Читать книгу Das FSI Führungsstilinventar und das Integrative Führungsmodell - Stefan Lindstam - Страница 10
Оглавление2 Theoretische Grundlagen: Führungsstile
In Kapitel 2.1 werden die Forschungsergebnisse und die Modelle vorgestellt, die für die Entwicklung des Integrativen Führungsmodells besonders bedeutungsvoll sind. Bekannte ältere Forschung und Theorien wie Lewin‘s (1939) anfängliche Untersuchungen über autoritäre, demokratische und laissez-faire Führung, Tannenbaum & Schmidts (1958) Entscheidungsmodell und Fiedlers (1967) Kontingenz-Modell werden hier nicht weiter vorgestellt. Es wird stattdessen auf Lehrbücher verwiesen (z.B. Rosenstiel, 1993, Northouse, 2004).
Bass (1990) Modell von transformativer vs. transaktionaler Führung wird hier vorgestellt, obwohl die Berührungspunkte mit dem Integrativen Führungsmodell begrenzt sind. Dies weil das Modell in der Forschung immer noch viel benutzt und diskutiert wird und weil die beiden Führungskonstrukte auch in späteren Kapiteln erwähnt werden.
2.1 Forschung und Modelle mit besonderer Relevanz
2.1.1 Die Ohio-Studien: Consideration und Initiating Structure
Die sehr umfassenden Studien wurden von der Ohio State Universität durchgeführt (Fleishman, 1953, Stodgill & Coons, 1957, Halpin & Winer, 1957). Sie beinhalteten eine Untersuchung, welche übergreifenden Dimensionen sich am besten dazu eignen, Führungsverhalten zu beschreiben. Man ging von etwa 1800 spezifischen Beispielen des Führungsverhaltens aus, die auf 150 Fragen in einem Fragebogen reduziert wurden. Dieser Fragebogen wurde an Mitarbeiter ausgeteilt, die ihren direkten Vorgesetzten beschrieben, indem sie die Fragen beantworteten. Die Vorgesetzten beschrieben auch sich selbst (dies entspricht dem heutigen Vorgehen bei 360 Grad Feedback Untersuchungen). Verschiedene Ohio-Studien identifizierten zwei varianzstarke Dimensionen, die etwa 85% der Variation der Fragen erklärten. Sie wurden als ”Consideration” und ”Initiating Structure” bezeichnet. Die Consideration-Dimension (von anderen häufig auch Mitarbeiterorientierung genannt) beinhaltet Fragen, die darauf abzielen, inwieweit der Vorgesetzte eine Umgebung der empfundenen Unterstützung, Wärme, Freundlichkeit und des Vertrauens schafft. Bei Initiating Structure (von anderen häufig auch Aufgabenorientierung genannt) geht es darum, ob die Führungskraft durch Delegation spezifischer Aufgaben, spezifizierter Arbeitsmethoden, aufgestellter Arbeitsschema und klarer Erwartungen an die Mitarbeiter führt. Ein wichtiger Unterschied gegenüber einigen anderen Führungsbeschreibungen ist, dass diese Dimensionen voneinander unabhängig sind, d.h. man kann auf beiden hoch oder niedrig liegen oder hoch in der einen und niedrig in der anderen. Das ermöglicht folgende Kreuztabelle:
Tabelle 1. Kreuztabelle mit den Führungsdimensionen ”Consideration” und ”Initiating Structure”
Hohe ConsiderationNiedrige Initiating Structure | Hohe ConsiderationHohe Initiating Structure |
Niedrige ConsiderationNiedrige Initiating Structure | Niedrige ConsiderationHohe Initiating Structure |
Dieses Grundmodell ist sehr beliebt geworden. Es wurde und wird im Rahmen verschiedener Führungsentwicklungsprogramme verwendet (s. Kapitel 2.1.2 und 2.1.3).
In den Ohio-Studien wurden verschiedene Versuche gemacht, die Position der Führungskraft auf den Dimensionen mit deren Effektivität in ihrer Führungsrolle zu verbinden. Frühere Untersuchungen zeigten, dass die Mitarbeiter oft hohe Consideration bevorzugten und die Vorgesetzten hohe Initiating Structure schätzten. Doch stellte sich frühzeitig heraus, dass effektive Führungskräfte dazu tendierten, auf beiden hoch zu liegen (Halpin, 1957). Die früheren Studien ergaben jedoch nicht immer eindeutige Ergebnisse. So konnten z.B. Vorgesetzte der Luftwaffe von ihren Mitarbeitern als effektiver angesehen werden, wenn sie höher auf Initiating Structure lagen als wenn sie hoch auf Consideration lagen (Dubrin, 2001). Es gab frühe Indikatoren, dass die Situation des Führenden eine Bedeutung haben könnte, welcher Führungsstil als effektivster erlebt wurde.
2.1.2 Blake & Mouton‘s Managerial Grid
Blake & Mouton (1964) haben ein Modell eingeführt, das in hohem Maße auf den Ohio Studien aufbaut. Ihr ”Managerial Grid” beinhaltet eine Beurteilung der Führungskraft auf den Dimensionen ”Produktionsorientierung” (vergleichbar mit Initiating Structure) und ”Mitarbeiterorientierung“, (vergleichbar mit Consideration). Die Skalen für jede Dimension reichen von 1 – 9, in der Regel werden jedoch nur Kombinationen der Extremwerte, also 1 – 1, 1 – 9, 9 – 1, 9 – 9 und die Mitte 5 – 5 die behandelt.
Abbildung 1: Managerial Grid nach Blake & Mouton
1 – 1 (Impoverished Management) bedeutet, dass die Führungskraft weder die Aufgaben noch die Mitarbeiter in der Organisation betont, 1 – 9 (Country Club Management) die Führungskraft betont die Mitarbeiter aber nicht die Produktion, 9 – 1 (Authority-Compliance Management) die Produktion wird betont, nicht aber die Mitarbeiter, 9 – 9 (Team Management) beide – Mitarbeiter und Produktion – werden betont. Blake & Mouton empfehlen den 9 – 9 Stil für alle Führungskräfte unabhängig der Führungssituation. Damit nehmen sie keine Rücksicht auf die Situation, in der sich die Führungskraft befindet. Das hingegen wird im nächsten Modell berücksichtigt.
2.1.3 Hersey & Blanchard‘s Situational Leadership Model
Hersey & Blanchards (1977) ”Situational Leadership Model“ gibt Empfehlungen, wie die Führungskraft ausgehend von ihrer Situation den Führungsstil anpassen soll. Sie betrachten keinen bestimmten Führungsstil, als den anderen generell überlegen. Sie meinen, dass man nur mit Ausgangspunkt der Situation der Führungskraft, eine Aussage treffen kann, ob ein gewisser Stil besser ist als ein anderer. Hersey & Blanchard betrachten die ”Reife” des Mitarbeiters als die wichtigste situative Variable. Reife Mitarbeiter haben sowohl die Fähigkeit, die Arbeit auszuführen als auch die Motivation hierzu. Fähig – unfähig und motiviert – unmotiviert ergeben vier Kombinationsmöglichkeiten und damit vier verschiedene Situationen für die Führungskraft. Bezüglich der Führungsstile gehen auch Hersey & Blanchard von den Ohio Untersuchungen aus, auch wenn sie ihre zwei Dimensionen ”Relationship Behavior” (Consideration) und ”Task Behavior” (Initiating Structure) nennen. Ihre Empfehlung ist, dass bei sehr reifen Mitarbeitern, die sowohl fähig als auch motiviert sind, ein delegierender Führungsstil zu bevorzugen ist. Einen delegierenden Führungsstil zeigen Führungskräfte, die in ”Relationship Behavior” und ”Task Behavior” niedrig liegen. Wenn die Mitarbeiter unmotiviert aber fähig sind (mäßige bis hohe Reife in Abb. 2), sollte die Führungskraft einen teilnehmenden Führungsstil (Participating: hohes Relationship Behavior, niedriges Task Behavior) zeigen. Sind die Mitarbeiter unmotiviert und unfähig (geringe Reife in Abb. 2) benötigt die Führungskraft einen instruierenden Führungsstil (Telling; hohes Task Behavior, niedriges Relationship Behavior) und wenn die Mitarbeiter motiviert aber unfähig sind (geringe bis mäßige Reife in Abb. 2) benötigt sie einen verkaufenden Führungsstil (Selling; hohes Relationship Behavior, hohes Task Behavior).
Abbildung 2: Situational Leadership Model nach Hersey & Blanchard (aus Rosenstiel, 1993, S. 345)
Hersey & Blanchards Modell ist im Kontext der Führungsentwicklung sehr beliebt geworden, auch wenn fehlende empirische Belege für die Gültigkeit des Modells beklagt werden (Neuberger, 1980). Man kann auch anmerken, dass die Definition der Situation der Führungskraft begrenzt ist. Es sollten auch andere situative Faktoren als die “Reife“ der Mitarbeiter berücksichtigt werden.
2.1.4 Bass: Transformative vs. Transactional Leadership
Bass (1990) stellt ein Modell vor, das nicht direkt auf den Ohio Studien aufbaut, auch wenn beide gewisse Ähnlichkeiten haben. Bass lehnt sich an Burns (1978) an, indem er zwischen ”Transformative Leadership” und ”Transactional Leadership” unterscheidet.
Transformative Führungskräfte motivieren die Mitarbeiter dadurch, dass sie an höhere Werte appellieren, so dass die Mitarbeiter sich über das hinaus einsetzen, was normalerweise von ihnen erwartet wird. Das wird dadurch erreicht, dass die Führungskraft Charisma besitzt (eine Vision hat und ein Gefühl gibt, eine gemeinsamen Aufgabe zu haben), inspirierend ist (hohe Erwartungen kommuniziert), individuelle Aufmerksamkeit und intellektuelle Stimulation (neue Ideen hat, die die Mitarbeiter herausfordern) gibt.
Führungskräfte mit „Transactional“ Führungsstil dagegen, passen sich an die Anforderungen der Organisation an und fördern Zielerreichung durch materielle Belohnungen (Contingent Reward). Sie machen deutlich, welches Verhalten für die Zielerreichung wünschenswert ist. Damit ähnelt diese Dimension zum Teil ”Initiating Structure“. Sie verlassen sich auch auf Management by Exception, d.h. dass mit Eingriffen gewartet wird, bis etwas falsch läuft. Bass & Avolio (1990) behandeln zwei Varianten von Management by Exception: Einer aktiven, bei der nach Fehler/Abweichungen gesucht wird und (wie früher) einer inaktiven, bei der das Eintreffen von Fehler/Abweichungen abgewartet wird.
Man kann nicht sagen, dass transformative Führung das Gleiche ist wie ”Consideration”. Es beinhaltet Teile, wie Visionen zu schaffen, Ideen zu generieren und Anforderungen zu stellen sind, die nicht direkt von ”Consideration” abgedeckt werden (vielmehr aber von dem Change-Konstrukt in den Kapiteln 2.1.5 und 2.1.6). Den Mitarbeitern Aufmerksamkeit zu widmen, stimmt mit ”Consideration” überein.
Das Modell will alte und neue Führungsstile unterscheiden. Die Aufteilung hat Parallelen zu der Diskussion um Leadership contra Management, die u.a. von Kotter (1990) geführt wurde. Bass hat gezeigt, dass Transformative Führungskräfte von ihrer Umwelt oft positiv beurteilt werden. Das gilt auch für Führungskräfte mit dem Transactionalen Führungsstil, wenn auch nicht in gleich hohem Ausmaß. Bass erwähnt auch eine dritte Kategorie, die er ”Laissez-Faire” Führungsstil (oder Non-Führungsstil) nennt, d.h. die Abwesenheit des Transformativen oder Transactionalen Führungsstil, die allgemein negative Konsequenzen mit sich zieht.
Effiziente Führung entspricht sehr hohen Werten auf den vier transformativen Verhaltensweisen, hohe Werte auf Contingent Reward, etwas von Management by Exception - aktiv, wenig von Management by Exception - passiv und minimal von laissez-faire Verhalten. Bei ineffizienter Führung ist das Verhältnis zwischen den Verhaltensweisen gerade umgekehrt.
Während transaktionale Führung zur erwarteten Leistung der Mitarbeiter führen soll, soll transformative Führung Leistungen über die Erwartungen hinaus (performance beyond expectations) erzielen. Diese postulierte additive Wirkung transformativer Führung wird Augumentationseffekt genannt (Bass, 1985). Statistisch bedeutet dies, dass Messungen von transformativer Führung unique Varianz in Erfolgskriterien erklären soll, d.h. über das hinaus was durch Messungen von transaktionaler Führung erklärt wird. Der Augumentationseffekt ist mehrmals bestätigt worden (Heinitz, Liepman & Felfe, 2005)
Bass Theorie ist auch kritisiert worden. MLQ (Multifactor Leadership Questionnaire, verschiedene Versionen) ist die von Bass entwickelte Methode zur Messung seiner Führungstaxonomie. Forscher haben Probleme, die Faktorenstruktur des MLQ‘s zu bestätigen. Die 4 transformativen Skalen korrelieren manchmal so hoch miteinander, dass in Frage gestellt wird, ob sie als getrennte Konstrukte betrachtet werden können (Northouse, 2004, S. 185). Contingent Reward gehört laut dem Modell zu transaktionaler Führung, korreliert aber normalerweise höher mit den ”Transformative” Skalen (Yukl, 2006, S. 264). Eine andere Kritik gilt der Behauptung von Avolio, Bass & Jung (1999), dass das Modell ein ”Full Range Model” der Führung sei. Michel, Lyons & Cho (2011) zeigen, dass Yukl‘s Fragebogen MPS (Managerial Practices Survey, Yukl, Wall & Lepsinger, 1990, zur Operationalisierung seines Flexible Leadership Model‘s, s. Kapitel 2.1.6), generell mehr und zu MLQ zusätzliche Varianz in Führungskriterien aufklärt.
2.1.5 Ekvall & Arvonen‘s CPE Modell
Unter den Modellen, die an die Ohio Studien anknüpfen, findet man einen Beitrag von Ekvall & Arvonen (1991); das CPE-Modell (Change, Production, Employee - Modell). Ekvall, Arvonen & Nyström (1987) diskutierten bereits früher ausführlich die zunehmende Wichtigkeit der Aufgabe von Führungskräften, Veränderungen zu managen. Ekvall (1988) nennt 1984 das Jahr, in dem in einem Datenmaterial ein Veränderungsfaktor hervortrat (als ein Nebenprodukt eines größeren Forschungsprojekts). Ekvall & Arvonen (1991) haben verschiedene Untersuchungen mit 360 Grad Feedback Formularen, vergleichbar den in den Ohio Studien durchgeführt. Sie haben dabei gezielt neue Items aus dem ”Veränderungsbereich” hinzugefügt. Als sie ihre Ergebnisse faktorenanalysierten fanden sie, dass außer den klassischen Ohio Dimensionen auch ein neuer Faktor hervortrat, der Fragen beinhaltete, wie sich Führungskräfte gegenüber Veränderungen in Organisationen verhalten. Sie bezeichneten diesen Faktor ”Change” und die klassischen Faktoren ”Employee” (manchmal auch ”Relation”) und ”Production” (manchmal auch “Structure“).
Abbildung 3: Ekvall & Arvonens CPE Modell (nach Ekvall & Arvonen, 1991, S. 25)
Ihre Untersuchungsergebnisse konnten repliziert werden, sowohl von ihnen selbst wie auch von Skogstad & Einarsen (1999) und Yukl, Gordon & Taber (2002, s. unten). Ekvall & Arvonen haben verschiedene Untersuchungen mit ihrem Modell durchgeführt, u.a. inwieweit situative Faktoren es beeinflussen, ob ein gewisser Führungsstil vorteilhaft ist (Ekvall & Arvonen, 1994, Arvonen & Ekvall, 1996) und wie verschiedene Führungsstile das Stresserleben der Mitarbeiter beeinflussen (Arvonen, 1995). Arvonen hat ein 360 Grad Instrument entwickelt, das Farax genannt wird und auf diesem Modell aufbaut.
2.1.6 Yukl & Lepsinger‘s Flexible Leadership Model
Yukl, Gordon & Taber (2002) und Yukl (2006) betrachten die drei Führungs-Dimensionen (Change, Task, Relation) als die besten Metakategorien, um Führung zu beschreiben. Yukl (2006) schreibt, dass in den 1990er Jahren diese drei Dimensionen in voneinander unabhängigen Untersuchungen in Schweden (Ekvall & Arvonen, 1991) und in den USA (Yukl, 1997) gefunden wurden. Yukl, Gordon & Taber (2002) zeigen in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, dass das dreidimensionale Modell den besten ”fit” bringt.
In Betracht der gemessenen Führungs-Dimensionen, sind sich das CPE-Modell von Ekvall & Arvonen (1991) und das Flexible Leadership Model von Yukl & Lepsinger (2004) sehr ähnlich. Es sind im Grunde die gleichen drei Führungs-Dimensionen, die gemessen und in verschiedenen Untersuchungen benutzt werden. Yukl & Lepsinger (2004) bauen aber viel mehr Führungstheorie in ihrem Modell ein. Ihr in dieser Hinsicht viel umfassenderes Modell wird unten dargestellt.
Die theoretische Basis des Modells sieht Yukl primär in den Zielen des Führens. So ist das Ziel von Task Behavior Effektivität und Reliabilität der Arbeitsprozesse, das Ziel von Relation Behavior Einsatzwille, Vertrauen und Kooperation und die Ziele von Change Behavior innovative Verbesserungen und Anpassung an externe Veränderungen. Diese Idee wird in Yukl & Lepsinger‘s (2004) Flexible Leadership Model weiter entwickelt. Das Modell baut ganz auf den drei Führungs-Dimensionen auf. Das Flexible Leadership Model sei eine ”comprehensive explanation of the challenges facing leaders and the requirements for effective leadership” (S. 11). Der von Yukl entwickelte Fragebogen zur Messung der drei Führungs-Dimensionen heißt MPS (Mangerial Practices Survey, Yukl, Wall & Lepsinger, 1990).
Abbildung 4: Model of Flexible Leadership, nach Yukl & Lepsinger (2004)
Das Modell besteht aus vier Komponenten: Organisatorische Effektivität (Organizational Effectiveness/Performance), leistungsbestimmende Faktoren (Performance Determinants), Situationsfaktoren/Variablen (Situational Factors) und direkte und indirekte Formen der Führung (direct and indirect Forms of Leadership). Mit organisatorischer Effektivität meint Yukl das langfristige Wohlergehen und Überleben der Organisation. Die organisatorische Effektivität hängt von drei leistungsbestimmenden Faktoren (LBF) ab: 1. Effektivität & Prozessreliabilität, 2. Human Resources & Relationen und 3. Innovation & Anpassung.
Die Integrierung des dreidimensionalen Führungsmodells folgt, indem postuliert wird, dass die drei Führungsstile sich dazu eignen, unterschiedliche leistungsbestimmende Faktoren zu fördern. So ist Aufgabenorientierung (Task Behavior) geeignet um Effektivität & Prozessreliabilität zu stärken, Relationsorientierung (Relation Behavior) um Human Resources & Relationen zu stärken und Veränderungsorientierung (Change Behavior) um Innovation & Anpassung zu stärken. Das Flexible Leadership Model trennt dabei zwischen direkter Führung (konkretes Verhalten in Führungssituationen) und indirekter Führung. Die letztere beschreibt Programme, Managementsysteme und formelle Strukturen, die von (vor allem höheren) Führungskräften implementiert werden können, um leistungsbestimmende Faktoren zu beeinflussen. Solche Programme/Strukturen/Systeme können teilweise konkretes Führungsverhalten ersetzen (oder verstärken) in Bezug auf dessen Einfluss auf die leistungsbestimmenden Faktoren. Die Situation wird berücksichtigt, indem sie den Einfluss der leistungsbestimmenden Faktoren auf die organisatorische Effektivität moderiert. Durch eine auf die Situation angepasste Stärkung (oder Schwächung) der leistungsbestimmenden Faktoren wird die organisatorische Effektivität erhöht. Im Folgenden werden die Beziehungen der Konstrukte des Flexible Leadership Models (Yukl & Lepsinger, 2004) mit Beispielen erläutert.
Situation A: Die Strategie der Organisation ist es, Produkte und/oder Dienste zu niedrigeren Preisen als die Konkurrenten anzubieten. Hintergrund dieser Strategie ist z.B., dass die Organisation auf einem reifen Massenmarkt mit harter Konkurrenz tätig ist, oder es kann sein, dass der Markt fragmentiert ist und das obere Management zu der Entscheidung kommt, dass ein Anbieter fehlt, der auf niedrige Preis setzt (die niedrige Preisnische ist noch nicht besetzt).
Leistungsbestimmende Faktor: Effektivität & Prozessreliabilität, d.h. das Einsetzen von Personal und Ressourcen auf eine kostenminimierende Weise (Produktivität steigern). Bei Prozessreliabilitiät geht es um eine Produktion von Produkten oder Diensten, die Verzögerungen, Fehler, Qualitätsprobleme und Unfälle minimiert. Diese beiden Ziele können potentiell einander entgegenwirken, aber durch z.B. weitgetriebene Standardisierung können auch beide erreicht werden.
Passendes direktes Führungsverhalten (Führungsstil): Aufgabenorientierung (Task Behavior/ Initiating Structure), d.h. ein Führungsstil bei dem folgendes betont wird: Planung mit eher kurzem Zeithorizont; Klärung von Rollen und Zielen; Überwachung von Prozessen und Leistung; Lösung von operativen Problemen.
Passende indirekte Führung (formale Programme, Management Systeme und formale Strukturen): Zielsetzungsprogramme (z.B. MBO, Null Fehler); Qualität- und Prozess-verbesserungsprogramme (z.B. Reeingineering, TQM, Six Sigma); Kostenreduktions-programme (z.B. Downsizing, Outsourcing, Just-in-time); Performance Management Systeme (Zielsetzung, Feedback, Leistungsbeurteilung); Organisatorische Strukturveränderungen (z.B. funktionelle Spezialisierung, Formalisierung, Standardisierung); Anerkennungs- und Anreizsysteme (fokussiert auf die Belohnung von Effektivität und Reliabilität).
Situation B: Die Strategie der Organisation ist es, qualifizierte Dienste zu liefern, die von Experten ausgeführt werden. Diese Situation setzt einen hohen Grad an Fähigkeit und Motivation der Mitarbeiter voraus. Weil die Mitarbeiter hoch qualifizierte Experten sind, können sie einfach zu einem Konkurrenten wechseln und/oder sich selbständig machen.
Leistungsbestimmende Faktor: Human Resources & Relationen, d.h. Rekrutierung, Entwicklung und Bindung von fähigen und motivierten Mitarbeitern und das Sichern von gegenseitigem Vertrauen und guter Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen.
Passendes direktes Führungsverhalten (Führungsstil): Relationsorientierung (Relation Behavior/Consideration), d.h. ein Führungsstil bei dem folgendes betont wird: Unterstützung und Förderung; Leistungen und Beiträge beachten; Fähigkeiten und Selbstvertrauen der Mitarbeiter entwickeln; bei Entscheidungen relevante Personen konsultieren; Mitarbeiter ermächtigen, ihre Arbeitsaufgaben mehr selbständig/autonom zu lösen; Vertrauen, Zusammenarbeit und Identifikation mit der Organisation fördern.
Passende indirekte Führung (formale Programme, Management Systeme und formale Strukturen): HR Planung (Talent Management, Nachfolgeplanung, Rekrutierung und Auswahlprogramme); Mitarbeiter Entwicklungsprogramme (Schulungen, Mentorprogramme, 360 Grad Feedback, Assessment Centers); Empowerment Programme (Mitarbeiter Teilhabe- Programm, selbstregulierende Arbeitsgruppen, Mitarbeiterräte); Anerkennungs- und Anteilsysteme (Fokus auf der Verstärkung von Loyalität, Service, Fähigkeitserwerb); Qualität des Berufslebens (flexible Arbeitszeiten, Job-sharing, Kinderbetreuung, Sportmöglichkeiten); Karriereberatung und Teambuilding Programme (Sozialisations- und Assimilations-programme, Organisationsfeiern, systematische Anwendung von Symbolen, Ritualen und Zeremonien).
Situation C: Die Organisation ist in einer Branche mit sehr kurzen Produktlebenszyklen und hartem Druck, ständig neue Produktmodelle zu entwickeln tätig. Die Strategie der Organisation ist es, an vorderster Reihe mit neuen Produkten auf dem Markt zu stehen und Innovationsleiter zu sein. Eine andere Situation kann sein, dass eine früher vor Konkurrenz geschützte Organisation durch politische Entscheidungen der Konkurrenz ausgesetzt wird. Dies stellt neue und große Anforderungen an einen Kulturwandel (in Richtung Kunden-/Marktorientierung) und damit zusammenhängende Veränderungen der Arbeitsweisen.
Leistungsbestimmende Faktor: Innovation & Anpassung, d.h. passende Reaktionen auf Bedrohungen und Möglichkeiten, neue Wege zu finden um Materialien und Ressourcen zu akquirieren, Maßnahmen um den Absatz zu steigern.
Passendes direktes Führungsverhalten (Führungsstil): Veränderungsorientierung (Change Behavior), d.h. ein Führungsstil bei dem folgendes betont wird: Überwachung der Umwelt; Identifikation einer relevanten Konkurrenzstrategie unter Berücksichtigung von Kernkompetenzen der Organisation und der Umwelt; formulieren und kommunizieren einer attraktiven Vision; interne und externe Unterstützung für die notwendigen Veränderungen aufbauen; das Implementieren notwendiger Veränderungen; kreatives Denken ermuntern; kollektives Lernen fördern.
Passende indirekte Führung (formale Programme, Management Systeme und formale Strukturen): Innovationsprogramme (Intrapreneurprogramme, formelle Ziele für Innovation und Kommerzialisierung, Budget für Forschung und Produktentwicklung); Programme um Konkurrenten zu verstehen (vergleichende Produkttests, Benchmarking von Produkten und Diensten der Konkurrenten); Programme um Kunden und den Markt zu verstehen (Marktuntersuchungen, Fokusgruppen, Kundenpanelen, Kunden-Relationsteams); Kenntnisse erweitern (Consultants beschäftigen, joint ventures, best-practice von anderen Organisationen übernehmen); Programme für kollektives Lernen (kontrollierte Experimente, durchgeführte Maßnahmen überprüfen); Knowledge-Management Systeme (Expertenverzeichnisse und Netzwerke, best-practice Forums, Datenbanken für Knowledge-Sharing; Anerkennungs- und Anreizsysteme (fokussiert auf Belohnung von Innovation und Anpassung); Strukturveränderungen (kleine Produktabteilungen, Produkt Managers, funktionsübergreifende Entwicklungsteams, Gestaltung der Räumlichkeiten für höhere Kreativität, R&D Abteilungen); Wachstums- und Diversifikationsstrategien (Erwerb, strategische Allianzen, Auslandstöchter).
2.1.6.1 Kommentare zum Flexible Leadership Model
Das Modell geht von den gut erforschten drei Führungsdimensionen aus und setzt sie in einen organisatorischen Zusammenhang. Yukl & Lepsinger (2004) betonen, dass das Modell umfassender ist als viele andere. Das Modell gehört eher, wie Mahsud, Yukl, & Prussia (2011) bemerken, zum strategischen Management; es verknüpft Führungsverhalten mit Managementtheorie und erklärt welches Verhalten und welche organisatorischen Strukturen wann und warum erfolgreich seien. Es geht weniger um genaue, praktische Anleitungen wie man gewisses Führungsverhalten richtig ausführt (z.B. wie man ein gutes Mitarbeitergespräch hält, konkrete Techniken um Mitarbeiter erfolgreich zu motivieren etc.).
Kaiser & Overfield (2010) stellen fest, dass es keine explizite Definition von ”Flexible Leadership” im Buch (Yukl & Lepsinger, 2004) gibt. Die Benennung ”Flexible Leadership” hängt aber wohl damit zusammen, dass Yukl & Lepsinger (2004) betonen, wie wichtig es für Führungskräfte sei, verschiedene Ziele laufend gegeneinander zu balancieren und ihr Führungsverhalten und ihre Entscheidungen über Programme und Strukturen, entsprechend anzupassen (”The real art of Leadership is to perform a balancing act”. S. 217). Allerdings ist es m.E. widersprüchlich, dass sie am Ende ihres Buches sechs Führungsprozesse und fünf Führungskompetenzen als generell wünschenswert präsentieren. Diese sollen sämtliche das ”Flexible Leadership” begünstigen. Der Kritikpunkt gilt vor allem den sechs Führungsprozessen: 1. Build commitment to a core ideology, 2. Build capable leadership at all levels, 3. Involve and empower people at all levels, 4. Keep lines of communication open, 5. Use rewardsystems to support multiple objectives, 6. Encourage and exemplify leadership by example. Punkt 1. hat deutlich mit dem LBF Innovation und Anpassung zu tun, Punkte 2. und 3. deutlich mit dem LBF Human Relations and Resources zu tun. Es scheint widersprüchlich, zuerst das Balancieren und Anpassen des Führungsstils an der Situation und den Zielen zu betonen, um danach doch mehrere der besprochenen Verhaltensweisen als generell passend zu empfehlen.
Der Kritikpunkt gilt weniger den fünf Kompetenzen (1. Maintain situational awareness, 2. Embrace system thinking, 3. Focus on what is really important, 4. Maintain self-awareness, 5. Preserve personal integrity). Punkte 1 bis 3 sind hauptsächlich kognitive Leistungen und es gibt starke Belege dafür, dass GMA (General Mental Ability), gerade für komplexe Berufe, ein sehr guter Prädiktor ist (Schmidt & Hunter, 2004). Damit macht es Sinn zu behaupten, dass diese Kompetenzen generell wünschenswert für Führungskräfte sind. Punkte 4. und 5. scheinen wichtig und sind zumindest nicht eindeutig durch die Verhaltensdimensionen im ”Flexible Leadership Model” (Abbildung 4) abgedeckt.
Der FSI Test und das Integrative Führungsmodell knüpfen an Ekvall & Arvonens (1991) und Yukl & Lepsingers (2004) Arbeiten an. Sie bedeuten aber auch Modifikationen und Weiterentwicklungen dieser Arbeiten und um diese zu verstehen ist es notwendig, tiefer in ein paar grundlegende Themenbereiche einzudringen. Es geht vor allem um die Definition und Abgrenzung von Führungsstilen und um Charakteristika der Dimensionalität von Führungsstilen.
2.2 Abgrenzung und Definition von ”Führungsstil”
Für den Begriff ”Führung” gibt es viele Definitionen (Yukl, 2006, S. 3 listet einige davon auf). Führungsstil ist ein spezifischerer Begriff als Führung. Hier wird ein Versuch gemacht, diesen Begriff deutlich zu definieren und von anderen Beschreibungskategorien des Führungsverhaltens abzugrenzen.
Die Struktur des Kapitels ist wie folgt: Zuerst werden kurz drei Beschreibungskategorien von Führungsverhalten vorgeschlagen und theoretisch definiert. Dann werden die Charakteristika, die zwischen den drei Gruppen trennen, genauer beschrieben. Anschließend werden die Methoden, die konstruiert wurden, um die verschiedenen Kategorien zu messen, kritisch betrachtet. Zuletzt geht es um einige Konsequenzen der hier vorgeschlagenen Kategorienaufteilung. In Tabelle 2: Theoretische Abgrenzung des Begriffs ”Führungsstil” von anderen häufigen Beschreibungskategorien des Führungsverhaltens werden die drei Beschreibungskategorien sowie ihre wichtigen Charakteristika zuerst tabellarisch vorgestellt.
Tabelle 2: Theoretische Abgrenzung des Begriffs ”Führungsstil” von anderen häufigen Beschreibungskategorien des Führungsverhaltens
Problematische Führung | Führungsstil | Vorbildliche Führung |
kleine Varianz | große Varianz | kleine Varianz |
Kompetenz (-) | Verhaltensstil /typisches Verhalten | Kompetenz (+) |
universal wirkend | kontingent wirkend | universal wirkend |
unipolare Dimensionen | bipolareDimensionen | unipolare Dimensionen |
Die hier vorgeschlagene Definition von Führungsstil lautet:
”In der Population häufig vorkommende, relativ stabile Verhaltensmuster von Personen in Führungsrollen”.
Zu Führungsstil gehört damit Führungsverhalten, das häufig und überall zu beobachten ist und sich deshalb breit für die Beschreibung von Führungsverhalten eignet. Die zwei- und drei- dimensionalen Führungsmodelle (Fleishmann, 1953, Ekvall & Arvonen, 1991, Yukl, Gordon & Taber, 2002) wollen im Grunde solches Verhalten erfassen. Führungsstildimensionen sind dadurch charakterisiert, dass sie 1. große Varianz haben, 2. Stil-Dimensionen sind, d.h. in Anlehnung an Guilford (1959), typisches Verhalten beschreibend; eher wie man etwas macht als ob man etwas richtig/gut macht, 3. kontingent wirkend sind, d.h. deren Erfolg hängt von der Führungssituation ab und 4. bipolar sind, d.h. sie lassen sich (wie Persönlichkeitsdimensionen) besser bipolar als unipolar darstellen und operationalisieren.
Definition: Problematische Führung:
”Relativ stabile Verhaltensmuster von Personen in Führungsrollen, die generell eine negative Wirkung auf Führungserfolg haben”.
Zur ”Problematischen Führung” gehört damit Verhalten, das offensichtlich eine negative Auswirkung auf die Führungsfähigkeit hat. Beispiel eines solchen Konstrukts findet man in der Arbeit von Shaw, Erickson & Harvey (2011): ”Destructive Leadership”. Dieses Konstrukt wird von Einarsen, Aasland & Skogstad (2007, S. 20) definiert als ”systematic and repeated behavior by a leader, supervisor, or manager that violates the legitimate interest of the organization by undermining and/or sabotaging the organization’s goals, tasks, resources, and effectiveness and/or the motivation, well-being or job-satisfaction of subordinates”. Auch die Forschung um ”Derailment” von Führungskräften (McCall & Lombardo, 1983) gehört zu dieser Kategorie, sowie ”Toxic Leadership” (Lipman-Blumen, 2006), ”Abusive Supervision” (Tepper, 2000), ”Bad Leadership” (Erickson, Shaw & Agabe, 2007), ”Narcissistic Leadership” (Pauonen, Lönnqvist, Verkasalo, Leikas & Nissinen, 2006), ”the Dark Side of Leadership” (Hogan & Hogan, 2001).
Problematische Führungs-Dimensionen sind dadurch charakterisiert, dass sie 1. eher kleine Varianz haben (zumindest in ”normalen” Führungspopulationen), ٢. Kompetenzdimensionen sind (viel ist schlecht), 3. universal wirkend sind, d.h. deren (Miss-)Erfolg ist relativ situationsunabhängig, 4. unipolar sind, d.h. man zeigt viel bis wenig von den aktuellen Verhaltensweisen und nur die Bedeutung des einen Pols wird deutlich definiert.
Definition: Vorbildliche Führung:
”Relativ stabile Verhaltensmuster von Personen in Führungsrollen, die generell eine positive Wirkung auf Führungserfolg haben”.
Zur ”Vorbildlichen Führung” gehört damit Verhalten, das eine positive Auswirkung auf den Führungserfolg verspricht. Dieser positive Effekt soll generell (unabhängig von der Führungssituation) sein, obwohl dieser positive Effekt nicht in allen Situationen gleich stark sein muss. Transformative Führung (s. Kapitel 2.1.4) wird z.B. immer als erwünscht betrachtet, aber es gibt Situationen wo dies weniger entscheidend ist (Yukl, 2006, S. 19). Beispiele vorbildlicher Führungs-Konstrukte sind Transformative Führung (Bass, 1990), der 9,9 Style bei Blake & Mouton (1964), Authentic Leadership (Luthans & Avolio, 2003, Walumbwa, Avolio, Gardner, Wernsing & Peterson, 2008) und Ethical Leadership (Brown & Trevino, 2006). Es gibt auch sehr viele praktisch orientierte Bücher, in denen ”The authors examine descriptions of events in successful companies to see what leadership practices are used…” (Yukl, 2004, S. xii). Auch hier will man oft ”Vorbildliche Führung” beschreiben.
Vorbildliche Führungsdimensionen sind dadurch charakterisiert, dass sie 1. eher kleine Varianz haben (in ”normalen” Führungspopulationen), 2. Kompetenzdimensionen sind (d.h. viel ist gut), 3. universal wirkend sind, d.h. deren Erfolg relativ situationsunabhängig ist, 4. unipolar sind, d.h. man zeigt viel bis wenig von den aktuellen Verhaltensweisen und nur die Bedeutung des einen Pols wird deutlich definiert.
Manchmal scheinen problematische Führungskonstrukte und vorbildliche Führungskonstrukte natürliche Gegenpole darzustellen, d.h. Endpunkte einer bipolaren Dimension zu sein. Bei näherer Betrachtung mag dies jedoch nicht der Fall sein. So schreiben z.B. Brown & Trevino (2006) ”We suspect that being low on ethical leadership is not equivalent to being high on unethical leadership … A leader can be weak in terms of visable ethical leadership and have done nothing wrong to earn the label of an unethical leader.” (S. 610).
In diesem Kapitel wurde bis jetzt theoretisch über die drei Kategorien des Führungsverhaltens gesprochen. Geht man zu den Operationalisierungen dieser Konstrukte über, sieht es nicht mehr so eindeutig und ”trennscharf” aus. Wenn man das Konstrukt ”Problematische Führung” sowie die dazugehörenden Messmethoden betrachtet, mag die Trennung zu den anderen beiden Kategorien recht klar sein. Undeutlicher ist die Trennung zwischen Führungsstildimensionen und ”Vorbildliche” Führungsdimensionen, insbesondere wenn man die Operationalisierungen betrachtet.
2.2.1 Große versus kleine Varianzen
Die hier vorgeschlagene Definition von Führungsstil betont, dass es ”in der Population häufig vorkommende” Verhaltensmuster sein sollen, d.h. Verhaltensmuster, die große Variation zeigen. Wo genau die Grenze ist, wann ein Verhalten genügend ”häufig vorkommend” ist, ist schwierig objektiv zu schließen, es gibt aber Anhaltspunkte. Zum Beispiel sollte es einfach sein, bei Skalen, die auf die Messung von Führungsstildimensionen zielen, große Varianzen in den Rohwerten zu erzielen. Bei Skalen die ”Problematische Führung” und auch ”Vorbildliche Führung” messen sollen, sollte es deutlich schwieriger sein, große Varianzen zu erzielen, zumindest wenn man bei ”normalen” Führungskräfte-Populationen die Daten erhebt.
Es gibt eine Analogie zur Persönlichkeitsforschung; nämlich die Abgrenzung zwischen klinischen Eigenschaften/Skalen (Schizophrenie, Depression, Psychopathie etc.), und Eigenschaften/ Skalen der ”normalen Persönlichkeit” (Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit etc.). Die klinischen Skalen wollen psychische Probleme messen. In Normalpopulationen bekommen solche Skalen kleine Varianzen, in klinischen Gruppen können sie jedoch durchaus große Varianzen haben (Cattell, 1979).
Es muss gesagt werden, dass Skalen, die für die Messung von ”Vorbildlicher Führung” konstruiert worden sind, doch große Varianzen in den Rohwerten aufzeigen können. Dies hängt damit zusammen, dass nur die Extremwerte in der Skala (oder eine Kombination von Extremwerten, z.B. 9,9 bei Blake & Mouton, 1964) auf das zu messende Konstrukt hinweisen. Vorbildliche Führungskonstrukte sind Ziele, die man als Führungskraft anstreben sollte. Eher wenige Führungskräfte dürften aber diese Ziele vollständig erreichen (z.B. zeigen Charisma + sind inspirierend + zeigen individuelle Aufmerksamkeit + zeigen intellektuelle Stimulation = Transformative Führung).
2.2.2 Abgrenzung von Stil- und Kompetenzskalen
Hier werden ein paar Grundlagen bezüglich Kompetenz und Stilmessung beschrieben. Abbildung 5: Charakteristika von Fähigkeits-, Kompetenz- und Stil-Items stellt Charakteristika von Fähigkeitsitems (z.B. eine Intelligenzaufgabe), Kompetenzitems (z.B.” Ich kann gut Mitarbeiter motivieren”) und Stilitems (z.B. ”Unabhängig um welche Aufgabe es sich handelt, instruiere ich meine Mitarbeiter bei der Aufgabenverteilung sehr genau”). In Abbildung 5: Charakteristika von Fähigkeits-, Kompetenz- und Stil-Items wird vereinfacht von nur zwei Antwortalternativen ausgegangen. Bei Kompetenzitems werden aber öfters Einstufungsskalen (Likertskalen) als Antwortalternativen benutzt und bei Fähigkeitsitems gibt es normalerweise mehrere falsche Antwortalternativen.
Abbildung 5: Charakteristika von Fähigkeits-, Kompetenz- und Stil-Items
Eine Kompetenz zu besitzen ist bedeutungsgleich damit, eine Fähigkeit zu besitzen und daher sind Kompetenzskalen vom Messziel den psychometrischen Fähigkeitstests (z.B. IQ Tests, Wissenstests) zuzuordnen. Sie bedienen sich aber bei der Messung von Messtechniken entsprechend den Stil-Tests (genauer Cattell‘s, 1946, Q- und L- Daten, d.h. Selbst- und Fremdbeurteilungen). Damit werden die Probleme der Selbst- und Fremdbeurteilungen aktuell (Selbst- bzw. Fremdkenntnis, Impression Management und Haloeffekte) und zwar verstärkt, denn es ist meistens sehr deutlich, welche die ”bessere” Antwortalternative ist.
Bei Stilitems geht es um typisches Verhalten, Gedanken oder Gefühle einer Testperson, wenn sie vor einen gewissen Reiz (Situation) gestellt wird. Dabei wird nicht im Voraus entschieden ob eine gewisse Reaktion die richtige oder falsche ist, sondern es werden Reaktionen zur Auswahl gegeben, die man meint häufig vorkommende, sich ausschließende Reaktionsweisen von Personen in der aktuellen (abgefragten) Situation widerzuspiegeln. Die Items müssen aber nicht Forced-Choice Format haben (s. Kapitel 4.1.1), sondern es können durchaus auch Items sein, bei denen man die Situation und die Reaktion beschreibt und dann eine mehrstufige Ratingskala z.B. ”Stimmt überhaupt nicht” bis ”Stimmt genau” als Antwortmodus verwendet. Stilitems können auch Traitratings sein (z.B. ”Ich bin ein sehr aktiver Mensch”). Die Vorteile und Nachteile verschiedener Itemformate werden in Kapitel 4 diskutiert.
Es wird klar, dass es Vorüberlegungen sind, bezüglich was gemessen werden soll, die zwischen Kompetenz- und Stilitems unterscheiden. Will man offensichtlich richtiges bzw. falsches Verhalten und damit Kompetenz-/Fähigkeitskonstrukte messen oder will man häufig vorkommende Reaktionen bei gewissen Situationen messen, ohne Vorüberlegungen was generell richtig/gut bzw. falsch/schlecht ist.
2.2.2.1 Traditionelle Führungsstilskalen: Führungskompetenz- statt Führungsstilmessungen
Die traditionellen Führungsstilskalen sind fast ausschließlich Fremdratings, d.h. Mitarbeiter beurteilen ihre Vorgesetzten. Manchmal werden auch Kollegen, übergeordnete Chefs und die Führungskraft selbst als Beurteiler involviert (sog. ٣٦٠ Grad Feedback).
Hier wird behauptet, dass einige der verbreiteten, traditionellen Führungsstilskalen eher Kompetenz- als Stilskalen sind. Dass dieser Umstand näher behandelt wird hat damit zu tun, dass er einige interessante Konsequenzen hat.
Hier wird argumentiert, dass Ursachen für die Kompetenzmessung der traditionellen Skalen sind, dass:
1 Die Skalen zum Teil aus Fragen bestehen, die direkte Kompetenzratings sind.
2 Die Konstruktionsweise, wobei man a) typischen Verhaltensweisen von Führungskräften sammelt und dann b) als Antwortmodus eine Frequenzrating benutzt, zu einer indirekten Kompetenzmessung führt.
Um Punkt 1. zu verdeutlichen werden hier ein paar Beispiele gezeigt. Zuerst von LBDQ (Leader Behavior Description Questionnaire) von Ohio State University (1957 Version, aber sie sind auch in der Form XII, 1962, genau gleich oder ähnlich vorhanden). Die Antwortskala ist ein Frequenzrating (Always, Often, Occasionally, Seldom, Never).
”5. Acts as the real leader of the group, 28. Is willing to make changes, 30. Fails to take necessary actions, 36. Lets other people take away his/her leadership in the group”.
Es dürfte klar sein, dass eine Führungskraft die ”Never, Never, Always, Always” als Ratings bei diesen Fragen bekommt, für nicht besonders tauglich gehalten wird. Diese Fragen sind eine Auswahl zur Verdeutlichung. Andere Fragen sind nicht ähnlich ”wertend” sondern neutraler, z.B. ”22. Emphasizes the meeting of deadlines, 24. Encourages the use of uniform procedures”. Immerhin sind einige Fragen deutlich wertend und können deswegen als direkte Kompetenzeinschätzungen der aktuellen Führungskraft betrachtet werden.
Obwohl nicht gleich deutlich, haben auch neuere Instrumente einen ähnlichen Aufbau:
Ekvall & Arvonens Fragen zum CPE Modell (s. Kapitel 2.1.5): ”Makes quick decisions when necessary, is considerate, gives clear instructions”. Die Antwortalternativen sind: ”Seldom or never, Sometimes, Often, Most of the time”.
TLI (Transformational Leadership Inventory) von Podsakoff (Heintz & Rowold, 2007): ”7. Pflegt die Zusammenarbeit unter Arbeitsgruppen, 11. Bringt die Gruppe dazu, gemeinsam für ein Ziel zu arbeiten, 22. Ist ein gutes Vorbild, dem man leicht folgen kann”. Die Antwortalternativen sind: Nie, Selten, Manchmal, Oft, Immer).
Die Items des MLQ-5Xs (Multifactor Leadership Questionnaire, Avolio & Bass, 2004), ein verbreitetes Messinstrument für Bass Transformational/Transactional Theorie (s. Kapitel 2.1.4), konnten nicht in ihrer Ganzheit gesichtet werden, aber ausgehend von den Beispielen, die Schriesheim, Wu & Scandura (2009, S. 606) mitteilen, treffen die hier besprochenen Probleme auch für MLQ-5X zu. Da MLQ-5X aber auch Items beinhaltet, die offensichtlich negatives Führungsverhalten beschreiben (die Skalen ”Laissez-Faire” und ”Management by Exception, passive”), kann man sagen, dass MLQ-5X eine Mischung aus ”Vorbildliche” und ”Problematische” Führungsaspekte misst. Möglicherweise mit ”Management by Exception, active” dazwischen (vgl. Heinitz, Liepmann & Felfe, 2005).
Die Argumente für oben genannten Punkt 2 sind, dass wenn die Items hauptsächlich Verhalten abfragen, die Führungskräfte zeigen, dann bei den Items gefragt wird wie oft eine gewisse Führungskraft dieses Verhalten tatsächlich zeigt, dann ist die Abwesenheit (Antwortalternativen: Seldom oder Never) dieses Verhaltens negativ zu sehen und dessen Vorhandensein irgendwo zwischen selbstverständlich bis positiv zu betrachten. Wie im Kapitel 2.1.1 beschrieben wurde, wurden in den Ohio State Studien zuerst Verhalten, die Führungskräfte zeigen, gesammelt. Beispiele aus LBDQ (1957, gleich oder ähnlich in 1962 Version): ”9. Criticizes poor work, 14. Assigns group members to particular tasks, 19. Keeps the group informed, 32. Lets group members know what is expected of them, 39. Sees to it that the work of members is coordinated”. Antwortsskala: Always, Often, Occasionally, Seldom, Never. Es ist schwierig, sich eine Führungskraft vorzustellen, die ihre Arbeit gut macht und dabei nie ”Lets group members know what is expected of them” und nie ”Sees to it that the work of members is coordinated”.
Um mit einem anderen (fiktiven) Beispiel zu verdeutlichen, könnte man sich ein Ratingformular vorstellen, bei dem Dozenten von Studenten/Kollegen/Professoren beurteilt werden sollten:
Publiziert Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften: Nie, selten, manchmal, oft, immer.
Hält Vorlesungen und/oder leitet Seminare: Nie, selten, manchmal, oft, immer
Denkt theoretisch und abstrakt über wissenschaftliche Probleme nach: Nie, selten, manchmal, oft, immer.
Diese fiktive Itembeispiele sind nicht einmal wertend (dann wären sie z.B. ”Hält pädagogisch gut aufgebaute Vorlesungen: Nie, selten, manchmal, oft, immer”). Trotzdem muss man sagen, dass die Abwesenheit von Verhalten, das man von Dozenten (oder Führungskräften oder anderen Stelleninhabern) erwarten kann, meistens als negativ zu betrachten ist und deren Vorhandensein irgendwo zwischen selbstverständlich bis positiv.
Deswegen wird hier behauptet, dass mehrere Führungsmodelle, sich laut eigener Aussage und/oder laut der Literatur von Führungsstilmessungen oder Führungsverhaltensmessungen benutzen, wenn es korrekter wäre, diese Messungen als Führungskompetenzmessungen zu verstehen und auch eher als Messungen ”Vorbildlicher Führung”.
2.2.3 Kontingent- versus universal wirkend
Solange man nicht die zynische Annahme macht, dass in manchen Organisationen nur schlechte (inkompetente) Führungskräfte Erfolg haben können, ist es ein Widerspruch zu sagen, dass Führungsdimensionen, die als Kompetenzdimensionen operationalisiert worden sind, kontingent wirken sollen. Denn in welcher Situation sollte eine Führungskraft die erfolgreichste sein, die z.B. nie: ”Acts as the real leader of the group, Is willing to make changes, und immer: Fails to take necessary actions, Lets other people take away his/her leadership in the group” ? Im Grunde können wir nur hoffen, mit wirklichen Stil-Dimensionen deutliche Kontingenzeffekte zu finden. Deshalb ist in der Tabelle 2: Theoretische Abgrenzung des Begriffs ”Führungsstil” von anderen häufigen Beschreibungskategorien des Führungsverhaltens nur den Führungsstilen eine ”Kontingenz-Wirkung” zugeschrieben worden.
2.2.4 Bipolare versus unipolare Beschreibungsdimensionen
In diesem Kapitel geht es um eine Kernaussage des FSI Modells, nämlich dass sich Führungsstile besser bipolar als unipolar beschreiben lassen. Zuerst werden die Konzepte von Uni- bzw. Bipolarität beschrieben.
Unipolare Beschreibungsdimensionen gehen von nichts/wenig zu alles/viel. So werden Fähigkeitseigenschaften unipolar betrachtet; man hat z.B. keine Kenntnisse in Chinesisch oder man hat sehr viel, man hat ein niedriges technisches Verständnis oder man hat ein sehr hohes technisches Verständnis (s. Abbildung 6: Uni- bzw. Bipolarität a).
Abbildung 6: Uni- bzw. Bipolarität
Allport (1937) beschreibt seine ”Common Traits of Personality” (s. 403) als bipolar, abgesehen von denen, die mit Werten zu tun haben (z.B. viel oder wenig Interesse an Politik). Er betrachtet bipolare Dimensionen eigentlich als aus zwei verschiedenen Traits zusammengesetzt, die sich komplettieren. Wenn man auf solchen Testskalen einen mittleren Wert erreicht, dann besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beiden Traits. Auch Jung (1950, S. 465) geht von unabhängigen psychischen Mechanismen hinter seinen Persönlichkeitseigenschaften aus (Extraversion – Introversion, s. Abbildung 6: Uni- bzw. Bipolarität b).
Guilford (1959) betrachtet morphologische Eigenschaften (Länge, Gewicht etc.) immer als unipolar, so auch Fähigkeitseigenschaften. Temperamentseigenschaften (Persönlichkeit) seien dagegen normalerweise bipolar. Er spricht über sie in gleicher Weise wie Allport, mit einem Gleichgewichtspunkt in der Mitte, wo die beide Qualitäten (er sagt nicht die beiden Eigenschaften) balanciert sind. Er betrachtet auch (im Unterschied zu Allport) Interessen als bipolar, denn ”there are aversions as well as likings for objects of interest” (S. 65).
Cattell (1987) meint, wie auch Spearman und Thurstone beobachtet haben sollen, dass wenn verschiedene Fähigkeitsmessungen zusammen mit Leistungsmessungen (Kriteriumsvariablen) faktorenanalysiert werden, fast alle Leistungsmessungen positive Ladungen auf den entstandenen Fähigkeitsfaktoren bekommen. Er meint auch, dass verschiedene Motivationsmessungen, alle positiven Ladungen auf den in den Faktorenanalysen entstandenen dynamischen Faktoren zu bekommen pflegen. Mit Temperamentsmessungen sieht es aber anders aus: Die verschiedenen Leistungsmessungen bekommen so viele negative wie positive Ladungen auf den entstandenen Temperamentsfaktoren. Cattell (1987) schreibt auch: ”Another aspect of this difference is that one can speak of a ”good” pole on an ability, or a ”strong” pole on a dynamic factor, there is no ”good” or ”strong” pole to a personality factor. Any value judgement is arbitrary”. (S. 441).
Herrmann (1984) diskutiert die Zuordnung von Persönlichkeitseigenschaften als bipolar und Fähigkeitseigenschaften als unipolar. Er weist, ähnlich wie Cattell (1987), darauf hin, dass Fähigkeitsitems immer positiv miteinander korrelieren und es deswegen keine Items gibt, die einen niedrigen Polwert charakterisieren/definieren. Bei Persönlichkeitsitems ist es anders: Lässt man Versuchspersonen viele verschiedene persönlichkeitsbeschreibende Items beantworten und berechnet man eine Faktorenanalyse mit den Daten, dann treten normalerweise Faktoren auf, bei denen einige Items negative und andere positive Korrelationen mit dem gleichen Faktor bekommen. Daher erscheint es natürlich, diese Faktoren als bipolar zu interpretieren, d.h. ein hoher Faktorenwert hängt mit gewissen Verhaltensweisen und ein niedriger mit anderen zusammen.
Herrmann (1984) schreibt aber auch, dass die Bipolarität bzw. Unipolarität von Persönlichkeitsmerkmalen nicht ”entdeckt” sondern vom Testkonstrukteur ”bestimmt” wird. Herrmann zeigt an einem Bespiel, wie zwei Skalen, die hoch positiv bzw. hoch negativ auf einem Faktor laden und deswegen eine bipolare Skala indizieren, durch Umformulierung der Items dazu gebracht werden können, beide z.B. hoch positiv mit einem Faktor zu korrelieren. Dies würde dann den Faktor (Dimension) unipolar machen. Es seien also, wie auch schon Allport meint, vor allem theoretische Überlegungen, die entscheidend dafür sein sollen, ob eine Eigenschaftsdimension und die dazugehörende Test-Skala bi- oder unipolar gestaltet werden soll.
Mehrere bekannte Persönlichkeitsforscher haben sich dafür entschieden, Persönlichkeitsdimensionen bipolar und Fähigkeitsdimensionen unipolar zu verstehen und zu operationalisieren. Durch das ”spontane” Auftreten positiver und negativer Korrelationen der Persönlichkeitsvariablen/Items mit Leistungsmessungen und Persönlichkeitsdimensionen scheint es natürlich, diese als bipolar zu betrachten. Wie Herrmann zeigt, ist es jedoch möglich, Persönlichkeitsitems gezielt so umzuformulieren, dass sie alle in gleicher Richtung mit einer Persönlichkeitsdimension korrelieren.
Bei der Konstruktion von FSI wurde Bipolarität gewählt, weil:
1. Führungsstilskalen mehr mit Persönlichkeitsdimensionen gemeinsam haben als mit Fähigkeitsdimensionen. Bipolarität scheint dabei, wie oben besprochen, die ”natürlichere” Wahl zu sein. Außerdem sind die Items so konzipiert, dass unterschiedliche, sich ausschließende Antworten auf einen Reiz (Situation) abgefragt werden (s. Kapitel 2.2.2). Es macht Sinn, diese unterschiedlichen Antworten zusammenfassend zu bezeichnen, z.B. in operativen/bewahrenden Reaktionen bzw. in verändernden Reaktionen, ähnlich wie man es bei Persönlichkeitstests mit z.B. introvertierten bzw. extravertierten Reaktionen tut.
2. sich verschiedene Aspekte des Führens (Verhalten, Entscheidungen, Situationen) eindeutiger mit bipolaren Führungsstildimensionen kategorisieren lassen (s. Kapitel 3.2-3.4, auch 5.3.7.1 und 5.3.7.2).
2.2.5 Konsequenzen
Das bis jetzt Besprochene hat verschiedene Konsequenzen. Eine ist, dass es bei manchen Untersuchungen korrekter ist, über den Zusammenhang von Relations-, Strukturierungs- und Veränderungskompetenz und Führungserfolg zu sprechen, als über den Zusammenhang von relationsorientiertem, strukturiertem und veränderungsorientiertem Führungsstil und Führungserfolg. Unten werden zwei wichtigere Punkte aus den vorausgehenden Diskussionen zusammenfassend erläutert.
Folge 1: Starker Halo-Effekt, übergreifend auf Kriterien
Die traditionellen Führungsskalen sind leicht durchschaubar und es ist im Allgemeinen klar, welche Antwort die ”richtige” ist, was man bei Kompetenzskalen erwarten kann. Das Problem der sozialen Erwünschtheit ist nicht ernst, wenn es sich, wie bei den besprochenen Führungsmessinstrumenten, um Fremdbeurteilungen handelt. Außerdem weiß die Führungskraft, wenn sie bei einer 360 Grad Feedback eine Selbstbeurteilung machen soll, dass ihre Selbsteinschätzung mit der Fremdbeurteilung später verglichen wird und Abweichungen als Mangel an Selbsteinsicht interpretiert werden können. Anders verhält es sich bei Personalauswahl. Man bekäme ernsthafte Probleme mit sozial erwünschten Antworten, benützte man ähnliche Items bei einem Selbsteinschätzungstest (wie FSI). Allerdings bekommen auch die Fremdbeurteilungen Probleme, wenn die Items Kompetenzratings sind, nämlich mit dem Halo-Effekt.
Bei dem Halo-Effekt korrelieren alle Skalen die bei der Beurteilung benutzt werden, positiv (oder negativ) miteinander. Die Ursache ist eine zugrunde liegende Dimension mit den Polen ”mag die Person nicht ” bis ”mag die Person” die quer über alle Skalen läuft und für (zumindest einen Teil) der Korrelationshöhe verantwortlich ist. Eine Voraussetzung für den Halo-Effekt ist, dass die benutzten Fragen deutlich positive bzw. negative Antwortalternativen haben (d.h. unterschiedliche Valenzen haben, s. Kapitel 4.1).
Aus wissenschaftlicher Sicht ist es dazu besonders problematisch, wenn die Beurteiler auch noch gebeten werden, Kriteriumratings zu machen (hier; generell wie gut die Person als Führungskraft ist), denn dann wirkt der Halo-Effekt auch über die Kriterien. Wie viel der recht hohen Zusammenhänge (s. Metaanalyse von Judge, Piccolo & Ilies, 2004) zwischen traditionellen Führungsskalen und Führungserfolg durch Halo-Effekte erklärt werden können, ist eine offene Frage. Das Problem wird u.a. von Schriesheim & Kerr (1974), Ekvall & Arvonen, (1994), Podsakoff, Scott, Lee & Podsakoff (2003) und Judge, Piccolo & Ilies (2004) diskutiert. Es ist sogar wahrscheinlich, dass wenn die Prädiktorskalen Kompetenzskalen sind und die Beurteiler gleichzeitig irgendeine allgemeine Kompetenz als Kriterium beurteilen sollen, dann lassen sich in Prinzip, aufgrund des Halo-Effekts, Kriterienkorrelationen für fast jede beliebige Prädiktorskala finden.
Eine konsequente Anwendung von Führungsstilskalen, wie sie in Tabelle 2: Theoretische Abgrenzung des Begriffs ”Führungsstil” von anderen häufigen Beschreibungskategorien des Führungsverhaltens definiert werden, könnte diesen Problemen entgegenwirken. Fremdbeurteilungsskalen können auch bipolar und verhältnismäßig valenzneutral formuliert werden, z.B. ähnlich die in der Abbildung 12 (s. auch Anhang III). Dann kann der Einfluss des Halo-Effekts bei Fremdratings gemindert und auch die Entdeckung von Kontingenzeffekten ermöglicht werden.
Folge 2: Vorprogrammierte ”Universal” Wirkung
Die Frage ob Führungsstile eine universelle Wirkung auf Führungserfolg haben oder ob sie kontingent wirken, d.h. dass die Führungssituation moderierend auf den Führungserfolg wirkt, ist eine viel diskutierte Frage (Arvonen & Ekvall, 1996). Hier wird behauptet, dass die Konzeption von Führungsstilskalen als Kompetenzdimensionen dazu führt, dass die Entscheidung über kontingent oder universell zugunsten universell ausfällt. Denn, wie früher argumentiert wurde; in welcher Situation ist die Führungskraft am erfolgreichsten, die nie: ”Acts as the real leader of the group, Is willing to make changes, und immer: Fails to take necessary actions, Lets other people take away his/her leadership in the group” ?
Ekvall & Arvonen (1994) konnten keinen Kontingenzeffekt finden, sondern nur einen starken Haupteffekt von Führungsstilen, die mit ihren CPE-Skalen gemessen wurden (s. Kapitel 2.1.5). Die Situationsvariablen waren Branche, Funktion und Führungsniveau. Erfolgskriterium waren Führungskompetenzratings, von den gleichen Beurteilern, die auch den Führungsstil der Führungskräfte beurteilten. In einer anderen Untersuchung, benutzen Arvonen & Ekvall (1996) andere Situationsvariablen und schreiben: ”In order to be liberal to the contingency view we formulated the operation demands within the same domains as the applied CPE-model describes leadership - change/development, production/structure, and people/relations.” (S. 10). D.h. sie haben die Beurteiler erst die Situationsanforderungen der Führungskraft auf Skalen beurteilen lassen z.B. wie wichtig es für die Führungskraft ist, dass ”new ways of carrying out tasks are tested” oder dass ”work is accurately controlled”. Dann haben die Beurteiler den Führungsstil der Führungskraft (mit den CPE-Skalen) eingeschätzt und dabei auch Kriteriumratings (wie gut die Führungskraft funktioniert) abgegeben. Es wurde eine ANOVA berechnet, um laut Hypothese, Interaktionseffekte zwischen Situationsanforderungen und Führungsstil bezüglich des Führungserfolgs zu finden. Man fand schwache Effekte mit den entsprechenden Situationen für die Führungsstile Employee/Relation und Production/Structure, aber keine für Change. Dagegen war immer ein sehr starker Haupteffekt für Führungsstil vorhanden. Man fragt sich, ob diese Ergebnisse damit zusammenhängen könnten, dass die Führungsstilskalen (CPE-Skalen, vgl. Kapitel 2.2.2.1) eher Kompetenz- als Stilskalen sind und dass ein Halo-Effekt quer über den CPE und Kriteriumskalen läuft.
Ekvall & Arvonen (1994) gehen das ”Halo-Problem” an, indem sie Halo-Varianz direkt zu messen streben, um diese dann auspartialisieren zu können. ”Halo” wird in der Untersuchung mit einer ”Popularitäts-Frage” gemessen: ”How do you like your supervisor/manager?: I like him/her strongly, I rather like him/her, I am neutral, I am not very fond of him/her, I really dislike him/her”. Die Partialkorrelationen zwischen Führungsstil und Kriterium werden niedriger, aber immer noch signifikant: ”Change” von .59 zu .48, ”Production” von .43 zu .37 und ”Employee” von .50 zu .25.