Читать книгу Wut – Das Tor zu deiner Kraft - Stefanie Carla Schäfer - Страница 7
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Wut – ein gesundes Gefühl
Das Feuer in uns
Wir sind umgeben von den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer. Jedes davon verkörpert eine bestimmte Qualität, die wir zum Leben brauchen. Wir brauchen Wasser zum Trinken, Luft zum Atmen, die Erde, auf der wir leben und die uns nährt – und wir brauchen Feuer, um uns zu wärmen.
Niemand käme auf die Idee zu behaupten, ein Element sei schlechter als das andere, denn wir brauchen jedes einzelne, um im Gleichgewicht zu sein. In der indischen Lehre des Ayurveda gibt es sogenannte Konstitutionstypen, die in jeweils unterschiedlicher Ausprägung die Elemente verkörpern. Jeder dieser Typen braucht zum persönlichen und energetischen Ausgleich auch die ihm von der Konstitution her fehlenden Teile. Übertragen wir unsere Emotionen auf die Elemente, steht die Wut für das Element Feuer.
Meiner Beobachtung nach müssten viele von uns ihr gesundes, inneres Feuer (neu) entdecken und entfachen. An diese Menschen richtet sich dieses Buch. Ein Feuer wärmt und ist lebendig, und wenn es in uns selbst brennt, bedeutet dies nicht einfach Wut, sondern kraftvolle Lebensenergie.
Idealerweise können wir unser Feuer selbst regulieren, bei Bedarf die Flamme hochdrehen oder auch runter. Wir wissen, dass wir diese kraftvolle Energie in uns haben, die uns mit unserer Kraft verbindet. Brennt das innere Feuer nur auf Sparflamme oder ist es bereits erloschen, ist ein Mensch kaum spürbar. Brennt es dagegen lichterloh und raumgreifend, kann es großen Schaden verursachen. Wir brauchen also ein Bewusstsein, eine Verbindung und einen gesunden Umgang mit diesem Feuer, das sich auf alle Ebenen unseres Seins bezieht:
Auf emotionaler Ebene bedeutet es, sich wehren, abgrenzen und Aggressionen zeigen zu können.
Auf körperlicher Ebene bedeutet es eine gesunde Aktivierung unserer Muskelkraft und unseres Blutdrucks sowie das Potenzial unserer Stimme und Atmung zu nutzen.
Auf energetischer Ebene steht ein Mensch, der sein Feuer kennt und nutzt, in seiner vollen Größe.
Warum wir Wut verlernt haben
Es gibt verschiedene Gründe, warum jemand scheinbar keine Verbindung zu seiner Wut hat, auch wenn diese angebracht wäre. Damit meine ich nicht wahrhaft zufriedene Zeitgenossen, die einfach mit sich und der Welt im Einklang sind und bei denen es keinen Anlass zur Wut gibt. Wenn diese Menschen in ihren Grenzen verletzt werden, können sie nämlich meist auf gesunde Weise für einen Ausgleich der Situation sorgen, bei Bedarf also ihre Kraft hervorholen. Ich meine eher die lieben Seelen, die Konflikte lieber vermeiden und dazu neigen, Probleme in sich hineinzufressen, statt vielleicht den Schritt in die gesunde Aggression zu wagen. Dahinter steht immer eine Geschichte, deren Muster es sich bewusst zu machen gilt.
Wie schon eingangs erwähnt, werden die wenigsten Menschen in ihrer Erziehung darin unterstützt, dass Wut einfach ein gesundes Gefühl ist wie jedes andere auch. Weil Kinder am Vorbild ihrer Eltern oder Bezugspersonen lernen, prägt sich ihnen deren Haltung in der Regel fest ein. War Wut im Elternhaus ein Tabu, übernimmt das Kind oft diese Einstellung.
Aber auch das Gegenteil kommt vor: Ein Kind, das sehr wütend ist, bringt oft die nicht gelebte Wut eines ganzen Familiensystems zum Ausdruck.
Dabei gilt es zu bedenken, dass die Generation unserer Eltern und Großeltern, die im Krieg oder auch danach geboren wurden, oft mit Traumata und existenziellen Sorgen aufwuchs und die Frauen wesentlich abhängiger waren als heute. Sie konnten sich den Luxus der Selbstbestimmung, den Wut mit sich bringen kann, oft gar nicht leisten.
Nicht wenige Menschen sind aber auch mit einem aggressiven Elternteil aufgewachsen und haben daher Wut als sehr bedrohlich erfahren. Dann ist es mehr als verständlich, dass sie sich zu harmoniebedürftigen, vorsichtigen Menschen entwickeln, die jede Form von Wut instinktiv mit großer Gefahr assoziieren.
Einer der Hauptgründe, warum Menschen ihre Wut verdrängen, ist ein tief verwurzeltes Gefühl der Abhängigkeit. Diese rührt meist aus Kindertagen her, denn da waren wir tatsächlich existenziell auf Versorgung und Liebe von außen angewiesen. Nehmen wir als Beispiel eine ungesunde Beziehung, die nur aus Angst vor dem Alleinsein aufrechterhalten wird: Sich die schmerzhafte Wahrheit einzugestehen würde möglicherweise bedeuten, sich eine gesunde Wut zu erlauben und deutliche Veränderungen vornehmen zu müssen. Außerdem wäre man mit dem Alleinsein konfrontiert … Als soziale Wesen mit einem starken Bedürfnis nach Gemeinschaft scheuen dies viele von uns.
Die eigene Wut und Kraft zu entdecken hat daher viel damit zu tun, das innere Kind zu heilen und sich aus den Fesseln ungesunder Abhängigkeiten zu lösen.
Ein Mangel an menschlicher Unterstützung und das Fehlen von äußerer positiver Spiegelung und Bestärkung unserer Gefühle im Aufwachsen können ebenfalls dazu führen, nicht in Kontakt mit der eigenen Wut zu sein. Denn um uns unseren Emotionen zu stellen, brauchen wir eine gewisse innere und äußere Sicherheit, sonst trauen wir uns und unseren Gefühlen nicht über den Weg.
Doch selbst wenn ein Mensch in der Kindheit nie die emotionale Bestätigung für die Berechtigung seiner Empfindungen bekommen hat, kann dies im späteren Leben, eventuell innerhalb eines therapeutischen Prozesses, ein Stück weit nachgeholt werden. Dann trauen sich auch die eingefrorenen Empfindungen aus ihrem Winterschlaf, zum Beispiel kann endlich eine gesunde Wut erwachen.