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3. Kapitel Der Yoga der Werke Werke und Opfer

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3.1

Arjuna sprach:

Wenn du die Intelligenz für höher achtest als das Wirken, O Janardana, warum beauftragst du mich dann, O Keshava, mit einem schrecklichen Werk?

Der Yoga des intelligenten Willens und sein höchstes Ziel im Brahman-Zustand, das Thema, das den Ausgang des zweiten Kapitels beherrscht, enthält den Kern eines Großteils der Lehre der Gita –, ihre Lehre vom begierdelosen Wirken, von der Gelassenheit, von der Ablehnung einer nur äußeren Entsagung, von inniger Hingabe an das Göttliche. Bis jetzt ist all das aber nur angedeutet und dunkel. Am meisten wurde bisher hervorgehoben: das Zurückziehen des Willens vom gewöhnlichen Beweggrund menschlicher Betätigung, vom Begehren, von der üblichen Leidenschaftlichkeit des Menschen, in Denken und Wollen den Sinnen nachzujagen, mit ihren Gemütserregungen und der Unwissenheit, von ihrer üblichen Verfassung in verwirrten, weitverzweigten Ideen und Wünschen bis hin zu der begehrensfreien ruhigen Geeintheit und leidenschaftslosen heiteren Ruhe des Brahman-Zustands. So viel hat Arjuna verstanden. Mit alledem ist er wohl vertraut. Das ist die Substanz der geläufigen Lehren, die den Menschen auf den Pfad des Wissens und des Verzichts auf Leben und Wirken als auf seinen Weg zur Vollkommenheit hinweisen. Dass sich die Intelligenz von den Sinnen, dem Begehren und dem menschlichen Wirken zurückzieht und sich dem Höchsten, dem Einen, dem nicht-handelnden Purusha, dem Unbeweglichen, von allen Merkmalen freien Brahman zuwendet, ist gewiss der ewige Kern des Wissens. Hier gibt es keinen Raum für Wirken, da die Werke der Unwissenheit angehören. Wirken ist das genaue Gegenteil von Wissen. Sein Kern ist Begehren; seine Frucht ist Gebundenheit. Das ist die orthodoxe philosophische Lehre. Krishna scheint sie voll anzuerkennen, wenn er sagt, Wirken sei von weit geringerem Wert als der Yoga der Intelligenz. Und doch wird auf die Werke als auf einen Teil des Yoga gedrängt. So scheint in dieser Lehre ein radikaler innerer Widerspruch zu bestehen. Doch nicht ganz so: Denn eine gewisse Art von Wirken mag zweifellos noch eine Zeitlang fortdauern, das Minimum, das am wenigsten schädlich ist. Hier aber handelt es sich um ein Werk, das in völligem Widerspruch steht zu Erkenntnis, Gelassenheit und bewegungslosem Frieden der im Selbst seligen Seele –, ein Werk, schrecklich, ja ungeheuerlich, ein blutiger Kampf, eine grausame Schlacht, ein gigantisches Massaker. Gerade das wird verlangt. Das sucht diese Lehre vom inneren Frieden, von begehrensfreiem Gleichmut und vom Zustand in Brahman zu rechtfertigen! Hierin liegt doch ein unversöhnbarer Widerspruch. Arjuna beschwert sich, ihm sei eine widersprüchliche und verwirrende Lehre gegeben und nicht der klare, abgesicherte, eindeutige Weg gezeigt worden, auf dem die menschliche Intelligenz ohne Umweg direkt zum höchsten Gut gelangen kann. In ihrer Antwort auf diesen Einwand beginnt die Gita sofort, ihre positive und zwingende Lehre von den Werken noch klarer zu entwickeln. (105-06)

3.2

Du verwirrst mir offenkundig meine Intelligenz mit einer zweideutigen Rede. Nenne mir nun eindeutig das Eine, durch das ich meiner Seele Heil erlangen kann.

3.3

Der Erhabene sprach: Auf zweifachem Weg erstrebt in dieser Welt die Seele die Verwirklichung des Selbstes (wodurch sie in den Zustand Brahmans eingeht), wie Ich dir schon früher gesagt habe, O Sündenloser: Auf dem Weg der Sankhyas durch den Yoga des Wissens und auf dem Weg der Yogins durch den Yoga der Werke.

Es ist das Ziel der ersten sechs Kapitel der Gita, in dem weiten Rahmen vedantischer Wahrheit die beiden Methoden in einer Synthese zu vereinen, die man gewöhnlich als verschieden, ja als gegensätzlich beurteilt: die der Sankhyas und die der Yogins. (81)

Welches auch immer die genauen Unterschiede ihrer metaphysischen Gedanken sein mögen, der praktische Unterschied zwischen dem Sankhya und dem Yoga, wie er durch die Gita entwickelt wird, ist derselbe wie der jetzt zwischen dem vedantischen Yoga des Wissens und dem Yoga der Werke bestehende, und die praktischen Ergebnisse des Unterschieds sind auch dieselben. Das Sankhya ging, gleich dem vedantischen Yoga des Wissens, von Buddhi, der unterscheidenden Intelligenz, aus. Durch reflektives Denken, vicāra, gelangte es zur rechten Unterscheidung, viveka, der wahren Natur der Seele und wie ihr durch Bindung und Identifikation die Werke der Prakriti auferlegt werden. Genauso kommt die vedantische Methode durch dieselben Mittel zur richtigen Unterscheidung der wahren Natur des Selbstes und wie ihm die kosmischen Erscheinungen durch die mentale Illusion auferlegt werden, die zur egoistischen Identifizierung und zur Bindung führt. In der vedantischen Methode hört Maya für die Seele dadurch auf, dass diese in ihren wahren, ewigen Zustand als das eine Selbst, Brahman, zurückkehrt, so dass die kosmische Aktion verschwindet. In der Sankhya-Methode fällt das Wirken der guṇas durch die Rückkehr der Seele in ihren wahren ewigen Status als der inaktive Purusha in Ruhe, und die kosmische Handlung hört auf. Das Brahman der Mayavadins ist schweigsam, unwandelbar und untätig. So ist auch der Purusha des Sankhya. Darum ist für beide die asketische Absage an Leben und Wirken ein notwendiges Mittel zur Befreiung. Aber für den Yoga der Gita wie für den vedantischen Yoga des Wirkens ist das Handeln nicht nur eine Vorbereitung, sondern selbst Mittel zur Befreiung. Die Berechtigung gerade dieser Anschauung sucht die Gita mit unerschöpflicher Kraft und Nachdrücklichkeit deutlich zu machen. Leider konnte sie sich in Indien nicht gegen die ungeheure Woge des Buddhismus1 behaupten. Sie ging nachher in der Intensität des asketischen Illusionismus und der Glut weltverachtender Heiliger und Gottergebener verloren. Erst jetzt übt sie allmählich wieder ihren wirklichen, heilsamen Einfluss auf das indische Bewusstsein aus. Entsagung ist unentbehrlich. Aber die wahre Entsagung ist die innere Zurückweisung von Begehren und Egoismus. Ohne sie ist das äußere physische Aufgeben des Handelns etwas Unwirkliches und Wirkungsloses. Mit dieser inneren Entsagung hört es sogar auf, notwendig zu sein, wenn es auch nicht verboten ist. Wissen ist etwas Wesentliches. Es gibt keine größere Kraft für die Befreiung. Aber Handlungen mit Wissen sind ebenfalls notwendig. Denn durch die Vereinigung von Wissen und Wirken wohnt die Seele völlig im Zustand Brahmans, nicht nur in Ruhe und untätiger Stille, sondern gerade inmitten von Spannung und Gewaltsamkeit der Aktion. Die innige Hingabe ist über alles wichtig. Aber das Wirken aus inniger Hingabe ist auch wichtig. Durch die Einung von Wissen, inniger Hingabe und Wirken wird die Seele in den höchsten Zustand des Ishwara emporgehoben, um dort im Purushottama daheim zu sein, der zugleich Herr der ewigen spirituellen Stille und der ewigen kosmischen Aktivität ist. Das ist die Synthese der Gita. (85-86)

3.4

Nicht durch die Unterlassung der Werke erfreut sich der Mensch des Freiseins vom Wirken; und durch den reinen Verzicht (auf das Wirken) gelangt er nicht zu seiner Vollkommenheit (siddhi, das höchste Ziel seiner Selbstdisziplin durch Yoga).

Naiṣkarmya, ein ruhiges Entleertsein vom Wirken, ist zweifellos das, was die Seele, Purusha, erlangen muss. Denn es ist Prakriti, die das Wirken vollzieht. Die Seele muss sich darüber erheben, dass sie in die Aktivitäten des Seienden verwickelt ist. Sie muss in freier ruhig-heiterer Ausgeglichenheit über den Maßnahmen der Prakriti wachen, jedoch von ihnen nicht beeinträchtigt werden. Das, und nicht das Aufhören des Wirkens von Prakriti, ist in Wahrheit mit dem naiṣkarmya der Seele gemeint...

Wenn das Wirken von Prakriti fortdauert, wie kann dann die Seele sich dagegen schützen, in es verwickelt zu werden? Wie kann ich kämpfen, ohne dass ich in meiner Seele denke oder fühle, dass ich, das Individuum, jetzt kämpfe? Wie kann ich dabei nicht den Sieg begehren, nicht in meinem Inneren von der Niederlage berührt werden? Dies ist die Lehre der Sankhyas, dass die Intelligenz des Menschen, der sich ganz den Aktivitäten der Natur hingibt, verstrickt wird in Egoismus, Unwissenheit und Begehren. So wird er zum Handeln hingerissen. Wenn sich, im Gegensatz dazu, die Intelligenz zurückzieht, muss das Handeln aufhören zugleich mit dem Aufhören des Begehrens und der Unwissenheit. Darum ist es notwendiger Teil, unvermeidlicher Umstand und unentbehrliches letztes Mittel, wenn wir uns zur Befreiung hinbewegen, dass wir Leben und Wirken ganz aufgeben. Diesen Einwand der geläufigen Logik – Arjuna spricht ihn nicht aus, aber er hat ihn im Sinn, wie der Gang seiner folgenden Äußerungen zeigt –, hat der Lehrer sofort vorausgesetzt. Nein, sagt er, eine solche Entsagung, weit davon entfernt, unentbehrlich zu sein, ist nicht einmal möglich. (106-07)

3.5

Denn niemand ist auch nur für einen Augenblick in Untätigkeit. Jeder wird unwiderstehlich durch die aus Prakriti herrührenden Qualitäten zum Handeln gezwungen.

Eine bemerkenswerte Besonderheit der Gita ist die eindrucksvolle Schau des gewaltigen kosmischen Wirkens und der ewigen Aktivität und Macht der kosmischen Energie. Diese wurde später stark betont durch die Lehre der tantrischen Shaktas, die sogar Prakriti oder Shakti höher stellten als den Purusha. Obwohl hier nur ein Unterton, ist er doch, verbunden mit dem, was wir die theistischen und die hingebungsvollen Elemente des Denkens der Gita nennen können, stark genug, jenen Aktivismus einzuleiten, der die quietistischen Tendenzen des alten metaphysischen Vedanta so sehr in seinem Yoga-Schema verändert. Der in die natürliche Welt verkörperte Mensch kann niemals aufhören zu wirken, auch nicht für einen Augenblick, nicht für eine Sekunde. Sein ganzes Dasein ist ein einziges Wirken. Das ganze Weltall ist ein Akt Gottes. Sogar das bloße Leben ist Seine Bewegung. (107)

3.6

Wer die Organe des Handelns beherrscht, sich aber in seinem Mental weiter an die Gegenstände der Sinne erinnert und sich mit ihnen befasst, solch ein Mensch hat sich durch falsche Auffassungen von Selbstdisziplin selbst in Verwirrung gebracht.

Mit Wirken, karma, sind nicht nur unsere physischen Bewegungen und Aktivitäten gemeint. Auch unser mentales Dasein ist eine große komplexe Aktion. Sie ist sogar der umfassendere und wichtigere Teil des Wirkens der ruhelosen Energie, die subjektive Ursache und bestimmende Macht des Physischen. Wir haben nichts damit gewonnen, wenn wir die Wirkung unterdrücken, die Aktivität der subjektiven Ursache aber beibehalten. Die Gegenstände der Sinne sind nur ein Anlass für unsere Gebundenheit. Die nachdrückliche Einwirkung des Mentals auf sie ist das Mittel, die instrumentale Ursache. Ein Mensch mag die Organe für sein Handeln beherrschen und sich weigern, sie ihr natürliches Spiel spielen zu lassen. Er hat aber damit nichts gewonnen, wenn sein Mental sich immer noch an die Gegenstände der Sinne erinnert und mit ihnen beschäftigt. Ein solcher Mensch hat sich selbst mit seinem falschen Begriff von Selbstdisziplin irregeführt. Er hat sein Ziel oder dessen Wahrheit nicht verstanden und ebensowenig die Grundprinzipien seines subjektiven Daseins. Darum sind alle seine Methoden der Selbstdisziplin falsch und nichtig. (107-08)

Da das Mental die instrumentale Ursache ist und Untätigkeit etwas Unmögliches, besteht das Vernünftige, das Notwendige und der richtige Weg darin, die Tätigkeit des subjektiven und des objektiven Organismus zu kontrollieren. (108)

3.7

Wer jedoch seine Sinne durch das Mental beherrscht, O Arjuna, und sich, ohne gebunden zu sein, mit den Organen des Handelns im Yoga der Werke betätigt, der zeichnet sich aus.

3.8

Übe du das kontrollierte Handeln, denn Handeln ist besser als Untätigkeit. Selbst die Aufrechterhaltung deines körperlichen Lebens kann nicht ohne Handeln bewerkstelligt werden.

Wirke mit solcher Selbstbeherrschung, sagt Krishna, niyataṁ kuru karma tvam. Ich habe dir gesagt, dass Wissen, die Intelligenz, größer ist als das Wirken, jyāyasī karmaṇo buddhiḥ. Aber ich meinte nicht, dass Nichthandeln größer sei als Handeln. Das Gegenteil ist wahr, karma jyāyo akarmaṇaḥ. Denn Wissen bedeutet nicht, dem Handeln zu entsagen. Es bedeutet Gelassenheit und kein Festhalten am Begehren und an den Objekten der Sinne. Und es bedeutet Ausgeglichenheit des intelligenten Willens in der Seele, frei und hoch-erhaben über dem niederen Werkzeugcharakter von Prakriti, und das Beherrschen der Tätigkeit des Mentals, der Sinne und des Körpers in der Macht der Selbst-Erkenntnis und der reinen objektfreien Selbst-Seligkeit der spirituellen Verwirklichung, niyataṁ karma. Buddhi-Yoga wird durch Karma-Yoga zur Erfüllung gebracht. Der Yoga des selbst-befreienden intelligenten Willens findet seine volle Bedeutung durch den Yoga des Wirkens, das frei von Begehren ist. So begründet die Gita ihre Lehre der Notwendigkeit eines Wirkens ohne Begehren, niṣkāma karma, und vereinigt die subjektive Praxis des Sankhya – wobei sie deren lediglich physisches Gesetz ablehnt – mit der Praxis des Yoga.

Hier ist aber noch eine wesentliche Schwierigkeit nicht beseitigt. Begehren ist das gewöhnliche Motiv alles menschlichen Handelns. Wenn die Seele frei von Begehren ist, gibt es keinen weiteren vernünftigen Grund mehr für das Handeln. Wir mögen gezwungen sein, gewisse Tätigkeiten zu verrichten, um unseren Körper zu erhalten. Aber auch das bedeutet, dass wir dem Begehren des Körpers unterworfen sind, dessen wir doch ledig sein müssten, wenn wir die Vollkommenheit erlangen wollen. Wenn man aber zugibt, dass das nicht getan werden kann, bleibt nur der Ausweg, ein Gesetz außerhalb von uns für unser Handeln festzusetzen, das nicht irgendwie durch unsere Subjektivität diktiert ist, das nityakarma der vedischen Ordnung, die Routine für das zeremonielle Opfer, die tägliche Lebensführung und die soziale Pflicht. Der nach Erlösung strebende Mensch mag einfach deshalb etwas tun, weil es ihm auferlegt ist, ohne dass er einen persönlichen Zweck oder ein subjektives Interesse daran hat. Mit absoluter Gleichgültigkeit vollzieht er das Tun, nicht weil er durch seine Natur dazu gezwungen wird, sondern weil es das ihm auferlegte Shastra ist. Wenn aber das Prinzip des Handelns kein für die eigene Natur äußeres, sondern ein subjektives sein soll, wenn die Handlungen selbst des Befreiten und des Weisen von seiner Natur beherrscht und bestimmt sein sollen, svabhāva-niyatam, dann ist doch das einzige subjektive Prinzip für die Tätigkeit ein Begehren, welcher Art auch immer, sei es der Fleischeslust, der Gefühle des Herzens, eines unedlen oder edlen Zieles des Mentals, jedoch sämtlichst den guṇas der Prakriti unterworfen. Oft wird die Lehre der Gita vom Handeln frei von Verlangen so interpretiert, als sei das niyata karma der Gita das nityakarma der vedischen Ordnung ihr kartavya karma. Oder das Werk, das getan werden muss, sei das arische Gesetz der sozialen Pflicht. Ferner bedeute das als ein Opfer zu leistende Handeln der Gita einfach diese vedischen Opfer und diese festgelegte soziale Pflicht, die ohne ein egoistisches Interesse und ohne jeden persönlichen Zweck erfüllt werden muss. Mir scheint aber die Lehre der Gita nicht so primitiv und einfach, nicht so lokal und zeitlich gebunden, nicht so eng zu sein wie all dies. Sie ist weit und frei, subtil und tief. Sie ist für alle Zeiten und alle Menschen, nicht für ein besonderes Zeitalter und Land. Insbesondere macht sie sich immer frei von äußeren Formen, Einzelheiten, dogmatischen Auffassungen. Sie geht zurück zu Grundsätzen und den großen Tatsachen unserer Natur und unseres Wesens. Sie ist ein Werk von weiter philosophischer Wahrheit, und ihre Spiritualität ist praktisch verwirklichbar. Sie enthält keine erzwungenen religiösen oder philosophischen Formeln, keine schablonenhaften Dogmen.

Die Schwierigkeit liegt in der Frage: Wie ist – da unsere Natur das ist, was sie ist, und da Begehren das allgemeine Prinzip des Handelns ist – es möglich, ein wirklich von Verlangen freies Handeln durchzuführen? Denn was wir gewöhnlich ein interesseloses Handeln nennen, ist nicht wirklich frei von Verlangen. Es werden dabei einfach gewisse kleinere persönliche Interessen durch andere, größere Begehren ersetzt, die nur so aussehen, als seien sie unpersönlich, als gelte unser Wirken der Tugend, dem Vaterland, der Menschheit. Überdies wird doch alles Wirken, wie Krishna betont, von den drei guṇas der Prakriti, von unserer Natur, ausgeführt. Wenn wir im Gehorsam gegenüber dem Shastra handeln, so tun wir das auch hier im Einklang mit unserer Natur, gerade wenn diese Shastra-Handlung nicht – wie es doch gewöhnlich der Fall ist – als reiner Deckmantel für unsere Wünsche, Vorurteile, Leidenschaften, Egoismen, für unsere persönlichen, nationalen, sektiererischen Eitelkeiten, Gefühle und unserer Vorliebe dient. Aber auch sonst gehorchen wir, selbst bei unserem reinsten Tun, doch unserer menschlichen Art. Wäre unsere menschliche Natur andersartig und würden die guṇas in einer andersartigen Kombination auf unsere Intelligenz und unseren Willen einwirken, dann würden wir das Shastra nicht annehmen, sondern nach unserer Lust oder unseren intellektuellen Begriffen leben. Oder wir würden ganz aus der sozialen Ordnung ausbrechen, um das Leben des Einsiedlers oder des Asketen zu führen. Wir können nicht apersonal werden, wenn wir irgendeinem äußeren Einfluss gehorchen; denn wir können nicht aus uns selbst herausgehen. Das können wir nur, wenn wir uns in das Höchste innerhalb unseres eigenen Wesens erheben, in unsere freie Seele und in das Selbst, das dasselbe ist in allen und eins mit allen, das deshalb keine egoistischen persönlichen Interessen hat, empor zum Göttlichen in unserem Wesen, das Sich Selbst transzendent zum Kosmos besitzt und deshalb weder durch Seine kosmischen Werke noch durch Sein individuelles Wirken gebunden ist. Das ist es, was die Gita lehrt. Freiheit vom Begehren ist nur ein Mittel zu diesem Zweck, nicht das Ziel an sich. Ja, aber wie soll das zustande gebracht werden? Dadurch, dass wir alles Handeln zu dem einzigen Zweck vollbringen, Opfer zu sein, antwortet der göttliche Lehrer. (109-11)

Wir können nicht die übliche Interpretation von niyataṁ karma annehmen, als wenn es festgelegte und formale Werke bedeute und gleichbedeutend sei mit dem vedischen nityakarma, den regelmäßigen Werken von Opfer, Zeremoniell und der täglichen Ordnung vedischen Lebens. Gewiss, niyata nimmt einfach das niyamya des vorhergehenden Verses (Sloka 7) auf... Die Lehre der Gita verlangt keine formellen Werke, die durch äußeres Gesetz festgelegt sind, sondern ein Handeln, das frei ist von Verlangen und durch die befreite buddhi beherrscht wird. (109)

3.9

Wenn die Menschen dieser Welt ihre Werke anders vollziehen denn als Opfer, bleiben sie in der Gebundenheit an die Werke. Als Opfer vollziehe dein Wirken, O Sohn der Kunti, und werde so frei von jeglicher Bindung!

Es ist klar, dass alles Wirken in diesem Geist geschehen kann, nicht nur das zeremonielle Opfer und die soziale Pflicht. Jede Handlung kann entweder aus dem Ego-Sinn eng oder weit oder Gott zuliebe getan werden. Das ganze Wesen und alles Wirken von Prakriti existiert nur um des Göttlichen willen, von jenem geht es aus, durch jenes hat es seine Dauer, zu jenem wird es gelenkt. Solange wir aber vom Ego-Sinn beherrscht werden, können wir den Geist dieser Wahrheit weder erkennen noch aus ihm handeln. Vielmehr handeln wir für die Befriedigung des Ego, im Geist des Ego, anders als im Geiste des Opferns. Der Egoismus ist der Knoten der Gebundenheit. Wenn wir in der Richtung auf Gott hin wirken, ohne irgendwie an unser Ego zu denken, lösen wir diesen Knoten auf und gelangen schließlich zur Freiheit. (111)

Die Theorie der Gita vom Opfern wird an zwei verschiedenen Stellen behandelt. Die eine finden wir im dritten Kapitel, die andere im vierten. Die erste gibt die Auffassung der Gita in einer Sprache wieder, die, für sich genommen, nur vom zeremoniellen Opfer zu sprechen scheint. Die zweite interpretiert dies im Sinne eines umfassenden philosophischen Symbolismus und wandelt sofort seine ganze Bedeutung um. Opfern wird auf eine Ebene hoher psychologischer und spiritueller Wahrheit emporgehoben. (114)

3.10

Zusammen mit dem Opfer erschuf im Anfang der Herr der Geschöpfe die Kreaturen und sprach: Durch dieses (Opfer) sollt ihr selbst (Früchte oder Nachkommen) hervorbringen. Lasst das Opfer die Milchkuh2 eurer Begehren sein.

3.11

Unterstützt durch dies Opfer die Götter, und lasst die Götter euch unterstützen! Indem ihr euch gegenseitig Gunst erweist, werdet ihr das höchste Heil erlangen.

3.12

Huldvoll gestimmt durch das Opfer, werden die Götter euch ersehnte Freuden gewähren. Wer die Freuden, die sie verleihen, genießt, ihnen jedoch nichts gegeben hat, ist ein Dieb.

3.13

Die Guten, die essen, was vom Opfer übrig bleibt, sind von aller Sünde befreit. Jene aber sind böse und sündigen mit Lust, welche (die Speise) um ihrer selbst willen zubereiten.

3.14-15

Aus der Speise beziehen die Geschöpfe ihr Sein. Aus dem Regen entsteht die Speise. Aus dem Opfer entsteht der Regen. Das Opfer ist aus dem Werk geboren. Wisse aber, dass alles Werk seinen Ursprung in Brahman hat. Brahman wurde aus dem Unwandelbaren geboren. Darum ist das alles durchdringende Brahman im Opfer gegründet.

3.16

Wer hier nicht dem Rad folgt, das so in Bewegung gesetzt worden ist, dessen Wesen ist böse. Auf Genusssucht bedacht, lebt er vergeblich, O Partha.

In der Gita gibt es nur sehr wenig, was rein lokaler oder zeitbedingter Art wäre. Ihr Geist ist so umfassend, tief und universal, dass auch dies Wenige leicht allgemeingültig verstanden werden kann, ohne dass der Sinn der Lehre eine Minderung oder Beeinträchtigung erleidet. Ja, die Lehre gewinnt gerade dann an Tiefe, Wahrheit und Macht, wenn wir ihr einen umfassenderen Bedeutungshorizont geben, als er zu Volk und Epoche gehört. Oft weist die Gita selbst auf die Weite des Horizonts hin, die größer ist, als sie auf diese Weise einer an sich lokalen oder begrenzten Idee gegeben werden kann. So behandelt sie das alte indische System und Gedankenbild des Opfers als einen Austausch zwischen Göttern und Menschen – ein System und eine Vorstellung, die in Indien selbst schon lange praktisch veraltet und für das allgemeine menschliche Denken nichts Wirkliches mehr sind. Wir finden aber, dass hier dem Wort „Opfer“ ein so völlig subtiler, bildlicher und symbolischer Sinn beigelegt und der Begriff der Götter so wenig lokal begrenzt oder mythologisch, so völlig kosmisch und philosophisch ist, dass wir beide Begriffe leicht als Ausdruck für eine praktische Tatsache der Psychologie oder für ein allgemeines Gesetz der Natur annehmen und sie somit anwenden können auf die modernen Vorstellungen vom Austausch zwischen Leben und Leben, vom sittlichen Opfer und der Selbst-Hingabe. So erweitern und vertiefen wir diese Begriffe und geben ihnen einen mehr spirituellen Aspekt und das Licht einer tieferen und weiter reichenden Wahrheit. (6)

Nachdem Krishna so die Notwendigkeit des Opferns festgestellt hat – wir werden nachher sehen, in welchem Sinn wir die Stelle verstehen sollen, die uns auf den ersten Blick nur eine traditionelle Theorie des Ritualismus und der Notwendigkeit zeremonieller Darbringung darzulegen scheint –, fährt er mit der Feststellung fort, dass der spirituelle Mensch höher steht als das Wirken. (114)

3.17

Der Mensch aber, dessen Glück im Selbst ruht und der volles Genüge findet in der Freude am Selbst und in dem Selbst, der ist zufrieden. Für ihn existiert kein Werk, das getan werden muss.

3.18

Er hat hier kein Ziel, das durch Handeln oder durch Unterlassen des Handelns erreicht werden muss. Unabhängig steht er allen Wesen gegenüber hinsichtlich aller Ziele, die erreicht werden sollen.

Hier stehen sich also die beiden Ideale, das vedische und das vedantische, in ihrer ganzen ursprünglich scharfen Trennung und Gegensätzlichkeit gegenüber: Auf der einen Seite das aktive Ideal, hier alle Lebensgenüsse, und dort, im Jenseits, das höchste Gut zu erwerben, wenn man opfert und die gegenseitige Abhängigkeit des menschlichen Wesens von den göttlichen Mächten pflegt; auf der anderen Seite, ihm gegenüber, das strengere Ideal des befreiten Menschen, der, im Geist unabhängig, nichts zu tun haben will mit all den Freuden oder mit dem Wirken, weder mit den menschlichen noch den göttlichen Welten, sondern der nur im Frieden des erhabenen Selbstes lebt und selig ist allein in der stillen Freude des Brahman. Die nächsten Verse schaffen die Grundlage für die Aussöhnung zwischen den beiden Extremen. Sobald man sich der höheren Wahrheit zuwendet, liegt das Geheimnis nicht in der Untätigkeit, sondern im begehrensfreien Wirken, und zwar ebenso schon bevor man die Wahrheit erlangt hat, wie auch danach. Der befreite Mensch kann nichts durch Aktivität, aber auch nichts durch Inaktivität gewinnen. Und seine Entscheidung darf er ganz und gar nicht um eines persönlich erstrebten Zweckes willen treffen. (115)

3.19

Darum tue immer das Werk, das getan werden muss (zum Wohle der Welt, lokasaṅgraha, wie nachher ausgeführt wird), ohne Bindung! Denn durch Handeln ohne Bindung gelangt der Mensch zum Höchsten.

Es ist wahr, dass Wirken und Opfern Mittel sind, um zum höchsten Gut zu gelangen, śreyaḥ param avāpsyatha. Es gibt aber drei Arten von Wirken: Das Wirken, das nur für das persönliche Genießen, ohne Opfern, getan wird. Es ist völlig selbstsüchtig und eigennützig und verfehlt das wahre Gesetz, das Ziel und den Wert des Lebens, moghaṁ pārtha sa jīvati. Sodann das Wirken, das zwar aus Verlangen, jedoch als ein Opfer, vollbracht wird. Die Lebensgenüsse werden hier als die Frucht des Opfers angenommen und dementsprechend dargebracht und geweiht. Schließlich das Wirken ohne Verlangen und ohne irgendeine Bindung. Dieses letzte trägt die Seele des Menschen zum Höchsten empor, param āpnoti pūruṣaḥ. (115)

3.20

Gerade durch ihr Wirken haben Janaka und die Übrigen Vollkommenheit erreicht. So sollst auch du deine Werke tun auch hinsichtlich des Zusammenhalts der Völker.

Slokas 20-26: Es gibt in der Gita wenige Stellen, die wichtiger wären als diese sieben eindrucksvollen Verse. Wir wollen aber klar erkennen, dass sie nicht so interpretiert werden dürfen, wie die moderne pragmatische Tendenz sie zu erläutern sucht, die viel eher an den gegenwärtigen Dingen der Welt interessiert ist als an einer hohen und weit entlegenen spirituellen Möglichkeit: Als ob diese Verse nicht mehr wären als eine philosophische oder religiöse Rechtfertigung für sozialen Dienst, für patriotische, kosmopolitische und humanitäre Bemühung und eine Vorliebe für die hundert hochfliegenden sozialen Pläne und Träume, die den modernen Intellekt anziehen! Hier wird keine Vorschrift für einen umfassenden moralischen und intellektuellen Altruismus verkündet. Hier handelt es sich vielmehr um die spirituelle Einung mit Gott und mit dieser Welt der Wesen, die in ihm leben, wie er in ihnen lebt. Hier wird nicht die Forderung erhoben, der Einzelne müsse sich der Gesellschaft oder der Menschheit unterordnen, er müsse seinen Egoismus auf dem Altar des menschlichen Kollektivs opfern. Vielmehr soll sich der Einzelne in Gott zur Erfüllung bringen und das Ego auf dem einzig wahren Altar der allumfassenden Göttlichkeit als Opfer darbringen. Die Gita bewegt sich auf einer Ebene von Ideen und Erfahrungen, die höher liegt als die des modernen Mentals, das gewiss jetzt auf der Stufe eines Ringens steht, durch das die Fesseln des Egoismus abgeworfen werden sollen, das aber in seiner Anschauung noch weltlich, intellektuell und in seinem Temperament eher moralisch als spirituell ist. Patriotische und kosmopolitische Gesinnung, Dienst an der Gesellschaft, kollektive und humanitäre Ideale oder die Religion der Humanität sind uns bewundernswerte Hilfen, um aus dem ersten Zustand des individuellen, familiären, gesellschaftlichen und nationalen Egoismus auf eine zweite Stufe zu kommen, auf der der Einzelne, soweit das auf der intellektuellen, moralischen und emotionalen Ebene geschehen kann, das Einssein seiner eigenen Existenz mit der der anderen Wesen realisiert. Doch kann er das auf dieser Ebene noch nicht in der richtigen und vollkommenen Weise tun, die der integralen Wahrheit seines Wesens entspricht. Das Denken der Gita reicht aber darüber hinaus in einen dritten Zustand des sich entwickelnden Bewusstseins unseres Selbsts. Der zweite Zustand ist nur eine Zwischenstufe unseres Weges nach oben. (136-37)

3.21

Denn nach dem, was der Beste tut, richten die einfachen Menschen ihr Handeln. Der Norm, die er aufstellt, folgen die Völker.

Die Regel, die dafür von der Gita aufgestellt wird, ist das Grundgesetz für den Herren-Menschen, den Übermenschen, das vergöttlichte menschliche Wesen, für den Besten, aber nicht im Sinne Nietzsches, eines einseitig verzeichneten olympischen, apollinischen oder dionysischen, engelhaften oder dämonischen Übermenschentums. Vielmehr sollte das Idealbild der Mensch sein, dessen ganze Persönlichkeit dargebracht worden ist an Wesen, Art und Bewusstsein der einen transzendenten und universalen Gottheit. Er hat durch den Verlust des kleineren Selbsts dessen größeres Selbst gefunden und ist vergöttlicht worden.

So wird es das Ziel des Yoga, dass wir uns aus der niederen, unvollkommenen Prakriti, traiguṇyamayī māyā, in das Einssein mit dem göttlichen Wesen, Bewusstsein und der göttlichen Natur3 erheben, madbhāvam āgatāḥ. Sobald dies Ziel aber erreicht ist, der Mensch sich im Brahman-Zustand befindet und sich und die Welt nicht weiter aus falscher egoistischen Schau betrachtet, sondern alle Wesen im Selbst und in Gott schaut und das Selbst und Gott in allen Wesen, was soll dann sein Wirken sein –, da immer noch Aktivität da ist –, das solchem Schauen entstammt? Welches ist das kosmische und individuelle Motiv all dieses Wirkens? Das ist die Frage Arjunas, kiṁ prabhāṣeta kim āsīta vrajeta kim, die ihm aber von einem ganz anderen Standpunkt aus beantwortet wird als von dem seiner Fragestellung. Das Motiv kann nicht ein persönliches Begehren auf der intellektuellen, moralischen oder emotionalen Ebene sein, denn das ist ja aufgegeben worden – gerade das moralische Motiv wurde fallengelassen, da der befreite Mensch über die niedere Unterscheidung zwischen Sünde und Tugend hinausgekommen ist und in einer herrlichen Reinheit jenseits von Gut und Böse lebt. Es kann auch nicht die spirituelle Aufforderung sein, er solle sich durch ein Wirken ohne egoistisches Interesse zur Vollkommenheit weiterentwickeln. Diese Aufforderung ist beantwortet, die Entwicklung zu Ende geführt und zur Erfüllung gebracht worden. Sein Motiv zum Handeln kann nur noch sein, die Völker zusammenzuhalten, cikīrṣur okasaṅgraham. Dieser erhabene Vormarsch der Menschheit hin zu einem weit entfernten göttlichen Ideal muss als Ganzes weitergeführt werden. Er soll davor bewahrt werden, in Ratlosigkeit, Verwirrung und heftige Zwietracht gegenseitigen Missverstehen abzusinken, weil das zu Auflösung und Zerstörung führen würde. Die Welt, die in der Nacht oder im düsteren Zwielicht der Unwissenheit vorwärtsschreitet, wäre dem allem allzu leicht verfallen, würde sie nicht zusammengehalten, geführt und auf den großen Linien ihrer Disziplin festgehalten durch die Erleuchtung, Stärke, Lenkung und das Beispiel, den sichtbaren Maßstab und den unsichtbaren Einfluss ihrer Besten. Die Besten, die Einzelnen, die an der Spitze der allgemeinen Reihe und über dem allgemeinen Durchschnitt des Kollektivs marschieren, sind die natürlichen Lenker der Menschheit. Denn sie können ihr sowohl den Weg, auf dem sie ihnen folgen muss, als auch die Richtlinien und das Ideal zeigen, die sie festhalten oder erlangen müssen. Aber der göttlich gewordene Mensch ist der Beste nicht im gewöhnlichen Sinn des Wortes. Sein Einfluss, sein Vorbild müssen eine Macht haben, die kein im gewöhnlichen Sinn überlegener Mensch ausüben kann. Was für ein Vorbild soll er denn geben? Welche Norm, welchen Maßstab soll er aufrichten?

Um seine Meinung noch mehr zu verdeutlichen, gibt der göttliche Lehrer, der Avatar, Arjuna sein eigenes Beispiel, sich selbst als Maßstab. (137-38)

3.22

Für Mich, O Sohn Prithas, gibt es kein Werk, das Ich in den drei Welten4 tun müsste. Es gibt nichts, das Ich nicht schon erreicht hätte oder das Ich erst noch gewinnen müsste. Und trotzdem bleibe wahrlich gerade Ich auf den Wegen des Wirkens (varta eva cha karmaṇi – eva „gerade ich“ besagt hier: „Ich verharre im Wirken und verlasse es nicht wie der Sannyasin, der sich verpflichtet fühlt, das Wirken aufzugeben“).

Es ist tief bedeutsam, dass Gott selbst sich dem befreiten Menschen als Vorbild gibt. Denn dies offenbart die ganze Grundlage der Philosophie der Gita über göttliches Wirken. Der befreite Mensch hat sich in die göttliche Art erhoben. Darum müssen seine Handlungen im Einklang mit dieser göttlichen Art stehen. (139)

Das vollständige göttliche Ideal ist weder die Dynamik des kinetischen Menschen noch das aktionsfreie Licht des Asketen oder Quietisten, weder die heftige Persönlichkeit des aktiven Menschen, noch die indifferente Apersonalität des philosophischen Weisen. Das sind die beiden einander widerstreitenden Maßstäbe: Hier der Mensch dieser Welt, dort der asketische oder quietistische Philosoph. Der eine ist ganz hingerissen vom Kshara des Handelns, der andere ringt danach, ganz im Frieden des Akshara zu bleiben. Das vollkommene göttliche Ideal geht aber von der Natur des Purushottama aus, der diesen Widerstreit transzendiert und alle göttlichen Möglichkeiten in Einklang bringt. (141)

3.23-24

Denn wenn Ich nicht, ohne an Schlaf zu denken, auf dem Weg des Wirkens bliebe, würden – da doch die Menschen Meinen Wegen folgen – diese Völker untergehen, wenn Ich nicht wirken würde; Ich wäre der Schöpfer der Verwirrung und würde diese Geschöpfe vernichten.

3.25

Wie jene Unwissenden an die Werke gebunden handeln, sollte der Wissende frei von Bindung mit dem Beweggrund handeln, die Völker zusammenzuhalten.

3.26

Er sollte bei den Unwissenden, die noch an ihr Wirken gebunden sind, keine Spaltung in ihrem Verständnis hervorrufen. Er sollte sie zu jeder Art von Handlung heranziehen, indem er sie selbst mit Wissen und im Yoga vollzieht.

Der ganze Bereich des menschlichen Wirkens muss jenes Feld sein, auf dem sich der Gott-Wissende bewegen soll. Alles individuelle und alles soziale Handeln, alle Werke des Intellekts, des Herzens und des Körpers sind noch seine eigenen Unternehmungen. Doch soll er sie nicht mehr um seinetwillen tun, sondern für die Sache Gottes in der Welt, in allen Wesen, damit alle Wesen vorankommen, wie er auf dem Pfad des Wirkens vorwärtsgegangen ist, damit sie das Göttliche in sich selbst entdecken. Nach außen hin mag es so aussehen, als ob seine Handlungen sich nicht wesentlich von den ihrigen unterscheiden. Das Kämpfen und das Regieren ebenso wie das Lehren und Forschen, die verschiedenen Formen des Verkehrs und Handels von Mensch zu Mensch mögen in seinen Bereich fallen. Aber der Geist, in dem er sie tut, muss ein ganz anderer sein. Und dieser Geist soll es sein, der durch seinen Einfluss die große Anziehungskraft ausüben soll, die die Menschen zu seiner eigenen Ebene emporzieht. Das soll der starke Hebel sein, der die Masse der Menschen in ihrem Aufstieg immer höher emporhebt. (139)

Die Botschaft der Bhagavadgita

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