sie ein.
Da es aber ungesetzlich war, den Unfreien eines anderen Herren Unterschlupf zu leisten, ging Witte am nächsten Tag zu Aki und Gnupi und bat sie darum, ihm ihre Leute rechtlich zu überlassen, da sie sonst den Winter nicht überleben würden.
Aki und Gnupi, denen solche Wohltätigkeit völlig fremd war, wähnten aber andere Beweggründe hinter Wittes tun, und so antworteten sie:
„Das könnte dir so passen, Schwager. Jetzt nimmst du uns die Arbeiter und im Frühjahr baust du mit ihrer Hilfe deine Mauer, während wir noch auf der Suche nach neuen Kräften sind. Niemals. Lieber lassen wir sie sterben!“
Da wurde Witte zornig und er sagte:
„Bei Odin, verbrecherisch und ehrlos ist euer Tun! Nie hegte ich den Wunsch, König zu werden, doch wäre es eine Schande für Harlofs Reich einen von Euch auf dem Hochstuhl sitzen zu sehen. Vielleicht sollte ich wirklich noch mit meiner Mauer beginnen.
Doch heute bin ich hier, um zu verhindern, dass euretwegen viele gute Menschen sterben. So mache ich euch folgendes Angebot: Ihr überlasst mir in diesem Winter jeden eurer Leute mit Leib und Werk, der in meiner Halle Zuflucht sucht, doch im Frühling sollen sie zu euch zurückkehren und erneut euer Eigen sein.“
Dem willigten die beiden nur allzu gerne ein, denn so mussten sie sich nach dem Winter keine neuen Sklaven suchen. Und sie lachten über ihren Schwager und sein mildes Herz.
Witte aber lies verkünden, dass er jedem, der zu ihm kommen wolle, in seiner Halle Kost und Lager gab. Beinahe alle von Akis und Gnupis Männern folgten diesem Angebot.
Dann sagte er zu ihnen: „Diesen Winter sollt ihr in meiner Halle ein warmes zuhause und ausreichend Nahrung finden, doch wenn der Schnee schmilzt, müsst ihr zurück zu euren Herren.“
Da ging ein großes Seufzen durch Wittes Halle.
„Sie werden uns wieder zum Mauerbau zwingen und wir können weder säen noch ernten“, rief einer.
„Warum wirst du nicht König, Witte Wittesson?“, rief ein anderer. „Denn du bist klüger und gerechter, als beide deine Schwäger zusammen!“
Dem stimmten alle anderen mit lautem Jubel zu.
Auch Wittes Frau, die neben ihm stand und ihm nun zuflüsterte: „Sieh nur diese Menge. Wenn nicht Winter wäre, könntest du mit ihnen im Handumdrehen eine eigene Mauer bauen und tatsächlich König werden. Doch leider kann man auf Schnee keine Steine setzten, denn auf Schnee hält nichts außer Schnee selbst.“
Da lachte Witte aus ganzem Herzen und umarmte und küsste seine verwunderte Frau. Dann wandte er sich wieder an die Menschen in seiner Halle und sprach: „Weise sind die Ratschläge der Frauen, auch wenn sie es selbst nicht ahnen. Mit Leib und Werk machten euch eure Herren mir für diesen Winter zu Eigen, und wenn ihr erlaubt, werde ich es nutzten, um König zu werden.“
Es gab niemanden, der es ihm verweigern wollte.
Dreißig Tage später rief Harlof seine drei Schwiegersöhne zu sich und verkündete öffentlich und voller Stolz, dass Witte Witteson sein Nachfolger sein würde.
„Verrat!“, schrien da Aki und Gnupi. „Du selbst sagtest, dass derjenige König werden soll, dem es zuerst gelingt, eine Mauer um Glänoy zu ziehen!“
Doch der König lächelte mild und nickte bestätigend: „Und genau das habe ich getan.“
„Das ist unmöglich!“, wandte Aki ein. „Niemand baut so schnell eine Mauer!“
„Schon gar nicht im Winter!“, fügte Gnupi hinzu.
„Wenn ihr selbst dem König nicht glaubt“, fiel Witte ihnen ins Wort, „so geht raus und schaut selbst!“
Sofort eilten die beiden hinaus vor die Stadt und erkannten mit ungläubigem Blick eine zwei Mann hohe, weiße, aus Schnee gebaute Mauer, die sich rings um die Stadt zog.
„Das ist keine Mauer!“, riefen sie erbost. „Das ist bloß Schnee. Im Frühling wird nichts mehr davon zu sehen sein!“
Wieder lächelte der alte König und sagte: „Ich gab weder vor, dass die Mauer aus Stein sein soll, noch das sie länger als auch nur einen Tag halten soll. Witte hat die Aufgabe meinen Ansprüchen genügend erfüllt. Ihm soll mein Reich nach meinem Tode gehören.“
Schon im nachfolgendem Frühling verstarb der König und Witte, den jetzt jedermann nur noch „Schnee-Witte“ nannte, trat sein Erbe an.
Aki und Gnupi verließen gedemütigt die Stadt und nur wenige aus ihrem Gefolge zogen mit ihnen.
Ihre beiden Mauerhälften aber lies Witte mit ein paar Steinen verbinden, und so hatte Glänoy auch in den warmen Jahreszeiten eine durchgängige Stadtmauer.