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4 Verlockend

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Am nächsten Morgen wird Hilde von warmen Sonnenstrahlen aus ihrem ruhigen Schlaf wachgeküsst. Zum Umziehen ihrer Kleidung, hat sie es am Abend zuvor trotz ihres Nervenzusammenbruchs, dennoch geschafft. Sie erhebt sich konzentriert aus Lucas Bett und wirft einen Blick auf den Sorgenfresser. Zugleich nimmt Hilde dieses alte Erinnerungsstück in die Hand und begibt sich ein Stockwerk tiefer, wo sie ein aufgeräumtes, allerdings verlassenes, Wohnzimmer auffindet.

»Luca?«

Überrascht, dass ihr Enkelkind das Zuhause bereits verlassen hat, zieht sie in Betracht, ihre verschlafene Haut im Badezimmer zu wecken.

Munter und schon seit der Früh unterwegs, sitzt Luca währenddessen in einem Fitnesscenter an der Bar. Dort nippt er nachdenklich, in einem Sportanzug gekleidet, an einem Glas Blutorange.

Im Hintergrund toben sich die schweißgebadeten Clubmitglieder an ihren Trainingsgeräten aus. Auch die Bedienung an der Sportbar scheint in Gedanken vertieft mehrmals ihr Glas in der Hand abzutrocknen.

»Na mein Freund, wo sind deine Gedanken?«, überrascht Moritz seinen Kumpel plötzlich von hinten und gesellt sich gleich darauf auf den Hocker neben ihm.

»Moin Moritz, eben erst gekommen?«

»Heute ein bisschen später als sonst, aber ich hatte noch zu tun gehabt. Ein Eiweißshake, bitte.«

»Die musst du lauter ansprechen. Das Glas, das sie in der Hand hat, poliert sie schon seit drei Minuten.«

Dankbar, für diesen Tipp haut er lachend mit seiner Faust auf den Tresen, um die Bedienung aus ihren Gedanken zu reißen.

»Ein Eiweißshake, bitte!«

»Natürlich, hätte ich dir aber auch gemacht, ohne dass du mir meinen Tresen einschlägst.«

Kopfschüttelnd wendet sich Moritz von der Bedienung ab zu Luca.

»In welcher Welt befindest du dich gedanklich denn gerade?«

»In einer gestressten Welt, Moritz. Ich habe dir doch vom Vorhaben meines Vaters erzählt. Heute Morgen meinte er, das Erste, was er kündigen wird, ist mein Apartment. Er meinte, ich dürfte gerne mein altes Kinderzimmer wieder in Anspruch nehmen.«

»Und wieso suchst du dir denn nicht einfach eine Arbeit?«

»Dein Shake«, grätscht die Bedienung zwischen rein.

»Ich bin doch dabei mein Abitur zu machen. Außerdem halte ich an meinen Bildern fest.«

»Okay mein Freund, ich sitze nicht neben dir, um deinem Vater beizustehen. Deshalb würde ich dir einfach raten, deinen Vater an den Eiern zu packen, fest zuzudrücken und dann darfst du weiter dein Leben so leben, wie du es willst.«

»Geht das ein bisschen konkreter?«

»Eltern musst du an ihrer empfindlichsten Stelle treffen. Nämlich ihr schlechtes Gewissen. Alle Eltern wollen gut, schon gar perfekt sein. Sie wollen ehrlich, mit viel Liebe und doch mit einer strengen Ader erziehen. Das versucht dein Vater nun. Er möchte doch, dass aus dir was wird. Darum mein Freund, sag ich dir, sorge dafür, dass ihn das schlechte Gewissen plagt, sodass er denkt, etwas falsch gemacht zu haben. Und zack, versucht er wieder eine heile Welt um dich aufzubauen.«

Aufgenommen und in der hintersten Ecke gespeichert gibt Luca zu, dass alleine die drei Monatsmieten seiner Oma ihm den Arsch gerettet haben. Vorerst.

»Deshalb sieh zu und erschaffe deinem Vater das schlimmste Gewissen. Du wirst sehen.«

»Übel.«

»Quatsch. Übel ist, wenn du in dein Kinderzimmer wieder einziehen musst. Prost.«

Übereinstimmend beendet Luca diese Unterhaltung, um sich daraufhin von seinem Kumpel zu verabschieden.

»Mach´s gut und halte mich auf dem Laufenden.«

»Mach ich.«

Keine halbe Stunde später kramt Luca vor seiner Apartmenttür den Schlüssel heraus, um daraufhin sein geräumiges Heim zu öffnen.

»Guten Morgen, Luca«, grüßt Hilde aus der Küche, während sie sich schwarzen Kaffee in ihre Tasse einschenkt.

»Möchtest du auch einen Kaffee haben? Gerade frisch aufgesetzt.«

Nickend wirft Luca seine Sporttasche samt seiner Jacke neben die Tür und stolziert zu seiner Essgruppe, wo er plötzlich bestürzt den Sorgenfresser entdeckt.

Dabei folgt Hilde seinen Blicken und füllt eine weitere Tasse mit Kaffee, die sie im Anschluss vor Lucas Nase stellt. Mit einem Knopfdruck auf seinem Handy, sorgt er dafür, dass die Jalousie im Raum zur Hälfte heruntergefahren wird, um den warmen Sonnenstrahlen zu trotzen.

»Ich dachte ja nicht, dass du ihn noch besitzt. Das freut mich«, berichtet Hilde, während sie sich, ausstrahlend mit einer angenehmen Aura, vor Luca auf den Stuhl platziert. Erneut begutachtet sie, wie Luca sich seinen Sorgenfresser aus der Vergangenheit betrachtet. Um einen kurzen Blick in das Innere zu werfen, zieht er vorsichtig den Reißverschluss auf.

»Weißt du noch, Luca, als ich ihn dir damals geschenkt habe? Du musst 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein.«

»Ja, Oma, ich erinnere mich. Er hat mir sehr geholfen. Das war eine fantastische Idee gewesen. Und so sehr ich dich geliebt habe, so sehr habe ich Opa für seine Unachtsamkeit an diesem Weihnachtsabend gehasst. Und umso erwachsener ich wurde, umso mehr realisierte ich diese Dummheit, wegen einer Tradition, wegen dem Stern der Weihnacht. Opa, meine Schwester und die Zwillinge blicken wie blöd in den Himmel, ohne jegliche Acht auf mich zu haben.«

»Luca, Opa hat sich selbst dafür gehasst, glaube es mir. Aber er konnte nichts mehr ungeschehen machen. Wir waren aber alle sichtlich erfreut darüber, dass dir in dieser Gefangenschaft nicht mehr Leid zugefügt wurde.«

»Ist ja auch egal. Ich habe es überwunden. Welcher Mensch macht nicht einmal in seinem Leben eine schlimme Erfahrung.«

»Du bist tapfer. Nun, die Uhr verrät mir aber ein wenig Zeitdruck. Ich bin heute Abend wieder zurück. Vielleicht mit etwas Kochbarem. Ablenkung ist eine gute Sache. Wir brauchen beide etwas davon.«

»Ist gut. Bis heute Abend.«

Und während sich Hilde nach ihrem letzten Schluck Kaffee gegen die Kälte draußen wappnet, scheint sich Luca weiterhin seinen Sorgenfresser zu betrachten. Er beginnt die vielen losen Zettel aus dem Inneren des Stofftieres herauszunehmen.

Übermannt von den vielen Gefühlen, die sich auf den einzelnen Blättern befinden, wird Luca von einer Blase umhüllt, in der er nicht mal mehr das Schließen der Wohnungstür mitbekommt.

Sorgen, Ängste, das Leid, das damals dem kleinen Vierjährigen angetan wurde. Und alle diese Emotionen wurden mit einer weiblichen Handschrift zu Papier gebracht, zusammengefaltet und symbolisch vom Sorgenfresser hinuntergeschluckt, auf das keine Träne mehr durch diese Untat vergossen wird.

Darunter ist auch eine Visitenkarte. Diese Adresse einer Psychologin verkörperte wohl den Abschluss des gesamten Heilungsprozesses, weshalb Luca als Kind auch diese Phase auffressen ließ.

»Das war eine fantastische Idee, Oma.«

Wiederholt Luca seinen Satz aus der Vergangenheit, welcher wohl allerdings immer noch in seinem Kopf herumschwirrte.

»Das ist eine sehr verlockend, gar üble Idee.«

Grinsend nimmt Luca die Visitenkarte an sich und sucht im Webbrowser seines Handys nach der aktuellen Adresse, sowie der Telefonnummer der Psychologin.

Gesucht und gefunden. Daraufhin lässt er keine Zeit verstreichen und tippt die herausgefundene Nummer sofort in sein Handy.

Verträumt 3

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