Читать книгу Verträumt 3 - S.T. Kranz - Страница 5

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»Hallo dir Langschläfer, willst dir nicht endlich mitfeiern?«, ertönt es ein paar Stunden später in Lucas Ohren, der dieser fremden Stimme kein Gesicht zuordnen kann.

»Dich da, dich da, dich verpasst noch die ganze Stimmung. Dich bist richtig erwachsen geworden, schön dir wieder zu sehen«, spricht ein kleiner aufgesteppter Zwerg und tippt dabei in die Wangen von Luca.

»Hallo Luca, ich bin es, Tips. Dich alter Freund, erkennst mich wieder?«, begrüßt Tips, der kleine Zwerg, wohl seinen alten Freund, der allerdings keinen Ton herausbekommt und auf eine Holzdecke schaut.

»Na ist ja auch ohne Sinn, los steh auf. Zwergenfamilie wollen du sehen.«

Verwirrt und überaus schockiert von diesem rustikalen kleinen Zimmer bewegt sich Luca wie versteinert und achtet darauf, nicht mit dem Kopf an die niedrige Decke anzudocken.

»Los, alla hopp! Wir freuen uns schon die ganze Zeit«, hetzt der kleine Zwerg zuckersüß, mit seinen kleinen dicken Fingern und zieht dabei an Lucas Hose.

»Schön, dass du meinen Namen kennst, obwohl ich ihn dir nicht verraten habe«, lässt Luca verlauten, während er es geschafft hat, aus diesem kleinen Zimmer herauszustolzieren, um dann in ein größeres zu gelangen.

»Wie schön, dich zu sehen. Sei herzlich willkommen Luca«, begrüßt die Zwergenoma den Nachkömmling überaus liebenswert. Im Zimmer befinden sich noch weitere Zwerge, die an einem Tisch ein lustiges Brettspiel spielen. Erfreut winkt die zehnköpfige Zwergenfamilie Luca zu, der nervös keinen Ton aus seiner Lunge herausbekommt.

»Der arme Kerl ist ganz verwirrt, ganz weit weg von seiner Realität. So ist das, hier nimm das, das wird deine Gedanken ein wenig sortieren können«, spricht die Zwergenoma, die eine besonders auffällige Brosche an ihrer Kleidung trägt. Zufriedenstellend überreicht sie dem Träumendem etwas Trinkbares.

»Das wird deinen Kopf auffrischen, mein Junge.« Angeekelt vom Jahrzehnte alten Kelch überwindet Luca seine Abneigung und trinkt wenigstens einen kleinen Schluck daraus.

»Komm du, wir gehen erstmals raus. Ziemlich eng für dir, frische Luft schnippen«, schlägt Tips vor, während die Zwergenfamilie über das Brettspiel streitet, da wohl jemand geschummelt haben muss.

»Sag, mein Enkelkind. Willst du nicht lieber hier, hier bei mir bleiben, liebster Tips?«, fragt die Zwergenoma.

Doch anstatt auf ihre fürsorgliche Frage zu antworten, sorgt Tips lieber dafür, dass auch Luca aus diesem zu klein geratenem Zuhause entfliehen kann.

»Ich wusste ja nicht, dass dir so verwirrt bist, Luca. Aber draußen ist viel größer als drinnen, weswegen wir lieber die Bäume von nahem betrachten sollten.«

Beim Hinausgehen bemerkt Luca das urige Zwergendorf, dass ihn in dieser verzauberten Nacht mit klarem Sternenhimmel umgibt. Zu erwähnen sind auch die kleinen Nachbarhäuschen, die sich in den unterschiedlichsten Farben abzeichnen.

»Da war es mir eindeutig zu eng. Viel, viel zu eng, da hast du Recht gehabt.«

Draußen angekommen, blickt Tips mit einem lebensfrohen Lächeln versehen nach oben in Lucas Augen und schenkt seinem Hosenbein eine Umarmung.

»Bin ich in Zwergenhausen?«

»Ja, dich hier in Zwergenhausen, hier bei mir«, spricht er begeistert und fügt hinzu, während plötzlich ein schwaches Erdbeben zu spüren ist.

»Kommst dich wieder? Versprich dir es mir? Wirst mehr auf mich hören, als auf jemand anderes?«

»Tips?«, fragt sich Luca zitternd am ganzen Körper und zugleich schockiert von der Veränderung des Himmels, der plötzlich näher kommt. Die Wolken zerplatzen und Luca blickt völlig verwirrt in seine Realität.

›… aber er hat gelogen.‹

»Luca, heute schlafe ich wieder Zuhause. Erst gestern weckte uns dein blödes Smartphone und heute klingelt jemand Sturm an deiner Tür.«

»Was?«, hinterfragt Luca verschlafen.

»Jeden Tag das Gleiche. Ich bin im Bad.«

»Ist recht, ist gut«, antwortet er und sieht der halbnackten Katrin zu, wie sie verkatert in das Badezimmer marschiert, bis er vom Klingeln an der Wohnungstür unterbrochen wird.

»Ich komme, ich komme ja.«

Übermannt von seinen Sinnen streift sich der junge Mann durch seine gepflegten Haare, erblickt dabei das Desaster in seinem Apartment, das seine Neujahrsparty hinterlassen hat.

»Ich bin total, ich bin Hundemüde«, versucht Luca kratzend aus seinen Stimmbändern hervorzuheben, bevor er nach dem Öffnen der Wohnungstür seine Oma zu Gesicht bekommt.

»Oma Hilde?«

»Zweifelst du an meinem Aussehen?«

Verwirrt stellt er sich die Frage, was denn seine Oma am zweiten Tag des Jahres vor seiner Haustür zu suchen hat, zusätzlich mit einem Koffer, den Hilde offenkundig bei sich trägt.

»Ich sehe es als Unverschämtheit an, wenn du mich noch eine Sekunde länger in diesem unbeheizten Hausflur stehen lässt.«

»Oh Gott, komm rein, Oma. Was auch immer du willst, komm rein.«

»Schön, dass man die Enkelkinder nicht immer zu etwas zwingen muss.«

Lächelnd zieht sie ihren Koffer hinter sich her, bis sie mit erhobenem Kinn mitten im Wohnraum stehenbleibt und sich die Überreste der Party betrachtet.

»Während ich in der letzten Nacht wegen des schweren Sturms in Angst schweißgebadet war, scheinst du dich amüsiert zu haben. Das freut mich, Luca.«

»Wie geht es dir, Oma, nach alledem?«

Grinsend versucht Hilde eine passende Antwort zu ihrem Gefühlsleben zu finden, doch nichts scheint ihrer Seele ebenbürtig zu sein.

Tief Luft holend versucht Hilde ihre Ängste zu begraben, bis Katrin plötzlich mit einer goldenen Paillettenjacke versehen aus dem Badezimmer stolziert.

»Schwester Katrin.«

»Frau Fitsch.«

Überrascht, den Gegenüberstehenden hier und in dieser Situation anzutreffen, scheinen sich die beiden nach ihrer Begrüßung aber nicht sonderlich gut zu kennen. Nur das Krankenhaus verbindet sie wohl, weshalb Katrin ihrem Luca einen Kuss auf die Wange gibt, mit einer lieblichen Verabschiedung versehen und der Bitte, so bald wie möglich wieder was von ihm zu hören.

»Ich melde mich, Katrin.«

»Schön hast du es hier. Hat dies dein Vater dir ausgesucht oder du selbst?«

Voller Elan trägt Hilde ihren Koffer und betritt die Wendeltreppe, mit der Absicht in den nächsten paar Sekunden oben angekommen zu sein.

»Wie du weißt, habe ich mir mein Zuhause ausgesucht und Vater bezahlt es.«

»Hast du es nicht so langsam satt, dass dir dein Vater, wie ein Schoßhündchen, alles bezahlt?«

»Habt ihr euch abgesprochen oder ist es reiner Zufall, weil du gerade jetzt anfängst mit mir darüber zu reden?«

Selbstbewusst ist Hilde im Schlafzimmer oben angekommen.

»Was denkst du Luca? Ich und dein Taugenichts von Vater wechseln keine Silbe. Ich habe lediglich vor, ein paar Nächte hier zu verbringen. Ich alleine, in diesem großen Landhaus, es hat sich alles verändert. Keine Ecke in diesem Haus ist mehr gleich. Ein anderer Schatten legt sich auf die Möbel nieder. Veränderung macht sich breit. Ich schaffe das nicht mehr. Es macht mich wahnsinnig. Es verändert sich.«

Geschockt von der Wahrheit in Hildes Stimme, lässt Luca im unteren Stockwerk seine Kinnlade fallen, weshalb er sein eigentliches Vorhaben aufzuräumen zugleich belässt.

»Ähm, wie bitte, Oma? Bei mir, hier, übernachten?«

»Ich bettle nicht mein Kind, ich bettle niemals«, offenbart Hilde, während sie mittlerweile im oberen Stockwerk ihre Kleidung am Bügel hängend in den Schrank platziert. Dabei findet ein Tausch statt.

Mit jedem Kleidungsstück, das sie aus ihrem Koffer in Lucas Schrank hängt, legt sie ein Kleidungsstück von Luca aus dem Schrank in ihren Koffer.

»Ich kann dir nur eines anbieten. Ich zahle deine nächsten drei Monatsmieten an deinen Vater und lebe nicht einmal einen Monat bei dir. Du hast eine Sorge weniger und ich weniger Tage alleine in meinem Haus.«

»Ist es so schlimm für dich alleine zu sein?«

»Ich würde behaupten, deinen Koffer im Bad auszuräumen, der Schrank in deinem Schlafzimmer ist nun besetzt.«

»Mein Koffer?«

»Denkst du, wenn ich schon Miete zahle, hause ich aus dem Koffer? Ich habe mir in deinem Schlafzimmer Platz gemacht. Und du schaust, ob du noch ein Fleckchen in deinem Wohnbereich findest. Sofern der Saustall aufgeräumt ist.«

Überfordert von der Situation, die seine Oma ihm beschert, erwägt Luca erst einmal eine Pause einzulegen, weshalb er in der offenen Küche einen Kaffee aufsetzen möchte. Dabei hört er, wie Hilde die Wendeltreppe hinabsteigt.

»Hör zu, ich werde beim nächsten Supermarkt einige Zutaten besorgen, um uns etwas Essbares auf den Tisch zu stellen. Du sorgst in der Zwischenzeit dafür, dass wir auch an einem Tisch essen können. Was hältst du davon?«

»Prima Idee.«

Zur Tat übergegangen verlässt Hilde das Apartment, wie sie es betreten hat und hinterlässt Luca, der sich tiefschürfend auf einen Stuhl fläzt.

Augenreibens probiert er seine Realität wegzuwischen, doch ohne Erfolg. Der Ausgang seiner Geschichte, scheint wohl vollendend und total verwirrend geschrieben zu sein.

»Mit meiner Oma an der Seite kann es ja nur besser werden. Halleluja.«

Gesegnet vom Gottes Anblick scheint nun nur noch ein Glas Schnaps Luca zum Seelenfrieden zu verhelfen, weshalb er sich vor dem Aufräumen einen Schluck für die Zukunft gönnt und selbstverständlich einen für die Vergangenheit.

»Wenigstens sind die nächsten drei Monate bezahlt. Eine Sorge weniger. Danke, Oma.«

Verträumt 3

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