Читать книгу Tamiehland - Stefan Häring - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеAber anstatt weiter darüber nachzudenken, begann er vorsichtig die Stufen hinab zu steigen. Die Treppe war so angelegt, dass nach jeweils zehn Stufen ein kleiner Absatz kam. Dort hingen in halber Höhe abermals Fackeln, sodass man jederzeit genug sehen konnte. Nach sechzig Stufen verharrte er auf einen ebensolchen und lauschte. Er glaubte etwas gehört zu haben oder leidet er schon an Wahnvorstellungen. Er wagte nicht einmal zu atmen und da vernahm er wieder die gleichen, leisen Klänge, die sich wie das Klingeln von Glöckchen und ein merkwürdiges Pfeifen anhörten. Er verspürte keinerlei Angst, sondern ging nun noch leiser die restlichen Stufen herab. Er bemühte sich keine unnötigen Geräusche zu machen, da er nicht wusste was ihn am Ende der Treppe erwartete. Nach zwanzig weiteren Stufen erreichte er das Ende der Treppe, welche hier unten hinter einem Vorsprung verborgen war. Er verließ die Treppe und im selben Moment hörte er wieder ein Grollen hinter sich, er schaute sich um und erkannte gerade noch, wie sie die Wand wieder schloss. Dieses Mal hörte es sich nicht so laut an wie bei den Malen zuvor. Auch hier konnte man nicht mehr sehen, dass hier eben noch jemand herunter gekommen war. Er wand sich ab, ging zum Ende des Vorsprungs und sah sich vorsichtig um. In seiner kleinen Nische konnte er, nachdem der Fackelschein der Treppe vergangen war, nicht mehr viel sehen. Aus dem Gang, der vor der Nische lang zu gehen schien, drang nur ein schwaches Licht zu ihm durch.
"Ach du Liebe Güte", dachte er. "Nun gibt es keinen Weg mehr zurück, obwohl die Beiden mir versprochen hatten, jederzeit nach Hause gehen zu können."
"Sobald du wirklich nach Hause willst", meldete sich ein weiteres Mal die Stimme zu Wort. "Öffnet sich unverzüglich ein Weg nach oben."
"Sie hat recht, eigentlich will ich gar nicht nach Hause. Ich werde der Stimme vertrauen, auch wenn ich nicht weiß, vom wem sie ist."
Er drehte sich wieder zum Gang und schaute behutsam um die Ecke. Auf der linken Seite war nichts zu sehen, auch wenn der Gang gut beleuchtet war. Dann schaute er zur anderen Seite, aus der er wieder die Geräusche von der Treppe hörte. In einiger Entfernung erblickte er fünf Lebewesen. Sie waren alle nicht gerade groß gewachsen, trugen alle eine Art Narrenkostüm, die sich nur in ihren Farben unterschieden. Es war jeweils eins rot, gelb, grün, braun und blau. Sie trugen Mützen in der jeweiligen Farbe ihrer Kleidung. Jede hatte drei nach unten gebogene Zipfel, an dessen Spitzen sich kleine, goldene Glöckchen befanden. Ihre Schuhe waren von hinten spitz zulaufend und vorne war eine kleine goldene Kugel befestigt. Vier Finger hatten sie an jeder Hand, die Gesichter waren rund wie ein Ball, mit einer großen Nase und sehr kleinen Ohren. Alle hatten schwarze Haare und ihre Augen funkelten vor Fröhlichkeit. Sie sprangen und pfiffen, als wenn sie sich über irgendetwas freuten. Firah genoss diesen Anblick einen kurzen Moment. Gerade wollte er hinter seinem Vorsprung hervor kommen und sich bemerkbar machen, als aus der entgegen gesetzten Richtung acht weitere Lebewesen auftauchten. Sie waren alle grau gekleidet und hatten ein unterschiedliches Aussehen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte Furcht einflößend. Aus ihren Augen sprach der blanke Hass und Firah kam es so vor, als wenn sie die Zähne fletschen würden, so wie es Wölfe tun, wenn sie Beute wittern. Auch wenn Firah einige Meter weg war, der Anblick ihrer Augen ängstigte ihn dermaßen, dass er sich wieder weiter zurück zog und sich bemühte noch leiser zu atmen. Von einer Sekunde zur anderen wich die Freude aus den Gesichtern der bunt Gekleideten, Entsetzen machte sich stattdessen breit und gleichzeitig verharrten sie in ihren Bewegungen.
"Rennt um euer Leben!" rief der rot Gekleidete. "Die Grauen kommen!"
Kaum hatte er geendet, da rannten die Grauen auch schon los. Die Anderen setzten sich ebenfalls in Bewegung. Jeder lief in einen der acht Gänge, die von dem Platz ausgingen. Der mit der blauen Kleidung kam direkt auf Firah zu gelaufen. Kaum war er in Firahs Reichweite, griff er nach ihm und zog ihn instinktiv zu sich hinter den Vorsprung. Er wusste nicht warum er es tat, er hatte nur ein Gefühl, als wenn ihn irgendetwas dazu getrieben hatte. Auch hielt er ihm gleich eine Hand auf den Mund, damit er sie nicht mit einen unüberlegten Schrei oder ähnlichem, verriet. Nur zehn Sekunden später liefen zwei wild schnaubende Graue an ihnen vorbei, sie hatten nichts von Firahs Aktion bemerkt. Beide bewegten sich nicht und der Flüchtige machte auch keinerlei Anstalten wegzulaufen. Kurz darauf herrschte auf dem eben noch voll Leben strotzenden Platz Ruhe, wie auf einen Friedhof. Man konnte nur den leisen, gleichmäßigen Atem von Firah hören. Von seinem, mit dem Rücken zu ihm stehenden, Gegenüber vernahm man ein ängstlichen, angespannten und sehr schnellen Atmen, was sicher vom Laufen herrührte. Langsam drehte ihn Firah zu sich um. Ihre Blicke trafen sich und erst dann, als er erkannte, dass sein Gegenüber nicht davon laufen würde, entfernte er langsam seine Hand von dessen Mund.
"Schrei nicht", begann Firah leise. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, ich werde dir nichts tun. - Mein Name ist Firah und ich bin eben erst hier herunter gekommen. Wer seit ihr und warum verfolgen euch die Anderen?"
"Ich heiße Klaso und bin ein Mong aus Kroksaland." Es folgte eine kurze Pause und dann fuhr Klaso mit noch immer ängstlicher Stimme fort. "Wir sind Gefangene von Kasmir, der die Nachbarländer von Tamiehland unterjocht. Alle Gefangenen werden hierher verschleppt, denn er will hier unten eine widerstandsfähige Armee erschaffen, die alle seine Befehle ohne Widerworte befolgen. Uns Fünfen ist vor einiger Zeit die Flucht gelungen, bevor man uns hat manipulieren können. Keiner von uns hat die leiseste Ahnung, wie sie das machen, aber hier unten sind die Grauen, wie sie allgemein genannt werden, die Befehlshaber. Diejenigen, die fliehen können, werden von den Grauen gejagt und dann wieder zurück gebracht. Aber hier unten sind so viele Gänge und von uns Flüchtigen erschaffene Verstecke, womit es ihnen nicht leicht gemacht wird uns aufzuspüren. - Wir waren vorhin sehr unvorsichtig, indem wir uns zu laut über unser zufälliges Wiedersehen gefreut haben. Wir haben in diesem Moment, die mögliche Gefahr außer Acht gelassen. Nun haben sie sicher meine Kameraden gefangen und sind schon mit ihnen auf den Weg ins Gefangenenlager. Wenn du mich nicht in diese Nische gezogen hättest, wäre ich sicher auch schon dorthin unterwegs. Habe dafür recht herzlichen Dank, Firah! So war doch dein Name?" Firah nickte und als Klaso weiter sprach, war aus seiner Stimme jegliche Angst gewichen. "Du sagtest, du bist eben erst herunter gekommen. Bist du freiwillig hier? - Dann musst du verrückt sein. Hier kommt niemand von allein her. Es gibt doch auch gar keinen Aufgang hier in der Nähe, das würden wir wissen. Es gibt hier unten nur zwei Aufgänge, die sind mehr als 1200 Yekas* [*Längenmaß in Tamiehland (1 Yeka = 0,75 Meter, Mz. Yekas)] von hier entfernt und streng bewacht. Also nun sag mir bitte, wie du hier herunter gekommen bist, ohne das es jemand von den Wachen gemerkt hat?"
Firah konnte nicht gleich antworten, denn es würde sich zu verrückt anhören, wenn er von der jetzt nicht mehr vorhandenen Treppe erzählen würde.
"Erzähle Klaso alles, wie du es erlebt hast, dann besteht die Möglichkeit, dass er dir hilft. Sei offen und ehrlich zu ihm", meldete sich ein drittes Mal die mysteriöse Stimme. "Verliere ich meinen Verstand?" dachte sich Firah, verwarf den Gedanken gleich wieder und wand sich stattdessen, mit leiser Stimme, Klaso zu. "Ja, ich bin eben eine Treppe, hier hinter mir . . . " , er drehte sich um und zeigte auf die felsige Wand.". . .herunter gekommen. Aber das ist eine lange Geschichte, die ich dir gerne erzählen würde. Wir sollten aber erstmal von hier verschwinden, bevor deine Verfolger hier wieder auftauchen. Ich nehme an, du kennst dich hier unten aus?"
"Ja, ich halte mich in diesem Teil schon ungefähr drei Wochen verborgen. Wie lange es genau ist, kann ich nicht sagen, da hier unten keine Sonne scheint und wir nur bei Fackellicht leben. Ich will hoffen, ich kann dir trauen und du bist kein Spion."
"Nein, ich bin keiner", bestätigte Firah und Klaso trat daraufhin vorsichtig hinter dem Vorsprung hervor. Er wand sich nach rechts, auf den Platz zu und man merkte ihm dabei an, dass er viel Erfahrung als Gejagter hatte. Er sah sich unentwegt um und bei dem geringsten Geräusch wären sie in eine der zahlreichen Nischen verschwunden. Firah beobachtete ihn gespannt und blieb trotzdem dicht hinter ihm. Schnell erreichten sie den Platz und verweilten dort. Sie lauschten und hörten schon bald einige Stimmen, die soweit entfernt waren, dass sie den Wortlaut nicht verstehen konnten. In dem Moment als er Klaso etwas fragen wollte, ergriff dieser das Wort.
"Es hört sich so an, als wenn noch mehr Graue hier herkommen. Sie werden mich bestimmt suchen", sagte er und drehte sich zu ihm um, bevor er fortfuhr. "Ich weiß zwar nicht was du hier unten suchst, aber es ist vielleicht besser, wenn wir uns jetzt doch trennen. So kannst du das tun, weshalb du hier bist. Sollten sie mich dann fangen, brauche ich mir wenigstens keine Vorwürfe wegen dir machen. Leb wohl."
Klaso drehte sich schon um und wollte gerade in einen Gang verschwinden, als Firah ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter legte.
"Warte bitte noch einen Moment. Ich brauche bei meiner Mission Hilfe. Und ich hoffe, du bist der Richtige dafür. Nimm mich mit in dein Versteck, dort erzähle ich dir, weshalb ich hier herunter gekommen bin und wofür ich jede Hilfe brauche, die ich kriegen kann. Solltest du dann immer noch ablehnen, gehst du deinen Weg und ich den meinen."
Klaso drehte sich während Firahs Worte wieder zu ihm um und sah ihn durchdringend an. Er wusste ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, denn in wenigen Minuten waren die Grauen hier.
"Na gut", sagte er nach kurzer Überlegung. "Ich werde dich mitnehmen und hoffe, es ist kein Fehler. Ich würde zu gerne deine Geschichte hören. - Das heißt aber nicht, dass ich dir helfen werde. Ich muss erst wissen, ob du es ehrlich meinst. Nun komm hinter mir her, wir werden in Gänge kommen, wo kaum oder gar keine Fackeln hängen. Verlass dich voll und ganz auf meine Führung und sei so leise wie möglich."
Er vergewisserte sich ein letztes Mal, wo die Stimmen herkamen und suchte sich dann den Gang aus, aus welchem er meinte nichts zu hören. Es dauerte nur Sekunden, bis er das Zeichen zum Gehen gab. Dann setzte er sich in Bewegung, dicht gefolgt von Firah, der krampfhaft versuchte, sich alles zu merken was er sah. Es viel ihm aber nicht leicht, da Klaso ein sehr hohes Tempo vorlegte. Die Wände in dem Gang waren sehr lehmig und teilweise lief an ihnen das Wasser herunter. Alle 25 Meter hingen Fackel, die nicht gerade viel Licht spendeten. Je weiter sie vordrangen, um so weniger Licht gaben sie ab. Nach 150 Meter bogen sie links in einen kleineren Gang. Dort brannten nur noch vereinzelt Fackeln, da die meisten bereits erloschen waren und scheinbar nicht erneuert wurden. So kamen sie auch nicht mehr ganz so schnell voran, auch wenn es Firah so vorkam, als wenn Klaso schneller gekonnt hätte, wenn er nicht auf ihn Rücksicht nehmen würde. Kurz darauf hielten sie an und Klaso versuchte irgendwelche Geräusche wahrzunehmen. Als er nichts zu hören schien, machte er sich an einem Stein zu schaffen, der rechts in der Wand war. Firah kam ihm zur Hilfe und schnell kam eine kleine Öffnung zum Vorschein, die sich einen halben Meter über den Boden befand und einen Durchmesser von einen Meter hatte. Ohne ein Wort verschwand er in dem Loch, wobei er keine Mühe damit hatte, er war ja auch nur 90 Zentimeter groß. Firah tat es ihm gleich, da er aber 1,45 Meter groß war und einen breiteren Körperbau hatte, viel es ihm vergleichsweise schwerer. Es herrschte hier völlige Dunkelheit und so ahnte er nur wohin er kroch. Nach etwa vierzig Metern stieß er sich den Kopf und gab ein leisen Laut von sich.
"Du musst dich nach rechts drehen", flüsterte ihm Klaso zu. "Es dauert nicht mehr lange und wir haben unser Ziel erreicht."
Sofort drehte er sich in besagte Richtung und robbte weiter hinter seinem Führer her, ohne ihn allerdings erkennen zu können. Dann stieß er völlig unverhofft gegen seinen Vordermann, weil dieser ohne etwas zu sagen, stehen geblieben war. Er wollte etwas fragen, doch im selben Moment vernahm er ein Schaben, als wenn wieder ein Stein bewegt würde. Dann drang ein kleiner, langsam größer werdender Lichtstrahl zu ihm durch.
"Ich bin es, Klaso", hörte er ihn rufen. "Ich bin nicht allein." Firah hörte ein leises Murmeln, was er aber nicht verstand und im nächsten Augenblick ließ sich Klaso aus dem düsteren Gang gleiten und er konnte nun die ganze Öffnung erkennen. Zögerlich kroch er bis zur Kante und hielt dort inne. Der Ausgang befand sich nur unwesentlich höher als das Einstiegsloch und dann schaute er sich um. Der Raum in welchen er blickte hatte etwa einen Durchmesser von etwa sechseinhalb Metern. In einer Ecke befanden sich drei Schalfgelegenheiten. In der Mitte war ein großer Stein, der von drei kleineren umgeben war, die sicher als Tisch und Stühle dienten. Links von ihm war ein größerer Stein an der Wand gelehnt, Firah vermutete einen weiteren Gang dahinter. An der gegenüber liegenden Seite hing eine hell leuchtende Fackel, die den ganzen Raum mit Licht erfüllte. Darunter lagen noch weitere Fackeln, die allerdings kaum verbraucht waren. Nun erblickte er eine weitere Person in dem Raum, sie stand neben Klaso und überragte ihn um einen Kopf. Er war von dünner Statur und war mit einer beigen, knielangen Hose und einem rotem Hemd, was mit Löcher übersät war, bekleidet. Im Gegensatz zu Klaso hatten seine Hände fünf Finger. Seine hellbraunen Haare waren lockig und kurz gehalten. Die Füße waren sehr schmutzig, da er keine Schuhe trug. Im Gesicht befanden sich mehrere Naben, was ihn sehr streng ausschauen ließ.
"Komm schon herunter", wand sich Klaso an ihn. "Du brauchst keine Angst zu haben. Aber wir müssen das Loch wieder verschließen, damit die Grauen den Lichtschein nicht entdecken."
Firah glitt in die Höhle und sofort verschlossen die anderen Beiden das Loch. Danach wanden sie sich ihm zu.
"Das ist Nomis, ein Murlog. Er kommt aus einem anderen Nachbarland von euch, es heißt Negromland. Auch das wurde, wie alle anderen Nachbarländer, von Kasmir unterjocht." Firah gab Nomis die Hand und dann erzählte Klaso, was vorhin auf dem Platz passiert war, wie Firah ihn gerettet hatte und sie anschließend hierher geflohen waren. Als er dann sagte, dass Firah ihm erzählen wolle, warum er hier unten sei, sahen ihn beide an.
"Bevor du beginnst von dir zu erzählen, lasst uns hinsetzen", sagte Nomis. "Ich werde euch etwas Wasser holen und dann kannst du sogleich anfangen." Er begab sich in eine Ecke des Raumes und holte einen Beutel, der Firah vorher nicht aufgefallen war. Darin befand sich Wasser, welches Nomis in Holzbecher goss, die er mit der anderen Hand auf den Steintisch stellte. Sie setzten sich und jeder nahm einen Schluck von dem köstlichen Nass und dann begann Firah zu erzählen. Er begann mit seinem Ankommen auf der Burg, der Begegnung mit den Behüter desHerrschers, von der Treppe bis hin zu der Begegnung mit Klaso. Nur von der Stimme, die ihm nun schon mehrmals einen Rat gab, sagte er nichts. Klaso wollte ihn während seiner Erzählung unterbrechen, doch er hielt sich zurück, da die Antworten auf seine Fragen immer kurz darauf folgten.
"Nun frage ich dich noch einmal, Klaso", wand sich Firah nach einer kurzer Pause an ihn. "Willst du mir bei meiner Suche nach dem Gold helfen? Ich muss es unbedingt finden. Du kennst dich hier unten aus und weißt, wie man am schnellsten zu den Grauen und ihren Befehlshabern kommt."
Der Angesprochene sah Nomis an und nach wenigen Sekunden drehten sie sich wieder zu Firah um."
"Deine Geschichte hört sich zwar verrückt an, aber so
etwas kann sich niemand ausdenken und schon gar nicht ein Junge in deinem Alter. Ich werde dir helfen." Dann wand er sich an Nomis. "Was meinst du dazu?"
"Ich denke dasselbe wie du. Ich glaube, die Beiden haben recht, wenn sie meinen, das Gold wäre hier unten. Einer von denen, die heute früh geflohen sind, erzählte mir, sie hätten in der Nacht riesige Kisten hier unten verstecken müssen. Nach der Geschichte, die Firah uns gerade erzählt hat, vermute ich darin das Gold. Wohin sie es allerdings gebracht haben, konnte er mir nicht erzählen. Man müsste ihn, falls er noch nicht wieder gefangen wurde, fragen. - Eigentlich kommt als Versteck aber nur die andere Seite der Katakomben, hinter den beiden Aufgängen, in Frage. Dort halten sich nur die Grauen auf und von uns kommt da nie einer hin. Jedenfalls kenne ich niemanden, der da war und es erzählen konnte. Dorthin ist es aber ein langer Weg. Ich würde ja auch gerne mitkommen, aber wenn wir zu dritt gehen, würden wir schneller entdeckt. Ich werde mich aber auch auf den Weg machen, um euch anderweitig zu helfen. Ich werde versuchen jemanden zu finden, der mehr über diese besagten Kisten weiß. Wenn ich etwas in Erfahrung bringen kann, werde ich versuchen, es euch irgendwie zukommen zu lassen. Ich werde auch dafür sorgen, dass es sich wie ein Lauffeuer herumspricht, dass Firah einen Weg sucht, Kasmir zu stürzen. Dann wirst du hier unten von allen, denen du begegnest, außer den Grauen natürlich, Hilfe empfangen. - Es ist schön, endlich wieder etwas Hoffnung zu haben. Wenn der wahre Herrscher, wie du sagst, wirklich gerechter ist, besteht die Möglichkeit, wieder in unsere Heimatländer zurück zu kehren und wieder in Freiheit und Frieden, so wie es vor mehr als einem Jahrzehnt war. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät. Will Kasmir mit dem Diebstahl wirklich nur den wahren Herrscher jagen oder versucht er damit auch in deinem Land Hass und Zwietracht zu erzeugen? Oder hat er gar vor, seine Macht über die Nachbarländer hinaus zu erweitern?"
Auf diese Fragen wusste keiner von ihnen eine Antwort und so schwiegen sie für einige Minuten. Erst durch ein Klopfen an dem großen Stein, der an der Wand lehnte, wurden sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie erschraken, sprangen auf und gingen dorthin.
"Also doch ein weiterer Eingang", dachte Firah.
Von der anderen Seite des Steines vernahmen sie eine Stimme, die Firah nicht verstand. Sie entfernten den Stein und es kam ein weiterer Morg herein, der Klaso sehr ähnlich sah.
"Was hat dieser Mensch hier zu suchen?" fragte der Ankömmling, nachdem er Firah erblickte. Klaso ergriff das Wort und erklärte ihm die Situation. Nachdem er geendet hatte, stellte sich der Neue vor.
"Ich heiße Grimbo und bin ein Landsmann von Klaso. Nun zu dem Anliegen, weshalb ich hierher kam. Hier unten ist seit gestern Abend eine große Unruhe zu spüren. In den Gängen laufen viel mehr Graue herum. Sie sollen auch zum ersten Mal Menschen, wie Firah, hier herunter gebracht haben. Was hat Kasmir bloß vor?"
Firah erzählte ihm alles noch einmal ausführlich, was Klaso nur kurz berichtet hatte und Nomis erklärte danach, was sie als nächstes vor hatten.
"Ich werde euch natürlich helfen", sagte Grimbo. "Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich mit dir Nomis, einverstanden?"
Alle stimmten zu und dann beschlossen sie, nicht alle auf einmal aufzubrechen. Grimbo und Nomis verließen den Raum durch den Gang, durch welchen Grimbo gekommen war. Die beiden Zurückgebliebenen verschlossen den Ausgang und legten sich hin, um ein wenig zu schlafen. Aber weder Firah noch Klaso konnten so richtig zur Ruhe kommen. Nach einer Stunde erhoben sie sich wieder und machten sich bereit aufzubrechen. Sie gingen zu der Öffnung, durch die sie gekommen waren und entfernten den Stein. Klaso ging wieder vor und nachdem Firah ihm gefolgt war, verschloss er die Luke. Schnell hatten sie das Ende des Ganges erreicht. Dort verharrten sie kurz und lauschten. Dann gleiteten sie aus dem Gang und standen an der Stelle, wo sie vor knapp drei Stunden schon einmal standen. Durch den schwachen Schein einer Fackel erkannten sie die Öffnung in der Wand und verschlossen sie.
"Wir werden jetzt rechts lang gehen und nicht den Weg, den wir gekommen sind", entschied Klaso. "Dann kommen wir nach 120 Yekas an eine Kreuzung, Da befindet sich ein anderes Versteck. Nachdem was Grimbo gesagt hat, müssen wir sehr vorsichtig sein, die Grauen können jetzt überall unverhofft auftauchen. Laß uns nur das Nötigste reden, damit wir sie früh genug wahrnehmen können."
Schweigend gingen sie den lehmigen Weg, in die von Klaso beschlossene Richtung. Sie waren fast an der Kreuzung angekommen, da vernahmen sie eine Stimme. Sie verstanden sie nicht, trotzdem gab Klaso Firah einen Wink und sie hasteten zehn Meter weiter. Dann blieb er stehen und sah sich in die Richtung der Stimmen um. Langsam drehte er sich zur Wand hinter ihnen und erst jetzt erkannte Firah dort eine kleine Spalte. In dieser verschwand Klaso und zog Firah hinter sich her. Es war ein kleiner Raum, nicht größer als eineinhalb Meter. Firah musste seinen Kopf einziehen und es war stockfinster darin. Sie hockten sich hin und warteten. Eine zweite Stimme war zu hören, doch beide sprachen eine ihnen unbekannte Sprache. Firah sah fragend durch die Dunkelheit zu Klaso herüber, gleiches tat Klaso. Und obwohl sich Firahs Augen schon an die äußeren Umstände gewöhnt hatten, erkannte er keinerlei Antwort in dessen Gesicht. Die beiden gingen an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken und nachdem sie wieder außer Hörweite waren, verließen sie ihr enges Versteck.
"Da haben wir noch einmal Glück gehabt", flüsterte Klaso. "Was war das für eine Sprache, die die Beiden gesprochen haben?" wollte Firah wissen.
"Ich weiß es nicht. Die meisten Grauen sprechen sie, aber bisher konnte keiner sagen, wie sie heißt und was sie damit bezwecken. Nun lass uns aber weitergehen."
Sie setzten sich in Bewegung und gelangten schon bald an die besagte Kreuzung, ihrem ersten Zwischenziel. An einer Ecke lauschten sie abermals und hasteten dann über sie hinweg, nachdem nichts auffälliges zu bemerkten war. In den ersten Gang bogen sie ein, dort brannten keinerlei Fackeln und somit kamen sie nur noch sehr langsam vorwärts. Nach einhundert Metern blieb Klaso an einer Kurve stehen und drehte sich nach Firah um.
"Hier in den unbeleuchteten Wegen sind wir sicherer als in den beleuchteten", erklärte Klaso. "Die Grauen kommen nur selten hier her, dadurch ist die Gefahr geringer. Wir werden ihnen noch früh genug begegnen und dann können wir nur hoffen, daß wir nicht gefangen werden."
"Halte dich weiter an Klaso, vertraue ihm und ihr werdet bald in der Nähe deines Zieles sein", meldete sich völlig unerwartet die Stimme bei Firah. Er versuchte zu ergründen, wer hinter dieser Stimme steckte, konnte sie aber niemanden zuordnen. Er erschrak, als er heftig von Klaso gerüttelt wurde.
"Träumst du, Firah? Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich habe dich gefragt, ob du dich hier ein wenig ausruhenwillst oder wir gleich weitergehen können?"
"Verzeih mir. Ich habe wieder diese Stimme gehört. - Ja, von mir aus können wir weitergehen."
"Von was für einer Stimme redest du da?"
"Ich höre seitdem ich hier unten bin, immer wieder eine Stimme. Sie sagt mir, was ich tun oder lassen soll. Ich habe sie eben zum fünften Mal gehört."
"Und was hat sie eben gesagt?" erkundigte sich Klaso, der keineswegs verärgert darüber war, dass Firah ihm noch nichts von der Stimme erzählt hatte. So berichtete Firah ihm von ihr und was sie ihm bisher gesagt hatte.
"Hast du keine Idee wessen Stimme es sein könnte? Ist es nicht möglich, dass sie einen von den Beiden am Burgtor gehört?"
"Du meinst Schamir oder Schimar?", und nachdem Klaso ihm zustimmend zunickte, fuhr er fort. "Nein, die Beiden hatten andere Stimmen und sie sind ja auch miteinander verschmolzen und vereint habe ich sie nicht reden gehört. Da sie sich aber schnell neu kleiden konnten, weiß ich nicht, ob sie auch ihre Stimmen ändern können."
"Grübele nicht mehr soviel darüber nach. Wenn du die Stimme wieder hörst, sag mir Bescheid. Nun sollten wir erst einmal weitergehen, um das Gold zu finden."
So drangen sie immer tiefer in die unendlich scheinende Finsternis. Trotz Klasos Worte, dachte Firah weiter über die Stimme nach und so sehr er sich auch anstrengte, er konnte niemanden damit in Verbindung bringen. Das es die Beiden waren, die ihn hier hinunter geschickt hatten, wollte er nicht glauben. Sie hatten ihm zwar gesagt, sie seien in Gedanken bei ihm, aber auch, dass sie nicht nach hier unten könnten. Klaso dachte seinerseits darüber nach, war allerdings der Meinung, es könnten nur die Beiden von der Burg sein oder Firah hat einen guten Schutzengel. Denn wie jemand der seinen Verstand verliert, wirkte Firah nicht auf ihn.
"Da vorn kommt gleich eine Biegung", unterbrach Klaso ihre Gedankengänge. "Danach müsste eine Abzweigung kommen, die uns zu einem anderen Versteck bringt. Dort werden wir uns ein wenig ausruhen."
Sie gingen um die Kurve und nach 40 Yekas bogen sie nach rechts ab. Vorher schaute Firah nach vorne und erkannte in der Ferne einen schwachen Lichtschein. Er wollte wissen, wo sie dort hinkamen.
"Dort hinten ist der Platz, wo wir uns getroffen haben. Wenn wir dorthin gehen würden, liefen wir bestimmt den Grauen direkt in die Arme. Sie werden da bestimmt Wache halten, nachdem sie uns heute früh dort aufgescheucht haben."
Sie gingen nun etwas schneller und schon bald stoppen sie. Klaso entfernte wieder einen Stein aus der Wand und es kam ein röhrenartiger Gang zum Vorschein, indem sie hineinkrochen. Firah verschloss die Öffnung hinter sich und kurz darauf hörten sie einige Stimmen. Klaso stoppte und klopfte gegen den vor ihm befindlichem Stein. Er rief seinen Namen und schon bald darauf konnte man eine größer werdende Öffnung sehen.
"Hier verbergen sich immer ein paar von uns", klärte ihnKlaso auf. "Wir werden hier ein paar Stunden verweilen, uns ausruhen und dann überlegen, wie wir weiter vorgehen." Danach stiegen beide aus dem Gang. Bevor Firah sich aber umsehen konnte, starrten ihn fünf unterschiedliche Gestalten an. In ihren Gesichtern konnte er keine Spur von Freundlichkeit erkennen, ganz im Gegenteil, sie hatten genauso einen Ausdruck in ihren Augen, wie Grimbo als er ihn zum ersten Mal sah. Klaso ergriff das Wort, bevor einer ihrer Gegenüber etwas sagen konnte. Er stellte Firah vor und erzählte ihnen, warum sie hier waren und was sie vorhatten. Zusehends entspannten sich ihre Gesichter und dann stellten sie sich nacheinander vor. Der erste war Bengas, ein 1,50 Meter großer Schlorr, der aus dem östlich von Tamiehland gelegenen Mongan kam. Er hatte eine gelbliche Hautfarbe, war mit einem kleidähnlichen, pinkfarbenen Gewand gekleidet und hatte relativ lange Beine. Dann nannte Raffa seinen Namen, ein Lenzu aus Genoso, einem Land, das westlich an Tamiehland grenzt. Er war 1,70 Meter groß, trug eine blaue Hose, ein buntkariertes Hemd und sprach das "t" als "s" aus. Seine Ohrmuscheln waren spitz zulaufend und die Nase, war im Verhältnis zur Größe seines Gesichtes, sehr klein. Nun sprach Ophra, ein Krop aus Borgland, zu ihm. Es ist das kleinste Nachbarland von Firahs Heimat. Er sah Firah am ähnlichsten, den er war 1,50 Meter groß und sehr muskulös. Er trug zu seiner braunen Hose eine Art Pullover in grünlicher Farbe. Als letztes ergriffen Rifek und Momag das Wort. Sie waren Riggas und kamen aus Nimen, ein Land das nordwestlich von Tamiehland liegt. Ihre Hände hatten wie Klaso auch nur vier Finger. Durch ihre geringe Größe von einem Meter, wirkten sie recht putzig, auch ihre vielen Runzeln im Gesicht und die Glatze konnte das nicht ändern. Dafür war ihr gesamter Körper mit Haaren bewachsen und bis auf eine kurze Hose waren sie unbekleidet. Rifeks war grün, die von Momag rot und drei blaue Flicken schienen einige Löcher zu überdecken. Dann war es an der Zeit, dass sich Firah vorstellte.
"Ich habe nicht gewusst, wie viel andere Lebewesen es in unserer unmittelbaren Umgebung gibt", fuhr er dann fort. "Ich freue mich euch alle kennenzulernen. In meinem Dorf habe ich von den Kriegen, die Kasmir geführt hat, nichts gehört. Vielleicht hat mir meine Mutter auch nichts davon erzählt, um mich nicht damit zu belasten. Da ich auch selten aus Nesse heraus kam, habe ich seitdem ich hier bin, darüber mehr gelernt, als in den Jahren zuvor. Da ich nun weiß, was Kasmir für ein Unglück über all unsere Völker gebracht hat und noch bringen wird, gibt es für mich kein zurück mehr. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um das Gold zu finden und Kasmirs Schreckensherrschaft zu beenden. Werdet ihr mir dabei helfen? Ich werde jede nur erdenkliche Hilfe gebrauchen können."
Sie nickten zustimmend und redeten dann miteinander. Firah nutzte die Zeit, um sich in dem Raum umzusehen. Er war doppelt so groß, wie der Erste, an der Seite war noch ein Gang, der zu einem anderen Raum führte. Er war dunkel, aber Firah erkannte dort einige Liegestellen. Mitten im Raum standen um einen riesigen Stein, zehn kleinere, die wie schon in dem anderen Raum, als Tisch und Stühle dienten. An zwei Stellen hingen hell leuchtende Fackeln. In der einen Ecke war eine Art Regal in die Wand gehauen, dort wurden einige Nahrungsmittel und in Beutel gefülltes Wasser aufbewahrt. Er hatte sich noch längst nicht alles angesehen, als sich Momag an ihn wand.
"Du hast sicher Hunger und Durst? Lasst uns hinsetzen, dann bringe ich euch was zu essen und warten auf die Rückkehr von Kramas. Er ist vor einer Stunde losgegangen, um die derzeitige Lage zu erkunden und er müsste jeden Moment wiederkommen."
Alle setzten sich um den großen Stein und Momag brachte den Neuankömmlingen etwas Brot und Wasser. Während des Essens erzählte Firah noch einiges ausführlicher, wonach die anderen ihn gefragt hatten.
"Ich war letzte Nacht in den Gängen unterwegs", ergriff Raffa das Wort. "Aber es war nirgendwo etwas zu hören. Es kann also, wenn überhaupt, nur hinter den Gefangenenlagern sein."
"Richtig", unterbrach ihn Bengas. "Es ist aber fast unmöglich dorthin zu gelangen, ohne von den Grauen erwischt zu werden."
So diskutierten sie noch eine Weile, bis Klaso sagte, sie würden sich ein wenig hinlegen und versuchen zu schlafen. Ophra brachte sie nach nebenan, wo sie sich auf die am weitesten vom anderen Raum entfernten Schlafstellen legten. Firah hörte noch die flüsternden Stimmen, die immer leiser zu werden schienen, dann hörte er sie überhaupt nicht mehr, da er in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.