Читать книгу Das Rätsel im Hoppenlau - Stefanie Wider-Groth - Страница 8

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Den Sonntag hatten sie damit verbracht, Gabis Mutter bei der Gartenarbeit zu unterstützen. Eine Tätigkeit, die nicht zu Emmerichs üblichen Gewohnheiten gehörte und sich in einem ausgeprägten Muskelkater am Montag niederschlug, die aber bald häufiger auf ihn zukommen würde. Denn Gabis Mutter hatte durchaus glaubhaft versichert, dass sie mit annähernd achtzig Jahren nunmehr endgültig zu alt für Heckenschnitte, Unkrautjäten oder Rasenpflege sei. Keineswegs zu alt war sie allerdings für die begleitenden Kommentare im Stile von „man könne den Löwenzahn ruhig etwas gründlicher entfernen“ oder „man solle die Klematis am Spalier ordentlicher hochbinden“. Man, in diesem Fall also Emmerich, war diesen Anweisungen am Sonntag zwar klaglos gefolgt und dafür mit hausgemachten Maultaschen belohnt worden, hatte sich jedoch insgeheim bereits Gedanken gemacht, wie der Garten umgestaltet werden könne. Etwa, indem man das Spalier samt der daran rankenden Pflanze einfach entfernte oder den regelmäßig zu mähenden Rasen in eine Terrasse verwandelte. Da mit Protesten zu rechnen war, behielt Emmerich diese Gedanken jedoch für sich, ließ sich von Gabi unter allenfalls leicht übertriebenem Stöhnen die schmerzenden Oberarme mit einem medizinischen Präparat seines Vertrauens einreiben und machte sich auf den Weg zur Arbeit. In seinem Büro traf er Frau Sonderbar dabei an, einen Stapel alter Hochglanzmagazine, die seit Jahren an der Wand unterhalb des einzigen Fensters langsam vergilbten, zu Bündeln zu schnüren.

„Morgen“, grüßte Emmerich mit erhobenen Brauen. „Was tun Sie da?“

„Frühjahrsputz“, entgegnete seine Sekretärin, ohne das Bündeln zu unterbrechen. „Wir hatten abgemacht, dass dieses Büro bei nächster Gelegenheit aufgeräumt wird.“

Emmerich gestand ein, dass eine derartige Abmachung zwar existiere, man sich jedoch keineswegs darauf geeinigt habe, dass ausgerechnet der heutige Tag die nächste Gelegenheit sei.

„Wann denn sonst?“, meinte Frau Sonderbar unbeeindruckt. „Nach meiner Kenntnis haben Sie gerade keinen aktuellen Fall.“

„Das vielleicht nicht, aber …“

„Mit Ihrer Hilfe sind wir heute Abend fertig.“

„Mit meiner Hilfe? Diese Zeitschriften hier … die wollte ich eigentlich erst noch einmal durchsehen, bevor …“

„Es sind sehr alte Zeitschriften.“ Frau Sonderbar hielt eine davon in die Höhe und wedelte hüstelnd eine Staubwolke zur Seite. „Das zum Beispiel ist aus den Neunzigerjahren. Trummers Spezial. Inklusive Interview mit Kotzi Pofell“, zitierte sie stockend.

„Cozy Powell“, verbesserte Emmerich mechanisch. „War ein guter Drummer. Ist aber lange tot.“

„Da sehen Sie’s.“ Frau Sonderbar knallte das Heft auf einen Stapel, wickelte Schnur darum und hob den Stapel hoch. „Ich sagte ja, sehr alte Zeitschriften.“ Im Vorzimmer klingelte das Telefon. „Wenn Sie das bitte kurz mal halten würden ...“

Unversehens wurde Emmerich der Stapel in die muskulär vorbelasteten Arme gedrückt, was ihm ein erschrockenes „Aaaah“ entlockte, während seine Sekretärin hinauseilte und den Hörer abnahm.

„Dr. Zweigle aus der Pathologie“, verkündete sie wenig später mit Stentorstimme, die eventuelle Ausreden des Inhalts, ihr Vorgesetzter sei noch nicht im Büro eingetroffen, von vorneherein unmöglich machten.

„Stellen Sie ihn durch.“ Emmerich ließ den Stapel neben die noch ungebündelten Musikfachzeitschriften aus mehreren Jahrzehnten sinken und griff nach dem Telefon. „Was gibt es?“

„Guten Tag“, grüßte sein Gesprächspartner betont.

„Morgen“, bequemte sich Emmerich zu einer Erwiderung des Grußes.

„Sie haben mir da ein Paket anliefern lassen.“

„Ein Paket?“

„Die tote Frau vom Samstag.“

„Sagen Sie’s doch gleich.“

„Sie wollen sich das sicher gern persönlich ansehen. Bevor die Leiche freigegeben wird.“

„Will ich nicht. Warum sollte ich?“

„Die Dame ist erstickt.“

„Erstickt?“, wiederholte Emmerich verblüfft. „Auf einer Bank an der frischen Luft?“

„Tja“, sagte Zweigle nicht ohne einen spöttischen Unterton. „Selbst ich, mit meiner Berufserfahrung, erlebe noch Überraschungen.“

Ist sie erstickt oder wurde sie erstickt?“

„Darüber sollten wir zwei Hübschen uns unterhalten. Warum springen Sie nicht schnell bei mir vorbei? Auf ein Tässchen Kräutertee?“

★ ★ ★

Die Vorteile des Rentnerdaseins, fand Helmut Schropsnagel, bestanden unter anderem darin, den Tag frei von Eile oder Termindruck beginnen zu können. Was natürlich, auf der anderen Seite, gelegentlich auch Langeweile aufkommen ließ, doch nicht heute. Schropsnagels frühstückten wie immer, während der letzten Tasse Kaffee nach der Lektüre seiner Tageszeitung aber fasste Helmut sich ein Herz und holte seine Kamera.

„Verschone mich mit deinen Grabsteinen“, sagte Melanie vorsorglich.

„Es geht nicht um die Steine. Ich will dir etwas zeigen. Oder besser … jemand. Ich will dir jemand zeigen. Nur erschrecken darfst du nicht.“ Helmut drückte Tasten und schob schließlich die Kamera so über den Frühstückstisch, dass Melanie eine gute Sicht auf das Display hatte.

„Warum sollte ich erschrecken?“, fragte sie nach einem kurzen Blick. „Das ist eine Frau auf einer Bank.“

„Sieh richtig hin.“

„Stimmt was nicht mit ihr?“

„Sie ist … äh … nicht mehr am Leben. Wir haben sie am Samstag auf dem Hoppenlau-Friedhof gefunden.“

„Und so etwas fotografierst du? Schäm dich, das ist ja geschmacklos. Du wirst doch nicht auf deine alten Tage schrullig werden wollen.“

„Melanie.“ Helmut räusperte sich umständlich, nahm die Kamera wieder an sich, vergrößerte den Bildausschnitt und hielt sie seiner Frau erneut unter die Nase. „Bitte schau genau hin. Kennst du … kennen wir diese Frau?“

Melanie griff nach ihrer Brille, sah genau hin und sog scharf die Luft ein.

„Ach, du Schreck“, sagte sie inbrünstig. „Das ist ja Isolde.“

„Ich hatte es befürchtet“, nickte Helmut zustimmend.

„Du hast zwei Tage nichts davon gesagt?“

„Ottmar meinte …“

„Was ist mit ihr passiert?“

„Woher soll ich das wissen? Wir haben das Rote Kreuz verständigt, die haben dann die Polizei gerufen.“

„Stand etwas darüber in der Zeitung?“

Helmut schüttelte den Kopf.

„Kein Wort. Aber du hast gesagt, sie sei einer obskuren Sache auf der Spur gewesen. Bevor sie uns zum Essen gebeten haben. Bei deiner Schwester.“

„Furchtbar.“ Melanie hatte ihre Brille wieder abgesetzt. „Ob Nicole schon davon weiß?“

„Es ist nicht unsere Aufgabe, sie zu informieren.“

„Wessen denn? Isolde hatte keine Angehörigen.“

„Was hat sie gemeint? Mit der obskuren Sache?“

„Es ging um irgendetwas Illegales. Wer kümmert sich denn jetzt um die Beerdigung?“

„Du nicht.“

„Ich muss telefonieren.“ Melanie griff nach dem mobilen Apparat und strebte Richtung Schlafzimmer, wo sie Gespräche mit ihren Freundinnen normalerweise zu führen pflegte. „Du räumst sicher gern die Küche auf.“

Das stimmte nicht ganz, wenngleich Helmut sich vorgenommen hatte, zukünftig mehr Zeit für Hausarbeit und die damit verbundene Unterstützung seiner Frau aufzuwenden. Wobei er schnell gemerkt hatte, dass Melanie hier über eine Routine verfügte, die ihm fehlte, und dass nicht jede Hilfe seinerseits mit der gleichen Begeisterung angenommen wurde. Falsch eingeräumte Küchenschränke oder Schubladen beispielsweise lösten eher Stirnrunzeln aus, einer nicht randvoll in Gang gesetzten Spülmaschine verdankte er einen Vortrag über den richtigen Umgang mit Energie im privaten Haushalt. Keinerlei Kritik war dagegen laut geworden, als Helmut angefangen hatte seine Wäsche selbst zu waschen, die Betten zu überziehen und leere Flaschen zum Container zu bringen. Weshalb er insgeheim entschlossen war, sich in der Küche so wenig wie möglich einzumischen. Helmut trug daher lediglich das schmutzige Geschirr hinaus und drapierte es in der Spüle, während er Melanie im Schlafzimmer schnattern hörte. Zwischendurch einmal rief sie „Helmut, funktioniert unser Fax?“ und er antwortete „Ja, ich muss es nur kurz umstellen“. Wenig später begann der Drucker Papier auszuspucken, ein Blatt nach dem anderen, so lange, bis Helmut nachlegen musste, und es kamen immer noch fünf Seiten. Er nahm die ausgedruckten Blätter, legte sie ordentlich übereinander und sah, dass er Kopien von Bankauszügen in den Händen hielt. Die Namen der Konteninhaber sagten ihm nichts, die Summen, die auf den Konten verbucht waren, bewegten sich im vierbis fünfstelligen Bereich.

„Was soll das?“, fragte er, als Melanie ihr Telefonat nach einer halben Stunde beendete.

„Die obskure Sache.“ Seine Frau fächerte die Blätter flüchtig mit dem Daumen auf. „Nicole weiß auch nicht, worum es dabei so ganz genau ging. Es müsse irgendetwas mit Isoldes neuem Chef zu tun haben, in den letzten Wochen habe sie öfter solche Bankauszüge gefaxt. Nicole musste sie nur sammeln, weil Isolde selbst kein Fax besaß, sie hat sie dann immer wieder abgeholt.“

„Ein paar von diesen Blättern stammen aus dem Bankhaus Treufuß“, sagte Helmut nachdenklich.

„Ja, das weiß Nicole, Isolde hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen. Es ist nur …“ Melanie machte eine Pause, indem sie schniefte, sich durch die Haare strich und tief Luft holte. „Du kennst Nicole. Für diesen ganzen Bankenkram hat sie sich nie interessiert. Scheinbar hat Isolde ihr sehr wohl erklärt, womit sie ein Problem hat, aber Nicole hat nicht aufgepasst. Sie hat ihr lediglich empfohlen, sich an Elmar oder dich zu wenden. Weil ihr mehr davon versteht. Und jetzt ist sie tot. Nicole wusste übrigens noch nichts davon. Sie wird Erkundigungen einziehen.“

„Jetzt ist sie tot“, wiederholte Helmut langsam. „Wir haben sie gefunden, und ich halte diese Bankauszüge in der Hand. Fast wie ein Vermächtnis, findest du nicht?“

„Ein Vermächtnis?“

„Isoldes Vermächtnis. Woher weißt du, ob sie eines natürlichen Todes gestorben ist?“

„Mach halblang“, empfahl Melanie trocken und wandte ihre Aufmerksamkeit der Spüle zu. „Isolde war über sechzig Jahre alt.“

„Das sind wir auch.“

„Wer sollte ihr denn etwas antun wollen?“

„Keine Ahnung. Ich mein ja nur …“

„Lass es bleiben“, sagte Melanie und begann, die Spülmaschine einzuräumen.

★ ★ ★

„Ich muss mal weg“, erklärte Emmerich leichthin und zeigte auf den Stapel mit den Magazinen. „Darum kümmere ich mich später.“

Frau Sonderbar deutete lediglich durch ein hoheitsvolles Nicken an, dass die Mitteilung sie erreicht hatte. Der Weg hinauf zum Robert-Bosch-Krankenhaus, in dessen Pathologie Dr. Zweigle praktizierte und das, rein räumlich gesehen, tatsächlich nur einen Katzensprung vom Polizeipräsidium entfernt lag, erwies sich, muskelkaterbedingt, als ungewohnt beschwerlich. Denn tatsächlich war eine steile Treppe zu bewältigen, die mitten durch einen Weinberg hindurchführte und keinerlei Schatten bot. Emmerich langte ein wenig keuchend oben an, überlegte für einen Augenblick, ob es an der Zeit sein könne, sich Gedanken über seine Kondition machen zu müssen, kam aber auf seinem Weg durch die endlosen Gänge des Krankenhauses zu dem Schluss, dass er Wichtigeres zu tun hatte. Dr. Zweigle erwartete ihn in der üblichen Dienstkleidung eines Gerichtsmediziners bei der Arbeit, ein Anblick, der Emmerich stets an einen Schlachter erinnerte und an den er sich auch für den Rest seines Berufslebens kaum würde gewöhnen können. Immerhin schien es, als müsse er heute keine Leiche persönlich in Augenschein nehmen. Zweigle bat ihn in ein Büro, füllte Wasser in einen elektrischen Kocher und öffnete einen Hängeschrank.

„Salbei, Minze oder Magenfroh?“, wollte er wissen.

„Bitte?“

„Ich hatte Ihnen einen Kräutertee versprochen.“

„Danke schön“, sagte Emmerich höflich. „Aber das ist wirklich nicht nötig.“

„Wie Sie meinen“, grinste Zweigle, unter dessen Kittel sich, wie Emmerich wusste, eine ausgesprochen drahtige Figur verbarg, spöttisch. „Bleiben Sie nur bei Ihren Kalorienbomben. War ’s nicht Weizenbier?“

„Gegen Abend gerne“, entgegnete Emmerich, ohne eine Miene zu verziehen. „Was haben Sie mir nun zu sagen? Über die tote Frau?“

Zweigle griff nach einem Klemmbrett.

„Nothdurft, Isolde“, las er ab. „Jahrgang 1950. Größe eins siebenundsechzig. Gewicht zweiundsiebzig Kilo. Arteriosklerotisch bedingtes Risiko für eine koronare Herzkrankheit. Cholesterin, Zucker- und Leberwerte leicht erhöht. Sollten Sie da nicht auch mal darüber nachdenken?“

„Ich lebe noch.“

„Die Frau hat geraucht.“

„Hat der Tabak sie umgebracht?“

„Früher oder später wäre das bestimmt passiert.“

„Tatsächlich“, sagte Emmerich, weder an kostenlosen Ratschlägen hinsichtlich der eigenen Gesundheit noch an fernsehreifen, gerichtsmedizinischen Darbietungen interessiert, trocken, „ist sie nun aber früher an etwas anderem erstickt.“

„Äußere Suffokation“, nickte Zweigle weise. „Kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Beispielsweise durch eine plötzliche Bewusstlosigkeit. Die Zunge legt sich zurück, niemand kommt zu Hilfe und schon …“

„War das hier der Fall?“

„Nein.“ Der Wasserkocher zischte. Zweigle schaltete ihn aus, goss heiße Flüssigkeit in eine Tasse und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Im Büro breitete sich ein Geruch aus, der Emmerich entfernt an den eines WC-Hygienesteins erinnerte. Zweigle schnüffelte genießerisch und fuhr fort: „Eine andere Möglichkeit wäre eine allergische Reaktion oder ein Fremdkörper in der Luftröhre. Ich konnte weder das eine noch das andere feststellen. Kurzum, ich stand vor einem Rätsel.“

„Aber Sie haben es gelöst?“

„Selbstverständlich. Ich wäre nicht Dr. Stefan Zweigle, wenn mir das nicht gelungen wäre. Und nun passen Sie mal auf.“ Der Mediziner reichte ein kleines, durchsichtiges Plastikbeutelchen über seinen Tisch. „Was sehen Sie hier?“

Emmerich beugte sich über das Beutelchen und begutachtete es eingehend.

„Nichts“, erklärte er nach etwa einer halben Minute des Betrachtens.

„Eben“, triumphierte Zweigle und nippte an seiner Tasse. „Trotzdem ist etwas da.“ Behutsam schob er einen dunkelgrünen Aktenhefter unter das Beutelchen. Vor diesem Hintergrund erkannte nun auch Emmerich das Vorhandensein eines dünnen, weißen Fadens. „Dies hier“, sagte Zweigle lächelnd, „haftete im Gaumen der Frau Nothdurft.“

„Und was ist das?“

„Eine Faser. Aus Zellstoff. Von einem Papiertaschentuch, nehme ich an.“

„Das wieder entfernt wurde, nachdem die Frau gestorben war?“

„So stelle ich mir die Sache vor“, nickte Zweigle. „Wobei der Mensch ja auch noch eine Nase hat. Die müsste der Täter dann gleichzeitig zugehalten haben.“

„Gar nicht so einfach, was?“, vermutete Emmerich.

„Aber möglich“, meinte Zweigle nachdrücklich. „Ich habe mir erlaubt, mit meiner Assistentin verschiedene Positionen auszuprobieren. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Mann, der eine Frau im Arm hält … also einer, der sie küsst und ihr dabei spielerisch die Nase zuhält … wenn der ihr dann plötzlich ein Papiertaschentuch fest in den Mund schiebt und dafür sorgt, dass es drinnen bleibt …“

„Die Frau wird sich doch wohl gewehrt haben.“

„Ohne einen gewissen Kraftaufwand ging es sicher nicht. Aber man benötigt nicht zu viel davon. Der Widerstand lässt schnell nach, wenn jemandem die Luft ausgeht. Für einen außenstehenden Betrachter mag es ausgesehen haben, wie eine wilde Knutscherei.“

„Das haben Sie mit Ihrer Assistentin ausprobiert?“

„Die Dame hat es überlebt, falls Sie das meinen.“

In Emmerichs Vorstellung rang zunächst ein graumelierter Zweigle im Schlachterkittel eine blutjunge, grazile Assistentin auf einem stählernen Obduktionstisch nieder, bevor es ihm gelang, seine Aufmerksamkeit auf Isolde Nothdurft und die Friedhofsbank zu konzentrieren.

„Bei meiner Assistentin“, setzte Zweigle, als sei er imstande, Einblick in Emmerichs Vorstellungen zu nehmen, süffisant hinzu, „wäre ich nicht erfolgreich gewesen. Sie ist Mitte vierzig und betreibt in ihrer Freizeit Kraftsport. Die Tote dagegen war, wenn man von ihrer Muskelmasse ausgeht, eher untrainiert. Hinzu kommt, so darf man wohl annehmen, auch noch ein Überraschungsmoment.“

„Muss es eine Knutscherei gewesen sein?“ Emmerich dachte an den älteren Mann, den die Zeugin erwähnt hatte.

„Nicht einmal das ist zwingend notwendig.“ Zweigle stand auf, kam hinter seinem Schreibtisch hervor und stellte sich neben Emmerich. „Darf ich?“

Ehe er sich’s versah, hatte der Doktor ihm mit einer raschen Bewegung einen Arm zunächst um die Schulter, dann um den Hals gelegt und drückte zu.

„He“, protestierte Emmerich überrascht. Flugs erhielt er etwas in den Mund geschoben und Zweigle griff mit der freien Hand nach seiner Nase.

„Sehen Sie. So geht das. Seien Sie froh, dass ich Ihnen wohl gesonnen bin und nur Kaugummi benutze.“

Emmerich entwand sich dem Griff des Mediziners und entfernte den nach künstlichen Aromastoffen schmeckenden Streifen von seiner Zunge.

„Ich weiß nicht“, sagte er und hustete. „Ob mich das überzeugt?“

„Es ist die einzig mögliche Erklärung“, meinte Zweigle mit Nachdruck. „Und ich gehe davon aus, dass derjenige, der das getan hat, darin eine gewisse Übung hat. Wenn er sich so etwas in aller Öffentlichkeit getraut.“

„Ein Profikiller?“, fragte Emmerich ungläubig.

„Das dürfen Sie herausfinden“, lächelte Zweigle gleich einem Lehrer, der für einen Prüfling eine ganz spezielle Aufgabe ersonnen hatte. „Ich für meinen Teil habe ja bereits Ergebnisse geliefert.“

Das Rätsel im Hoppenlau

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