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Kapitel 1

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Haley

„Ich muss es tun, Anya“, wisperte ich ins Telefon. Die Tür meines Büros war geschlossen, und keiner meiner Mitarbeiter des gerade von mir übernommenen Urlaubsresorts brauchte zu wissen, dass ich in ein paar Stunden in einen Sexclub gehen würde. „Ich habe Master Dylan getroffen. Er war sehr offen und hat meine endlosen Fragen beantwortet. Heute Abend gibt er mir eine Führung und zeigt mir, wie es in dem Club so abläuft.“ Allein der Gedanke daran, was ich alles zu sehen bekommen könnte, brachte meine Schenkel zum Zittern. Gott, wie sehr ich es wollte. Schon so lange wollte ich diese Neigung von mir erforschen. „Heute werde ich mir nur alles ansehen, Süße. Mir wird nichts passieren, ich verspreche es dir.“

„Du rufst mich gleich an, wenn du wieder zu Hause bist, ja?“

Ich wusste, dass Anya jetzt in ihrer Küche saß und Stundenpläne studierte, dabei die Stirn runzelte und ihre roten Haare zwischen den Fingern drehte.

„Es wird aber sicherlich spät werden.“ Anyas Mann Lance musste wegen der Arbeit früh aufstehen und daher gingen sie meist zeitig schlafen. Ich wollte die beiden nicht wecken.

„Das ist mir egal, Haley. Ich möchte dir bei dieser neuen Sache gern zur Seite stehen, aber auch nicht lügen und so tun, als würde ich mir keine Sorgen machen. Schick mir eine Nachricht aufs Handy oder ruf an, damit ich weiß, dass du sicher nach Hause gekommen bist.“

Verdammt, ich liebte sie. Wir waren schon seit der Highschool vor dreizehn Jahren befreundet, als wir im selben Tennisteam gewesen waren. Während der Collegezeit und meine schreckliche Ehe hindurch waren wir immer füreinander da gewesen.

„Ich rufe dich an, Süße, versprochen.“

Sie seufzte.

„Willst du auch einen detaillierten Bericht?“

Sie lachte nervös. „Äh, nein. Das ist dein Ding, und ich verstehe es nicht, aber ich liebe dich trotzdem.“

Genau deshalb liebte ich sie auch. „Ich dich auch. Ich rufe an.“

„Gut. Pass auf dich auf.“

Ich beendete das Gespräch und sah auf das Gemälde des ursprünglichen Portsmouth Inn, der großen Villa aus der Jahrhundertwende, die meine Urgroßeltern in ein B&B umgewandelt hatten. Über die Jahre hatten meine Großeltern, und später meine Eltern, als sie es übernahmen, das Haus renoviert und den Besitz vergrößert.

Heute war das Portsmouth Inn eines der luxuriösesten Urlaubsresorts am Ostufer des Lake Michigan. Zwar war es nicht das größte, doch meine Familie hatte sich über drei Generationen einen Namen in Denton gemacht. Ich liebte meine kleine Heimatstadt und das idyllische Haus auf dem Gelände des Resorts, in dem ich aufgewachsen war. Nie hatte ich etwas anderes tun wollen, als das Familienerbe eines Tages zu übernehmen.

Dann hatte ich Timothy in der Highschool kennengelernt und war hin und weg von seinen grandiosen Träumen und seinem sexy Gang. Ich verliebte mich in einen Jungen, der, wie ich gleich nach der Heirat nach dem Collegeabschluss begriff, lediglich ein Träumer war. Timothy stellte sich immer vor, welch unglaubliche Dinge geschehen könnten, aber nachdem er einen Job nach dem anderen verlor und die Zeiten der Arbeitslosigkeit dazwischen immer länger wurden, musste ich einsehen, dass aus ihm nie etwas werden würde.

Er war einfach ein Träumer, kein Macher.

Fünf Jahre lang versuchte ich, meine Ehe am Laufen zu halten, doch dann hatte ich genug. Ich hatte meine eigenen Träume, und darin kam nicht vor, einen unreifen Mann zu unterstützen, der den ganzen Tag herumsaß und auf der Playstation spielte und nur von den Orten auf der Welt träumte, die er einmal bereisen wollte.

Ich stöhnte, nahm einen Stapel Rechnungen zur Hand, die bezahlt werden mussten, und verdrängte die Gedanken an meine gescheiterte Ehe. Doch dann beschloss ich, dass die Rechnungen warten konnten, schob sie zur Seite und überprüfte lieber die Buchungen fürs Wochenende. Sollte sich da ein Fehler eingeschlichen haben, würde ich den ganzen Abend von Telefonanrufen belästigt werden.

Ich arbeitete oft länger und die Arbeit wurde nie weniger, aber der heutige Abend war mir genauso wichtig, und ich wollte nicht gestört werden.

Ich wagte einen Schritt in die Erforschung eines Lebensstils, der mich schon immer neugierig gemacht hatte. Nachdem ich Timothy geheiratet hatte, hatte ich schnell gemerkt, dass ich ihm diesen Teil von mir nicht anvertrauen konnte, also hatte ich ihn verdrängt.

Nach der Scheidung vor einem Jahr hatte ich mich dann in einem Online-Netzwerk namens KinkLife mit Gleichgesinnten getroffen und das Thema recherchiert. Ich suchte jemanden, dem ich mich unterwerfen konnte. Jemanden, der die Kontrolle nach seinen eigenen Wünschen übernahm. Auch außerhalb des Schlafzimmers träumte ich von Unterwerfung. Vor zwei Wochen fand ich endlich einen Master in Grand Rapids und er nahm sogar noch neue Mitglieder in seinem Club auf.

Heute Abend würde ich all meine Fantasien zu sehen bekommen, von denen ich schon als Teenager träumte. Ich würde herausfinden, ob dieser Lebensstil wirklich etwas für mich war oder nichts als eine Fantasie beim Masturbieren. Wieder erbebten meine Innenschenkel und meine Haut rötete sich erregt.

Oh ja, ich wollte es.

Ich konnte es verdammt noch mal kaum erwarten.

Jensen

Obwohl ich immer mehr Anwälte beschäftigte, saß ich vor einem Berg Akten und die Arbeit wurde täglich mehr. Das war der Preis dafür, wenn man eine der erfolgreichsten Anwaltskanzleien in drei Landkreisen führte. Ich konnte mich nicht beschweren, wünschte aber, der Tag hätte mehr Stunden, um alles zu bewältigen. Ich blätterte gerade durch einen Bericht, den ich heute Morgen von meinem Privatdetektiv bekommen hatte, als das Handy klingelte und auf dem Display Dylan angezeigt wurde.

Dylan ignorierte ich nie. „Was ist los, alter Mann?“ Ich grinste. Es ärgerte ihn, wenn ich ihn damit aufzog, dass er bereits graue Haare bekam, obwohl er nur fünf Jahre älter war als ich.

„Ich habe jemanden gefunden, den du kennenlernen solltest. Komm heute Abend in den Club.“

„Du weißt doch, dass ich das nicht tun werde.“ Seit zwei Jahren versuchte Dylan, mich wieder in die Szene zu zerren. „Du weißt, dass ich das nicht kann.“ Ich konnte wirklich nicht. Und würde es auch nicht, obwohl mein Sexleben zwar ausgiebig, aber alles andere als erfüllend war. Was nicht bedeutete, dass ich je wieder die Kontrolle verlieren würde. Meine Muskeln spannten sich an, bis sie brannten. „Ich kann nicht glauben, dass du mich überhaupt darum bittest.“

„Du weißt, dass ich es nicht tun würde, wenn es nicht wichtig wäre.“ Er war ein Master. Er hatte mich betreut und trainiert. Wenn er seine autoritäre Stimme einsetzte, hörte ich ihm zu. „Es kommt eine Neue, und sie ist wie für dich gemacht.“

Das hatte ich einst auch von Courtney gedacht. Aber noch nie hatte ich mich so geirrt. „Dylan …“

„Der Lebensstil ist neu für sie“, fuhr er fort, als hätte er meine wachsende Wut nicht bemerkt. „Sie ist neugierig und absolut hübsch, Jensen. Sie braucht und will dringend jemanden. Mann, wäre ich nicht so begeistert von Gabby, würde ich sie selbst übernehmen. Sie braucht einen starken Meister, einen, der sich im Griff hat. Ich würde sie keinem anderen als dir anvertrauen.“

Verdammter Kerl. Er wusste genau, was er sagen musste. Meine Handfläche brannte bei der Vorstellung, wieder jemanden zu markieren. Es war verdammt lange her. „Du weißt, dass ich draußen bin.“

„Du musst über Courtney wegkommen. Es war nicht deine Schuld, und wenn du mal loslässt, weißt du das auch selbst. Sie war gestört, Jensen. Keiner von uns wusste es oder hätte es ahnen können.“

Bla, bla, bla. Darüber hatten wir schon oft gesprochen. Meine Antwort war immer dieselbe, und da er das wusste, ersparte ich mir eine Wiederholung.

Als ihr Dom war es meine Aufgabe gewesen, es zu wissen. Ich war zu beschäftigt, zu abgelenkt, um die Zeichen zu bemerken. Beziehungsweise, ich hatte sie bemerkt, war aber zu fasziniert von Courtneys Schönheit gewesen, von ihrer Bereitschaft, mir zu gefallen, dass ich sie ignoriert hatte. Darin lag mein Versagen. Ich würde so etwas nie wieder tun. „Vergiss es. Ist sonst noch etwas? Ich muss weiterarbeiten.“

Er fluchte, und dann wurde er noch ernster, doch auch mitfühlend. „Du musst es zumindest in Betracht ziehen, Jensen. Du weißt, dass ich dich nicht zurück ins Luminous holen würde, wenn ich nicht tief in mir wüsste, dass diese Frau für dich bestimmt ist. Ich habe sie gesehen, getroffen und persönlich befragt – was ich dir nur erzähle, damit du siehst, wie ernst es mir ist. Sie ist rein wie frisch gefallener Schnee, Jensen, ich schwöre es dir bei meinem Leben. Fuck, sogar bei Gabbys Leben. So viel würde es mir bedeuten, dass du mir versprichst, wenigstens darüber nachzudenken. Diese Frau hat keinen Mist in der Vergangenheit, der sie von dir abhalten könnte. Sie ist neu, aber sie weiß schon viel und kommt heute Abend für eine Tour vorbei. Sie will einen Meister oder einen Dom kennenlernen, und ich habe ihr gesagt, es wäre ihre Entscheidung, aber ich weiß, dass der Einzige, der mit ihr umgehen und sie zähmen kann, du bist. Bitte sorge nicht dafür, dass ich sie ablehnen muss.“

Sie zähmen. Mit ihr umgehen. Sie kontrollieren. Alles Dinge, nach denen sich meine Seele sehnte. Auch wenn ich nicht sollte oder konnte, alles, was Dylan sagte, erweckte die Neigung in mir, die ich vor zwei Jahren in den Winterschlaf gelegt hatte. Nun reichte er mir den größten Teil von mir selbst zurück. Den Teil, der nach dem Sex mit einer schönen Frau, die ich mehrmals zum Kommen gebracht hatte, ehe ich an mich selbst dachte, das Bett unbefriedigt verließ. Egal wie gut der Sex war und wie aufgeschlossen die Frau war, nie genügte es mir.

Ich musste die Sache schon im Ansatz ersticken. „Ich muss jetzt wirklich wieder an die Arbeit.“ Aber, verdammt noch mal, mein Schwanz war bereits hart bei dem Gedanken an eine Frau, wie Dylan sie beschrieb.

„Denk darüber nach“, befahl er. „Und sei um 22:00 Uhr hier. Ich werde Joe Bescheid sagen, dass du kommst.“

Er legte auf.

Ich warf das Handy auf den Schreibtisch, bedeckte das Gesicht mit den Händen und stöhnte. Verdammt sei Dylan, dass er mich an Courtney und die zwei Jahre, die ich sie gehabt hatte, erinnerte. Sie war nicht nur schön gewesen, sondern auch ausdrucksstark und empfänglich. Ich hatte sie für die perfekte Sub gehalten. Und was war ich doch heftig auf und in ihr gekommen, bei ihrem Geschmack und meinen Markierungen auf ihren Schenkeln und ihrem Hintern.

Obwohl ich immer wieder über die letzten sechs Monate unserer Vereinbarung nachgedacht hatte, verstand ich heute noch nicht, wie alles derartig schiefgehen konnte.

Ich hatte zu viele offene Fragen, zu viele Bedenken.

Dennoch, wider alles besseren Wissens drückte ich auf den Knopf der Sprechanlage und sagte meiner Assistentin Claire, dass sie den heutigen Termin zum Abendessen auf morgen verschieben sollte.

Dominate Me: Erwachen

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