Читать книгу Rache ohne Gnade - Sophie Mielke - Страница 3
Prolog
Оглавление12. Oktober 2010, Kerman, Iran
Die Sonne ging gerade erst am Horizont unter, doch der Himmel war bereits tiefschwarz und von Wolken überzogen. In der Ferne hallte ein Gewitter und das Donnern erschütterte die Oberfläche. Der trockene Boden war spröde und so hart wie Beton. Es war nicht mehr wirklich Sand, auch wenn man es Wüste nannte. In der Ferne kamen vier Jeeps angefahren und wirbelten das bisschen Sand auf, das da war. Sie blieben vor einer Art Zelt stehen, das in Tarnfarben geschmückt war, auch wenn es auf der flachen Ebene nichts brachte. Aus den ersten zwei Jeeps stiegen jeweils drei Männer in Uniform aus und stellten sich in Reih und Glied auf. Sie hoben ihre Hand an die Stirn und salutierten als ein Mann aus dem dritten Jeep stieg. Dieser Jeep war kugelsicher und dreifach gepanzert. Keine Bombe kam dadurch und auch keine andere Waffe der Welt. Das dicke Titan, aus dem die Türen bestanden, war mit dem Staatszeichen der USA bedruckt und glänzte schwarz. Der Mann, der aus dem Auto stieg, trug ebenfalls eine Uniform, die mit Orden und Flaggen bestickt war. Auf dem Kopf trug er eine Offiziers Mütze, obwohl er das gar nicht war. Er war ungefähr Mitte Fünfzig, hatte fast weiße Haare und war mindestens 1,90 Meter groß. Mit eleganten, langsamen Schritten ging er an seinen Männern vorbei und auf das Zelt zu.
Ein Mann, der etwa zwei Köpfe kleiner war als er, öffnete das Netz, das den Eingang versperrte und der Mann ging hindurch. Er durchquerte das Zelt und blieb vor einem weiteren Mann stehen. Das gesamte Zelt hatte einen Durchmesser von ca. 15 Metern und war gefüllt von heruntergekommenen Soldaten, die irgendwelche Waffen schrubbten oder alte Kartenspiele spielten. Der Mann in Offizierskleidung sagte zu dem Mann vor sich mit tiefer, kalter Stimme: „Ich muss zu Isaar Ab Dukal. Wo ist er?“ Isaar Ab Dukal war einer der gefürchtetsten Männer im Iran und hatte mehr als 2000 Anhänger, die auf der ganzen Welt Waffen verkauften. „Ich bringe sie zu ihm, Sir“, antwortete der Mann und führte den Mann in Uniform hinter eine Plane. Dort saß ein Mann mit langen, grauen, verfilzten Haaren und heruntergekommener Kleidung auf einem Stuhl und spielte mit einem seiner Verbündeten Karten. Er hatte nur noch wenige Zähne, die alle vergoldet waren und die er anscheinend gerne zeigte, denn er grinste die ganze Zeit über heimtückisch. „Großer Ab Dukal, hier ist Besuch für sie“, sagte der Begleiter und Ab Dukal blickte auf. „Ach! Eugene! Da bist du ja endlich. Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen!“, rief Isaar und umarmte den uniformierten Mann, dessen ganzer Name Eugene Franklin war. Eugene lächelte gezwungen und meinte: „Ja, Isaar. Ich freue mich auch dich zu sehen, aber du weißt hoffentlich noch, wieso ich hier bin?“ „Natürlich, natürlich“, winkte Isaar ab und führte Eugene durch einen Hintereingang aus dem Zelt hinaus.
Dort standen noch mehr heruntergekommene Männer, die an Waffen arbeiteten oder sie putzten. Eugene widerte der Anblick dieser Männer an, doch er ließ es sich nicht anmerken. Isaar ging durch die Reihen der Männer hindurch und rief, als er das Ende erreicht hatte: „Macht den 197-38 XY 3000 bereit! It’s Showtime!“ Sofort sprangen die Männer auf und rannten kreuz und quer, während Isaar ihnen weitere Befehle zurief. Nach einer Weile drehte er sich zu Eugene um und fragte: „Wo sollen wir denn dieses Mal hin schießen?“ „Da gibt es ein paar Leute, die sich in letzter Zeit meinen Befehlen widersetzt haben. Gleich da hinter dem Berg ist ein Militärstandort der US-Armee“, erklärte Eugene und zeigte auf einen kleinen Berg, etwa einen Kilometer nach Norden. Isaar gab das an seine Männer weiter und sie schoben etwas, das aussah wie ein Nachbau einer Rakete in Position, nur wenige Meter von Eugene und Isaar entfernt. „Okay, der Countdown ist gestartet!“, rief einer der Männer und sie zählten gemeinsam, laut von zehn herunter. „…neun…acht…sieben…sechs“ Die Antriebsdüsen der Rakete wurden gezündet. „…drei… zwei…eins…“ Die Antriebsdüsen leuchteten auf und die Rakete setzte sich in Bewegung. Erst langsam und dann immer schneller hob sie ab in Richtung Himmel. Sand wurde aufgewirbelt und Eugene musste sich die Augen zuhalten, um keinen Sand abzubekommen. Erst, als die Rakete eine Höhe von mehreren Kilometern erreicht hatte änderte sie ihre Richtung und bewegte sich nun in Richtung Boden. Gespannt sah Eugene zu, wie die Rakete hinter dem Berg verschwand. Einige Sekunden herrschte komplette Stille…dann explodierte die Rakete.
Die Explosion war so stark, dass sogar aus drei
Kilometern Entfernung immer noch die Druckwelle
Eugene bis ins Mark erschütterte. Man konnte die Rauchwolken noch hunderte von Kilometern sehen und spüren, wie alles im Umkreis von 800 Metern dem Erdboden gleichgemacht wurde. Eugene grinste und begann zu lachen. „Wow, Isaar, ich hatte ja meine Zweifel, aber das! Du hast dich mal wieder selbst übertroffen! Ich nehme alles was ihr davon habt!“, rief Eugene und dieses Mal umarmte er Isaar überschwänglich. „Ist gut, wir haben fünf. Ist wie immer von Light Industries. Legal natürlich!“, schärfte Isaar Eugene ein und nickte zufrieden. Es war perfekt! Eugene drehte sich um und stieg mit seinen Leuten wieder in die Jeeps. Nach drei Stunden erreichten sie den Flughafen von Kerman, stiegen in Eugenes Privatjet und flogen auf direktem Weg nach Washington.
*
Zehn Minuten bevor die Rakete von Eugene Franklin explodierte, rannten zehn Männer der US-Armee über den kalten Boden und betraten das Lager. Einer von ihnen war erst seit einer Woche da und hatte erst vor drei Wochen seine Ausbildung beendet. Sein Name war Brian und er war gerade 19 Jahre alt geworden. Er hatte kurz geschorene Haare und ganztägig gute Laune. Seine Kameraden nannten ihn schon nach einer Woche nur noch Smiley und selbst der Offizier nannte ihn so. Jetzt gerade trug er die übliche Militärkleidung und legte sich auf seine Pritsche, neben seinem Kameraden. „Gute Nacht, Mann“, meinte dieser und Brian lächelte. Brian wollte schlafen, aber ein Gedanke hielt ihn wach. Er hatte sein ganzes Leben lang davon geträumt mal ein Arzt zu werden. Einer, der allen half und sich um jeden kümmerte. Nun lag Brian da und war Mitglied der Armee, nur um sich sein Studium finanzieren zu können. Er wusste, dass seine Eltern und auch vor allem sein Bruder alles tun würden, um Brian dieses Studium zu ermöglichen, doch er wollte es einmal im Leben selbst in die Hand nehmen. Trotz all den Gedanken brauchte es nur wenige Minuten bis er eingeschlafen war, denn heute war ein anstrengender Tag gewesen und er war erschöpft. Brian war gerade eingeschlafen, als ihn ein Schrei weckte. Er schreckte hoch und sah sich um. Auch die anderen saßen kerzengerade auf ihren Betten. „Eine Rakete!“, schrie jemand außerhalb des Gebäudes, doch bevor Brian auch nur denken konnte, explodierte alles. All seine Träume und Hoffnungen, Wünsche und Ängste waren ihm auf einmal einfach so genommen worden. Ohne jegliche Vorwarnung wurden sein Leben und das seiner Kameraden und Freunde beendet. Ohne Grund und ohne Chance auch nur wegzulaufen.
In den Nachrichten wurde am nächsten Morgen gesendet, dass die Rakete von dem Islamischen Staat abgefeuert wurde und dass die USA einen Vergeltungsschlag plane. Keiner erwähnte, dass der Mann, der die Rakete abgefeuert hatte, Eugene Franklin hieß oder dass einer der größten Waffenhändler, Isaar Ad Dukal, diese Rakete gebaut hatte. Als Brians Eltern es erfuhren war er bereits seit 23 Stunden tot. Seine Mutter brach noch an der Türschwelle zusammen, bevor die Polizisten ihren Satz überhaupt beendet hatten. Sein
Vater schaffte es noch auf die Couch. Er ertrank den
Schmerz in Wodka und ließ seine Frau allein. Sie nahm sich nur wenige Wochen darauf das Leben, doch es interessierte keinen. Es war nun mal ein Kriegsunglück. So etwas passierte nun mal und Brian hatte selbst entschieden zur US-Armee zu gehen. Nur sein Bruder versuchte weiter zu machen… Ohne Brian, ohne Mutter und auch ohne seinen Vater. Alleingelassen von allen, seinen Freunden und dem amerikanischen Staat… Er versuchte weiter zu leben, ohne einen einzigen Grund. Sein bester Freund versuchte ihm zu helfen, doch was
sollte er tun? Es gab nichts, was das Unglück beseitigen konnte…