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1 Die neue Welt des frühen 1. Jahrtausends v. Chr.
Оглавлениеca. 12. bis 11. Jahrhundert v. Chr.
Irgendwann in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts v. Chr. schrieben ägyptische Handwerker auf die Wände eines Totentempels im ägyptischen Theben einen anschaulichen Bericht über Katastrophen, welche die Königreiche des östlichen Mittelmeerraums heimsuchten.
Die Fremdländer vollzogen alle zusammen die Trennung von ihren Inseln. Es zogen fort und verstreut sind im Kampfgewühl die Länder auf einen Schlag. Nicht hielt irgendein Land vor ihren Armeen stand; (und die Länder) von Hatti, Kode, Karchemish, Arzawa und Alashiya an waren (nun) entwurzelt auf (einen Schlag).
Inschrift des Ramses III., übers. Noort 1994, 56
Als Ramses III. anordnete, dass dieser Text in seinen Totentempel eingemeißelt werden sollte, wusste er nicht, dass diese Ereignisse den Beginn einer wahren »Krise der alten Ordnung« markieren sollten, welche die Welt zerstören würde, die er und seine Zeitgenossen kannten. In den nächsten zwei Jahrhunderten kam es in ganz Afro-Eurasien zu ähnlichen Umwälzungen. Diese beendeten fast ein halbes Jahrtausend, in dem eine Reihe regionaler Reiche und Königreiche eine prekäre Stabilität über einen Großteil des riesigen Territoriums vom Atlantik bis zum Pazifik aufrechterhalten hatten.
Über die Art und die Ursachen der Krise herrscht in der Forschung keine Einigkeit. Zahlreiche Werke, die Jahrhunderte später geschrieben wurden, darunter Homers Ilias und Odyssee und das große indische Epos Mahabharata, geben vor, Ereignisse aus dieser Zeit zu schildern. Es ist jedoch schwierig, in diesen Werken die Fakten über das späte 2. Jahrtausend v. Chr. von der Fiktion zu trennen. So ist es verständlich, dass Ramses III. den Aspekt der Krise aufgriff, der für seine Zeitgenossen am offensichtlichsten war, um sie zu erklären: die Barbarenwanderung. In den Reliefs, die seine Inschrift begleiten, stellten Ramses’ Künstler ganze Völker in Bewegung dar. Armeen von Kriegern werden gezeigt, begleitet von ihren Familien auf Wagen und ihren Herden. Ramses war nicht der Einzige, der Migrationen als Erklärung für die Veränderungen heranzog, die seine Welt umgestalteten. Auch die alten Griechen erzählten Geschichten über ein Zeitalter der Migrationen nach dem Trojanischen Krieg, ebenso wie die Autoren der Rig-Veda in Indien und die chinesischen Historiker am anderen Ende von Afro-Eurasien.
Die Migrationen waren nicht die Ursache, sondern ein Symptom der Krise. Die zugrunde liegenden Ursachen, die gleichzeitig in ganz Afro-Eurasien Königreiche und Imperien destabilisierten und die Völker an ihrer Peripherie dazu brachten, eine neue Heimat zu suchen, variierten wahrscheinlich von Region zu Region, aber ein übergreifender Faktor zieht immer mehr Aufmerksamkeit auf sich: der Klimawandel (s. bereits Carpenter 1968). Immer mehr Belege deuten darauf hin, dass Afro-Eurasien im späten 2. Jahrtausend v. Chr. in eine Periode erneuter globaler Erwärmung eintrat, die zu einer scharfen Verschiebung der südlichen Grenze der kontinentalen Regengürtel vom Breitengrad der Sahara bis nördlich des Mittelmeers nach Norden führte. Das Ergebnis waren kontinentweite Dürreperioden, welche die Zivilisationen Westasiens mit schweren Hungersnöten heimsuchten und ihre politischen und wirtschaftlichen Systeme untergruben.
Gleichzeitig trieb weiter im Osten das trockene Klima in Zentralasien die Hirtenvölker, deren Bevölkerung unter den günstigeren Bedingungen in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. gewachsen war, dazu, neues Weideland für ihre Tiere in den Territorien der landwirtschaftlich geprägten Staaten zu suchen, die an die Steppen grenzten. Infolgedessen hatten sich zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. die politischen Bedingungen in ganz Afro-Eurasien radikal verändert. Während ähnliche Entwicklungen in der gesamten Region stattfanden, waren die Veränderungen in Westasien und Nordostafrika am dramatischsten.
Abb. 1: Der Angriff der Seevölker auf Ägypten 1186 v. Chr. ist in Reliefs am Totentempel von Ramses III. in Theben dargestellt. Die Szene zeigt kämpfende Krieger in einer Seeschlacht gegen Stämme des Mittelmeers.
Ein Blick auf die politische Karte Westasiens und Nordostafrikas im späten 2. Jahrtausend v. Chr. zeigt eine Fülle kleiner und mittelgroßer Königreiche, Stadtstaaten und halbnomadischer Hirtenvölker, die sich vom Mittelmeer bis tief in den Iran hinein erstreckten. Obwohl sich die Allianzen zwischen diesen Staaten ständig änderten und Kriege an der Tagesordnung waren, erfreute sich die Region als Ganzes fast drei Jahrhunderte lang einer prekären, aber dennoch realen Stabilität und Wohlstands, dank der politischen Ordnung, die von fünf großen Königreichen geschaffen wurde: den Hethitern, Ägypten, Assyrien, Babylon und Elam.
Antike Schiffswracks wie das in Ulu Burun in der Südtürkei entdeckte zeigen, dass diese Königreiche auch Teil komplexer Handelsnetze waren, die Luxusgüter wie Lapislazuli aus Afghanistan, Nilpferd- und Elefantenelfenbein, Straußeneier und Ebenholz aus Ägypten und Nubien sowie Parfüm aus der Ägäis und wichtige Metalle wie Gold aus Ägypten, Kupfer aus Zypern und Silber und Zinn aus Anatolien transportierten. Es war diese riesige und komplexe politische und wirtschaftliche Ordnung, die sich im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr. auflöste.
Die ersten Anzeichen der Krise erschienen im frühen 12. Jahrhundert v. Chr., als die beiden größten Staaten – das Hethitische Reich im Norden und das Ägyptische Reich im Süden – angegriffen wurden. Am stärksten betroffen war das Hethiter-Reich. Als Nachfahren von Menschen, die indoeuropäische Sprachen nutzten, waren die Hethiter über ein Jahrtausend zuvor nach Anatolien gekommen. Mehr als zwei Jahrhunderte lang hatten sie von ihrer Hauptstadt Hattusa (in der Nähe des heutigen Ankara) aus ein mächtiges Reich regiert, das den größten Teil der heutigen Türkei und Syriens umfasste. Zwar war das Reich riesig, doch war es nur lose organisiert und bestand aus einer Vielzahl von regionalen Königreichen, Stadtstaaten und Stammesvölkern. Diese wurden durch ein komplexes System von Vasallenverträgen zusammengehalten, die ihre Verpflichtungen gegenüber dem hethitischen Großkönig festlegten.
Die volle Natur der Bedrohung der Hethiter ist unbekannt, obwohl wahrscheinlich mehrere Faktoren zusammenkamen, um die Situation zu verschlimmern. Wie bereits erwähnt, schienen aus der Ferne barbarische Invasionen die Wurzel des Problems zu sein, und tatsächlich war die Reichshauptstadt Hattusa im Laufe der Jahrhunderte wiederholt von einem Volk namens Kaskas angegriffen worden, das in den Bergen Nordanatoliens lebte. Die hethitischen Quellen erwähnen aber auch Konflikte um die königliche Nachfolge und eine Hungersnot, welche die Regierung durch den Import von Getreide aus Syrien verzweifelt zu lindern versuchte.
Andere Faktoren, etwa Aufstände ihrer Untertanen, könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Sicher ist, dass irgendwann im frühen 12. Jahrhundert v. Chr. während der Herrschaft von Suppiluliama II., dem letzten bekannten hethitischen Großkönig, die Hauptstadt Hattusa niedergebrannt und verlassen wurde. Das Reich brach zusammen und hinterließ in der heutigen Südtürkei und im nördlichen Syrien eine disparate Ansammlung von Kleinkönigreichen und Stadtstaaten, deren Herrscher behaupteten, den Mantel der großen Könige des Hethitischen Reiches geerbt zu haben.
Das Schicksal Ägyptens war ähnlich, aber weniger extrem. Wie die Hethiter hatten auch die Pharaonen des ägyptischen Neuen Reiches in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. ein riesiges Reich errichtet, das sich auf seinem Höhepunkt von Palästina südwärts durch Ägypten über etwa 1500 km vom Mittelmeer bis zum vierten Katarakt des Nils und westwärts über viele 100 km nach Libyen erstreckte. Ebenso wie die Hethiter erlebte Ägypten in diesen Jahrhunderten wiederholte Konflikte um die königliche Nachfolge, Hungersnöte und fremde Invasionen. Wiederum wie bei den Hethitern erreichten diese Probleme einen Höhepunkt im frühen 12. Jahrhundert v. Chr., als Ägypten während der Herrschaft von Ramses III. drei große Angriffe durch Koalitionen ausländischer Invasoren erlitt: einen aus dem Osten durch wandernde Stämme, die man als »Seevölker« bezeichnet, und zwei aus dem Westen, angeführt von den Libyern in Allianz mit verschiedenen Seefahrern.
Im Gegensatz zu den großen Königen der Hethiter gelang es Ramses III. jedoch, die Invasoren zurückzuschlagen. Seine Siege beendeten die Krise nicht, aber sie erkauften dem ägyptischen Reich ein weiteres Jahrhundert der Existenz. Am Ende des Neuen Reiches im Jahre 1069 v. Chr. hatte Ägypten seine imperialen Territorien außerhalb des ägyptischen Heimatlandes verloren. Ironischerweise war der entscheidende Schlag selbstverschuldet: ein Bürgerkrieg, der durch den Versuch von Panehsy, dem Statthalter von Nubien, verursacht wurde, die Kontrolle über Oberägypten zu übernehmen. Obwohl Panehsy nach erbitterten Kämpfen nach Nubien zurückgetrieben wurde, verlor Ägypten sein riesiges nubisches Reich und damit auch den Zugang zu den Luxusprodukten und zum Gold, die Ägyptens Reichtum im 2. Jahrtausend v. Chr. legendär gemacht hatten.
Dennoch überlebte Ägypten, aber nur als sehr geschwächte Regionalmacht. Ein ägyptischer Botschafter namens Wenamun erfuhr, wie tief der Fall Ägyptens seit den glorreichen Tagen des Neuen Reiches drei Jahrhunderte zuvor war, als er versuchte, in Byblos Zedernholz für den Amun-Tempel in Theben zu bekommen. Seine Bitte wurde vom örtlichen Herrscher verächtlich mit der Bemerkung abgewiesen:
Bin ich etwa dein Vasall? Oder bin ich etwa der Vasall dessen, der dich gesandt hat?
Reiseerzählung des Wenamun 2,12–13, übers. Blumenthal 1984, 34;
vgl. Moers 1995, 917
Wie die Natur verabscheut auch die Politik ein Vakuum. Das Verschwinden der ägyptischen und hethitischen Reiche ermutigte ihre östlichen Nachbarn Assyrien und Elam, davon zu träumen, sie zu ersetzen. Assyrien war das erste Reich, das sich bewegte. Nachdem es für einen Großteil des 2. Jahrtausends v. Chr. nur ein unbedeutendes regionales Königreich gewesen war, dessen Territorium sich auf die Stadt Assur im nördlichen Mesopotamien beschränkte, war es ihm im 14. Jahrhundert v. Chr. gelungen, sich trotz Protesten von Babylon und den Hethitern in die Reihen der großen Königreiche zu drängen. Während der nächsten 200 Jahre bauten ehrgeizige assyrische Könige wie Tukulti-Ninurta I. im 13. Jahrhundert v. Chr. und Tiglath-Pileser I. ein Jahrhundert später ein Reich auf, das schließlich Syrien, einen Großteil des südlichen und östlichen Anatoliens und sogar ihren ehemaligen Oberherrn Babylon einschloss. Der Triumph Assyriens war jedoch nur von kurzer Dauer. Invasionen von aramäischen Nomaden aus ihrer Heimat im östlichen Syrien destabilisierten ganz Mesopotamien, bis das Assyrische Reich im frühen 11. Jahrhundert v. Chr. unterging.
Während Assyrien im Norden und Westen besetzt war, bestritt Elam, das bereits den größten Teil des südwestlichen Irans zu einem mächtigen Königreich vereinigt hatte, die assyrische Vorherrschaft in Südmesopotamien. In der Mitte des 12. Jahrhunderts v. Chr. erhob der elamitische König Schutruk-Nahunte Anspruch auf den Thron von Babylon, und als sein Ansinnen zurückgewiesen wurde, eroberte und plünderte er Babylon. Er brachte zahlreiche historische Denkmäler in seine Hauptstadt Susa zurück, darunter die Stele mit dem Gesetzbuch des Hammurabi, die französische Archäologen Anfang des 20. Jahrhunderts dort finden sollten. Die Vormachtstellung Elams erwies sich jedoch als ebenso kurzlebig wie die von Assyrien. Bevor die Elamiten ihren Einfluss im südlichen Mesopotamien festigen konnten, verloren sie die Kontrolle über Babylon an einen rebellischen König namens Nebukadnezar I., dem es gelang, Susa zu plündern und das immer noch fragile elamitische Königreich zu destabilisieren, das irgendwann im frühen 11. Jahrhundert v. Chr. zerfiel.
Das Ergebnis von fast anderthalb Jahrhunderten politischer und militärischer Umwälzungen war eine Situation, die nahezu beispiellos war. Keines der großen Reiche und Großkönigreiche, die den Rahmen für das politische und wirtschaftliche Leben in Westasien gebildet hatten, war zu Beginn des 11. Jahrhunderts v. Chr. noch vorhanden. Die nächsten drei Jahrhunderte waren eine Periode des revolutionären Wandels, deren Geschichte zu schreiben freilich schwierig ist. Schriftliche Quellen im alten Nahen Osten wurden in Perioden politischer und militärischer Expansion produziert, so dass mit dem Zusammenbruch der bronzezeitlichen Reiche auch die uns zugänglichen Textquellen verschwanden. Dasselbe gilt für die archäologischen Zeugnisse, da sowohl Monumentalbau und Kunst als auch der Fernhandel mit Luxusgütern und Metallen aus demselben Grund stark zurückgingen.
Angesichts des Ausmaßes der Veränderungen in der späten Bronzezeit ist es verständlich, dass Zeitgenossen wie Ramses III., der ägyptische Autor der Reiseerzählung des Wenamun und babylonische Autoren von – mit Hiob vergleichbaren – Meditationen über den Platz des Bösen in der Welt und insbesondere von den chaotischen Zuständen der neuen Zeit beeindruckt waren und verzweifelt feststellten:
Unter den Menschen der Welt hielt ich (Um-)Schau, da waren widersprechend die Zeichen: Gott hält nicht versperrt dem Teufel den Pfad.
Babylonische Theodizee 23,243–244, übers. Landsberger 1936, 65
Aus dieser Sicht waren Jahrhunderte der politischen Ordnung, des Wohlstands und stabiler moralischer Werte fast über Nacht durch politische Unordnung, radikale gesellschaftliche Veränderungen und weit verbreitete Armut ersetzt worden. Aus der Perspektive der ehemaligen Untertanen und der Völker jenseits ihrer Grenzen hätte die Situation jedoch ganz anders ausgesehen. So schwierig die Bedingungen auch gewesen sein mögen, der Zusammenbruch der Großmächte eröffnete ihnen eine einzigartige Zeit der Möglichkeiten. Diese dauerte weniger als drei Jahrhunderte, bis das Wiederaufleben Assyriens im 9. Jahrhundert v. Chr. den größten Teil des alten Nahen Ostens erneut der Herrschaft einer imperialen Macht unterwarf. Während jener kurzen, aber außergewöhnlichen Periode bildeten sich jedoch neue Völker und Staaten, darunter die Phönizier, Hebräer, Nubier, Perser und Griechen, die eine grundlegende Rolle in den Ereignissen des folgenden Jahrtausends spielen sollten.
Die weitreichendsten Veränderungen gab es in Anatolien, wo der Zusammenbruch des Hethitischen Reiches seinen bisherigen Untertanen die Möglichkeit eröffnete, ihren Platz an der Sonne zu suchen. Am erfolgreichsten waren die Phryger – möglicherweise Einwanderer aus Südosteuropa –, die ein Königreich errichteten, das den größten Teil des ehemaligen hethitischen Kernlandes in Zentral- und Westanatolien umfasste, das sie von ihrer Hauptstadt Gordion (heute Yassıhüyük, 80 km vor Ankara) aus regierten. Anderswo in West- und Südanatolien und Nordsyrien entstand aus dem Zerfall ehemaliger hethitischer Provinzen eine schwindelerregende Vielfalt an größeren und kleineren Königreichen, Stammesbündnissen und Stadtstaaten. Gleichzeitig ermöglichte der Niedergang von Assyrien und Babylon südöstlich von Anatolien den aramäischen Nomaden, aus der syrischen Heimat auszuwandern und eine Reihe von Kleinkönigreichen in ganz Nordsyrien und Mesopotamien zu gründen, während die Zersplitterung des elamitischen Königreichs es verschiedenen indoeuropäischen Völkern ermöglichte, sich zu etablieren, einschließlich der Meder und Perser, die aus Zentralasien in den Iran eingedrungen waren.
Weniger Probleme bereitet es, die Auswirkungen des Zerfalls des Ägyptischen Reiches auf die Völker Südwestasiens und Nordostafrikas zu verfolgen. Im Gegensatz zur Situation in Anatolien und Mesopotamien sind die Quellen relativ reichhaltig und spiegeln sowohl ägyptische als auch nicht-ägyptische Perspektiven auf den Prozess wider. Ironischerweise ist aber genau dies das Problem, denn für einen großen Teil der Geschichte des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. ist man auf eine einzige nicht-ägyptische Quelle angewiesen, deren Zuverlässigkeit umstritten ist: die Bibel.
Auf den ersten Blick ist dies seltsam, da die historischen Bücher der Bibel von Josua bis zum Zweiten Buch der Könige in für die altorientalische Geschichte einzigartiger Weise eine detaillierte und umfassende Darstellung der Ereignisse in Syrien-Palästina vom 12. bis zum frühen 6. Jahrhundert v. Chr. zu bieten scheinen. Fast zwei Jahrhunderte wissenschaftlicher Untersuchungen haben jedoch ernsthafte Fragen zur Genauigkeit eines Großteils dieser Darstellung aufgeworfen. Die Probleme sind vierfacher Art. Erstens verließen sich die Autoren der biblischen Erzählung auf verlorene Quellen von ungewissem Charakter und Zuverlässigkeit für ihre Darstellung von Ereignissen, die ein halbes Jahrtausend vor ihrer Abfassung in der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. stattfanden. Zweitens fehlen archäologische Bestätigungen für wichtige Aspekte der biblischen Geschichte, wie etwa die hebräische Eroberung von Judäa und das Großreich von David und Salomon. Drittens sind viele Details der Erzählung, etwa die zahlreichen Reden und Dialoge, eindeutig fiktiv. Viertens ist die Interpretation der Ereignisse in der biblischen Erzählung ernsthaft anachronistisch, da sie die religiösen Vorstellungen der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. widerspiegelt, nicht der Zeit von dessen Beginn.
Man hat daher gelernt, bei der Verwendung der biblischen Darstellung von Ereignissen in der frühen Eisenzeit Vorsicht walten zu lassen und zu akzeptieren, dass einige der bekanntesten Geschichten der Bibel, einschließlich vieler Details der hebräischen Eroberung von Judäa und der Herrschaft von David und Salomon, möglicherweise nicht historisch sind. Dennoch ergibt sich, wenn die biblischen Erzählungen im Licht ägyptischer und assyrischer Texte und archäologischer Belege interpretiert werden, ein relativ klares Bild der Bedingungen in Syrien-Palästina zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. Es fällt auf, dass der ägyptische Einfluss in Syrien-Palästina, abgesehen von seltenen Einfällen wie dem Feldzug des Pharaos Scheschonq I. im späten 10. Jahrhundert v. Chr., vollständig verschwunden war, wodurch Ägyptens ehemalige kanaanitische Untertanen befreit wurden.
Während des Neuen Reiches hatte Ägyptens Reich in Kanaan aus einer Reihe von Stadtstaaten und Kleinkönigreichen bestanden, die von Klientelkönigen regiert und durch Festungen und Garnisonen an strategischen Punkten verstärkt wurden. Mit dem Zusammenbruch des Ägyptischen Reiches erlangten all diese Staaten ihre Unabhängigkeit zurück. Von allen ehemaligen asiatischen Untertanen Ägyptens waren es jedoch die Hafenstädte, welche die Küste zwischen Tyros im Süden (heute Sur im Libanon) und Arados (Aruad vor der Küste Syriens) im Norden also die von den Griechen später Phönizien genannte Region innehatten, die aus der Krise der späten Bronzezeit mit dem geringsten Schaden hervorgingen und die kanaanitischen Traditionen bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. fortführten.
Die Erfahrung der fünf weiter südlich gelegenen Städte im heutigen Israel von Aschdod bis Gaza war weniger glücklich. Archäologische Belege zeigen einen radikalen Wandel in ihrer materiellen Kultur zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr., zur gleichen Zeit, als die Bibel sie als nicht von Kanaanitern, sondern von einem neuen Volk, den Philistern, beherrscht darstellt. Deren Identität ist unklar, aber meist identifiziert man sie mit den Peleset, einer der verschiedenen Gruppen von Räubern, welche die Ägypter als »Seevölker« bezeichneten, und man betrachtet sie als Einwanderer aus der Ägäis aufgrund der engen Beziehung zwischen verschiedenen Aspekten der materiellen Kultur der Philister-Städte und der späten mykenischen Kultur, insbesondere ihrer Architektur und der reichlich vorhandenen bemalten Keramik.
Währenddessen entstanden im Inneren des heutigen Israels und Jordaniens unter dem Druck der Philister-Städte neue Staaten, die versuchten, ihren Einfluss ins Landesinnere auszudehnen, um die arabischen und mesopotamischen Handelswege zu schützen, von denen ihr Wohlstand abhing. Im 10. Jahrhundert v. Chr. hatten sich die beiden Königreiche Israel und Juda um die Städte Samaria und Jerusalem im israelischen Hügelland gebildet, während jenseits des Jordans das Königreich Moab entstanden war. Komplizierter waren jedoch die Auswirkungen auf Ägypten selbst und seine Nachbarn in Nordostafrika.
Ägypten ging aus dem Zusammenbruch seines Reiches verarmt, geteilt und zum ersten Mal seit über einem halben Jahrtausend als einer Fremdherrschaft unterstehend hervor. Die Pharaonen des späten Neuen Reiches hatten die Ansiedlung von Libyern in Ägypten und die Rekrutierung von Libyern in die ägyptische Armee gefördert. Die Zunahme ihrer Zahl führte jedoch zu einem Ende des Machtgleichgewichts in Ägypten zu Ungunsten der einheimischen ägyptischen Bevölkerung. Im 10. Jahrhundert v. Chr. dominierten vielmehr Libyer die ägyptische Armee und besetzten die höchsten Positionen in der Regierung. Schließlich bestieg im Jahr 945 v. Chr. ein libyscher Häuptling namens Scheschonq den Thron, gründete die 22. Dynastie und eröffnete eine Periode von mehr als zwei Jahrhunderten libyscher Herrschaft in Ägypten.
Obwohl libysche Häuptlinge in Ägypten als Pharaonen anerkannt wurden, widersetzten sie sich der vollständigen Integration in die ägyptische Gesellschaft, was sich darin zeigte, dass sie ihre nicht-ägyptischen Namen und Stammestitel beibehielten, Entscheidungen bevorzugt den Orakeln zur Genehmigung vorlegten und, was am wichtigsten war, Regierungsämter mit befreundeten Verwandten besetzten, die bald vererbbar wurden. Schwindende königliche Macht und zunehmende politische Zersplitterung waren die unvermeidlichen Folgen, bis im späten 8. Jahrhundert v. Chr. Ägypten in mindestens zehn separate politische Einheiten aufgeteilt war, von denen vier von libyschen Häuptlingen regiert wurden, die freilich jeweils den Anspruch erhoben, Pharao zu sein.
Wie in Syrien-Palästina schuf ein geteiltes und geschwächtes Ägypten auch in Nubien Möglichkeiten für seine ehemaligen Untertanen. Ägypten hatte sein nubisches Reich während des Neuen Reiches regiert, indem es sich auf lokale Führer im zentralen Sudan verließ, die in das System kooptiert worden waren. Das Ende der ägyptischen Herrschaft machte sie frei, ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Auch wenn die Details verloren sind, haben US-amerikanische Ausgrabungen des königlichen Friedhofs in el-Kurru in der Nähe des vierten Katarakts des Nils die allmähliche Umwandlung einer Reihe regionaler Häuptlinge in Könige dokumentiert, die das gesamte obere Niltal im ägyptischen Stil regierten. Der Prozess begann im frühen 9. Jahrhundert v. Chr. mit Bestattungen in großen Hügelgräbern (Tumulus-Gräbern) im nubischen Stil und endete im späten 8. Jahrhundert v. Chr. mit Bestattungen im ägyptischen Stil in Pyramiden.
Das nubische Königreich war riesig und komplex und erstreckte sich vom ersten Katarakt des Nils im Norden bis irgendwo südlich des fünften Katarakts. Der Großteil seiner Bevölkerung waren Bauern, die in Dörfern am Nil lebten; in der östlichen Wüste zwischen dem Fluss und dem Roten Meer lebten Stämme von Viehzüchtern, die mit ihren Herden umherzogen und die Autorität der Könige von Kusch anerkannten. Die Wirtschaft des Königreichs beruhte auf landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die durch verschiedene Produkte aus dem afrikanischen Hinterland ergänzt wurden, darunter Elfenbein, Ebenholz, Tiere und deren Häute sowie Sklaven und Gold aus der östlichen Wüste.
Die Verwaltung konzentrierte sich auf eine Reihe von Städten, die um Tempel im ägyptischen Stil zwischen dem dritten und fünften Katarakt des Nils erbaut wurden. Die wichtigste Stadt war Napata, von der traditionell angenommen wurde, dass sie die südliche Heimat des thebanischen Himmelsgottes Amun und der Ort der Krönung des Königs war. An der Spitze des Systems stand der König; er wurde aus einer Gruppe potenzieller Erben ausgewählt, deren Mütter zu einer privilegierten Klasse von Hofdamen gehörten, die den Titel der Königsschwester trugen, und man glaubte, dass er als Auserwählter des Amun regierte.
Die Auswirkungen der Krise machten nicht an den westasiatischen und nordafrikanischen Ufern des Mittelmeers halt, sondern erstreckten sich westwärts bis zur südlichen Balkanhalbinsel. Hier hatte eine indoeuropäische Kriegerelite, die eine frühe Form des Griechischen sprach, eine Reihe kleiner, bürokratisch verwalteter Königreiche gegründet, die auf Bergfestungen zentriert waren; diese waren die Heimat einer eleganten, von der Zivilisation des minoischen Kretas beeinflussten Kultur, die man als mykenische Zivilisation bezeichnet. Vom 15. bis zum späten 13. Jahrhundert v. Chr. waren mykenische Krieger, Handwerker und Händler von Anatolien und Syrien-Palästina im Osten und Ägypten im Süden bis nach Sizilien und Süditalien im Westen allgegenwärtig, und dann schlug die Katastrophe zu.
Unsere einzigen zeitgenössischen Quellen sind Tontafeln, die administrative Aufzeichnungen enthalten, welche in einer frühen Form des Griechischen in einer Silbenschrift namens Linear B geschrieben sind. Sie geben keinen Hinweis auf eine bevorstehende Krise bis zum Moment der Zerstörung der Festungen, aber die Ereignisse sind offenkundig: Zwischen 1200 und 1100 v. Chr. wurden alle Festungen niedergebrannt und verlassen, und mit ihnen verschwanden alle Spuren der Zivilisation, in der sie beheimatet waren, einschließlich der Kenntnisse der Schrift, der Freskenmalerei und der luxuriösen Metallbearbeitung. Einige mykenische Griechen mögen geflohen sein und sich den Seefahrern angeschlossen haben, während andere sich auf Zypern und in den Küstenstädten des südlichen Palästinas niederließen (jedenfalls sofern die Philister richtig als ägäische Flüchtlinge identifiziert werden können). Zu Hause jedoch war jede Spur der mykenischen Zivilisation zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. verschwunden. Kaum ein Drittel der Bevölkerung, die zwei Jahrhunderte zuvor in Griechenland gelebt hatte, überlebte und siedelte in winzigen Dörfern, die nur von Mythen und Legenden umgeben waren, um die Ruinen vergangener Größe zu erklären.
Der Kontakt zwischen den Zivilisationen Westasiens und den Völkern des zentralen und westlichen Mittelmeers und Kontinentaleuropas war immer begrenzt gewesen, daher gibt es nur wenige Spuren der mykenischen Krise nördlich und westlich von Griechenland. Stattdessen waren das späte 2. Jahrtausend v. Chr. und das frühe 1. Jahrtausend v. Chr. Jahrhunderte mit bemerkenswertem Wachstum. Die gleichen klimatischen Veränderungen, die Ägypten und Westasien Hungersnöte und wirtschaftlichen Niedergang brachten, trieben die landwirtschaftliche Expansion und das Bevölkerungswachstum in Mittel- und Westeuropa voran. Die Bronzemetallurgie nahm an Umfang und Qualität zu und produzierte eine Vielzahl von Werkzeugen, Gefäßen und vor allem Waffen für eine neue Kriegerelite, welche die schnell wachsende Anzahl von landwirtschaftlichen Dörfern von Hügelfestungen aus regierte, die zum ersten Mal in der gesamten Region erschienen.
Zwar sind die Belege für die Verhältnisse südlich des Mittelmeers in Afrika viel stärker begrenzt, doch deutet das Wenige, das erhalten ist, auf eine ähnliche Entstehung von Kriegereliten hin, die wohl einheimische Imazighen (»Berber«) waren; sie nutzten die Verbreitung des Pferdes und des Streitwagens aus Ägypten, um die Kontrolle über die landwirtschaftlichen und pastoralen Bevölkerungen, die das westliche Nordafrika und die zentrale Sahara bewohnten, zu etablieren. Weiter westlich, im südlichen Mauretanien, führten die klimatischen Veränderungen des späten 2. Jahrtausends v. Chr. jedoch zu feuchteren Bedingungen, die das Auftreten der Titchitt-Tradition begünstigten, der ersten proto-urbanen Kultur in Afrika südlich der Sahara, die auf gemischter Landwirtschaft beruhte und von weitgehend aus unvermörtelten Legesteinen gebauten Dörfern charakterisiert war.
Weitreichende Veränderungen traten auch in Süd- und Ostasien am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. auf. Die Art der Belege für diese Entwicklungen variiert jedoch je nach den Kulturen der Regionen. In Indien sind die wichtigsten schriftlichen Quellen, die uns zur Verfügung stehen, das große Korpus von Hymnen an die Götter und rituelle Texte, die als Veden bekannt sind. Sie spiegeln die priesterliche Herkunft der meisten Schriftsteller und Gelehrten wider, sind schwer zu datieren und enthalten nur wenige explizite Hinweise auf zeitgenössische Ereignisse. Archäologische Belege sind aufgrund der Verwendung von nicht haltbaren Materialien in Südasien begrenzt. Im Gegensatz dazu sind historische Quellen für Ereignisse in Ostasien recht reichhaltig, obwohl sie meist aus dem späten 1. Jahrtausend v. Chr. stammen. Dank der zentralen Bedeutung des Ahnenkults in der chinesischen Kultur ist eine Fülle von Grabbeigaben erhalten, und die Archäologie beginnt gerade erst, diesen Reichtum zu erschließen und die Umrisse der wichtigsten Entwicklungen zu klären.
Im Gegensatz zur Situation in Westasien und Nordostafrika waren die veränderten Bedingungen des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. in Südasien nicht das Ergebnis einer kurzen Krise, sondern der Höhepunkt von Entwicklungen, die ein halbes Jahrtausend zuvor mit dem Zusammenbruch der Indus-Tal-Zivilisation begonnen hatten. Früher erklärte man diese Ereignisse als das Ergebnis »arischer Invasionen«, dem Einbruch von Horden Indoeuropäisch sprechender Viehhirten in Indien, die von wilden Wagenkriegern aus Zentralasien angeführt wurden; man nahm an, dass sie die Indus-Tal-Zivilisation und ihre streng geplanten Städte zerstörten und die dunkelhäutigen Überlebenden eroberten, die sie entweder unterwarfen oder in den südlichen Teil des Subkontinents vertrieben.
Archäologische und linguistische Zeugnisse legen heute jedoch eine weniger dramatische Erklärung für die indoeuropäische Präsenz in Südasien nahe. Ausgrabungen im Indus-Tal haben keine Hinweise auf eine gewaltsame Eroberung ergeben, was wahrscheinlich macht, dass die Indus-Tal-Zivilisation bereits zusammengebrochen war, als die Indoeuropäer nach Indien kamen. Darüber hinaus deutet die enge sprachliche Verwandtschaft zwischen dem Sanskrit der Veden und dem Avestischen, der frühesten bekannten iranischen Sprache, darauf hin, dass die Indoeuropäer nicht alle auf einmal nach Indien kamen, sondern allmählich über einen Zeitraum von Jahrhunderten, wobei einige Gruppen bis in das späte 2. Jahrtausend v. Chr. in Zentralasien in der Nähe der frühen iranischen Bevölkerung blieben. Schließlich weisen die Veden und mündliche Überlieferungen, die dem Mahabharata zugrunde liegen, auf Konflikte zwischen verschiedenen indoeuropäischen Gruppen sowie mit der indischen Urbevölkerung hin. Tatsächlich nutzten wohl kleine Gruppen von Indoeuropäern, die durch die sich verschlechternden klimatischen Bedingungen in Zentralasien gedrängt wurden, das Vakuum, das durch den Zusammenbruch der Indus-Tal-Zivilisation entstand, um auf der Suche nach neuem Weideland für ihre Herden allmählich in den Nordwesten Indiens einzudringen und dabei neue Gesellschaften zu gründen.
Nach den in der Rig-Veda erhaltenen Hymnen waren diese Gesellschaften nach dem Varna-System organisiert, das zu Beginn der Zeit etabliert wurde. Vier Kasten der Menschheit wurden ins Leben gerufen: Brahmanen als Ritualspezialisten, Kshatriyas oder Rajanyas als Krieger, Vaishyas als Hirten und Händler und Shudras als Diener, die den ersten drei Varnas dienen mussten. Die Götter schufen sie aus den Teilen des geopferten Körpers des Riesen Puruşa:
Sein Mund ward zum Brahmanen, seine beiden Arme wurden zum Rajanya gemacht, seine beiden Schenkel zum Vaishya, aus seinen Füßen entstand der Shudra.
Rig-Veda 10,90 [916], 12, übers. Geldner 1951, 288
Der Prozess der indoeuropäischen Besiedlung Indiens erstreckte sich über Jahrhunderte und führte zur Entstehung zahlreicher Häuptlingstümer, die von Kshatriya-Kriegereliten in Allianz mit Brahmanen-Ritualspezialisten regiert wurden. Deren Fachwissen wurde für die Opferungen benötigt, die das öffentliche Gesicht der Kshatriya-Herrschaft waren. Zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. hatte die Expansion der Indoeuropäer sie ostwärts vom Punjab über Nordindien bis zum Tal des Ganges geführt. Hinweise in den Veden und den Epen auf Konflikte zwischen indoeuropäischen Häuptlingstümern sowie mit einheimischen Gruppen deuten darauf hin, dass ihr Vormarsch nicht frei von Konflikten war.
Das Ergebnis war jedoch nicht die Etablierung von Gesellschaften, die durch eine scharfe Trennung zwischen indoeuropäischen Herrschern und einheimischen Untertanen gekennzeichnet waren, wie es die These »arischer« Invasionen annimmt. Stattdessen fand, wie der nicht-indoeuropäische Charakter des Sanskrit-Vokabulars für Landwirtschaft und viele Handwerke andeutet, eine Verschmelzung der beiden Völker statt; so wandelten sich die Indoeuropäer allmählich von vorwiegend Viehzüchtern zu Ackerbauern und legten damit den Grundstein für die Entstehung der ersten staatlich organisierten Gesellschaften in Indien seit dem Verschwinden der Indus-Tal-Zivilisation über fünf Jahrhunderte zuvor.
Mehr noch als die Geschichte Südasiens ist die Geschichte Ostasiens in der späten Bronzezeit noch nicht sehr gut erforscht, wobei jede archäologische Entdeckung das Potenzial hat, grundlegende Aspekte unseres Verständnisses dieser Geschichte zu verändern. Die ältere chinesische Geschichtsschreibung gab an, dass im 2. Jahrtausend v. Chr. zwei Dynastien in Nordchina regierten: die Xia und die Shang, von denen die größere die Shang war. Bevor man im 20. Jahrhundert die Bedeutung von beschrifteten Schildkrötenpanzern erkannte, die in chinesischen Apotheken als Amulette verkauft wurden, und 1928 die spektakuläre Entdeckung von Anyang, der letzten Shang-Hauptstadt, mit ihren riesigen Palästen, Tempeln und Königsgräbern machte, behandelte man die Shang-Dynastie als mythisch. Diese Entdeckungen brachten dann die Shang in die Geschichte.
Die Orakelknochen waren Aufzeichnungen von Konsultationen der Götter durch die Shang-Könige. Die Wahrsagung mit ihnen beinhaltete die Anwendung von Hitze auf einen Schildkrötenpanzer oder einen Rinderknochen und das Ablesen der Antwort auf eine Frage in dem Muster der entstehenden Risse. Ein Beispiel ist ein Orakelknochen, der sich mit der Geburt eines Kindes für eine königliche Dame namens Hao befasst:
Bei der Herstellung von Rissen am jiashen (21. Tag) hat Que geweissagt: ›Die Dame Hao wird ein Kind gebären und es wird vielleicht nicht gut sein.‹ Nach 31 Tagen, am jiayin (51. Tag), brachte sie das Kind zur Welt. Es war wirklich nicht gut. Es war ein Mädchen.
Orakelknochen, übers. n. Keightley 2000, 3–4; vgl. Hansen 2000, 27
Die Zehntausende solcher Orakelknochen, die entdeckt wurden, zeigen, dass ein Großteil der späteren chinesischen Kultur einschließlich des Schriftsystems und, wie das Orakel für Hao zeigt, die Vorliebe für männliche Kinder bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. voll entwickelt waren.
Die Orakelknochen beleuchten auch das Wesen und die Geschichte des Shang-Staates. Obwohl die spätere chinesische Tradition die Shang-Dynastie als die Herrscher Nordchinas ansah, offenbaren die Orakelknochen eine komplexere Situation: Sie zeigen, dass die Shang zwar direkt ein recht kleines Territorium in der Wasserscheide des Huang He (Gelben Flusses) beherrschten, ihr Reich aber das Zentrum eines lose organisierten Netzwerks von mehr als 30 Staaten war. Diese wurden von aristokratischen Kriegerhäuptlingen regiert, die mit den Shang-Herrschern durch angebliche verwandtschaftliche Bande verbunden waren. Diese Unterkönige bekräftigten ihre Unterwerfung unter ihre Shang-Oberherren, indem sie Tribut zahlten, darunter Schildkrötenpanzer und Rinderknochen für die Wahrsagung und Kriegsgefangene für die Menschenopfer, von denen man glaubte, dass sie notwendig waren, um tote Shang-Könige nach dem Tod zu versorgen. Die Hauptquelle für solche Gefangenen waren Völker, die außerhalb des Shang-Tributnetzwerks lebten.
Abb. 2: Orakelknochen wie dieser beschriftete Schildkrötenpanzer sind primäre Quellen für die Geschichte von Shang-China. Ein Wahrsager stellte im Auftrag des Shang-Königs eine Frage, indem er einen heißen Stab auf eine im Panzer gemachte Grube legte und die durch die Hitze verursachten Risse deutete. Die Frage und ihre Antwort wurden dann auf den Schildkrötenpanzern eingeschrieben, die in den Regierungsarchiven aufbewahrt wurden.
Besonders wichtig waren nomadische Völker, die durch die sich verschlechternden Bedingungen in Zentralasien in das Tal des Huang He (Gelben Flusses) gedrängt wurden; sie führten um 1200 v. Chr. das Pferd und den Streitwagen bei den Shang ein und ihre bemerkenswerten kaukasischen Mumien wurden nordwestlich der chinesischen Grenze im Tarim-Becken entdeckt. Die Orakelknochen zeigen jedoch auch, dass der Shang-Staat ab dem frühen 13. Jahrhundert v. Chr. in eine Periode des Niedergangs eintrat, in der sein Heimatgebiet und die Zahl seiner Nebenstaaten schrumpfte; einer dieser abtrünnigen Nebenstaaten, die Westlichen Zhou, besiegten die Shang 1045 v. Chr. entscheidend und lösten sie als überragende Macht in Nordchina ab.
Um etwa 1000 v. Chr. waren die Umwälzungen der späten Bronzezeit vorbei. Die klimatischen Bedingungen hatten angefangen, sich zu verbessern, und die Bevölkerung hatte in ganz Afro-Eurasien wieder zu wachsen begonnen. Neue Staaten hatten sich gebildet und Innovationen in der politischen Organisation, im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben und in der Technologie hatten stattgefunden, die für den Rest des Zeitraums, der in diesem Buch behandelt wird, grundlegend bleiben sollten. Der Prozess verlief jedoch nicht friedlich. Hinweise auf Konflikte sind in der Literatur des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. reichlich vorhanden. Dennoch erkannten spätere Generationen die Bedeutung dieser Entwicklungen und blickten auf diese Periode als eine Zeit zurück, in der Modelle für ideales Verhalten und Werte zu finden waren.