Читать книгу Wolfswege 5 - Stefanie Worbs - Страница 6
ОглавлениеDas besondere Etwas
Verdutzt starrte Ryan seinen Dad an. „Wir sind nicht normal?“
Tavis lachte auf. „Wir sind schon normal. Aber eben nicht so, wie ein gewöhnliches Rudel.“
„Das musst du mir jetzt aber mal erklären.“ Ryan ließ sich im Stuhl zurücksinken und faltete die Hände auf dem Bauch.
Sein Dad seufzte. „Ja, angesichts der gegenwärtigen Situation werde ich das müssen. Ich bitte dich aber, alle Informationen unter Verschluss zu halten. Wie bei Hakoon steht es mir genau genommen nicht zu, dir darüber Auskunft zu geben. Aber du bist nun ein Leitwolf und wir haben ein Bündnis. Und wie erwähnt erfordern die Umstände wohl einen gewissen Informationsaustausch.“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Über Hakoon weißt du Bescheid, wie ich erfahren habe?“, fragte sein Dad zuerst.
Ryan nickte nur.
„Bei Miles und Emily ist es ähnlich. Miles’ Dad war ein Mischling aus Magier und Fähe. Bei Emily war es die Großmutter väterlicherseits. Mit Hakoon zusammen, haben wir also drei eventuell magisch begabte Wölfe im Rudel. Und die Perkun-Brüder, nun, dir ist ihr Drang zum Ungehorsam aufgefallen? Und ihr Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen?“
Wieder nickte Ryan nur.
„Das liegt daran, dass seltenes Blut in ihren Adern fließt. Sie wissen es selbst nicht und ich bitte dich, ihnen gegenüber niemals auch nur eine Erwähnung dessen zu machen, was ich dir jetzt sage. Wenn es zu der Situation kommen sollte, dass sie etwas wissen wollen, schicke sie ohne Umwege zu mir.“
„Mach ich. Jetzt erzähl.“
„Ihre Mutter, ist eine Skylla. Eine Gestaltwandlerin. Diese Wesen verwandeln sich in übergroße Hunde. Henning Perkun, Geros und Noels Vater, verliebte sich in eine und die beiden Jungs entstanden daraus. Kurz nach Noels Geburt verließ Genefé Henning und damit auch ihre Söhne. Warum, wissen wir bis heute nicht.“
„Moment. Du kennst ihre Eltern?“, hakte Ryan nach.
Tavis nickte. „Henning, ja. Wir haben sogar noch Kontakt. Er bat mich damals, seine Söhne zu übernehmen. Die beiden sind Werwölfe mit starken Zügen einer Skylla. Wild, unbändig, starrköpfig, eigensinnig. Ihr Hang zu unüberlegten Taten kommt definitiv auch von ihrer Mutter. Skylla sind sehr auf sich bezogen und es interessiert sie selten, was andere denken oder wie es ihnen ergehen könnte.“
„Aber die Perkunies sind nicht so. Sie wollen ja nie Ärger“, hielt Ryan fest.
„Es passiert einfach. Richtig. Das ist die Skylla-Seite. Ihre Werwolfseite sagt ihnen, vorsichtig zu sein. Es ist ein Kampf, wenn man es so will. Henning konnte das nicht mehr tragen. Er war noch nie durchsetzungsfähig, was das angeht. Er hätte Genefé die Sterne einzeln vom Himmel geholt, selbst wenn sie ihn dabei mit Kuhmist beworfen hätte.“
Ryan lachte auf. „Auweia. Und der leitet ein Rudel?“
„Nein“, lachte Tavis. „Das würde nie funktionieren. Aber sein Alpha hatte gesagt, er solle seine Söhne in den Griff bekommen oder er müsse selbst gehen. Tja. Am Ende wurden die beiden rausgeworfen. Henning hat mich sofort kontaktiert und mich gebeten, sie aufzunehmen. Stell dir vor, sie würden allein durch die Welt irren.“
Erneut zog Ryan die Brauen hoch. „Oh oh.“
„Richtig. Oh oh. Tja. Jedenfalls sind wir das nun. Die Thalans mit drei Magier-Wölfen und zwei Skylla-Wölfen.“
„Und Rahel und Otis?“, hakte Ryan nach.
„Sind wohl die Normalsten unter uns.“
„Und ihr? Du und Mum?“
„Wir sind Alphas. Normale Werwölfe mit normalen Wurzeln, aber einem durchaus chaotischen Rudel.“
„Warum habt ihr es uns nicht erzählt?“
„Weil es nicht wichtig war. Wir hätten es aber auch nicht verschwiegen. Wir wollten nur, dass die Betroffenen sich selbst outen, wenn und wann sie es für richtig halten. Bis auf die Perkun-Brüder wissen alle von ihrer Abstammung.“
„Warum dürfen die beiden es nicht wissen?“
Kurz herrschte Stille, in der sein Dad ihn durchdringend musterte, dann sagte er ernst: „Weil sie einzigartig sind. Skylla sind sehr selten und zu 95 Prozent Frauen. Sie gehen keine festen Bindungen ein und die wenigen Männer unter ihnen werden nur für den Fortbestand ihrer Art geduldet. So gut wie nie tut sich eine der Gestaltwandlerinnen mit einem anderen Wesen zusammen. Belege über Nachkommen aus Mischverbindungen gibt es meines Wissens nach keine. Bis auf Gero und Noel.“
„Aber wäre es dann nicht fair, wenn die beiden es wüssten?“
„Wäre es. Aber auch gefährlich. Ich werde es ihnen sagen, wenn sie erwachsen genug dafür sind. Da Noel gerade erst 19 geworden ist und ich es beiden zeitgleich sagen will, wird auch Gero noch warten müssen.“
„Aber du sagst es ihnen?“
„Ganz sicher.“
„Gut.“ Ryan holte tief Luft, hielt sie einen Moment an und stieß sie dann wieder aus. Nach einem Moment nachdenklicher Stille wechselte er zum Ursprungsthema zurück. „Zurück zu den Azur. Wäre es nicht besser, wenn ihr auch wieder von denen loskommt?“
„Vielleicht später. Im Moment stehen wir ganz gut da. Wir haben nur mit ihnen einen Bund und können uns dank unseres jungen Titels noch viel aus allem raushalten. Da wir ihre Tochter haben, werden sie uns wohlgesonnen sein, denn sie wollen die Erben nicht verlieren. Selbst wenn es Azur werden, was nicht ganz so sicher ist, wie Ian denkt, lebt Amber bei uns. Wir werden die Kinder also mindestens in den ersten Jahren nach unseren Maßstäben erziehen und ihnen unsere Sichtweise der Dinge beibringen können. Da spielt die Augenfarbe am Ende keine Rolle.“
„Evans Kinder gehen also nicht an die Azur?“
„Ganz sicher nicht. Ich glaube nicht, dass Amber freiwillig zurückgeht, geschweige denn ihre Kinder in solche Hände gibt. Also werden sie bei uns leben. Ob nun als Achat oder Azur ist vollkommen egal. Sie werden unsere Werte weitertragen, nicht die der Thorburns.“
Ryan nickte. Auch er war sich sicher, dass Amber nicht zurückgehen würde. Sie war immerhin geflohen und das aus guten Gründen. Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass auch das ein Bluff gewesen sein könnte. Dass Amber gar nicht geflohen, sondern geschickt worden war. Wer sagte ihnen denn, dass sie nicht nur die Unschuldige mimte?
Immerhin hatte sie sich an Ryan rangemacht. Wäre er darauf eingegangen und sie wären erwischt worden, hätte das schwerwiegende Folgen haben können. Bei dieser Theorie blieb nur die Frage, was die Azur davon gehabt hätten.
Sie hätten uns ausgelöscht, überlegte Ryan. Mehr hätten sie nicht gewonnen. Sie hätten einfach ein Rudel beseitigt, das seinen Titel noch keine paar Wochen hatte.
„Dad? Welche Verbindung haben die Achat untereinander?“
Tavis runzelte die Stirn. „Das habe ich dir doch erklärt. Keine, bis auf den Namen.“
„Bist du sicher?“ Ryan setzte sich wieder gerade hin und sah seinen Vater fragend und entschuldigend zugleich an. „Bitte versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich habe hin und wieder den Eindruck bekommen, dass selbst du nicht alles weißt.“
Tavis lachte schallend auf. „Habe ich das jemals behauptet?“
„Nein.“ Ryan blieb ernst. „Aber solltest du als jahrelanger Alpha nicht so ziemlich alles wissen?“
„Ich mag ein alter Alpha sein, aber ich bin auch immer noch ein Mensch und mit Sicherheit nicht allwissend. Nehmen wir deine und Ambers Situation. Die war selbst für mich neu. Ich musste mich über das Thema auch erst informieren.“
„Also könnte es sein, dass die Achat doch eine Verbindung haben, du aber nichts davon weißt?“
„Natürlich könnte das sein. Aber wenn es so ist, dann wurde dieses Wissen bisher nicht für mich zugänglich gemacht.“
„Wie meinst du das?“, hakte Ryan nach. Es klang ganz danach, dass selbst seinem Dad einiges Wissen regelrecht vorenthalten wurde.
„Die Diamanten haben bestimmte Sitze, die nur für Alphas geöffnet werden. Und auch dann bekommt man nur mit Genehmigung und immer nur für bestimmte Informationen Einsicht. Also nie alles, wie man es gern will. Als normaler Werwolf hast du dort keinen Zutritt. Es sind Landgüter, die so streng bewacht werden, dass wohl selbst das menschliche Militär keine Chancen hätte, sie einzunehmen. Außerdem sind sie sehr gut versteckt. In diesen Gebäuden wird sämtliches Wissen über unsere Art gesammelt und archiviert. Sie sind mehr als umfangreich bestückt.
Du hättest nun auch das Privileg, diese Aufzeichnungen einzusehen. Ich habe erstmals einen dieser Orte aufgesucht, als deine Mutter mit dir schwanger war. Eben wegen deines - nennen wir es - Ursprungs. Vor Kurzem war ich erneut da, um mich darüber zu informieren, was deine Situation mit Amber angeht. Ich gebe zu, dass ich mir nur Wissen aneigne, dass für unser Rudel und mich von Belang ist. Um es also deutlich zu machen. Ja, mir fehlen definitiv einige Fakten, aber ich denke, ich habe bisher auch ohne sie, einen ganz guten Leitwolf abgegeben.“ Sein Blick wurde fragend und Ryan nickte.
„Hast du. Auch wenn ich zugeben muss, dass es nicht geschadet hätte, wenn du eher von dieser Gensache gewusst hättest. Und was sie mit mir macht.“
„Das ist wahr, aber diesen Fehler habe ich bereits eingestanden und wenn es dich beruhigt, möchte ich dich wissen lassen, dass ich in letzter Zeit sehr viel mehr Zeit in den Archiven verbringe.“
Ryan grinste. „Der Alpha auf der Schulbank.“
Tavis spiegelte es und nickte. „So sieht es aus. Aber zurück zum Thema. Welche Verbindung vermutest du denn unter den Achat? Und warum ist es wichtig?“
Ryan hob unwissend die Schultern. „Keine Ahnung. Aber ich glaube, die Azur erahnen eine oder wissen vielleicht sogar davon. Selbst Ian hat solche Andeutungen gemacht. Was, wenn sie deshalb uns statt den Rubellit genommen haben? Weil wir dahingehend stärker sein würden. Ian hat auch was gesagt, dass die Seltenheit der Edelsteine eine Rolle spielt. Die Diamanten sind doch aber zum Beispiel auch nicht selten. Wie läuft das?“
Kurz überlegte Tavis, dann antwortete er: „Wegen der Verbindung habe ich keine Ahnung, was er meinen könnte. Wir können aber gern gemeinsam recherchieren. Wenn es etwas diesbezüglich gibt, werden wir im Archiv sicher fündig. Das mit der Seltenheit stimmt. Je seltener ein Edelstein, desto mächtiger die Familie. Aber je mehr Wölfe, desto stärker. Logisch. So gesehen wären seltene und häufige Edelsteine also gleich viel wert.“ Tavis setzte es in imaginäre Anführungszeichen, weil er sich anscheinend auch nicht ganz sicher war.
„Die Diamanten sind unser Ursprung, deshalb sind sie, egal wie viele es von ihnen gibt, die mächtigsten. Die magischsten. Eben unsere Wurzeln. Ihr Blut ist am reinsten. Als wir erschaffen wurden, hatten alle Werwölfe graue Augen. Wir waren alle Diamanten, wenn man es so will. Einer Legende nach hängt das mit dem Mond zusammen. Mondlicht- oder Sternenaugen, heißt es in den Schriften. Über die Jahrtausende haben sich andere Blute eingemischt. Magier, Menschen, teils auch magische Meereswesen, mythologische Wesen, Elfen und so weiter.“
„Elfen?“, unterbrach Ryan seinen Dad ungläubig. „Echt jetzt?“
Tavis lachte leise. „Es sind Legenden. Wie viel davon wahr ist, werden uns nur die Toten sagen können.“
„Alles klar.“
„Jedenfalls entstanden durch all diese Mischungen die verschiedenen Augenfarben. Die Unnatürlichen sind dabei die Seltensten. Weil sie aus seltenen Verbindungen entstanden sind. Rot, gelb, grün, eisblau, lila.“ Tavis wedelte mit der Hand, um die Aufzählung wortlos fortzusetzen. „Gero und Noel zum Beispiel, mit ihren grünen Augen von Genefé, sind so eine seltene Farbe. Genefés haben quasi geleuchtet, so stechend grün waren sie. Wenn die Jungs heute einen Titel beantragen und dem Rat sagen würden, wer ihre Mutter ist, hätten sie gute Chancen auf eine Kennung wie Smaragd, wenn nicht sogar grüner Diamant.
Die seltenen Farben sind hochmagisch, sehr viel stärker, überlegener und unglaublich begehrt unter den royalen Rudeln, denn natürlicherweise wollen alle etwas von dieser Stärke abhaben. Deshalb sind zum Beispiel auch die Rubelliten stärker als die Azur. Azur gibt es im Vergleich zu Rubellit wie Sand am Meer. Blaue Augen sind nicht selten. Rote aber schon. Die Dravit zählen ebenfalls zu den Selteneren. Wir Achaten sind gegen die beiden nichts wert.“
„Azur gibt es wie Sand am Meer“, überlegte Ryan laut. „Wir Achaten sind normal braun. Uns gibt es sicher am häufigsten.“
„Wahrscheinlich“, kam es nur zustimmend von Tavis, dann schwieg er wieder und schien Ryans Gedankengänge abzuwarten.
„Wir sind viele“, fuhr Ryan fort.
„Das ist wohl wahr. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der reinblütigen Werwölfe Achaten wären, würden sie alle einen Titel bekommen.“
„Ich will in das Archiv, Dad. Es muss eine Verbindung geben. Die Thorburns haben einen Deal mit den Rubellit sausen lassen. Mit einem seltenen Edelstein. Für uns. Wir haben nichts, außer einem Titel, den viele tragen könnten und drei Rudel unter uns. Angenommen es gibt keine Verbindung, die Hays wären eine sehr viel bessere Partie.“
„Nicht, wenn die Kinder von Ian und seinem Bruder auch Rubelliten werden. Zwar ist die Gensache nicht so schwerwiegend, wie Ian sie wohl beschrieben hat, aber eine 50/50 Chance ist es auch nicht. Wir können davon ausgehen, dass Evans und Ambers Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent ein Azur wird. Bei einem Kind von Ian und Amber läge diese Wahrscheinlichkeit auf der Seite der Hays. Ich kann mir vorstellen, dass die Thorburns das wussten“, erklärte Tavis.
„Warum haben sie dann erst bei den Hays zugestimmt?“
„Macht, Einfluss, plus eine Chance von immerhin zehn Prozent.“
„Bis wir kamen.“
„Richtig. Allerdings hast du wohl recht. Mit uns haben sie nur die nächste Generation. Aber vielleicht wollen sie nur das.“
„Glaube ich nicht“, stellte Ryan simpel in den Raum.
„Warum?“
„Du hast gesagt, die Azur sind gar nicht so selten. Sie könnten sich mit ihrem eigenen Edelstein verbinden.“
„Die Azur mögen nicht selten sein. Die Thorburns sind es aber. Und sei ehrlich, jeder der sie kennt, würde eine Verbindung nur eingehen, wenn er dieselben Ziele verfolgt oder einen Nutzen davon hat. Ich hatte dir von den Azur in Wales erzählt?“
Ryan verdrehte die Augen. „Gott, ja. Bitte, keine Details“, bat er und sein Dad lachte auf. Er hatte Ryan von den Walisern erzählt und dass seine Eltern ihre Hochzeitsreise nach Wales gemacht hatten. Es waren wohl sehr offene Leute. In jeder Hinsicht. Allerdings waren sie auch sehr, sehr viel umgänglicher als die Azur im Norden mit ihrer strengen und teils sehr veralteten Lebensweise.
„Na dann kannst du dir vorstellen, wie schwer die Thorburns es wohl haben, geeignete Partner zu finden. Sie wollen ihre Gene, ihre Familie, ihren Namen weitertragen. Sie wollen unter sich bleiben, aber fortbestehen“, hielt Tavis fest.
„Amber ist jetzt aber eine Thalan.“
„Wenn das Kind ein Azur wird, bekommt es den Namen der Azurfamilie. In Ambers Fall eben Thorburn.“
„Oh man“, seufzte Ryan, weil es schon wieder kompliziert wurde.
„Kommt Zeit, kommt Rat, mein Sohn. Aber gewöhne dich daran. Du hast nun die gleiche Verantwortung, wie ich und jeder andere Alpha. Auch du musst jetzt viel lernen.“
Erneut verdrehte Ryan die Augen und schloss sie dann. Mit den Händen fuhr er sich ein Mal übers Gesicht, dann ließ er sie in den Schoß fallen und sah seinen Dad von unten her an.
„Ich helfe dir gern, mein Sohn. Es wäre mir eine Freude.“
Kurz presste Ryan die Lippen aufeinander, dann nickte er. „Ich würde mich auch freuen. Danke.“