Читать книгу Schutzengelstreik 2 - Stefanie Kothe - Страница 5

Verenas neues Leben

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„Verena, verdammt noch mal. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du im Unterricht aufpassen sollst? Hör auf, mit deinen Haaren zu spielen, wir sind hier nicht beim Friseur.“ Der kleine Schutzengel schluckte.

„Entschuldigung Kassandra, ich wollte nicht,...!“

„Hier geht es nicht darum, was du willst oder nicht, sondern darum, was du machst. Du bist hier, um ein guter Schutzengel zu werden, damit sich die Fehler vom letzten mal nicht wiederholen. Aber scheinbar hast du noch immer nichts dazu gelernt.“ Verena fing an zu weinen. Warum war ihre Lehrerin so hart zu ihr. Was hatte sie Schreckliches angestellt? Egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich nicht daran erinnern. In dem Moment erklang ein leises Glöckchen und Kassandra beendete den Schultag.


„Verena, was meinte unsere Lehrerin damit, dass du nichts gelernt hast?“, fragte Nora ihre Freundin.

„Ich habe keine Ahnung. Schon seit dem ersten Tag in der Schule hasst sie mich. Ich möchte es auch gerne erfahren.“

„Dann lass es uns doch herausfinden. Am besten beginnen wir in der Bibliothek. Da sind unsere ganzen Unterlagen.“ Verena nickte. Schweigend betraten sie den riesigen Lesesaal. Ehrfürchtig sahen sie an den großen Regalen empor.

„Wie sollen wir hier meine Unterlagen finden, Nora? Hier sind so viele Bücher und Ordner. Da wird es ewig dauern, bis wir das entdecken, wonach wir suchen.“


„Hallo, ich bin Aurora und zuständig für die Bibliothek. Was sucht ihr denn? Ich kann euch sicher helfen.“ Nora nahm all ihren Mut zusammen.

„Das wäre super. Wir sind auf der Suche nach den Unterlagen von meiner Freundin hier.“ Aurora sah den kleinen Engel an. An wen erinnerte dir das Mädchen?

„Wie heißt du denn und wie alt bist du?“ Eingeschüchtert sah das Engelchen sie an.

„Ich heiße Verena. Verena Darling und ich werde bald zehn Jahre alt.“ Aurora schluckte, als sie begriff, wer da vor ihr stand.

„Es tut mir leid, Verena, aber deine Unterlagen sind nicht hier, sondern beim Chef. Er möchte, dass du dein Geheimnis selbst löst und daraus lernst. Oh, es tut mir leid, ich muss los. Der Chef wartet auf mich.“ Verena und Nora sahen sich überrascht an. Was war das für ein Geheimnis? Wie sollten sie es lösen? Sie waren doch Kinder.


„Meinst du, wir können beim Chef vorbeischauen und ihn fragen?“, überlegte Nora laut, als sie mit Verena in ihr gemeinsames Zimmer lief.

„Ich glaube nicht, dass wir da einfach so hinkönnen. Das dürfen nur die Erwachsenen. Leider habe ich auch keine bessere Idee.“

„Aber ich. Ich frage einfach meine große Schwester, was passiert ist. Sie war damals so alt wie wir jetzt und wird es bestimmt wissen. Dein Name scheint ja bekannt genug zu sein, so wie Aurora darauf reagiert hat.“ Verena überlegte. Wollte sie es tatsächlich erfahren?

„Versprich mir bitte, dass wir Freunde bleiben, egal was damals passiert ist. Ich würde es ohne dich hier nicht aushalten.“

„Versprochen. Du bist meine beste Freundin und so schlimm wird es schon nicht sein. Du könntest doch nie jemandem wehtun. Lass mich nur machen.“ Verena nickte, aber ein blödes Gefühl in ihrem Magen blieb. Was wenn es doch schrecklich war?


„Verena, was träumst du denn vor dich hin?“ Die Kleine schreckte hoch. Kassandra hatte sie erneut ertappt. Verzweifelt beschloss sie, die Wahrheit zu sagen.

„Es tut mir leid. Ich habe nachgedacht. Sie deuten immer wieder an, dass ich was Schreckliches getan habe, aber niemand sagt mir was das war. Wie soll ich einen Fehler in Zukunft verhindern, wenn ich keine Ahnung habe, was damals passiert ist.“ Kassandra kämpfte mit sich, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

„Raus“, sagte sie. „Der Unterricht ist heute für dich beendet.“ Verena wurde blass.

„Ja aber, warum denn? Ich verstehe es nicht.“ Weinend rannte sie aus der Klasse in ihr Zimmer. Nora sprang auf, um ihr zu folgen, doch Kassandra hielt sie zurück.

„Nein, lass sie bitte in Ruhe. Das muss sie mit sich alleine ausmachen.“ Nora setzte sich wieder und hoffte, dass die Stunde bald endete, um mit ihrer Schwester zu reden. Als das Glöckchen ertönte, rannte sie raus. Sie fand sie im Speisesaal der Schule.


„Rhea, endlich habe ich dich gefunden, ich muss dich sprechen, sofort.“ Rhea sah ihre kleine Schwester an.

„Was ist denn los? Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss mich auf meine Abschlussprüfungen vorbereiten, also komm auf den Punkt.“

„Du kennst doch meine Mitbewohnerin Verena. Weißt du, warum Kassandra so streng zu ihr ist? Sie soll etwas bestimmtes lernen, aber keiner will uns sagen, was das ist.“ Rhea runzelte die Stirn.

„Wie sagtest du heißt sie? Verena? Du meinst aber nicht Verena Darling, oder?“

„Doch, genau die meine ich. Du weißt also, was es damit auf sich hat?“ Noras Herz raste. Da fiel ihr auf, dass es im Saal still geworden war und alle sie ansahen. Rhea war das ebenfalls aufgefallen. Sie nahm ihre Schwester am Arm und zog sie nach draußen.

„Ich will, dass du mir genau zuhörst, verstanden? Dieses Mädchen ist kein Umgang für dich. Sie sollte vor einigen Jahren einen Schützling betreuen und dieser wäre fast gestorben, nur weil sie eingeschnappt war. Daraufhin hat der Chef sie zurückgestuft.“ Nora wich die Farbe aus dem Gesicht. Das konnte nicht sein. So was hätte Verena niemals getan. Oder?

„Bist du dir sicher? Ich meine, ich kenne sie schon lange und sie ist meine beste Freundin. Wenn es wirklich so war, dann verstehe ich, warum Kassandra so streng zu ihr ist.“

„Nichts verstehst du. Kassandra war damals noch der Schutzengel von Maria und ist es auch wieder. Sie kann es ihr nicht verzeihen, was damals passiert ist, und ich kann sie verstehen. Ich will, dass du dich von dieser Verena fernhältst. Verstanden?“ Nora nickte.

„Ja, aber ich wohne mit ihr zusammen. Wie soll das gehen? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen.“

„Lies doch das Buch, das Maria geschrieben hat. Es heißt „Schutzengelstreik“. Du findest es sicher in der Bibliothek.“ Rhea ließ ihre Schwester stehen. Nora konnte es nicht fassen. Ihre Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Schweigend machte sie sich auf den Weg.


„Aurora“, rief sie, als sie die Bibliothek betrat. Langsam schwebte diese herab.

„Was kann ich für dich tun, Nora?“

„Ich bin auf der Suche nach dem Buch „Schutzengelstreik“ von einer Maria. Hast du das?“ Aurora nickte.

„Ja, das habe ich da, warte einen Moment, ich hole es dir.“ Sie schwebte zu einem der hinteren Regale und kam einen Augenblick später zurück.

„Hier ist es. Ich bin sicher, dass es all eure Fragen beantworten wird.“ Nora nahm es entgegen und sah es sich an. Das Cover war schlicht gestaltet, doch der Klapptext klang interessant.

„Stimmt die Geschichte, wie sie in dem Buch steht“, fragte Nora.

„Ja, das Ganze ist genau so passiert. Ich muss es wissen, denn ich war dabei.“


Nora machte sich auf den Weg in ihr Zimmer und las schon beim Laufen. Aufgeregt verschlang sie die Seiten, bis sie zum Kapitel von Verena kam. Als sie ihr den Raum betrat, lag ihre Freundin auf ihrem Bett und in dem Moment, in dem diese aufsah, fiel Nora sofort das verweinte Gesicht auf.


„Ich habe die Antwort auf unsere Fragen gefunden. Diese Maria hat ein Buch darüber geschrieben, was damals passiert ist. Ich habe schon angefangen, es zu lesen, und bin bis zu dem Kapitel über dich gekommen. Wollen wir gemeinsam weiterlesen?“ Verena stand auf und setzte sich neben ihrer Freundin auf das Sofa. Zusammen verschlangen sie die dreißig Seiten. Als sie fertig waren, schluckte Verena.

„Ich, ich war ein Monster. Ich wäre fast zur Mörderin geworden. Was habe ich getan. Kein Wunder, dass Kassandra mich hasst. Und du jetzt sicher auch, oder?“ Ängstlich sah sie Nora an, doch die schüttelte den Kopf.

„Nein, ich hasse dich nicht. Es ist schrecklich, was damals geschehen ist, aber das warst nicht du. Es war eine frühere Version von dir. Du hast dafür deine Strafe bekommen und damit ist das für mich erledigt. Du hast dich positiv verändert und es ist nicht fair, dass du heute noch dafür büßen musst. Wir sollten mit Kassandra reden. Los, komm!“ Nora sprang auf und rannte zur Tür, aber Verena blieb schweigend sitzen.

„Was ist? Du willst doch, dass es für dich besser wird, oder?“

„Ja, einerseits schon, aber ich habe es verdient. Was ich getan habe, ist unverzeihlich. Warum sollte sie mir noch eine Chance geben?“

„Warum sollte sie nicht? Der Chef hat dir eine gegeben und das nicht ohne Grund. Er scheint sicher zu sein, dass was Gutes in dir steckt und das denke ich auch.“ Verena lächelte zaghaft und stand auf. Ihre Freundin hatte recht. Sie wollte es zumindest versuchen.


„Kassandra, können wir kurz mit dir sprechen“, fragte Nora, nachdem sie diese im Klassenzimmer gefunden hatten.

„Sicher, was kann ich für euch tun?“ Ihr Blick fiel auf das Buch, das Nora in der Hand hielt. Ihre Augen verdüsterten sich.

„Wir wissen, was damals mit Maria passiert ist und was Verena getan hat. Aber das war eine Andere, sie hat sich seit dem verändert und gebessert. Sie ist meine Freundin und es geht ihr nicht gut, weil du ständig auf ihr rumhackst.“ Kassandra traute ihren Ohren nicht. Nora sah, wie ihre Lehrerin innerlich kochte.

„Ich mache bitte was? Es ist eine Frechheit, dass du mir das unterstellst. Es ist meine Aufgabe, euch auszubilden und gute Schutzengel aus euch zu machen. Wenn ihr nicht aufpasst, oder euch daneben benehmt, ist es meine Aufgabe, euch darauf hinzuweisen. Geht jetzt. Ich habe zu tun.“ Kassandra wandte sich ab und schrieb weiter an die Tafel. Aber es arbeitete an ihr. War sie zu streng gewesen? War sie immer noch wütend auf Verena?


Als Nora und und ihre Freundin wieder auf dem Flur standen, überlegten sie, wie es weitergehen sollte.

„Was machen wir jetzt?“ Verena zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Ich würde gerne das Buch komplett lesen, um zu erfahren, was aus Maria geworden ist.“ Sie gingen zurück in ihr Zimmer und lasen die Geschichte weiter, bis es Zeit zum Abendessen war. Als sie kurz darauf den Speisesaal betraten, wurde es still im Raum. Alle sahen zu den beiden kleinen Engeln herüber. Verena wurde rot. Am liebsten wäre sie weggelaufen.


„Nora, warum starren die uns alle an? Ich komme mir wie ein Alien vor.“

„Hole uns doch schon unser Essen, Verena. Ich kläre das.“ Sie ging entschlossenen Schrittes zu ihrer Schwester.

„Rhea, was soll das? Was ist hier los? Warum starren uns alle an?“

„Mach hier nicht so einen Wind, du Zwerg. Was interessiert dich das?“ Nora kochte vor Wut und brüllte ihre Antwort heraus.

„Weil du die Einzige bist, mit der ich darüber gesprochen habe. Gib es zu. Hast du es verraten?“

„Verraten? Nein! Aber ich habe die anderen gewarnt. Schließlich sollen alle erfahren, mit wem sie hier in der Ausbildung sind.“

„Du bist gemein. Ich hasse dich. Du bist hier der wahre Feind. Wegen Engeln wie dir geht es ihr schlecht. Du bist kein bisschen besser als sie früher. Du solltest dich schämen.“ Nora drehte sich um und lief davon. Sie war so sauer wie nie zuvor. Wie konnte Rhea das tun? Ihre eigene Schwester. Wenig später kam Verena nach.


„Es tut mir leid, dass du dich meinetwegen mit Rhea gestritten hast. Das wollte ich nicht.“

„Es ist nicht deine Schuld, dass sie so bescheuert ist. Mach dir keine Gedanken. Lass uns lieber weiterlesen. Ich möchte wissen, wie die Geschichte ausgeht.“


Beide Mädchen kuschelten sich zusammen auf ihr Sofa und lasen bis tief in die Nacht. Als sie das Buch durchgelesen hatten, sahen sie sich an.

„Ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist. Vielleicht bringt es was, wenn ich mich bei Maria entschuldige. Wenn sie mir verzeiht, können es die anderen bestimmt auch.“

„Das ist eine gute Idee, aber wie willst du das machen? Wir dürfen noch nicht auf die Erde runter und sie wird nicht hierher kommen können. Wir brauchen auf jeden Fall Hilfe.“

„Wie wäre es, wenn ich Aurora frage? Sie ist ja der Schutzengel von Marias ältester Tochter.“

„Nein, ich glaube, das bringt nichts. Sie wird sich da raushalten. Du wirst mit dem Chef sprechen müssen.“

„Ich kann doch nicht einfach bei ihm auftauchen. Ich bin noch kein fertiger Schutzengel.“

„Lass es uns versuchen. Morgen nach dem Unterricht gehen wir zu ihm. Ich komme mit.“ Verena sah ihre Freundin unsicher an.


Beide konnten es kaum erwarten, dass am nächsten Tag das Glöckchen zum letzten Mal läutete. Als der Unterricht beendet war, standen sie gleichzeitig auf und rannten los. Als sie vor dem Büro des Chefs ankamen, waren sie schrecklich nervös. Nora nahm all ihren Mut zusammen und klopfte an.


„Kommt rein, meine Lieben“, ertönte eine sanfte Stimme. Nora nahm ihre Freundin an die Hand und sie traten ein.

„Bitte entschuldigen Sie die Störung, wir brauchen Ihre Hilfe“, sagte Nora.

„Guten Tag, ihr zwei. Es freut mich dich wiederzusehen Verena und Nora hast du auch mitgebracht. Wie kann ich euch helfen?“ Verena atmete tief durch, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.

„Ich habe das Buch von Maria gelesen und weiß was ich getan habe. Alle anderen wissen es auch und ich will es wieder gut machen. Mich bei ihr entschuldigen, aber ich weiß nicht wie.“

„Was meinst du damit, dass alle es wissen? Woher? Und wie möchtest du dich entschuldigen?“

„Ich fürchte, das ist zum Teil meine Schuld. Ich habe meine Schwester gefragt, was es mit der Geschichte um Verena auf sich hat und sie hat es dann rumerzählt.“

„Ich verstehe. Nora, es ist nicht deine Schuld. Du wolltest helfen und kannst nichts für deine Schwester. Bitte mach dir deswegen keine Vorwürfe. Und Verena, ich verstehe deinen Wunsch und finde die Idee gut, dass du dich entschuldigen möchtest. Bitte gib mir ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken. Kommt morgen nach der Schule wieder her, dann besprechen wir, wie das umgesetzt werden kann.“

„Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen. Damit tun sie mir einen großen Gefallen.“

„Gerne ihr Lieben. Bitte geht auf euer Zimmer und macht eure Hausaufgaben. Vielleicht kannst du Verena etwas helfen Nora, dann bekommt sie weniger Ärger mit Kassandra.“

„Das mache ich gerne. Sie ist meine beste Freundin und ich möchte, dass sie wieder Lachen kann.“


„Du hast mich gerufen Chef?“ Kassandra schwebte in den Raum und sah gespannt auf das Licht.“

„Ja. Ich brauche einen Rat von dir. Verena war vorhin mit Nora bei mir. Sie möchte sich bei Maria entschuldigen und sucht einen Weg, wie sie das umsetzen kann. Hast du eine Idee?“

„Ich? Nein! Ich bin der Meinung, dass wir Verena so weit es geht, von ihr fernhalten sollten. Du weißt doch selbst, wie es das letzte Mal war, als sie aufeinandergetroffen sind. Es hätte Maria fast das Leben gekostet.“

„Du hast ihr also wirklich nicht verziehen. Was ist mit Maria? Ist sie noch böse auf Verena?“

„Keine Ahnung. Darüber reden wir nie. Wozu auch? Es ist vergangen und wir haben damit abgeschlossen. Maria hat vier Kinder und ist glücklich mit Johannes verheiratet. Ich glaube nicht, dass sie darüber noch nachdenkt.“ Das Licht flackerte.

„Ich danke dir für deine Offenheit. Ich werde mir darüber Gedanken machen. Ich hoffe, dass du es Verena nicht spüren lässt, wie wütend du auf sie bist.“

„Nein, natürlich nicht. Ich bin Lehrerin und keine Richterin. Hat sie was anderes behauptet?“

„Nein, sie hat nichts gesagt, aber es ist so ein Gefühl.“


Kassandra verlies den Raum. Was sollte das? Erst weißt Nora sie darauf hin und jetzt der Chef. Als sie in ihr Zimmer kam, lief sie ruhelos auf und ab. Schlafen würde sie diese Nacht gewiss nicht. Wie immer wenn sie durcheinander war, ging sie zu ihrem Lieblingsplatz hinter dem Wasserfall.


„Sie haben recht, ich bin viel strenger zu Verena als zu allen anderen. Ich muss mich besser beherrschen. So geht es nicht weiter. Nach so langer Zeit sollte ich das besser verarbeitet haben. Vielleicht sollte ich mit Maria darüber reden. Jetzt rede ich schon mit mir selbst. Ich brauche dringend etwas Schlaf.“


Am nächsten Morgen wurde Verena noch vor Schulbeginn zum Chef gerufen, aber dieses Mal alleine.

„Verena, ich habe mich entschieden, dir zu helfen. Ich finde es bewundernswert, dass du den Mut hast, dich zu entschuldigen. Ich möchte aber, dass du nicht darüber redest. Mit niemandem, selbst nicht mit Nora. Versprichst du mir das?“ Verena war überrascht, trotzdem versprach sie es. „Also gut. Wie du weißt, dürfen Engel erst auf die Erde, wenn sie ihren Abschluss gemacht haben, aber bei dir mache ich eine Ausnahme. Du kannst auf die Erde runter gehen und mit Maria sprechen. Du darfst für die Nächsten sieben Tage durch alle Bereiche reisen. Wenn du ein klingeln hörst, heißt das, dass ich mit dir sprechen will. In dem Fall erwarte ich, dass du so schnell wie möglich zu mir kommst. Heute nach der Schule darfst du aufbrechen. Hast du alles verstanden?“

„Ja Chef. Vielen Dank. Ich werde Sie nicht enttäuschen und verspreche, mein Bestes zu geben.“


„Was wollte denn der Chef von dir? Habt ihr einen Weg gefunden?“

„Ja, alles wird gut. Leider darf ich nicht darüber reden, tut mir leid.“

„Nora! Verena! Hier vorne spielt die Musik. Ich dachte, wir hätten uns inzwischen verstanden.“

„Du bist gemein Kassandra. Immer hackst du auf Verena rum. Sie hat ihre Strafe bekommen, also was soll das? Hättest du Maria nicht verstoßen, wäre das alles doch gar nicht passiert.“ Verena sah Nora mit aufgerissenen Augen an. Ihre Freundin war eindeutig zu weit gegangen. Kassandra war blass geworden.

„Raus! Alle beide! Verschwindet! Ich will euch heute nicht mehr sehen. Ihr habt beide Stubenarrest.“

„Das ist total unfair. Verena hat nichts gemacht. Du bist einfach nur gemein, aber du wirst schon sehen, was du davon hast.“ Wütend stand Nora auf und zog Verena hinter sich her.


„Nora, was soll ich jetzt machen? Ich wollte doch zu Maria.“

„Genau da gehen wir jetzt auch hin. Sie ist die Einzige, die Kassandra zur Vernunft bringen kann. Inzwischen geht mir das alles richtig auf den Keks. Das Ganze ist ewig her.“

„Nora, ich kann dich nicht mitnehmen. Wenn der Chef das erfährt, bekomme ich sonst wieder Ärger.“

„Quatsch, entspann dich. Jemand sollte dich begleiten. Lass uns zuerst schauen, wie wir an Maria rankommen.“

„Was, wenn sie mir nicht verzeiht? Ich meine, ich hätte sie fast getötet.

„Wenn sie dir nicht verzeiht, werden wir ihr zeigen, was du durchgemacht hast und wenn sie ist, wie in ihrem Buch, wirst du damit ihr Herz erweichen. Ich kann und will es mir nicht weiter mit ansehen, wie du dich quälst. Komm endlich, bevor der Plan schon vor dem Anfang scheitert.“


„Schau mal. Da ist sie. Das auf ihrem Schoss ist Juno. Du weißt schon. Die Juno aus dem Buch. Sie müsste jetzt sechs Jahre alt sein.“

„Was machen die denn da? Es sieht aus, als ob sie sich ein Buch ansehen würden. Lass uns rüber gehen.“

„Wir können da nicht einfach reinplatzen, Nora. Juno bekommt ja einen Schock fürs Leben. Ich glaube nicht, dass ihre Mutter es toll findet, wenn wir ihr Kind erschrecken.“

„Vielleicht hast du recht. Wie wäre es, wenn wir uns mit Juno anfreunden und so an Maria rankommen?“

„Dazu wird die Zeit leider nicht reichen. Ich habe die Kräfte nur für eine Woche und ich möchte nicht wieder was falsch machen.“

„Verena, hör endlich auf, dir selbst Vorwürfe zu machen. Wer ist denn die Kleine da?“ Nora deutete auf das Haus, aus dem ein Mädchen gerannt kam.

„Das muss Kasi sein. Scheinbar will sie was von Juno, aber die scheint keine Lust zu haben. Sie geht nach dort hinten.“

„Na los, hinterher. Wenn wir keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, wird das nichts. Lauf schneller.“


Beide folgten Juno in den Stall und sahen dabei zu, wie sie in Windeseile ihr Pony sattelte.

„Ach Wirbelwind. Ich habe Kasi ja echt lieb, aber es kann echt anstrengend sein, wenn man eine kleine Schwester hat. Immer will sie in meiner Nähe sein. Verstehst du das?“ Das Pony schnaubte leise und knabberte an Junos Jacke. Juno schwang sich in den Sattel und galoppierte los.


„Mist, sie ist weg. Schnell, wir folgen ihr. Vielleicht ergibt sich dann eine Gelegenheit“, rief Nora. Inzwischen ritt Juno über die Felder in Richtung Wald. Sie genoss die Freiheit und den Wind in ihrem Gesicht.

„Was machen wir hier? Es ist dunkel und ziemlich kalt. Können wir uns nicht woanders verstecken?“

„Verena, hör bitte auf zu meckern. Hier in der Höhle sind wir nah dran und sie kann uns nicht sehen, das ist doch perfekt, oder hast du eine bessere Idee“, flüsterte Nora.

„Nein, aber trotzdem gefällt es mir hier nicht. Wir können ja nicht aus der Höhle springen und sie ansprechen, dann fällt sie vor Schreck vom Pony und Maria wird mich für immer hassen.“

„Niemand hasst dich. OK, Kassandra schon, aber das wird sich ändern, wenn Maria deine Entschuldigung angenommen hat. Lass uns hier erst mal rauslaufen.“ In dem Moment ertönte ein lauter Knall.

„Verdammt, was war das? Wo kam das her?“ Nora, sah schuldbewusst auf ihre Schuhspitzen.

„Es tut mir leid. Ich hatte Knallfrösche in meiner Tasche und einer ist rausgefallen. Es tut mir leid. Bitte entschuldige.“ Ein Schrei lenkte sie von ihrem Gespräch ab, Sie schauten hinaus und sahen, wie Wirbelwind scheute und Juno in hohem Bogen abgeworfen wurde. Bewusstlos blieb das Mädchen liegen. Verena wollten sofort zu ihr laufen, aber Nora hielt sie zurück.

„Warte. Wenn wir hier entdeckt werden, ist die Hölle los. Schau, da ist Aurora, ihr Schutzengel. Stell dir vor, sie hätte uns gesehen. Wir müssen hier verschwinden. Lass es uns bei der anderen Tochter versuchen.“

„Aber nicht mehr heute. Wir müssen zurück, sonst gibt es wieder Theater. Vergiss nicht, eigentlich haben wir Stubenarrest. Ich hoffe nur, dass Juno nichts passiert ist.“


Schutzengelstreik 2

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