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Seelenstrip

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„Hallo, Ruth. Sie sehen gut aus. Ausgeruht. Lässt man Sie in der Redaktion mit dem anderen, unwichtigen Zeug in Ruhe?“

Darlan kommt durch die Tür und setzt sich auf ihren Platz. Trotzdem der Wächter bewaffnet ist und den Elektroschocker bereithält, sieht es so aus, als ob sie ihn führt, statt umgekehrt. Sie setzt sich hin und entlässt ihn mit einem königlichen Nicken.

„Danke. Ja, man hat mich komplett freigestellt, damit ich Zeit genug für Sie habe. Wollen wir weitermachen?“

Ich erinnere mich, dass sie an einer verdammt spannenden Stelle aufgehört und vorgegeben hat, sie sei müde. Müde, von wegen. Sie wollte mich bei der Stange halten – und mir wieder einmal klarmachen, wer am längeren Hebel sitzt.

Neugierig sieht sie mir dabei zu, wie ich eine neue Kassette einlege und die alte mit einem weißen Klebestreifen versehe.

„An Ihrer Stelle würde ich dich nicht mit ‚Darlan’ beschriften.“

„Warum nicht?“, frage ich irritiert. Womit soll ich sie denn sonst beschriften? ‚Ein Tag im Märchenland’ vielleicht?

„Nur ein Tipp, Ruth, aber ein Guter. Sie dürfen nicht vergessen, wie begehrt Ihr Material ist. Und Sie werden Neider haben bei Ihrer Zeitung. Wie heißt die noch mal, ‚Bielefelder Kurier’ oder so ähnlich?“

Ich wundere mich wieder einmal. Sie fordert explizit mich an, weiß aber nicht einmal genau den Namen der Zeitung, für die ich arbeite?

„Ich verwahre die Kassetten bei mir zu Hause“, erwidere ich begütigend, „nicht in der Redaktion.“

„Eben“, knurrt sie und reibt sich die Unterarme. Ihr ist wohl kalt.

Vielleicht hat sie ja recht. Um sie nicht noch mehr auf die Palme zu bringen, beschrifte ich den kleinen Streifen mit ‚Père Roger, Interview v. 23.05.07/Bretagne’ und reiche ihr die Kassette über den Tisch. Ein Räuspern ist hinter der Tür in meinem Rücken zu hören. Scheinbar passt es Mahling nicht, dass ich Darlan etwas gebe.

„Das gefällt mir“, nickt sie, „wer ist denn dieser ‚Père Roger’?“

„Ein französischer Küchenchef, den ich letztes Jahr interviewt habe. Er kennt eine Menge Geheimnisse. Seine Rezepte sind einfach … wunderbar. Die Kassetten habe ich noch nicht beschriftet. Sie sind nur nummeriert. Soll ich die dann mit ‚Darlan’ beschriften? Was meinen Sie?“

Sie lächelt nur.

Bevor sie loslegt, möchte ich die Frage loswerden, die mich so brennend interessiert.

„Wo wir schon dabei sind, könnten Sie mir dann bitte verraten, weshalb Sie darauf bestanden haben, eine Reporterin unseres Blattes aus dem Ressort ‚Kochen rund um die Welt’ für Ihre Geschichte zu bekommen?“

Sie kichert kurz. „Das lässt sich leicht erklären, Ruth. Als Sie beim ‚Kurier’ waren, haben Sie einen kleinen Artikel zum Thema ‚Bücher aus Bielefeld’ geschrieben und diese Reineke interviewt. Das war ein verdammt guter Artikel, wirklich. Der Nächste war schon etwas größer. Ihren Schreibstil fand ich gut und vor allem objektiv. Nicht zu kritisch. Nicht zu reißerisch. Genau richtig. Felix und ich abonnieren mehrere Zeitungen, aber nach dem Kurier grapschte ich immer zuerst. Weil ich dachte, diese Ruth Welter hat vielleicht wieder etwas geschrieben, vielleicht auch schon einen Leitartikel. Dann auf einmal kam gar nichts mehr. Und dann habe ich Ihren Namen nur noch im Teil mit den Rezepten aus aller Welt gesehen. Hat mich sehr gewundert. War es ein Mann, Ruth?“

Ich schweige. Es geht sie nichts an. Das hier ist ihr Seelenstrip, nicht meiner.

„Sie müssen nichts sagen, Ruth. Es ist ziemlich offensichtlich. Derlei kann einem nur ein Mann antun. Ich wollte nur Sie für dieses … Projekt haben. Sie schreiben gut und ich traue Ihnen zu, mich als Mensch zu sehen. Können wir jetzt weitermachen?“

Ich nicke nur und starre auf meinen Notizblock. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, immer einen mitzubringen. Dann kann ich wenigstens ab und zu ihrem bohrenden Blick ausweichen.

Die Vigilantin

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