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Zensur

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Shakespeare und seine Zeitgenossen waren keinesfalls frei in dem, was sie schrieben und zur Aufführung brachten. Eine erste Selbst-Zensur der Truppen bestand bereits darin, den Adeligen, unter dessen Patronat diese standen, nicht in Misskredit zu bringen. Von außen veranlasst, wurden die Theater vom Magistrat der Stadt London immer wieder wegen der Pest geschlossen, die sich in großen Menschenansammlungen besonders schnell und leicht verbreitete. Ein weit wichtigerer Grund war aber die Furcht der Behörden vor Aufständen und Aufruhr („riot and disorder“). Des Weiteren wurden den Truppen Gesetze auferlegt. Als Königin Elizabeth I 1559 den Thron bestieg, verfügte sie, „that they permit none to be played wherein either matters of religion or of the governance of the estate of the common weal shall be handled or treated.“ (ES 4:263) Schauspieler, die dagegen verstießen, konnten festgenommen und inhaftiert werden. 1581 übertrug die Königin an Edmund Tilney, der seit 1579 das Amt des Master of the Revels innehatte (ihm folgte 1603 George Buc nach), die Aufgabe einer Zensurbehörde. Alle Manuskripte der Dramen mussten dem Revels Office – gegen Gebühr – zur Genehmigung vorgelegt werden. Dessen besonderes Augenmerk der Prüfung dürfte auf Szenen religiösen und politischen Gehalts gelegen haben. Hinsichtlich Letzteren durfte die Abdankungsszene aus Shakespeares Richard II während Elizabeths Regierungszeit weder auf die Bühne gebracht noch gedruckt werden. Elizabeth war kinderlos geblieben, die Thronfolge war daher unsicher, woraus wiederum einige Verschwörungen gegen sie resultierten. Erst nach der Thronbesteigung durch James I (1603) wurde die Abdankungsszene wieder in Texteditionen von Richard II aufgenommen. Auch wenn London voller Spione und Informanten für die Behörden war (der bekannteste war Richard Topcliffe), war es schwierig zu kontrollieren, was tatsächlich auf einer Bühne gesagt wurde.

Dramatiker

Wenn ein Zuschauer zu Beginn des 17. Jahrhunderts ins Theater ging, dann nicht, um ein Drama zu sehen und zu hören, welches von William Shakespeare stammte, sondern um The King’s Men mit ihren populärsten Schauspielern Richard Burbage (in der Tragödie) und Robert Armin (in der Komödie) zu sehen. Dass zahlreiche Dramen der Zeit anonym veröffentlicht wurden und eher den Namen der Schauspieltruppe als den des Autors verzeichnen, zeigt, dass Letzterer keine herausragende Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung eines Dramas spielte. Man geht heute davon aus, dass die Dramen der Zeit als kollektives Produkt der Truppe und deren Dramatiker zu verstehen sind, also immer wieder Abstimmungen vorgenommen wurden. Shakespeare dürfte im Durchschnitt zwei Dramen pro Jahr für seine Truppe geschrieben haben, gegen Ende seiner Karriere nur noch eines. Ein Dramatiker wie er wurde von seiner Truppe bezahlt, ein Stück zu schreiben, und sobald dieses vollendet war, ging es in deren Eigentum über.

copyright

Ein copyright für Autoren im heutigen Sinn gab es also nicht, sondern dies schützte den Drucker, und populäre Dramen wurden durchaus auch von anderen Schauspieltruppen plagiiert.

Ansehen der Gattung Drama

Drama (hier stets als Oberbegriff für ‚Komödie‘ und ‚Tragödie‘ verwendet) war generell keine sozial besonders hoch angesehene Form der Unterhaltung. Die ‚Bestseller‘ des 16./17. Jahrhunderts waren vielmehr religiöse Traktate, Predigten, Almanache, Handbücher für den Landbau, Balladen, Emblembücher, Ritterromanzen (wie Edmund Spenser’s The Fairie Queene), Reiseberichte, Gedichtsammlungen, jestbooks (Anekdotensammlungen über bekannte Persönlichkeiten wie etwa den Clown Tarlton), Prosaromanzen (wie etwa von Lyly, Lodge oder Greene), Erziehungsbücher (wie Elyot’s The Booke named the Governour), oder Hobys Übersetzung von Castigliones The Courtier. Titel wie diese fanden eine Leserschaft in der Aristokratie und im Bürgertum.

Zusammenarbeit von Dramatikern

Neben einer Einzel-Autorschaft war durchaus auch die Zusammenarbeit von zwei oder – seltener – mehreren Dramatikern üblich, wie etwa zwischen Shakespeare und Fletcher, der ihm als ständiger Autor der King’s Men nachfolgte, für Henry VIII und The Two Noble Kinsmen. Als Ben Jonson 1616 seine Dramen und Gedichte als Works im prestigeträchtigen Folio-Format (siehe auch Kap. III) veröffentlichte, war dies ein Vorstoß, das Ansehen von Dramen zu erhöhen.

Theaterbesuch

Für die meisten Zuschauer heute ist ein Theaterbesuch ein besonderes, zumindest kein alltägliches, Ereignis. Eintrittskarten sind üblicherweise teuer, und man zieht sich relativ gut an. Zuschauer sitzen still in einem abgedunkelten Raum neben anderen Menschen, die sie noch nie gesehen haben und höchst wahrscheinlich auch nie wieder sehen werden, und hören einen Text, der kulturelles Erbe geworden ist. Gesprochen wird dieser von Schauspielern, die selbst nationale Bedeutung erlangt haben mögen. In Shakespeares London wurde dagegen – in den öffentlichen Theatern wie dem Globe Theatre – bei Tageslicht gespielt, in privaten Theatern – wie dem Blackfriar’s Theatre – konnte der Zuschauerraum durch Kerzenlicht erhellt werden (soweit wir wissen, wurde auch dort tagsüber und nicht abends gespielt). Bei Licht können Zuschauer einander sehen, und viele kamen, um nicht nur selbst zu sehen, sondern auch, um gesehen zu werden. Zuschauer aßen und tranken durchaus auch während der Vorstellung, und manche kamen, um (vorübergehende) Bekanntschaften zu machen. Die gestaffelten Eintrittspreise waren so bemessen, dass auch Lehrlinge und andere sozial niedriger stehende Personen sich einen Theaterbesuch leisten konnten.

Publikum

In Shakespeares London gab es keine öffentlichen Subventionsgelder, die für das zeitgenössische deutsche (Regie)Theater so unabdingbar sind, sondern die Truppen mussten sich durch den Verkauf der Eintrittskarten finanzieren.

Konkurrenz

Sie mussten daher einem möglichst breiten sozialen Spektrum von Zuschauern von der Königin bis zum Handwerker etwas Attraktives bieten. Wie oben bereits erwähnt, gab es zu Shakespeares Zeit mehrere etablierte Schauspieltruppen in London, die in starker Konkurrenz zueinander standen. Im Sommer spielten die Truppen meist in der Provinz, weil in London die Theater wegen der Sommerhitze, in der sich die Pest besonders schnell ausbreiten konnte, öfters geschlossen waren.

Londoner Theaterjahr

Das Londoner Theaterjahr begann üblicherweise im August, und vom Spätsommer bis Weihnachten wurden die Bühnen sechs Tage pro Woche bespielt. In dieser Zeit galt es, die Aufmerksamkeit des Office of the Revels auf sich zu ziehen, welches die Stücke, die in der Weihnachtssaison, die am 6. Januar („Twelfth Night“) endete, am Hof gespielt werden würden, auswählte. In den 1580er Jahren gaben die Queen’s Men mehr Aufführungen am Hofe als jede andere Truppe. Zu ihnen gehörte der höchst populäre Clown Richard Tarlton, der 1588 verstarb.

Einzelne Truppen

Nach seinem Tod sank die Zahl der Hofaufführungen rapide, zum letzten Mal spielte die Truppe am Hof 1594. Die Truppe, die die Queen’s Men gewissermaßen ablöste, waren die Lord Admiral’s Men, und dies vor allem, weil Christopher Marlowe seine Dramen für diese und ihren bekanntesten Schauspieler, den Tragödiendarsteller Edward Alleyn, schrieb. Von 1594 an spielten sie im Rose Theatre, wo sie von Philip Henslowe gefördert wurden. Da er über deren finanzielle Aktivitäten Buch führte und uns diese Aufzeichnungen erhalten sind, wissen wir über die Lord Admiral’s Men mehr als über jede andere Schauspieltruppe der Zeit. Zur Konkurrenztruppe LordStrange’s Men gehörte ein anderer prominenter Komödiendarsteller der Zeit, Will Kempe. Er wechselte zusammen mit Thomas Pope, John Heminges, Augustine Philipps und George Bryan 1594 zu den Lord Chamberlain’s Men, denen auch Shakespeare angehörte. Mit der Thronbesteigung James’ I (1603) unterstellte dieser die Truppe Shakespeares seinem Patronat, weshalb sich diese seitdem King’s Men nennen durften.

Shakespeare als Schauspieler

Das erste Dokument der Lord Chamberlain’s Men stammt von einer Aufführung von Ben Jonsons Every Man in his Humour von 1598. Dieses verzeichnet zehn Namen von Schauspielern, inklusive den Shakespeares, wobei die Rollen nicht weiter spezifiziert werden. Generell dürfen wir wohl davon ausgehen, dass Shakespeare ein eher durchschnittlich begabter Schauspieler war. Es ist überliefert, dass er angeblich den Geist des alten Hamlet und den Adam in As You Like It spielte. Über seine eigenen Dramen hinaus wird er – ohne spezifische Rolle – als einer der „principal comedians“ in Jonson’s Everyman in his Humour (1601) (siehe oben) und dessen Sejanus (1603) aufgelistet.

Schauspielstil

Aufgrund des geringen räumlichen Abstands zwischen Schauspielern und Publikum vor allem in den öffentlichen Theatern mit ihrer ins Publikum vorspringenden Bühne (siehe unten) und wegen des Spiels bei Tageslicht war eine Aufführung verhältnismäßig ‚nah‘. Der enge Kontakt zwischen Bühne und Publikum begünstigte soliloquies (eine Figur befindet sich gänzlich allein auf der Bühne) und asides (eine Figur spricht ‚beiseite‘, während andere Figuren auf der Bühne sind, die vorgeben, diese Replik nicht zu hören). So beginnt etwa Shakespeares Richard III mit dem großen soliloquy Richards, in dem er dem Publikum seine Pläne enthüllt und damit – Sympathie auf sich lenkend – zu seinem Komplizen macht:

Beispiel: Richard III

Enter Richard Duke of Gloucester, alone

Now is the winter of our discontent

Made glorious summer by this son of York,

And all the clouds that lour’d upon our house,

In the deep bosom of the ocean buried. (1–4) […]

Why, I, in this weak-piping time of peace

Have no delight to pass away the time,

Unless to see my shadow in the sun

And descant on mine own deformity.

And therefore, since I cannot prove a lover

To entertain these fair well-spoken days,

I am determined to prove a villain,

And hate the idle pleasures of these days.

Plots have I laid inductions, dangerous,

By drunken prophecies, labels, and dreams

To set my brother Clarence and the King

In deadly hate the one against the other;

And if King Edward be as true and just

As I am subtle, false, and treacherous,

This day should Clarence closely be mew’d up

About a prophesy which says that G

Of Edward’s heirs the murderer shall be. (24–40)

Repertoire

In welcher Weise (deklamierend, charakterisierend) einzelne Schauspieler agierten, ist uns nicht bekannt. Bekannt ist, dass sich in Shakespeares Zeit die acting styles änderten. Der rhetorische Bombast eines Marlowe oder Kyd wurde zehn Jahre später verlacht, und Hamlet weist die Schauspieler an, „do not saw the air too much with your hand“ (3.2.4). Aufführungen im New Globe Theatre heute (siehe unten) bestätigen, dass auch kleine Gesten gut gesehen werden können. Die Schauspieltruppen arbeiteten mit einem Repertoire-System, und ein Schauspieler musste möglicherweise alle zwei Wochen eine neue Partie lernen und 30 oder 40 Rollen im Gedächtnis haben. Schauspieltruppen bestanden aus bis zu 15 Mitgliedern, so dass in Dramen mit mehr als 15 Rollen das so genannte doubling eingesetzt wurde, in dem weniger prominente Akteure von zwei bis zu sieben oder acht Rollen übernehmen mussten. Zwei Wochen Probezeit mussten in der Regel reichen; einen Regisseur, der vor allem für das deutsche Theater so prägend ist, gab es nicht. Wie Hamlets „let those that play your clowns/speak no more than is set down for them“ (3.2.38–39) nahelegt, war Improvisation bei einzelnen Charakteren üblich (und geriet manchmal möglicherweise wohl auch etwas außer Kontrolle). Frauenrollen wurden – eine ungewöhnliche Vorstellung für uns heute – von jungen Männern vor dem Stimmbruch gespielt. Erst nach der Restauration 1660 gab es auch Schauspielerinnen auf den Bühnen.

Schauspieler

Die berühmtesten Schauspieler von Shakespeares Truppe waren Richard Burbage (der Tragödiendarsteller der Zeit), Will Kempe und Robert Arnim. Arnim löste Kempe nach dessen Weggang ab, und in Shakespeares Dramen lässt sich beobachten, dass dieser Wechsel sich offenbar auch auf das Konzept seiner Narrenfiguren ausgewirkt hat. Armin verkörperte weit mehr als Kempe den Typus des tragi-komischen Clowns, was sich in Charakteren wie Feste (Twelfth Night), Touchstone (As You Like It), Thersites (Troilus and Cressida), Lavatch (All’s Well that Ends Well), Autolycus (The Winter’s Tale) und vor allem im Fool des King Lear niederschlägt.

Literarische Tradition

Das Theaterleben in Shakespeares London war aus einer Mischung verschiedener Traditionen und Gegebenheiten erwachsen. Zum einen waren Schauspieler keine angesehene Berufsgruppe und wurden in der frühen Zeit – auch in der Rechtsprechung – den Vagabunden zugerechnet. Menschenversammlungen anlässlich der Aufführung von Theaterstücken galten den (puritanischen) Stadtbehörden als gefährlicher Herd von Unruhen und Aufständen, sowie ein Ort nicht-moralischen Verhaltens. Daher wurde ihnen verboten, Theaterbauten innerhalb der Stadtmauer der City of London zu errichten, weshalb sie sich in den Vororten der Stadt, den so genannten liberties, und damit in der Nachbarschaft von Bordellen und Tierhatz-Arenen, ansiedelten. „The City“ befand sich innerhalb der city walls, die noch auf die Römer zurückgingen. Diese unterstand natürlich generell der Krone, wurde – und wird bis heute – aber von einem Lord Mayor in der Guildhall selbständig regiert. Wie oben bereits angedeutet, unterstanden Schauspieltruppen dem Protektorat eines mächtigen Adeligen, der diesen seinen Titel lieh (The Lord Strange’s Men; The Earl of Derby’s Men, The Earl of Pembroke’s Men) und ihnen als Bediensteten seines household eine Rechtsstellung gab. Er selbst nutzte die Truppen, um seine Interessen zu verfolgen und etwa bedeutende Gäste zu unterhalten, und/oder in der Hoffnung, über seine Schauspieltruppe einmal an den Hof eingeladen zu werden. Die höchste Auszeichnung für Schauspieler war eine Aufführung vor der Königin oder dem König. Seit Henry VIII oblag es dem Office of the Revels, Unterhaltung für den Monarchen zu organisieren, und Elizabeth I schuf 1581 das Amt des Master of the Revels, um sich zum einen eine gewisse Qualität des Unterhaltungsangebots zu sichern, zum anderen aber auch, um Kontrolle auszuüben.

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