Читать книгу Der Fuß vom Monte Scherbelino - Stefanie Wider-Groth - Страница 9

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Florina kassierte. Es war eine Tätigkeit, von der einige ihrer Bekannten behaupteten, dass es sich dabei um eine besonders stumpfsinnige handelte, und womöglich hatten sie damit, je nachdem aus welchem Blickwinkel heraus man es betrachtete, auch nicht ganz unrecht. Florina aber schätzte gerade diesen Aspekt ihres Berufes, er beinhaltete eine große Regelmäßigkeit. Sowohl was die Art der Arbeit als auch was die Arbeitszeiten anging. Dreißig Stunden, verteilt auf fünf Tage in der Woche. Mehrarbeit fiel, abgesehen von den Tagen um das Weihnachtsfest herum, selten an. Das Team war groß genug, um auch Krankheitstage von Kolleginnen im Allgemeinen ohne Überstunden auffangen zu können, ihr Arbeitsplatz war sicher, sie hatte immer das Gefühl, den dort gestellten Anforderungen gewachsen zu sein. Die Bezahlung war nicht üppig, aber ordentlich, ihr blieb genügend Freizeit für das wahre, eigentliche Leben. Wenn Florina nach getaner Arbeit ihren Kittel auszog und den Supermarkt verließ, nahm sie – abgesehen von ein paar gelegentlichen Einkäufen zu Mitarbeiterpreisen – nichts mehr mit nach Hause. Keine Gedanken, die ihr schlaflose Nächte bereiteten. Keine Sorgen, den nächsten Tag betreffend. Nichts, was ihr Gewissen belasten konnte, und niemals das Gefühl, von der Fülle der anstehenden Aufgaben überwältigt zu werden. Das war nicht immer so gewesen, immer noch dachte Florina mit Grausen an die Zeit zurück, in der sie versucht hatte, den elterlichen Tante-Emma-Laden am Überleben zu halten. Ein Familienbetrieb in der vierten Generation war das gewesen, gegründet von den Urgroßeltern, der in der Nachkriegszeit immerhin so viel abgeworfen hatte, dass neben den normalen Lebenshaltungskosten auch noch fürs Alter gespart werden konnte. Diesem Laden verdankte die Familie bis in die heutige Zeit hinein das Mietshaus |27|im Stuttgarter Westen, in dem auch Florina wohnte und an die Erbengemeinschaft eine vergleichweise geringe Miete zahlte. Diesem Laden verdankten selbst noch ihre Eltern einen finanziell recht ordentlich abgesicherten Ruhestand, ihr Vater allerdings auch einen Herzinfarkt, der den zunehmend unsicheren Verhältnissen seit der Jahrtausendwende geschuldet war. Florina kannte alte Fotos von dem Laden, die Urgroßeltern und die Großeltern waren darauf zu sehen, dazu mehrere Angestellte. Während ihrer Kindheit hatte es schon keine Angestellten mehr gegeben, die Eltern hatten – mit etwas Unterstützung von der Oma – die Arbeit alleine bewältigen müssen. Bis spät in die Nacht hinein war die Mutter oft noch mit der Buchhaltung beschäftigt gewesen, während ihr Vater im Lager neue Ware auspackte oder abgelaufene entsorgte. Florina selbst wurde zur Ausbildung in jenen Supermarkt geschickt, in dem sie heute an der Kasse saß, und hatte diese kaum beendet, als der Vater den Herzinfarkt erlitt. Er überlebte, blieb aber gezeichnet und nur noch eingeschränkt leistungsfähig. Florina, die mit der Liebe zum „Geschäft“, wie man das im Schwäbischen nannte, groß geworden war, betrachtete es als Selbstverständlichkeit, die Verantwortung zu übernehmen. Während andere studierten, nächtelang die tollsten Clubs besuchten und interessante Männer fanden, schuftete sie mit jugendlichem Elan im Laden, der bald auch auf dem Papier der ihrige wurde. Florina brachte frischen Wind ins Sortiment, handelte neben Biogemüse aus heimischem Anbau zusätzlich mit ökologisch korrekten Klamotten und fair gehandelten Accessoires zu saftigen Preisen. Die Eltern unterstützen sie, so gut es ging, und es ging ganz ordentlich, für ein paar Jahre. Irgendwann aber, zuerst kaum spürbar, dann jedoch immer schneller, gegen Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends, änderten sich die Dinge. Das alteingesessene Fachgeschäft für Haushaltswaren und Elektroartikel um die Ecke schloss die Türen, der überwiegende Teil der Leute bestellte solche Dinge jetzt im Internet. Ein paar Häuser weiter zog ein Textildiscounter ein, vor ihrem Laden strich die Stadt zwei Parkplätze und legte stattdessen ein Baumbeet an. Der Lieferant der ökologisch |28|korrekten Klamotten musste Insolvenz anmelden, Florinas kaufkräftige Kundschaft, die wegen dieser Klamotten in den Laden gekommen war, blieb aus. Ständig neue Vorschriften zum Energiesparen, zum Brandschutz oder zur elektronischen Übermittlung der Steuervoranmeldung verlangten ständig neue Investitionen, ohne Kredite war an die Anschaffung der erforderlichen Infrastruktur gar nicht mehr zu denken. Längst schlief Florina schlecht, erwachte jeden Morgen mit einem flauen Gefühl im Bauch und fragte in der Apotheke nach Mitteln gegen Durchfall. Die Eltern beobachteten sie mit Sorge und eines Abends, kurz nach Ladenschluss, forderte der Vater sie auf, die Reißleine zu ziehen. Sie sei noch jung genug, um etwas anderes anzufangen. Er wolle nicht, dass es ihr genau wie ihm erginge. Der Laden sei kein Heiligtum. Und lebenslange Schuldverpflichtungen das Schlimmste, was sie eingehen könne. Florina hatte sich zunächst gewehrt. Gegen das Aufgeben, gegen die Niederlage, gegen die Vorstellung, dass ausgerechnet unter ihrer Leitung das zu Ende gehen sollte, was drei Generationen vor ihr aufgebaut hatten. Beruhigungsmittel halfen ihr beim Schlafen, Energydrinks dabei, den Tag durchzuhalten. Bis nach ein paar weiteren Monaten die Mutter ein Machtwort sprach. Sie werde ihr den Laden im Erdgeschoss des Hauses, in dem die Familie wohnte, kündigen, um ihn für teures Geld an ein Immobilienbüro zu vermieten. Was Florina vor einigen Jahren Zornestränen ins Gesicht getrieben hatte, erwies sich zwischenzeitlich als wahrlich weise Entscheidung. Einmal draußen aus dem Hamsterrad, war ihr klar geworden, dass sie kurz vor der Zerstörung ihrer Gesundheit, womöglich ihres ganzen Lebens gestanden hatte. Und eben deshalb schätzte sie nun das, was sie insgeheim den „Wert des Stumpfsinns“ nannte. Man hatte Zeit, sich neben den großen Fragen, die einem das Leben stellte, sogar mit eigentlich nebensächlichen Dingen zu beschäftigen.

„Du, Frau Berg“, wandte sie sich deshalb an die ihr gegenübersitzende, schon etwas ältere Kollegin, als der Kundenstrom gerade einmal nachließ. „Weißt du, was Backoffice bedeutet?“

„Was?“

|29|„Backoffice.“

„Ach, mein Englisch. Irgendwas mit Büro, würde ich meinen.“

„Ein bisschen genauer wüsste ich es schon gern.“

„Na, ja. Back heißt, glaube ich, zurück. Oder Rücken. Vielleicht auch Hinterteil?“

„Ein Arschbüro?“ Florina musste kichern, behielt aber eine ernste Miene und nahm von einer Kundin Geld für etwas Obst entgegen. Den verdutzten Blick der Kundin ignorierte sie.

„Womöglich liegt es am Zusammenhang?“, mutmaßte Frau Berg, nachdem wieder freie Sicht zwischen den beiden Kassen herrschte.

„Schwer zu sagen. In diesem Fall muss es etwas Beleidigendes sein. Beziehungskiste, du verstehst schon …“

„Büroarsch?“, schlug die Kollegin vor, jetzt war sie es, die breit grinste. Florina blieb die Antwort schuldig, vor beiden Kassen standen wieder Leute an. Zwanzig Minuten lang wurde konzentriert kassiert, bevor Frau Berg die nächste Gelegenheit zum Austausch von Bemerkungen ergriff:

„Sag, Frau Kappel, was macht eigentlich deine eigene Angelegenheit? Hat er sich wieder mal gemeldet?“

„Nichts“, entgegnete Florina kleinlaut. „Funkstille total. Ich frag mich wirklich, was da falsch gelaufen ist.“

***

Die Straße, die vom Stadtteil Botnang über den gleichnamigen, so genannten „Sattel“ hinunter in den Talkessel führte, hieß, welch Wunder, „Botnanger Straße“. Den Parkplatz am Fuß des Birkenkopfs zu finden, war kein Problem gewesen. Es handelte sich um keine besonders große Fläche. An drei Seiten vom Wald umgeben bot sie Platz für vielleicht sechs bis sieben Fahrzeuge. Zwei hatten sie dort angetroffen, eins davon, ein alter, blauer Kombi stand noch da. Im zweiten hatte ein Mann in Handwerkermontur ein Nickerchen gehalten, er war freundlich, aber bestimmt des Ortes verwiesen worden. Auf der gekiesten Fläche selbst fand man inzwischen kaum mehr einen Stehplatz, |30|es drängten sich die Mannschaftswagen der dick eingemummelten Kollegen, die den Wald durchsuchen würden, dazu Angehörige der Hundestaffel nebst Leichenspürhunden, der Kleinbus mit den Kriminaltechnikern sowie die Kommissare Gitti Kerner und Mirko Frenzel. Emmerich selbst stand vor dem von Kimberley Schneckle erwähnten Schild, welches das Abladen von Müll und Bauschutt untersagte. Darunter lagen mehrere entsorgte Christbäume, frische, grüne vom gerade erst zurückliegenden Weihnachtsfest genauso wie solche, die aus den Vorjahren stammen mussten, braun und verdorrt, wie sie waren. Außerdem ein von kahlen Brombeerranken überwucherter Autoreifen, ein paar alte Bretter, zwei kaputte Regenschirme, leere Sekt- und Wodkaflaschen, teilweise in Scherben, ein noch halbwegs frisch aussehendes, angebissenes Käsebrötchen und etwas, das ein total durchnässtes Strickoberteil sein konnte. Es war eben eine Sache, pauschal, per Schild etwas zu verbieten, und eine andere, ob sich auch daran gehalten wurde. Hier jedenfalls konnte man den Eindruck haben, als fordere das Verbot die dazugehörigen Verstöße geradezu heraus. Ein Eindruck, den auch Gitti zu teilen schien:

„Die Leute sind schon Ferkel, oder?“, meinte sie hinzutretend und spähte in den Wald hinein. „Ich bin gespannt, was wir noch alles finden. Wo soll überhaupt gesucht werden? Das Gelände ist ja riesig.“

„Wenn wir Pech haben“, entgegnete Emmerich bedenklich, „suchen wir eine ganze Woche lang und finden gar nichts. So fängt das neue Jahr doch schon mal prima an.“

„Mir ist kalt.“

„Mir auch.“

„Um vier, spätestens halb fünf, wird es dunkel.“

„Ich weiß. Ich hoffe auf die Hunde.“

„Du hast gesagt, es wäre auch ein Hund gewesen, der den Schuh gefunden hat?“

„Mmmh“, machte Emmerich zustimmend. „Einer namens Terry. Ich erwarte seine Halterin demnächst vor Ort. Vielleicht hat sie uns einen Hinweis, der uns bei unserer Suche hilft.“

|31|„Davon erhoffe ich mir wenig“, murmelte Gitti ohne Begeisterung und trat von einem Fuß auf den anderen. Mirko Frenzel kam hinzu und wollte wissen, ob Emmerich etwa erwarte, dass man den kompletten Berg mit seinen zahlreichen Spazierwegen großräumig für die Öffentlichkeit sperre.

„Das wird kaum machbar sein“, meinte der mit einer abwinkenden Geste. „Vielleicht erst mal bloß die Waldwege auf dieser Seite?“

„Hast du eine Vorstellung, was das für Strecken sind?“

„Nur ungefähr.“

„Ein Scheiß ist das“, fluchte Mirko und stapfte wieder davon zu den uniformierten Kollegen, die gerade damit begannen, sich zu einer Kette zu formieren.

„Wo er recht hat, hat er recht.“ Gitti kickte unmotiviert mit der Schuhspitze Scherben ins Unterholz. „Das da ist übrigens auch nicht in Ordnung. Für die Hunde, meine ich. Wenn sie ins so was treten. Pfotenverletzungen können entsetzlich bluten.“

„Es liegt am Dosenpfand. Bevor das kam, gab’s nicht so viele Scherben.“

„Dafür leere Dosen überall.“

„Ja, und? Was ist wohl weniger gefährlich? Scherben oder Dosen?“

„Am besten wäre, wenn die Leute ihren Abfall … was ist da los?“ Gitti reckte den Kopf, mehrstimmiges Gebell schallte über den ansonsten winterlich stillen Waldparkplatz. Eine eher kleine Frau in Begleitung dreier mittelgroßer Hunde näherte sich dem alten, blauen Kombi. Nur ein Hund war an der Leine, die beiden anderen schienen es als persönliche Beleidigung aufzufassen, dermaßen viele Menschen auf dem Parkplatz anzutreffen, und gebärdeten sich entsprechend aufgeregt.

„Hunde, die bellen, beißen nicht“, meinte Emmerich eingedenk des alten Sprichwortes, wandte sich vom Verbotsschild ab, ging zu der Frau und zeigte auf den Kombi.

„Ist das Ihr Wagen?“

„Schon“, sagte die, ließ ihren Blick über den Parkplatz schweifen und heftete ihn schließlich interessiert ungefähr dorthin, wo sich |32|sein Kinn befand. „Darf ich fragen, was das werden soll? Machen Sie hier eine Übung?“

„Einen Einsatz“, korrigierte Emmerich mit der gebotenen Zurückhaltung. „Ich muss Sie bitten, das Fahrzeug zu entfernen.“

„Das hätte ich jetzt sowieso getan. Wenn Sie gestatten, dass ich meine Hunde vorher noch in den Kofferraum …“ Die Frau öffnete die Heckklappe des Kombis, ließ den angeleinten Hund hineinspringen und stieß einen kurzen Pfiff aus. Die beiden anderen Tiere stellten umgehend das Bellen ein und hüpften dem Artgenossen hinterher.

„Gut erzogen“, komplimentierte Emmerich. „Sind Sie hier öfter unterwegs?“

„Täglich“, entgegnete die Frau, die ihr Haar zu einem dicken, grauen Zopf geflochten trug, ohne auf das Kompliment einzugehen, verteilte Häppchen an die Hunde und schloss die Klappe wieder. „Suchen Sie den Busfahrer?“

„Welchen Busfahrer?“

Die Frau wandte sich um, sah Emmerich von unten herauf an, als habe er nicht alle Tassen im Schrank, und schüttelte ob dieser, seiner offensichtlichen Beschränktheit sanft den Kopf.

„Na, welchen wohl? Selbstverständlich den, der kurz vor Weihnachten verschwunden ist.“

Emmerich erinnerte sich vage, tatsächlich vor einigen Wochen etwas Ähnliches gehört zu haben, nicht aber daran, in welchem Zusammenhang, von wem oder wo. Und weil das Thema schon nach wenigen Tagen wieder aus eventuellen Schlagzeilen oder auch nur aus seinem persönlichen Blickfeld verschwunden war, hatte er es schneller wieder vergessen, als es in den Fokus seiner Aufmerksamkeit gekommen war. Allerdings lag es nicht in seiner Absicht, sich durch sein Unwissen auch noch besonders hervorzutun.

„Was wissen Sie darüber?“, ging er stattdessen zum Gegenangriff über. Bedauerlicherweise schien die Frau dieses Manöver zu durchschauen, ein leichtes Grinsen huschte über ihr Gesicht und endete in einem amüsierten Zwinkern.

„Sie sind mir ein Polizist“, sagte sie vorwurfsvoll und schob die |33|Hände in die Seitentaschen ihrer nicht mehr ganz modernen, stark verschmutzten Thermojacke. „Gerade Sie müssten doch am besten informiert sein. Was soll jemand wie ich schon wissen?“

„Keine Ahnung. Deshalb frage ich Sie ja.“

Sie schien kurz nachzudenken und einen Entschluss zu fassen, dann nahmen ihre Augen einen verschmitzten Ausdruck an.

„Möglicherweise, aber wirklich nur vielleicht, habe ich tatsächlich was für Sie.“

„Bitte. Nur heraus damit.“

„Erst sagen Sie mir, ob Sie hier den Fahrer suchen.“

„Über laufende Ermittlungen“, nahm Emmerich, sich bereits innerlich zur Ordnung rufend, Zuflucht zu einem seiner Standardsprüche, „kann ich keine Auskunft geben.“

„Dann bestätigen Sie mir, dass Sie nicht nach dem Fahrer suchen“, blieb die Dame in der Thermojacke hartnäckig.

„Sind Sie von der Presse?“

„Behüte.“ Die Frau schien sich hervorragend zu unterhalten. „Ich bin in Rente. Und leider schrecklich neugierig. Immerhin habe ich jetzt erfahren, was ich wissen wollte.“

„Gar nichts haben Sie erfahren.“

„Aber, aber.“ Nun drohte sie ihm auch noch schelmisch mit dem Zeigefinger. „Man muss zwischen den Zeilen lesen, nicht wahr? Oder hören, wie in diesem Fall.“

„Denken Sie doch, was Sie wollen.“ Emmerich war geneigt, die Unterhaltung zu beenden, für das winterliche Amüsement von Rentnerinnen fühlte er sich nicht zuständig.

„Ach Gottchen, jetzt ist er beleidigt, unser fescher Kommissar“, kicherte vergnügt die Hundehalterin. „Dann will ich Sie nicht weiter auf die Folter spannen.“ Sie ging zur Beifahrertür des alten blauen Kombis, öffnete sie und drinnen auch das Handschuhfach. „Hier“, sagte sie nach kurzem Kramen und hielt Emmerich etwas hin. „Vielleicht können Sie damit was anfangen.“

„Damit?“ Der Gegenstand, den sie ihm übergab, entpuppte sich als ein kaputtes Handy. Die Abdeckung auf der Rückseite fehlte, |34|ebenso der Akku und unübersehbar auch die SIM-Karte. Vorne war das Glas des Displays schmutzig und zerkratzt. „Was sollte ich wohl damit anfangen?“

„Ich hab’s gefunden“, erklärte sie mit einem immer noch sonnigen Lächeln. „Anfang letzter Woche. Ein Stückchen weiter den Berg hinauf, gleich bei der kleinen Lichtung mit dem Hochsitz. Und weil ich dachte, dass es vielleicht dem Busfahrer gehört, habe ich es mitgenommen. Ich hätte es auch noch irgendwann zur Polizei gebracht, aber jetzt sind Sie ja schon da. Ist das nicht praktisch?“

„Praktisch?“, wiederholte Emmerich mit Blick auf die Menge der versammelten Kollegen und nach wie vor in Unkenntnis dessen, was es wohl mit dem nun schon mehrfach erwähnten Fahrer auf sich haben mochte, zweifelnd. „Praktisch würde ich es nicht gerade nennen, aber wenn Sie meinen …“

„Es spart mir immerhin den Weg aufs Polizeirevier.“ Die Frau schlug mit einem saloppen Schwung die Beifahrertür ihres Kombis zu, umrundete den Wagen und schickte sich an, auf der anderen Seite einzusteigen.

„Wie kommen Sie darauf, dass das Handy diesem … äh … Busfahrer gehört?“

„Ich lese Zeitung.“ Emmerich wurde ein zweiter vorwurfsvoller Blick zuteil. „Im Gegensatz zu Ihnen, offenbar. Sonst wüssten Sie, dass sein Reisebus hier ganz in der Nähe aufgefunden wurde. Oben, auf dem offiziellen Parkplatz für die Besucher des Birkenkopfes. Da liegt es doch nahe, dass er irgendwo hier in den Wald gegangen ist und dabei …“

„Sprechen Sie ruhig weiter. Was? Dabei?“

„Ach, wissen Sie“, meinte die Frau und sah nunmehr eher verunsichert als vorwurfsvoll drein. „Wahrscheinlich lese ich zu viele Krimis. Jetzt will ich Sie nicht weiter aufhalten. Ade.“

Ohne ein weiteres Wort stieg sie ins Auto, ließ den Motor an, Reifen knirschten über Kies und weg war sie. Zurück blieb ein verblüffter Emmerich, der sich geistesgegenwärtig gerade noch ihr Kennzeichen einprägen konnte.

Der Fuß vom Monte Scherbelino

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