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3 Ein Pfund Körpersprache, bitte

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oder Vieles ist pränatal vorbestimmt

Ein klein wenig haben Sie dieses Buch auch erworben, um Ihre Körpersprache zu verändern. Geben Sie es zu! Auch wenn Sie nahe an der Perfektion sind, natürlich. Aber so ein wenig kompetenter wirken und nie wieder rot anlaufen – das wäre schon was, nicht? Oder einen Auftritt hinlegen wie, sagen wir, Heidi Klum … Nicht wie Heidi? Dann aber wie Michelle Obama. Oder eine Aura wie George Clooney haben … Mach ich doch glatt! Sagen Sie mir einfach, wie viel Sie von dieser und jener selbstbewussten, sexy, geheimnisvollen, genialen Körpersprache haben wollen. Ich habe sie meter- und kiloweise im Angebot.

Leider muss ich Sie enttäuschen. Ich weiß, dass viele Ratgeber und Coaches uns glauben machen wollen, dass man aus einem Menschen fast alles basteln kann. Wenn er sich nur genügend Seminare, Bücher und Kurse reinzieht. In Kombination gibts die Sachen dann meist auch noch günstiger. Liebe Leser, ich erachte es als meine dringende Aufgabe, mich nur über jene Dinge zu äußern, die wissenschaftlich haltbar sind. Und die Wissenschaft ist sich heute weitgehend einig, dass ein großer Teil unserer Persönlichkeit pränatal vorbestimmt ist. Viele unserer grundlegenden Eigenschaften scheinen genetisch fixiert zu ein. Wenn jemand also eher ängstlich oder extrovertiert ist, lässt sich das nur sehr eingeschränkt ändern. Um es bildhaft zu machen: Aus Angela Merkel wird niemand je eine echte Rampensau machen. Und das ist auch gut so, denn sie punktet mit anderen Werten.

Die Ausprägung unserer Persönlichkeit hängt auch eng mit der Körpersprache zusammen. Auch sie ist zu einem erheblichen Teil vorbestimmt. Ein ängstlicher Mensch neigt eben öfter zu Schutz- und Verkleinerungsgesten als ein Mensch, der gern im Mittelpunkt steht.

Die drei Ebenen der Körpersprache

Der Teil im Mittelhirn, den der französische Arzt Paul Broca »limbischen Lappen« und wir heute meist »limbisches System« nennen, bestimmt sehr stark unsere Persönlichkeit und damit auch unsere Körpersprache. Auch andere Gehirnregionen, wie das Kleinhirn, üben einen Einfluss auf unsere Körpersprache aus. Doch am limbischen System lässt sich am besten die Entwicklung der Körpersprache in drei Ebenen verdeutlichen:

In der unteren limbischen Ebene werden jene Eigenschaften, die wir »Temperament« nennen, festgelegt. Diese sind zum großen Teil vererbt.

Spätestens kurz nach der Geburt scheint dieser Teil unserer Persönlichkeit in der Entwicklung bereits abgeschlossen zu sein. Die Wissenschaft geht davon aus, dass Veränderungen in diesem manifesten Bereich nur sehr langsam und über Generationen vonstattengehen.

Mehrwissen für Neugierige

Einflussnahme unmöglich? Wir haben durch körpersprachliche Gewohnheiten aber durchaus beschränkt Einfluss auf unsere genetischen Prädispositionen. Wenn sich nämlich eine bestimmte Körpersprache (eine Geste, eine Mimik …) als »kulturelle Routine« entwickelt, also von jedem in der Gesellschaft über Generationen hinweg übernommen und ausgeführt wird, ist das ein epigenetischer Einfluss. Dieser kann sogar weitervererbt werden. Daher meinen wir manchmal, italienisches Temperament oder nordische Zurückhaltung auch bei Menschen zu erkennen, die gar nicht dort geboren sind, nur von dort abstammen.

In der mittleren limbischen Ebene liegt ein Teil, der sich »Mandelkern« oder »Amygdala« nennt. Er spielt für die Körpersprache eine entscheidende Rolle. Denn unter anderem nehmen wir dort die Körpersprache anderer wahr. Die Amygdala dekodiert die Signale, die wir sehen. Wie intensiv wir Furcht, Freude und Glück wahrnehmen und selbst ausdrücken, wird hier geprägt. Die Formbarkeit dieser Ebene nimmt rasch ab. Mit etwa 15 Jahren ist viel von unseren Ausdrucksmöglichkeiten durch Mimik, Gestik und Körperhaltung fertig entwickelt. Jeder, der ein Abitreffen nach 20 oder 30 Jahren erlebt, kann feststellen, dass die ehemaligen Mitschüler und Mitschülerinnen »noch genauso sind wie damals«. Sie bewegen sich ähnlich, ihr Lachen ist gleich, ihre Gestik und Mimik hat sich wenig verändert, ja, sie finden sogar noch die Musik von damals toll.

Es scheint wirklich so zu sein, dass große Teile unserer Persönlichkeit in der Pubertät weitgehend ausgebildet sind. Natürlich ist auch dieser Teil später noch formbar. Allerdings braucht es einen hohen emotionalen Anreiz, auf dass unser Hirn eine grundlegende Änderung vornimmt. Und es braucht Übung. Viel, viel Übung.

Wenn ich immer wieder salopp sage: »Lächelts mehr!«, bin ich mir sehr wohl darüber im Klaren, dass ein missmutiger Mensch nicht so mir nichts, dir nichts zur Ulknudel wird. Er müsste sein »Lächelgesicht« ebenso lange üben, wie er seinen Griesgram geübt hat. Letzteres hat unbewusst oft über Jahrzehnte stattgefunden. Nur dann kann die gute Laune und Freundlichkeit ein echter Teil seiner persönlichen Körpersprache werden.

Damit sei allen Menschen, die meinen, sich von Coaches, Trainern und anderen externen Gehilfen eben schnell zu einem kompetent wirkenden, humorvollen Selbstbewusstler machen lassen zu können, gesagt: Sie sind auf dem Holzweg! Ein Dalai-Obama werden Sie keiner mehr. Müssen Sie auch nicht. Denn viel wichtiger ist, dass Sie aus Ihrem Temperament, Ihren Eigenschaften das Beste machen. Sonst werden Sie immer künstlich wirken. So wie jene Politiker, die sich kurz vor der Wahl »herrichten« lassen. Und dabei alles an Glaubwürdigkeit und Authentizität verlieren.


»Lächelts mehr!« – ein echtes Lächeln (links) muss geübt sein, sonst wirkt es aufgesetzt (rechts)

Nur in der oberen limbischen Ebene können wir kurzfristige Änderungen unseres Verhaltens vornehmen. Sie haben wir bewusst unter Kontrolle. Hier lernen wir, so zu handeln, dass wir gemocht und akzeptiert werden. Deswegen verhalten Sie sich je nach Umgebung auch unterschiedlich. In Ihrer Familie agieren Sie anders als in der Firma. Mit dem Ehepartner anders als mit Jugendfreunden. Wir passen uns sehr kurzfristig an.

Da wir die Fähigkeit haben, in diesem Bereich Veränderungen vorzunehmen, erachte ich es geradezu als unsere Pflicht, das zu nutzen. Ein »Nichtnutzen« dieser wertvollen Möglichkeit ist es in meinen Augen, wenn wir zu schnell aufgeben und sagen: »So bin ich eben.«

Ein begeistertes Heben der Augenbrauen, wenn die Freundin von ihrem letzten Shoppingschnäppchen erzählt, gibt ihr ein besseres Gefühl als unser gelangweilter, desinteressierter Schlafzimmerblick. Auch jeder noch so auf seine Ernsthaftigkeit stolze Mensch bringt ein Lächeln aufs Gesicht, wenn er am Abend seinen Ehepartner begrüßt. Wenn er nur will. Das ist der soziale Schmierstoff, der uns das Leben erleichtert.


Hören Sie mit Ihren Augen(brauen)! – So zeigen Sie auch Interesse und Erstaunen

»Ich war auf dem Rückflug von einem Vortrag in Ostasien. Ich saß also in meinem Sitz und die Flugbegleiterin kam auf mich zu mit einem dieser heißen Erfrischungstücher. Sie lächelte mich freundlich an. Ich fühlte mich wohl, lächelte zurück und bedankte mich, als ich das Tuch nahm. Neben mir saß ein Mann. Auch ihm reichte die Flugbegleiterin freundlich lächelnd ein Tuch. Er aber schaute sie missmutig an und entriss ihr das Tuch regelrecht. Ich war sprachlos. Ich stellte mir vor, die Stewardess käme ein zweites Mal und brächte etwas zu trinken. Er nähme das Getränk und schüttete es sich versehentlich über sein eigenes Hemd. Der Schritt, den er jetzt machen müsste, um von der Flugbegleiterin Hilfe zu bekommen, würde ihn weit mehr Überwindung kosten, als hätte er gleich zu Beginn gelächelt und vielleicht noch Danke gesagt.«

Es erleichtert ganz einfach das soziale Zusammenleben, wenn wir uns unseres eigenen Ausdrucks bewusst sind und an ihm, wenn angebracht, entsprechende Änderungen vornehmen. Nun weiß ich, dass diese Änderungen nicht immer ehrlich gemeint sind. Denn die obere limbische Ebene verbindet mit den darunterliegenden Teilen eben sehr wenig. Das heißt, das, was wir bewusst steuern, muss mit unseren Gefühlen nicht immer übereinstimmen. Oder so: Jemand kann total intelligent und sympathisch wirken und gleichzeitig ein blödes Riesenarschloch sein.

Rückwirkung veränderter Körpersprache

Allerdings hat diese bewusst veränderte Körpersprache Auswirkungen auf uns selbst. Der Sozialpsychologe Fritz Strack hat belegt, dass Menschen, die zur »Lachmimik« gezwungen werden, Witze tatsächlich lustiger finden. Er hat das nachgewiesen, indem er eine Gruppe von Probanden einen Stift quer in den Mund zwischen die Zähne nehmen ließ, ohne dass die Lippen den Stift berührten. Man muss dazu die Mundwinkel ganz stark nach hinten ziehen, wie eben beim Lachen. Die zweite Gruppe nahm den Stift frontal in den Mund, sie durfte den Stift nur mit den Lippen und nicht mit den Zähnen berühren. Damit zogen sie die Wangenmuskeln in die entgegengesetzte Richtung und formten einen spitzen Kussmund. Also eigentlich das Gegenteil vom Lachen. Das Ergebnis war eindeutig.


Versuch 1: Stift quer im Mund, ohne Lippenberührung. Der große Gesichtsmuskel arbeitet: Cheese!

Versuch 2: Stift frontal im Mund, die Zähne berühren ihn nicht. Lächeln unmöglich

Oder der Versuch, bei dem Probanden gezwungen wurden, gebeugt beziehungsweise aufrecht auf Sitzmöbeln zu sitzen. Und die Gebeugten schon nach wenigen Minuten weniger zuversichtlich waren. Auch Untersuchungen der Columbia- und der Harvard-Universität bestätigen dies.

Und warum lungern Sie immer noch so gebeugt herum? Heben Sie die Mundwinkel und kommen Sie in die Puschen! Jetzt denken Sie empört: »Wieso redet der so mit mir?« Ja, jetzt sind Sie erstaunt, was? So erstaunt, dass Sie sogar die Augenbrauen heben. Geht doch! Weitermachen.

Unsere Persönlichkeit und das Temperament sind großteils vorbestimmt. Das hat eine sehr typische Körpersprache für jeden Menschen zur Folge. Hier grundlegende Änderungen vorzunehmen, gelingt nur sehr schwer. Wir sollten daher eher versuchen aus unseren Fähigkeiten das Beste zu machen, als ständig einem fremden Ideal nachzueifern.

Um uns körpersprachlich nachhaltig weiterzuentwickeln, müssen wir viel und lange ein neues Verhalten üben.

Kurzfristig veränderte körpersprachliche Signale müssen nicht ehrlich gemeint sein. Allerdings vereinfachen sie das soziale Zusammenleben und wir meistern bestimmte Situationen souveräner.

Hey, dein Körper spricht!

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