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Kapitel 2
DAS WÜNSCHELHOLZ

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Eines Tages ging ich durch den Wald spazieren, als neben dem Weg plötzlich lauter Baumstämme lagen und überall Rindenstücke und Fetzen von gewaltsam entfernten Wurzeln und Ästen verstreut lagen. Als ich mich umblickte sah ich, dass im Wald jeder zweite Baum umgeschnitten worden war. Nur noch nackte Stümpfe ragten aus dem Waldboden und auf jedem dieser Stümpfe saß ein trauriger Baumgeist, der nicht mehr so recht wusste, was er mit seinem Baumgeistleben anfangen sollte. Bestürzt ging ich weiter, und je weiter ich in das Tal ging, desto mehr traurige Baumgeister saßen neben dem Weg. Ich hörte in der Ferne das Kreischen von Kettensägen und das Scheppern, Brummen und Krachen von Baggerschaufeln, Traktormotoren und Lastwagen. Ich blieb stehen und rief alle Baumgeister zu mir. Sie kletterten von ihren Stümpfen und umringten mich, neugierig, was ich wohl zu sagen hätte. Als ich mich ihnen vorstellen wollte, sagten einige der älteren Baumgeister: »Dich kennen wir doch, du bist die Enkelin des alten Holzknechtes, der auch immer hierhergekommen ist. Du warst als Kind schon da und hast unter unserem Schatten gespielt, bist hier Rad gefahren und hast Staudämme im Bachbett gebaut!« Ich wunderte mich darüber, wie lange sich Bäume so eine Kleinigkeit merken konnten und es berührte mich, denn sie empfingen mich wie eine Verwandte. Lachend nickte ich und sagte: »Ja, ich bin die Enkelin des alten Holzknechtes. Er ist gegangen und ich bin gekommen, um in seinen Fußstapfen zu gehen«. Da freuten sich die Baumgeister, denn sie wussten, ich würde ihnen helfen. Ich entschuldigte mich bei ihnen. Ich sagte ihnen, dass es mir Leid tut, was ihnen angetan wurde. Und ich erzählte ihnen, dass auch ich mit Holz heizen muss, um im Winter nicht zu frieren. Jedes Jahr brauche ich 18 Festmeter Holz von ihnen, damit ich meine Öfen im Haus heizen kann. Ich bat sie um Verzeihung. Ich bot ihnen an, sie könnten alle mit mir kommen und ich würde sie mitnehmen, eine ganze Wanderung lang, und jedes Mal wenn einer der Baumgeister einen Baum sah der Hilfe gebrauchen konnte, dann solle er zu dem Baum gehen und dem Baumgeist helfen, diesen Baum gesund und stark und groß wachsen zu lassen. So trug ich an diesem Tag hunderte Baumgeister mit mir den Berg hinauf und jeder Baumgeist suchte sich einen neuen Baum und ich wurde mit jedem Schritt leichter. Als ich am Berg ganz oben angekommen war, fühlte ich mich leicht und beschwingt und ich ging lächelnd und mit einem freien Herzen weiter, als vor mir ein kleines, seltsam geformtes Hölzchen auf dem Weg lag. Ich hob es auf und fragte in Gedanken, was es mit diesem Hölzchen auf sich habe? Da schallte es aus den Wäldern: »Nimm es mit! Es ist ein Wünschelholz! Weil du uns geholfen hast, wollen wir dir helfen, deine Wünsche zu erfüllen!«

Von diesem Tag an fand ich immer wieder Wünschelhölzer im Wald und auf den Wegen, die ich ging. Und jedes Mal wenn ich einen traurigen Baumgeist sah, nahm ich ihn mit und half ihm, einen neuen Baum zu finden.

Die Wenderin

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