Читать книгу Schutzengelstreik 2 - Stefanie Kothe - Страница 4

Familienglück mit Hindernissen

Оглавление

„Mami, können wir bitte noch etwas lesen üben?“, fragte die sechsjährige Juno ihre Mama. Maria lächelte ihre älteste Tochter stolz an.

„Schatz, du hast heute schon zwei Stunden fleißig geübt und machst das toll.“

„Ja, aber ich kann noch nicht alle Wörter lesen. Manche sind zu schwer. Schau, dieses hier zum Beispiel.“ Juno deutete auf ein langes Wort. Maria nahm sie auf den Schoss und warf einen Blick darauf. „Knusperhexenhaus“ Sie legte einen Finger auf den zweiten und dritten Teil des Wortes und Juno schaffte es sofort, „Knusper“ zu entziffern. Sie schob sanft die Hand ihrer Mutter weg und versuchte es noch einmal.

„Knusperhexenhaus“, rief sie begeistert. Maria küsste sie auf die Stirn.

„Das hast du klasse gemacht, mein Schatz. Ich bin stolz auf dich. Und bald kommst du in die Schule und lernst noch viel mehr.“

„Ich freue mich schon so darauf. Nur noch vier Wochen und dann geht es endlich los. Ich habe sogar meinen Ranzen schon gepackt.“


„Juno, liest du mir was vor“, hörte sie in dem Moment ihre Schwester rufen. Sie liebte die Kleine, aber manchmal war sie echt anstrengend.

„Kasi, ich möchte lieber mit Wirbelwind ausreiten. Darf ich Mami? Bitte!“

„Nimm mich mit, Juno“, bettelte Kasi. Juno warf ihrer Mutter einen hilfesuchenden Blick zu. Sie wollte etwas Ruhe haben. Ihre Mama verstand sie zum Glück und hatte eine Idee.

„Kasi, wie fändest du es, wenn du selbst ein bisschen lesen lernst? Dann kannst du bald Laura und Lucas etwas vorlesen. Juno, du nimmst bitte mein Handy mit, damit du uns im Notfall erreichst. Und bleib auf den Wegen, die du kennst.“

„Ist gut, mache ich.“ Juno gab ihrer Mama einen Kuss und rannte zum Stall, um ihr Pony für den Ausflug zu satteln. Kasi lief unterdessen ins Haus, um zu sehen, ob ihre beiden kleinen Geschwister aus dem Mittagsschlaf erwacht waren.


„Laura, Lucas, Mami will mir das Lesen beibringen, wollt ihr mit Schule spielen?“

„Schule spielen“, wiederholte ihre kleine Schwester. Kasi half den beiden, aus den Betten zu klettern, und holte Zettel und Stifte. Als Maria das Kinderzimmer ihrer Zwillinge betrat, saßen ihre drei Schüler brav am Basteltisch. Sie lächelte und ging zu der kleinen Tafel.

„Also gut, fangen wir mit dem Alphabet an. Wer von euch kann das schon aufsagen?“ Kasi meldete sich und ihre Augen strahlten.

„Primat“, lobte Maria sie. „Und kannst du auch deinen Namen schreiben?“ Sie schüttelte den Kopf. „In Ordnung, dann üben wir das als Erstes. Welche Buchstaben kommen denn in deinem Namen vor?“


Die Zeit verging wie im Flug. Am Ende der Stunde konnte Kasi nicht nur ihren Namen schreiben, sondern auch die ihrer Geschwister, Eltern und Großeltern.

„Mami, kannst du mir bitte helfen, einen Brief an Juno zu schreiben? Ich möchte ihr zeigen, was ich alles kann und ihr sagen, dass ich sie lieb habe.“

„Gerne mein Schatz, aber Papa kommt bald von der Arbeit und ich möchte vorher das Abendessen vorbereiten. Hast du Lust, mir zu helfen?“ Ohne zu antworten, sprang Kasi auf und folgte ihrer Mutter in die Küche.


„Wie kann ich dir helfen, Mami? Soll ich die Tomaten für den Salat schneiden?“

„Gerne, aber bitte nur das Gemüse, nicht die Finger.“

„Ach Maria, sie schafft das schon. Zum Glück hat sie nicht dein Tollpatschgen geerbt.“

„Tante Kassandra“, schrie Kasi und sprang ihr in die Arme. „Wie schön, dass du da bist.“

„Hallo Kassandra.“ Maria ging zu ihr und umarmte sie. „Wie geht es dir?“

„Mir geht es gut, ich bin froh, dass ich für heute Feierabend habe.“ In dem Moment zischte es auf dem Herd. Das Wasser, das ihr Schützling aufgesetzt hatte, kochte über.

„Mist, wenn man ein paar Sekunden nicht hinschaut“, schimpfte Maria. Als sie den Topf vom Herd nahm, bekam sie heißes Wasser auf ihre Hand. Sie zuckte zusammen, sagte aber nichts. Kassandra verdrehte die Augen. Das war typisch.

„Siehst du Kasi, das meinte ich. Deine Mama schafft es immer wieder sich zu verletzen.“

„Mama, tut es sehr weh?“ Maria hörte an der Stimme ihrer Tochter, dass dieser die Tränen in den Augen standen.

„Nein, mein Schatz, es ist alles in Ordnung. Tante Kassandra will mich nur ein bisschen necken. Mach dir bitte keine Sorgen. Hast du nicht Lust, mit ihr den Tisch zu decken?“

„Ist gut, mache ich. Wo bleibt Juno denn eigentlich? Sie wäre heute dran.“

„Deine Schwester kommt sicher gleich. Sie war noch nie zu spät zum Abendessen. Sie hat sicher die Zeit vergessen.“

„Wo wollte Juno hin?“, fragte Kassandra. Als Junos Patentante lag ihr die Kleine besonders am Herzen.

„Sie ist mit Wirbelwind unterwegs. Wenn etwas nicht stimmen würde, hätte sie mich angerufen.“

„Maria, ich würde gerne nachsehen, ob alles ok ist. Hast du was dagegen?“

„Nein, mach das. Aber bitte unauffällig. Ich möchte nicht, dass sie vor Schreck vom Pony fällt.“ Der Schutzengel lachte und verschwand. Als Kasi wieder rein kam, war sie verwirrt.

„Mami, wo ist denn Tante Kassandra plötzlich hin? Sie wollte mir helfen.“ Maria überlegte kurz. Wie sollte sie das erklären? Sie hatte ihren Kindern nichts von den Fähigkeiten ihrer Tante erzählt und sie hatte beschlossen, dass das so bleibt.

„Sie ist kurz nach oben ins Bad gegangen. Sie kommt gleich wieder. Fang bitte schon alleine an.“ Kasi hatte keine Lust, das sah Maria sofort, aber ihrer Mama zuliebe machte sie sich trotzdem an die Arbeit.


„Maria, du musst sofort den Notarzt rufen. Schnapp dir Kasi und dann schnell ins Auto.“ Maria zuckte zusammen. Kassandra war aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht.

„Was um Gottes willen ist denn passiert? So aufgewühlt habe ich dich ja noch nie erlebt.“

„Juno ist vom Pferd gefallen. Sie ist bewusstlos. Wir müssen sofort zu ihr.“ Maria wurde blass.

„Juno? Vom Pferd gefallen? Bist du sicher? Sie ist eine gute Reiterin. Wie konnte das passieren?“

„Maria, ich weiß es nicht. Das können wir später klären. Du schnappst dir die Zwerge und ich rufe den Krankenwagen. Los!“ Maria rannte zur Tür, da hörte sie, dass jemand die Haustür aufschloss.


„Johannes“, schrie sie. Sie merkte, wie schrill ihre Stimme klang. „Bitte pass auf die Kinder auf, Juno hatte einen Unfall. Kassandra und ich müssen sofort zu ihr.“

„Natürlich, mein Schatz, ich kümmere mich hier um alles. Nehmt den schnellsten Weg zu ihr und sagt Bescheid, wenn du was weißt.“ Sie nickte geistesabwesend. Als Kassandra angelaufen kam, zog Maria sie am Arm nach draußen.

„Bitte, den schnellsten Weg zu Juno. Du weißt, was ich meine.“ Der Schutzengel nahm wortlos ihre Hand und schon waren die beiden Frauen verschwunden, um Sekunden später bei dem verletzten Kind aufzutauchen.


„Juno! Juno, was ist passiert? Hörst du mich? Juno?“ Vorsichtig strich Maria ihrer Tochter mit zitternder Hand eine Strähne aus der Stirn. Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie bekam keine Luft mehr. Ihr Herz raste und die Welt schien still zu stehen. Maria hatte das Gefühl, dass Stunden vergingen, bevor sie die Sirenen des Krankenwagens hörte.


„Was ist passiert“, fragte der Notarzt. Maria hatte einen dicken Kloß im Hals. Sie konnte nicht sprechen.

„Das ist Juno, sie ist sechs Jahre alt und sie ist von ihrem Pony gefallen. Seit dem ist sie bewusstlos. Ich bin ihre Patentante und das ist ihre Mutter.“ Sie deutete auf Maria. Der Notarzt fing an, das Mädchen zu untersuchen.

„Sie hat sich das linke Handgelenk gebrochen und eine Gehirnerschütterung, ansonsten kann ich keine Verletzungen feststellen. Wir nehmen sie mit ins Krankenhaus und röntgen sie, danach wissen wir mehr. Möchten sie mitfahren?“ Maria nickte wie in Trance.

„Ich gehe zu dir nach Hause und übernehme die Kinder, dann kann Johannes gleich nachkommen.“ Maria stieg in den Rettungswagen. Wenig später kam ihr Mann aufgeregt in die Klinik gerannt.

„Konntest du schon mit einem Arzt sprechen?“ Maria schüttelte den Kopf und er nahm sie in den Arm. In dem Moment kam der Doktor auf sie zu.

„Sind Sie Herr und Frau Keller?“

„Ja, das sind wir. Wie geht es unserer Tochter? Können wir zu ihr?“, fragte Johannes.

„Ihre Tochter hatte Glück. Ein gebrochenes Handgelenk und leichte Kopfschmerzen, ansonsten geht es ihr gut. Sie ist inzwischen auch wieder wach. Ich würde Juno gerne über Nacht zur Beobachtung hierbehalten. Morgen früh darf sie dann nach Hause. Sie können gerne bei ihr bleiben.“ Als Maria und Johannes das Krankenhauszimmer ihrer Tochter betraten, fiel ihnen ein Stein vom Herzen. Juno saß in ihrem Bett und lächelte ihre Eltern vorsichtig an.

„Es tut mir leid, dass ihr euch Sorgen um mich gemacht habt. Wirbelwind konnte ehrlich nichts dafür. Da war ein lauter Knall und wir haben uns beide erschrocken. Bitte seid uns nicht böse.“ Maria und Johannes nahmen ihre Tochter in die Arme.

„Mein Engelchen, Papa und ich sind euch nicht böse. Wir machen uns aber Sorgen. Der Sturz hätte viel schlimmer enden können. Und was meinst du mit Knall? Wo kam er denn her und was war es?“

„Keine Ahnung, Mami. Es kam aus dem Wald und klang wie ein Schuss. Aber das kann ja nicht sein, oder dürfen neuerdings Leute in unserem Wald Tiere ermorden?“

„Nein, natürlich nicht. Wir haben den Wald gekauft, damit dort Tiere in Ruhe leben können und ihr Kinder sicher spielen. Deswegen ja der Zaun. Johannes wir müssen uns das morgen unbedingt ansehen.“ Er nickte.

„Darf ich mitkommen, Papa? Vier Augen sehen mehr als zwei.“ Maria verdrehte die Augen. Ihre Tochter war unmöglich.

„Darfst du, wenn du dich jetzt hinlegst und schläfst. Der Tag war anstrengend. Hast du mich verstanden?“

„Ja Papa. Ich bin brav.“ Juno legte sich hin, kniff die Augen zusammen und tat so, als ob sie schlief. Maria lachte.

„Schatz, fahr bitte nach Hause und löse Kassandra bei den Kleinen ab. Ich komme morgen früh mit Juno nach, sobald der Arzt es erlaubt.“


„Papa, wie geht es Juno, wird sie wieder gesund“, rief Kasi ihm von weiten entgegen.

„Lass uns rein gehen, Schatz. Dann erzähle ich es dir und Kassandra.“ Sie liefen ins Wohnzimmer und Kassandra brachte ihm einen Kaffee.

„Danke, dass ist lieb von dir. Schlafen die Kleinen schon?“

„Ja, Kasi hat den ganzen Nachmittag „Schule“ mit ihnen gespielt. Sie sind sofort eingeschlafen. Der Unterricht war scheinbar etwas zu anstrengend.“ Johannes lachte.

„Gut gemacht, Kasi. Juno hat sich den Arm gebrochen und eine leichte Gehirnerschütterung, aber sie darf morgen früh wieder nach Hause.“

„Hurra“, jubelte Kasi. „Das ist toll, sie wird also bald wieder gesund?“

„Ja, mein Schatz, bald ist sie wieder ganz die Alte, bitte mach dich schon mal fertig fürs Bett, es ist spät. Ich muss noch kurz etwas mit Tante Kassandra besprechen.“ Nachdem Kasi nach oben gegangen war, wandte er sich mit einer Bitte an den Schutzengel seiner Frau.

„Kassandra, Juno hat einen Knall gehört, bevor sie vom Pony gefallen ist. Kannst du bitte mit Aurora sprechen, ob sie was mitbekommen hat? Juno und ich werden morgen die Zäune kontrollieren. Der Gedanke, dass da jemand rumballert, gefällt mir nicht.“ Kassandra nickte. Eine Gänsehaut jagte ihr über den Rücken.

„Natürlich. Ich mache mich sofort auf den Weg. Gib Kasi einen Kuss von mir.“


„Aurora? Aurora, bist du da?“ Kassandra sah sich suchend um.

„Ich bin hier. Was kann ich für dich tun? Geht es um Juno? Ich konnte den Sturz leider nicht verhindern, es tut mir leid.“

„Ist schon in Ordnung. Zum Glück ist ja nichts Schlimmeres passiert. Der Arm wird heilen. Sie hat erzählt, dass sie eine Art Schuss gehört hat und Wirbelwind darum durchgegangen ist. Hast du davon was mitbekommen?“

„Nein, tut mir leid, leider nicht. Ich wurde erst alarmiert, als sie fiel, und da habe ich mich darauf konzentriert, sie aufzufangen, so dass sie sich nicht das Genick bricht.“

„Ich verstehe, du hast genau richtig gehandelt. Hauptsache ihr ist nicht mehr passiert, aber ich möchte trotzdem wissen, wie es dazu kommen konnte. Ich werde mit dem Chef reden. Kommst du mit?“ Aurora nickte.


„Chef, dürfen wir kurz stören? Wir haben ein paar Fragen an dich und hoffen, dass du uns weiterhelfen kannst.“

„Ihr stört mich doch nicht. Geht es um Junos Unfall? Sie wird wieder gesund, wenn ich mich nicht täusche.“

„Ja, das wird sie. Aber sie hat etwas erzählt, was mich beunruhigt. Weißt du etwas über Jäger, die in dem Wald ihr Unwesen treiben?“

„Jäger? Nein, das Gebiet ist eingezäunt, oder nicht? Da kommt niemand rein. Aber Juno und Johannes wollen sich das morgen ja ansehen und werden es merken, wenn was nicht stimmt. Sag ihnen bitte, dass sie vorsichtig sein sollen. Ich sehe keine akute Gefahr, aber sicher ist sicher.“ Beide Schutzengel bedankten sich für die Auskunft. Sie gingen zurück in die Bibliothek.


„Ist es nicht seltsam? Juno hat sich das doch nicht eingebildet. Ich bin mir sicher, dass sie was gehört hat.“

„Der Meinung bin ich auch, Aurora. Und ich glaube, dass der Chef uns nicht alles gesagt hat, oder es selbst nicht weiß. Kann das sein?“

„Ich habe es noch nie erlebt, dass er etwas nicht wusste, aber möglich ist es. Wie dem auch sei, wir müssen herausfinden, was passiert ist. Die Sicherheit unserer Schützlinge steht auf dem Spiel und die der Familie.“ Kassandra sah es genau so und begab sich auf den Weg zu Juno. Als sie das Krankenhauszimmer betrat, schlief sie in den Armen ihrer Mutter.

„Engelchen, wach auf. Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.“

„Tante Kassandra, was machst du denn hier? Ist was passiert?“ Kassandra gab ihr ein Zeichen still zu sein und ihr zu folgen.


„Juno, dein Papa hat erzählt, dass du einen Schuss gehört hast, bevor Wirbelwind durchging. Hast du etwas gesehen?“ Das Mädchen nickte.

„Ja, das habe ich, aber du wirst es mir sicher nicht glauben. Bestimmt habe ich es mir eingebildet.“


Schutzengelstreik 2

Подняться наверх