Читать книгу Tamiehland - Stefan Häring - Страница 3
Einführung
ОглавлениеEs war zu der Zeit, als es noch Feen, Zauberer und Wunder auf dieser Erde gab. Ein zwölfjähriger Junge, mit dem Namen Firah, verließ sein Heimatdorf Nesse, um zur Burg des Herrschers von Tamiehland zu gehen. Dort wollte er auf dem Markt, der täglich auf dem Innenhof der Burg stattfand, ein paar seidene Rosen für seine Mutter erwerben. Sie hatte am nächsten Tag Geburtstag und liebte diese Art von Blumen über alles, da sie ewig hielten und nie verwelkten. Er hätte sie auch in seinem Dorf bekommen können, aber auf der Burg war die Auswahl größer und außerdem waren sie dort auch billiger. Er hatte nur fünf Leks (Währung in Tamiehland), die er sich in den letzten Wochen durch harte Arbeit in der Nachbarschaft verdient hatte. Natürlich wollte er soviel wie möglich für sein Geld bekommen und so machte es ihm auch nichts aus, wenn er pro Strecke drei Stunden laufen musste. Gemächlichen Schrittes ging er den ungepflasterten Weg, der sein Dorf mit der Burg verband. Erst nachdem er den Wald, durch den ihn der Weg führte, verließ, fiel ihm auf, das heute kaum jemand auf dem Weg zur Burg war, auch kam ihm fast niemand entgegen. Schon bald konnte er die Burg in der Ferne erblicken und als er noch knapp fünfhundert Meter bis zur Zugbrücke zurückzulegen hatte, erblickte er die Wachen. Sie kontrollierten alle Leute, die in die Burg rein oder raus wollten. Das war weiter nichts ungewöhnliches, man wurde immer kontrolliert, aber noch nie hatte er so viele Soldaten vor dem Burgtor gesehen. Er dachte noch über die möglichen Gründe dieses starken Aufgebotes nach, da kamen ihm zwei Frauen entgegen. Sie waren unauffällig gekleidet und trugen einige Waren, die sie sicher auf dem Markt erstanden hatten, bei sich. Die eine hatte ein türkisfarbenes Kleid und langes, schwarzes Haar, welches nach hinten zu einem Zopf gebunden war. In einer Basttasche trug sie einige Früchte, mit der anderen Hand hielt sie einen wunderschönen Strauß Margeriten. Der Körper der neben ihr laufenden Frau war mit einem rotgrünem Kleid bedeckt. Sie schien etwas jünger als ihr Weggenossin zu sein und hatte ebenfalls eine Basttasche in der Hand, deren Inhalt Firah aber nicht erkennen konnte. Er konnte nicht umhin, einen Teil ihrer Unterhaltung mit anzuhören. Was aber einige Fragen, die er wegen der Soldaten hatte, beantwortete.
"Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich heute nicht auf den Markt gegangen", sagte die Frau, die die Blumen trug. "Ich wäre im Dorf geblieben und erst nächste Woche gegangen, wenn sie den Übeltäter gefasst haben."
"Aber du weißt doch nicht, was letzte Nacht genau passiert ist", gab die andere zurück. "Es sind doch alles nur Vermutungen, was wir gehört haben. Niemand kennt bisher die genaue Uhrzeit oder die genaue Täterzahl. Vielleicht weiß man bei unserem nächsten Besuch...."
Mehr konnte Firah nicht verstehen, da die beiden Frauen aus seiner Hörweite verschwunden waren. Er überlegte von neuem, was dort wohl passiert sein könnte, was dieses Aufgebot von Soldaten rechtfertigte. Mord, Ausbruch von Gefangenen oder ähnliches kam ihm in den Sinn. Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als er nach vier Minuten am Burgtor ankam und von einem Soldaten angesprochen wurde.
"Was willst du hier auf der Burg?" fragte er und ohne auf eine Antwort zu warten, führ er fort. "Wie heißt du? Wo kommst du her?"
Während Firah antwortete, sahen ihn der Soldat und zwei seiner Kameraden gespannt an. Sie hatten ihre allseitsbekannten blauen Uniformen an und auch ihre metallenen Helme hatten sie auf ihrem Häuptern. Jederzeit waren sie bereit ihre Langsäbel zu ziehen und Firah zu verhaften. In ihren durch die Helme schattigen Gesichtern konnte man ihre Entschlossenheit erkennen, mit welcher sie ihren Auftrag erfüllen würden.
"Ich heiße Firah und komme aus dem Dorf Nesse. Ich möchte auf dem Markt ein paar besondere Blumen für meine Mutter kaufen. Sie wird morgen vierzig und ich möchte ihr eine Freude damit machen.
„Na gut, du kannst passieren. Lass dir aber von mir folgendes sagen: Gestern sind unserem Herrscher Kasmir alle Schätze gestohlen worden. Niemand weiß wo sie sind und wer es getan hat. Solltest du etwas Verdächtiges hören oder sehen, melde es uns sofort. Kasmir hat den zehnten Teil des Schatzes als Belohnung festgesetzt. Es lohnt sich also seine Ohren und Augen offen zu halten und alles noch so unwichtig scheinende umgehend zu melden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Schatz schon aus der Burg geschafft wurde. Nun geh deines Weges und gedenke meiner Worte."
Firah verabschiedete sich und beteuerte, er würde im Falle, ihm käme etwas zu Ohren, es sofort melden. So durchschritt er den Torbogen und nach zwanzig Metern erblickte er hinter einem Vorsprung zwei merkwürdige Gestalten. Ihre Körper sahen völlig gleich aus, auch in ihren Gesichtern war kein Unterschied zu erkennen. Firah schätzte ihr Alter auf über hundert, wenn nicht sogar noch älter. Auch ihre Kleidung war identisch, nur in der Farbe unterschieden sie sich. Von dem einen war alles rot und von dem anderen war alles grün. Firah hatte noch nie solch einen Stoff gesehen, durch die Farben, schimmerte es golden und es kam ihm so vor, als wenn sie nicht auf dem Boden stehen würden. Wenige Millimeter über den Boden schienen sie zu schweben.
"Sehr merkwürdige Gestalten", dachte Firah bei sich und setzte seinen Weg ohne anzuhalten fort. Doch im nächsten Augenblick sprach einer von ihnen ihn an.
"Hallo, Firah. Komm doch bitte mal zu uns herüber. Wir müssen mit dir reden."
Völlig erschrocken verharrte er in seinem Schritt und schaute die zwei Gestalten nun noch genauer an. Zuerst wollte er zurückweichen, doch dann spürte er, dass ihm von ihnen keine Gefahr ausging. Ihm war es aber unerklärlich, woher dieses Sicherheitsgefühl kam. Noch nicht einmal vor fünf Minuten, wurde er gewarnt, er solle auf der Hut sein und nun diese Begegnung. Und als wenn er von ihnen magisch angezogen würde, bewegte er sich zu ihnen hin.
"Woher kennt ihr meinen Namen?" fragte er sie, als er kurz vor ihnen angehalten hatte. "Wer seit ihr, dass ihr mit mir reden wollt? Was wollt ihr von mir? Ich kenne euch nicht und habe euch nie zuvor gesehen."
Bevor einer von ihnen antwortete, hob der Rotgekleidete seine linke Hand und gleich darauf ertönte hinter Firah ein seltsames Geräusch, als wenn jemand einen Vorhang zuziehen würde. Er drehte sich um und sah tatsächlich einen Vorhang, der genauso aussah wie die Mauer rings um sie herum. Er schirmte sie in Richtung Burgdurchgang ab, auch konnte er keinerlei Stimmen von der anderen Seite des Vorhanges mehr vernehmen. Die Drei waren nun von dem Leben auf der Burg isoliert, als wenn es nur noch sie drei geben würde. Mit einem Male verspürte er ein kleines Angstgefühl in sich aufsteigen und er wollte versuchen wegzurennen, als ihm der Rotgekleidete auf die Schulter fasste. Durch diese Berührung wurde ihm auf unerklärliche Weise jedes Angstgefühl genommen und er fühlte sich wieder sicher.
"Bleib, Firah", sagte die zur Hand gehörende Stimme. "Wir werden dir nichts tun. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben." Und nachdem sich Firah wieder zu ihnen umgedreht hatte, fuhr er fort. "Mein Name ist Schamir und das ist Schimar. Wir sind die Getreuen von Ramsus, den wahren Herrscher von Tamiehland."
"Ich kenne keinen Ramsus", unterbrach ihn Firah. "Wie kann ich euch glauben, wenn ihr mir von einem Herrscher erzählt, den es gar nicht gibt. Hier in Tamiehland regiert schon solange ich denken kann Kasmir, auf dessen Burg wir uns befinden. "Er drehte sich wieder zum Vorhang und wollte sich gerade losreißen, als er hinter sich wiederum ein für ihn seltsames Geräusch hörte. Vorsichtig drehte er seinen Kopf zurück und die beiden hatten plötzlich nicht mehr ihre roten und grünen Kleider an, sondern war nun der eine in weiß und der andere in schwarz gekleidet.
"Was sind hier für Mächte am Werk?" dachte er bei
sich. Bisher hatte er so etwas nur aus den
Märchenerzählungen von seiner Mutter gehört. Aber nun erlebte er es mit seinen eigenen Augen und er wollte schon losbrüllen, als wiederum Schamir das
Wort ergriff.
"Nun lauf nicht gleich weg, bevor wir dir nicht alles erzählt haben. Wir geben dir auf alle Fragen eine Antwort, wenn es in unserer Macht steht. Solltest du uns dann immer noch glauben, werden wir dich um deine Hilfe bitten. Ob du sie uns dann gewährst, ist dann ganz alleine deine Entscheidung." Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. "Wir beide sind schon seit ewigen Zeiten die Beschützer der rechtmäßigen Herrscher deines Heimatlandes. Der jetzige Herrscher, Kasmir der Reiche, hat vor einigen Jahren, durch eine hinterlistige Intrige, die Macht unrechtmäßig an sich gerissen. Wir sind ihm erst vor ein paar Wochen auf die Schliche gekommen. Da er alles gut geplant und noch besser vertuscht hatte, hat er sogar uns beide täuschen können. Das ihm das gelungen ist, macht uns noch immer sehr zu schaffen. Wenn wir bedenken, dass wir ihn in den letzten Jahren immer wieder vor Unheil bewahrt haben, sollten wir eigentlich nicht mehr hier sein. Doch nun haben wir die einmalige Chance alles wieder gut zu machen. Wir fragen uns auch immer wieder, warum wir nicht schon eher misstrauisch geworden sind, aber sicher waren wir viel zu gutgläubig." Wiederum schwieg er einige Sekunden und setzte dann mit etwas mehr Kraft in seiner Stimme fort. "Wir sind, wie ich schon sagte, die Berater des jeweiligen Herrschers, ohne das derjenige von unserer Existenz weiß. Doch nun haben wir erfahren, das Kasmir ein Betrüger ist und der wahre Herrscher noch lebt. Unsere Aufgabe ist es nun, ihn aus seinem Gefängnis zu befreien, auch wenn es ihm nicht so vorkommt. Zuerst müssen wir ihn finden und dann muss er behutsam auf seine Aufgaben vorbereitet werden. Und hier kommst du nun ins Spiel, Firah. Du bist der Auserwählte, der uns dabei helfen kann. Du kannst frei entscheiden, ob du es willst oder nicht. Niemand wird dir böse sein. Solltest du dich jedoch dagegen entscheiden, kannst du gehen und alles was du hier gehört und gesehen hast, wirst du vergessen. Es bleibt alles wie es ist."
Firah war sich noch immer nicht sicher, ob er das alles nur träumte. Es hörte sich so phantastisch an, was die beiden ihm erzählt hatten. Nachdem er alles so einigermaßen begriffen hatte, schaute er ihnen nacheinander in die Gesichter, senkte anschließend seinen Kopf. Nach einer weiteren Pause fand er seine Stimme wieder und begann zu reden.
"Ich bin gerade einmal zwölf Jahre, was kann ich schon machen? Außerdem hört sich das ziemlich verrückt an, was ihr mir da gerade erzählt habt. - Ihr wollt mich doch sicher nur auf die Probe stellen, ob ich ein treuer Diener von Kasmir bin, hab ich recht?“ "Nein, es ist alles so, wie Schamir es dir erzählt hat", sagte Schimar. "Damals war die Frau von Kismar, dem Vorgänger von Kasmir, schwanger. In ihr wuchs der neue Herrscher, der Ramsus heißen sollte, heran. Bei der Geburt waren nur ein Arzt und eine Hebamme anwesend. Alle beide waren vom missgünstigen Bruder Kismars, dem jetzigem Herrscher Kasmir, gekauft worden. Sie schafften nach der Geburt das Kind aus der Burg und sagten, es sei tot zur Welt gekommen. Da seine Frau bei der Geburt starb, wurde Kismar durch den schweren Verlust, er hatte seine Frau über alles geliebt, sehr krank, da er sehr sensibel war. Er starb sechs Wochen später an gebrochenem Herzen. Da ja angeblich kein Nachfolger da war, wurde Kasmir zum neuen Regenten von Tamiehland ernannt. Wir haben von alledem nichts gewusst und beschützten ihn genauso, wie seinen Vorgänger. Und da er sich in letzter Zeit immer weiter vom gerechten Weg entfernt hat. - Wie du ja bestimmt weißt, geht es dem Volk immer schlechter, da Kasmir willkürlich die Abgaben erhöht und das Gold, beziehungsweise Nahrungsmittel, in der Burg hortet, statt es dem Volk im angemessenem Maße wiederzugeben. Vor einigen Wochen haben wir dann durch Zufall erfahren, da Kasmir im Schlaf redet, was damals wirklich vorgefallen ist. Wir wollten den Arzt oder die Hebamme aufsuchen und herausbekommen, wo sie damals den Säugling hingebracht haben. Beide sind aber innerhalb von vier Wochen, nach dem Betrug, gestorben."
"Dann sind sie bestimmt ermordet worden!" unterbrach ihn Firah.
"Das wissen wir nicht, vermuten es aber", fuhr Schamir nun fort. "Der Säugling wurde jedenfalls zu einer Mutter in einem der kleinen Dörfer, in der Nähe der Burg gebracht. Diese hatte tatsächlich eine Totgeburt und der Thronfolger wurde mit dem ihren ausgetauscht, ohne das sie es merkte. Eigentlich sollte er von einigen Soldaten, die Ramsus weggeschafft haben, getötet werden, doch sie hatten Mitleid mit ihm und widersetzten sich dem Befehl von Kasmir. Doch irgendwie hat Kasmir in der letzten Zeit davon Wind bekommen, wie wissen wir nicht. So hat er sich nun einen teuflischen Plan ausgedacht. Er hat das ganze Gold fortschaffen lassen und es als gestohlen gemeldet. Wir vermuten, er will damit den wahren Herrscher aus seinem Versteck locken und ihn so töten lassen. Das Gold muss aber noch auf der Burg sein, wahrscheinlich ist es in den Gewölben unterhalb der Burg, die Kasmir in den letzten zehn Jahren hat anlegen lassen. Es muss da unten so etwas wie eine eigene Welt geben, denn er lässt dort seit Jahren alle Lebewesen hinunterschaffen, die er von seinen kriegerischen Ausflügen in unsere Nachbarländer mitgebracht hat. Auch die vielen Lebensmittel, die er statt Gold von den Bauern einfordert, schafft er dort herunter, um seine Gefangenen zu versorgen. Uns ist es leider nicht möglich die Gewölbe zu betreten, da wir normalerweise für niemanden sichtbar sind. Uns war es nur erlaubt, einmal für ein unschuldiges, mutiges Kind sichtbar zu werden, bei dem wir meinen es würde uns bei unserer Mission helfen. Und die Wahl ist auf dich gefallen. Wir sind der Ansicht, du bist genau der, der Tamiehland vom falschen Herrscher befreien und Ramsus auf seinen verdienten Thron bringen kann. Wir würden Ramsus suchen und ihn auf seine Aufgaben vorbereiten. Deine Aufgabe wäre es, das Gold zu finden und gleichzeitig beweisen, dass Kasmir es selber war, der es beiseite geschafft hat. Dann kann Ramsus das Land wieder auf einen gerechten Weg führen und wir hätten wieder mit den Nachbarländer eine friedliche Beziehung."
"Was seit ihr? Geister?" fragte Firah mit ungläubigen Gesicht.
"Wir sind ein Teil vom Guten dieser Welt", ergriff nun wieder Schimar das Wort. "Wir sind für euer Land zuständig. Aber allein können wir nichts machen. Da wir, wie gesagt für niemanden sichtbar sind und folgerichtig auch nichtsanfassen können, außer dich jetzt, sind wir auf fremde Hilfe angewiesen. Wir warten hier nun schon seit zehn Tagen auf eine geeignete Person und nachdem sich gestern die Geschehnisse zugespitzt haben, sind wir dankbar, das dich dein Weg heute zur Burg geführt hat, sonst wäre es vielleicht zu spät gewesen. Denn bis heute schien uns keiner so geeignet wie du. - Nun fragen wir dich, Firah. Willst du uns helfen?"
Ohne ein Wort zu sagen, drehte Firah sich ab und überlegte einige Minuten. Die Beiden ließen ihn gewähren, denn sie wussten, was sie von ihm verlangten, war für einen zwölfjährigen eine schwerwiegende Entscheidung und sie musste aus freien Stücken kommen. Dann wand er sich ihnen wieder zu, denn er hatte noch einige Fragen an sie, die er auch gleich stellte.
"Wie lange soll ich euch denn helfen? Kann ich euch nicht erst übermorgen helfen? Morgen hat meine Mutter Geburtstag und wenn ich zu lange von zu Hause fortbleibe, macht sie sich sicher Sorgen. Wenn ihr mich nicht unterstützt, wer hilft dann mir? Ich bin kein Held und alleine werde ich es bestimmt nicht schaffen!"
"Nein", sagte Schamir. "Entweder jetzt oder es bleibt so, wie es ist. Es kann nur noch wenige Stunden dauern, bis Kasmir weiß, wo der wahre Herrscher sich aufhält. Wenn er ihn vor uns findet, wird er ihn töten und dann ist die Chance vertan, Tamiehland auf einen gerechten Weg zurückzuführen. Solltest du dich gegen uns entscheiden, wirst du nicht mehr der unschuldige Junge sein, der du warst, als wir uns begegnet sind, aber das sagten wir dir ja bereits. Wir wissen, dass dir die Entscheidung nicht leicht fällt, aber du musst dich nun entscheiden."
"Bevor ich mich endgültig entscheide, euch zu helfen, habe ich noch zwei Fragen. Was muss ich genau tun? Und kann ich, wenn es mir zu gefährlich wird, einfach aussteigen?"
"Ja, das kannst du jederzeit. - Aber bedenke, wenn du das tun solltest, gibt es keine weitere Chance das Land auf den gerechten Weg zu bringen. Vielleicht findest du unterwegs Freunde, die dir helfen. Sicher wirst du aber auch einige gefährliche Begegnungen haben. Wir hätten dich aber nicht gefragt, wenn wir uns nicht sicher wären, dass du der Richtige bist, um auch die möglichen Gefahren zu bestehen und dem Land seinen wahren Herrscher zurückzugeben. Den Weg musst du aber alleine finden, in diesem Punkt können wir dir nicht helfen. Nur eins noch, wenn wir von dir gehen, öffnet sich hinter uns die Mauer und es wird eine Treppe zum Vorschein kommen. Sie wird dich in die Gewölbe unterhalb der Burg führen. Solltest du sie hinabsteigen, bist du von diesem Moment an auf dich allein gestellt. Denn wie gesagt, können wir nicht nach unten. So, Firah, jetzt sag uns, wie du dich entscheidest."
Abermals kehrte Firah in sich, um seine endgültige Entscheidung zu beschließen und sein Gefühl sagte ihm, das es nur eine Antwort auf diese Frage geben konnte.
"Ja", verkündete er seinen Entschluss noch bevor er sich wieder ganz zu ihnen umgedreht hatte. "Ich werde es versuchen und hoffe, dass ich euch nicht enttäuschen werde." Schamir und Schimar war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Sie wünschten ihm viel Glück, schnellen Erfolg und sagten ihm, dass sie in Gedanken immer bei ihm seien. Beide setzten sich dann in Bewegung und obwohl sie ihre Beine bewegten, schwebten sie an ihm vorbei. Kurz vor dem Vorhang, verschmolzen sie langsam miteinander. Obwohl es ein erschaudernder Anblick war, verspürte er keinerlei Angstgefühle. Firah sah dieses Schauspiel nur von hinten und er war der Meinung, das nach deren Verschmelzung eine Mischung aus einem Bären, einem Wolf und einem Menschen entstand. In der nächsten Sekunde durchschritten sie den Vorhang und von da an begannen sie sich langsam aufzulösen. Ihr Erscheinungsbild wurde immer transparenter und schon bald konnte er sie nicht mehr sehen. Er wusste, er würde sie nie wieder sehen, aber er wusste auch, er würde sie immer im Herzen tragen. Ein lautes Geräusch holte ihn aus seinen Träumen. Er drehte sich um und hinter ihm öffnete sich die Mauer. Langsam schob sie sich auseinander und der Lärm war so groß, dass er sich die Ohren zu halten musste. Er schaute in Richtung Burgdurchgang, der Vorhang war noch da. Er konnte zwar dort einige Leute gehen sehen, aber sie konnten ihn nicht sehen und den Krach, der die Mauer machte, schienen sie nicht zu hören, da sie ohne herüber zu schauen weitergingen. Jetzt wusste er auch, warum er so laut war. Der Schall, der die Mauer erzeugte, konnte durch den Vorhang nicht entweichen und so vervielfachte er sich. Nachdem er verstummte, Firah die Hände von den Ohren nahm, dachte er nochmals über alles nach, was die Beiden zu ihm gesagt hatten. Plötzlich hatte er jedoch das Gefühl, als wenn ihn etwas dazu drängen würde, näher zu der Öffnung zu gehen. Er konnte der neuen Empfindung nicht widerstehen, setzte einen Fuß vor den anderen und gelangte so direkt vor die Öffnung in der Mauer. Dort blieb er stehen und sein Blick fiel auf die Wendeltreppe, die aus roten Backsteinen bestand. Sie war durch wild lodernde Fackeln, die in der Mitte der Wand befestigt waren, hell erleuchtet. Firah blickte sich genauer um, konnte aber nichts erkennen, was ihn am Betreten der Öffnung hätte hindern können, auch wenn er es sich vielleicht gewünscht hätte. So ging er zwei weitere Schritte vor und stand auf der ersten Stufe, als er sich fürchterlich erschrak. Mit einem lauten Grollen schloss sich die Mauer hinter ihm und danach deutete nichts mehr daraufhin, dass sich dort noch vor wenigen Sekunden ein Durchgang befunden hätte. Firah dachte an seine Mutter und auf was er sich wohl eingelassen hatte.
"Du hast dich richtig entschieden! Gehe die Treppe hinunter!“ unterbrach seine Gedanken eine
ihm unbekannte Stimme. Firah fragte sich, woher die
Stimme kam und wem sie gehörte, oder hatte er sie
sich am Ende nur eingebildet?