Читать книгу Pflegereduzierte Grünflächen - Stefan Schmidt R. - Страница 7
ОглавлениеBedeutung und Qualität von Pflanzungen in Grünflächen
Der Park des 19. Jahrhunderts mit seinen aufwendigen Schaupflanzungen unterscheidet sich grundlegend von den heutigen Anforderungen an multifunktionalen Grünflächen. Dennoch führt die größere Bedeutung urbaner Parks heute zu einer Renaissance attraktiver Pflanzungen. Das Leitbild der kompakten Stadt und das Ziel der Innenentwicklung im Städtebau haben der Freiraumplanung neuen Auftrieb gegeben. Die neuen gemischten Wohn- und Arbeitsquartiere erfordern intensiv nutzbare und gut gestaltete Parks als attraktives Lebensumfeld, um die neue städtebauliche Dichte zu kompensieren. Auch die immer flexiblere Arbeitswelt mit ihrer Durchdringung von Arbeit und Freizeit lässt moderne Parks zu sozialen Treffpunkten werden, die intensiv genutzt werden und der neuen Stadtkultur eine besondere Bühne geben.
Wachsende Erwartungen an ästhetische Qualitäten moderner Parks
Für die Bedeutung von Pflanzungen in diesen neuen Parktypen und im öffentlichen Grün spielen die Nutzererwartungen eine wichtige Rolle. Die Bewertung der Grünflächen durch die Besucher wird heute nicht nur an funktionale, sondern vermehrt an ästhetische Kriterien geknüpft. Im Gegensatz zur Nachkriegszeit geht es nicht mehr um quantitative Freiflächenversorgung. Heute stehen attraktive Angebote mit besonderen Qualitäten im Mittelpunkt. Die Vermarktungsstrategien im Städtebau sorgen für eine zentrale Bedeutung von hochwertigen Parkanlagen, weil sie die Bewertung der Immobilien und es Quartiers mit bestimmen. Sie sind deshalb ein wichtiges Instrument des Städtebaus und des erfolgreichen Stadtmarketings geworden.
In neuen Parks spielen hohe funktionale und ästhetische Qualitäten eine bedeutende Rolle. Dies zeigt sich zunächst in der reichen Ausstattung, die vom besonderen Spielplatz bis zu hochwertigen Fitnessgeräten für Senioren reicht. Es sind aber auch besondere Pflanzungen, die den Charakter dieser Grünflächen wesentlich prägen. Nutzerbefragungen weisen nach, dass die Attraktivität der Pflanzungen und ein guter Pflegeeindruck die Bewertungen positiv beeinflussen. Dabei kommt zum Ausdruck, dass die moderne Gesellschaft auch neue Erwartungen an die Gestaltung der Parks hat. Nach der eher landschaftlichen Gestaltung der 70er Jahre mit offenen, multifunktionalen Rasenflächen sind es heute die formal-ästhetischen Qualitäten von Parks, die wieder wichtiger geworden sind.
(1) Iris-Minzenwiese von H. Luz im Landschaftspark München-Riem (Bild: © Sigurd Henne)
Neue Pflanzungen für besondere Orte
Vor diesem Hintergrund sind attraktive Pflanzungen ein wichtiger Bestandteil neuer Parktypen geworden. Beispiele, wie der Highline Park, der Hudson River Greenway in New York, die Iris-Minzen-Wiese im Landschaftspark München Riem (Bild 1) oder der Quai Louis XVIII in Bordeaux (Bild 2) zeigen, dass besondere Vegetationsflächen durch ihre Wirkung und Vielfalt zentrale Bedeutung für die moderne Grünflächengestaltung haben können. Die Pflanzungen besetzen dabei große Flächen und prominente Stellen. Oft sind sie durch unkonventionelle Bepflanzungstypen gekennzeichnet und erzeugen Atmosphären und besondere Orte im Stadtgefüge. Sie verleihen dem Park und dem Quartier damit neue Qualitäten und haben so eine neue Wertschätzung von Pflanzungen in Parks geschaffen.
Erwartungen an Stadtgrün
Die Vielfalt der Lebensentwürfe hat auch das Spektrum der Erwartungen an Stadtgrün verändert. Sie reichen vom traditionellen Rosengarten, dem gepflegtem Abstandsgrün bis hin zu neuen Formen urbaner „Natur“, die sich von Präriepflanzungen bis zum Vegetationsmanagement für extensive Parks ausdrückt [1].
(2) Park am Quai Louis XVIII in Bordeaux (Bild: © Sigurd Henne)
(3) Hochwertige Pflanzungen im gewerblichen Grün, Münchner Rück, München (Bild: © Sigurd Henne)
Neue Vielfalt zu pflegender Pflanzungen
Neben öffentlichen Flächen hat sich auch die Gestaltung von gewerblichen Freiflächen stark verändert. Jenseits des üblichen Abstandgrüns erwarten Dienstleistungsunternehmen heute von gewerblichen Freiräumen Akzente für ihre Firmenkultur. Die Pflanzungen sollen die Qualität und „grüne“ Kultur des Unternehmens sichtbar machen und müssen auch auf beschränktem Raum bei Kunden und Mitarbeitern Eindruck machen (Bild 3). Den Rahmen setzt dabei das Facility Management mit klaren Vorgaben für Pflegekosten. Dadurch ist eine effektive Vegetationsplanung erforderlich, die für das breite Aufgabenspektrum unterschiedliche, extensiv gepflegte Bepflanzungstypen anbietet.
Es zeichnet sich ab, dass Pflanzungen in Freiflächen auch zukünftig einen wichtigen Stellenwert haben werden. Die Finanzmittel für Pflanzungen werden langfristig aber nur dann zur Verfügung stehen, wenn Bepflanzungstypen zur Verfügung stehen, die mit vertretbarem Aufwand gepflegt werden können. Ein weiteres zentrales Kriterium ihres Erfolgs ist das dauerhafte ästhetische „Funktionieren“ auch von pflegereduzierten Bepflanzungen. Sie müssen ganzjährig gepflegt wirken, um die gewünschte positive Bewertung zu erreichen.
Vegetationsplanung unter neuen Rahmenbedingungen
Probleme der Grünflächenpflege und neue extensive Bepflanzungstypen
Das Flächenwachstum der Städte und das Leitbild der „grünen Mitte“ der Nachkriegszeit haben die Fläche öffentlichen Grüns signifikant zunehmen lassen. Gleichzeitig führten Rationalisierungsmaßnahmen und finanzielle Kürzungen zu sinkenden personellen Kapazitäten und Finanzmitteln bei der öffentlichen Grünpflege. In der Folge sanken die Mittel für die Pflege der öffentlichen Freiflächen je Flächeneinheit sukzessive weiter (vgl. [2]).
Parallel dazu eröffnete der Großsiedlungsbau der 60er Jahre der Pflanzplanung die Aufgabe, großflächige Vegetationstypen zu entwickeln, die extensiv zu pflegen sein sollten. In den Siedlungen und beim Abstandsgrün entstanden in der Folge große Flächen mit Rasen oder bodendeckenden, pflegearmen Kleinstrauchpflanzungen. Diese extensiven, aber monotonen Flächenbegrünungen wurden später stark kritisiert und als Alternative naturnahen Bepflanzungstypen für extensive Aufgaben gefordert.
Alternativen schienen hochwertige Bepflanzungstypen vor allem nach dem Prinzip der Leitstaudenpflanzungen nach Geselligkeitsstufen zu liefern (vgl. [3]). Sie integrieren vegetationsökologische Mechanismen für naturnahe Bepflanzungssysteme mit dem Ziel, sich selbst stabilisierende Pflanzengemeinschaften zu erzeugen. Dieser Ansatz lieferte in der Folge zwar wertvolle Impulse für die Entwicklung der Pflanzenverwendung. Er sorgte aber auch dafür, dass andere Ansätze pflegereduzierter Flächenpflanzungen, wie beispielweise differenzierte Block- oder Streupflanzungen, in den Hintergrund traten.
Bei komplexen, naturnahen Bepflanzungssystemen zeigten sich bald Umsetzungsprobleme im öffentlichen Raum. Ursache ist die hohe Fachkompetenz, die bei Planer und Pflegekräften gefordert ist. Um die Vegetationsdynamik zur Stabilisierung von Pflanzungen nutzen zu können, erfordert ein dynamisches Pflegekonzept mit spezifischen Pflegemethoden hohe Anforderungen an die Artenkenntnis, um Arten im Stadium von Sämlingen und Ausläufern zu erkennen. Diese Kenntnisse waren auch in der Folge der Rationalisierungen bei den Pflegekräften der öffentlichen Verwaltungen immer weniger verfügbar. Da eine fachgerechte Pflege nicht gesichert oder Planung und Herstellung fehlerhaft waren, verschwanden viele hochwertige Pflanzungen fast vollständig aus dem öffentlichen Raum.
In der Folge wurden daher Alternativen für ästhetisch hochwertige und pflegereduzierte, aber robuste Bepflanzungssysteme für den öffentlichen Raum gesucht. Im Fokus standen dabei zunächst Bepflanzungssysteme mit sehr extensiver Pflege, wie Abstands- oder Verkehrsgrün.
Staudenmischpflanzungen als erster Ansatz für pflegeextensive Flächen
Mit dem Prinzip der Staudenmischpflanzungen (vgl. Kapitel Staudenmischpflanzungen) wurde in den 90er Jahren ein neuer Bepflanzungstyp erfolgreich etabliert, der sein Potenzial bereits nachweisen konnte. Das Einsatzspektrum wurde durch Erweiterungen des Konzepts durch Axel Heinrich noch gesteigert, der u. a. Mischpflanzungen mit C-Strategen vorschlägt (vgl. [4]). Bereits gescheiterte Mischpflanzungstypen zeigen aber auch, dass es noch Entwicklungspotenziale hinsichtlich der Qualitätsstandards, der technischen Planung und Ausführung und hinsichtlich regionaler Klimaanpassung gibt. Es wurde auch deutlich, dass vorgefertigte Mischpflanzungen keine Universallösung für alle Aufgabentypen darstellen. Die vorliegende Veröffentlichung stellt daher über Mischpflanzungen hinaus ein breites Methodenspektrum vor, um Spielräume für eine zielgenaue Auswahl des Bepflanzungstyps zu eröffnen, die auf die Rahmenbedingungen des Projekts optimal zugeschnitten sind. Um das Spektrum verschiedener Typen von pflegereduzierten Pflanzungen einordnen zu können, sind nachfolgend aktuelle Anforderungen und Rahmenbedingungen für extensive Pflanzungen genauer formuliert.
Bepflanzungssysteme als Instrument eines Grünflächenmanagements
Die Zunahme von Freiflächen und der Verlust von Personal und Finanzmitteln zwingen die öffentlichen und gewerblichen Grünflächenverwaltungen dazu, professionelle Methoden in Richtung eines Facility Managements anzuwenden. Unter dem Schlagwort der Lebenszykluskosten wird der wirkliche Aufwand jedes Freiraumelements ermittelt und gerade die Pflegekosten und Grünflächeninformationssysteme gewinnen an Bedeutung. Die Pflanzplanung öffentlicher Freiflächen wird diese Perspektive zukünftig stärker berücksichtigen müssen. Dabei geht es nicht allein um die Optimierung der Pflegekosten.
Noch wichtiger sind die Konsequenzen der Pflegestufensysteme im Rahmen des Grünflächenmanagements. Ganze Parks oder einzelne Pflanzungen in unterschiedliche Pflegeklassen einzuteilen, führt zu klaren Planungsvorgaben über die Intensität und Struktur der Pflege. Mittelfristig geht es um die Struktur der Bepflanzungen, die nicht nur die Pflege reduzieren, sondern vor allem auch das Outsourcing von Pflegeleistungen ermöglichen soll. Mit dieser Option gewinnen Bepflanzungstypen an Bedeutung, die durch Pflegekräfte mit geringem Ausbildungsniveau gepflegt werden können. Aus diesem Grund wird es auch zu einer Professionalisierung bei der Pflegeplanung und Pflegekontrolle und Qualitätssicherung beim Outsourcing von Pflegeleistungen kommen müssen.
Grundsätzlich führen die Ziele des Grünflächenmanagements zu Bepflanzungstypen mit deutlich reduzierter Pflegefrequenz und (oft) maschinell pflegbaren Strukturen. Gleichzeitig wird durch die Betrachtung von Lebenszykluskosten der Dauerhaftigkeit von Pflanzungen ein höherer Stellenwert zukommen.
Vielfalt an Bepflanzungssystemen für breites Aufgabenspektrum
Die Veränderungen der Städte werden zukünftig eine Vielfalt extensiver Freiflächen entstehen lassen. Ihr Spektrum reicht von extensiven Parks an der Peripherie, über temporäre Freiflächen bis zu Freiflächen mit gesteuerter Vegetationsdynamik. Das Nebeneinander verschiedenster Typen und das Ziel der reduzierten Pflege kann mit dem Spektrum konventioneller Bepflanzungen nicht erreicht werden. Es ist absehbar, dass sehr spezifische Systeme der Vegetationsplanung entstehen werden, die mit einem genau angepassten Methodenrepertoire für Planung, Anlage und Pflege auf die verschiedenen Rahmenbedingungen reagieren. Besonders die Techniken der Herstellung und Pflege müssen optimiert werden. Notwenige Innovationen betreffen v. a. die Vegetationstechnik. Sie reichen von speziellen Mulchmaterialien und Pflanzsubstraten bis zu Pflegetechniken und -maschinen. Technische und methodische Innovationen werden nicht nur den Erfolg pflegereduzierte Bepflanzungssysteme sichern. Sie sind die Voraussetzung, dass sie durch ein hochprofessionelles Grünflächenpflegemanagement eingesetzt werden.
Das Spektrum der unterschiedlichen Typen planerisch zu beherrschen, setzt mehr als das Spektrum der klassischen Pflanzenverwendung voraus. Vom Planer werden vertiefte Kenntnisse über verschiedene Bepflanzungstypen mit spezieller Vegetationstechnik, ihre Einsatzbereiche und das Verhältnis von Pflegeniveau und Bepflanzungstyp erwartet. Mit der wachsenden Breite und Komplexität des Wissens und Ausbildungsdefiziten zu diesem Thema werden daher Spezialisten und vorgefertigte Bepflanzungssysteme an Bedeutung gewinnen – was auch die Verbreitung der Mischpflanzung „Silbersommer“ beweist. Ihre Häufigkeit zeigt, dass kleinere Bauverwaltungen sie für überschaubare Aufgaben ohne Fachplaner einsetzen. Um Monotonie vorzubeugen und eine sichere Umsetzung der Systeme durch Verwaltungen, Landschaftsbauunternehmen und angelernten Pflegekräften sicherzustellen, sind genaue und gut nachvollziehbare Planungs- und Ausführungshinweise und Aspekte zur Qualitätssicherung erforderlich, die in dieser Veröffentlichung vorgestellt werden.
Aspekte der Auswahl von Bepflanzungstypen
Bei der Wahl des geeigneten Bepflanzungstyps sind viele Faktoren zu bedenken. Zunächst sollte nicht vergessen werden, dass gut gepflegt wirkende Pflanzungen für die Bürger ein sichtbarer Ausdruck gelungenen Verwaltungshandelns sind. Dabei sollte der Unterschied zwischen Fachleuten und Laien bedacht werden. Naturhafte und vielfältigere Artenkombinationen entsprechen nicht immer den Erwartungen vieler Nutzer. Einige Verwaltungen bevorzugen deshalb einfach strukturierte Pflanzungen, die leichter als gepflegt erkannt werden. Für das breite Aufgabenspektrum wird es im öffentlichen Raum zukünftig dennoch ein Nebeneinander von unterschiedlichen konventionellen und pflegereduzierten Bepflanzungstypen geben.
In den folgenden Kapiteln wird das Spektrum pflegereduzierter Misch-, Block und Streupflanzungen sowie Ansaaten detailliert dargestellt. Es werden Hinweise zu Aufgabenspektrum, Gestaltungspotenzialen, spezifischen Methoden der Planung, Herstellung und Pflege gegeben. Sie stellen sicher, dass die angestrebte Qualität unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreicht und erhalten werden kann.
Literatur
[1] Henne in Kowarik; I. & Körner, S. (EDS.) (2006): New Perspectives for Urban Forestry. Springer, Frankfurt
[2] Steidle-Schwan in Niesel, A. (2006): Grünflächenpflegemanagement. Ulmer, Stuttgart
[3] Hansen, R. & Stahl, F. (1997): Die Stauden und ihre Lebensbereiche. Ulmer, Stuttgart
[4] Heinrich, A. & Messer, U. (2012): Staudenmischpflanzungen – Praxis Beispiele Tendenzen