Читать книгу Niemand schaut in mich rein - Steffen Kabela - Страница 4
Titel
ОглавлениеDie Nächte werden länger
Mami war froh zu Hause bei mir zu sein. Wir genossen jeden Tag aufs Neue. Ich war für meine Mami zu jeder Zeit da, Mami freute sich sehr. In Mami floss ostpreußisches Blut, sie kämpfe immer und gab nie auf. Mami wurde zu Weihnachten 2018 von der Psychologin beim Hausbesuch alles Gute gewünscht , viel Gesundheit und noch eine schöne Zeit mit der Familie. Mami erwiderte darauf hin, dass Gesundheit für sie sehr wichtig sei und sie schon noch auf der Erde bleiben möchte. Das ruckte mich sehr, denn ich kannte Mami ihren Kampfgeist und Lebenswillen. Mami war mit allem zufrieden, immer zufrieden, genügsam, mochte keinen Zank und Streit, für alle da, gab das Letzte und machte anderen Menschen immer eine Freude. Kurz gesagt: Mama war ein ganz liebevoller Mensch. Und nun erlebte ich wieder mit, wie sie täglich schwacher wurde, das Wasser anstieg, ihr rechter Arm und die Hand immer dicker und die Luft immer knapper wurden. Schon lange hatte ich mit Mami alles besprochen, dass sie keine Angst haben braucht, muss und haben soll. Ich passe auf sie auf, bin immer bei ihr oder in ihrer Nähe. Mami hatte Angst, irgendwann in ein Heim zu müssen. Sie musste mir versprechen, diesen Gedanken zu streichen in ihrem Kopf. Omi und Papi mussten in kein Heim und meine Mami gleich gar nicht. Das wusste sie und ich versprach es ihr auch. Mami kommt immer wieder nach Hause, dafür sorge ich und dafür bin ich auch da. Kraft hatte ich schon lange keine mehr, das war aber so was von egal. Mami kommt zu mir, bleibt bei mir, in ihrem schönen Zuhause. Punkt und AUS. Sonntagmittag, es war der 13. Oktober, sagte sie zu mir, dass ihr wieder so kalt unter der Haut ist, sie schlechter Luft bekommt, „Steffleinchen, nun ist es wieder soweit, ich muss wieder in das Krankenhaus. Rufe doch bitte an, sie sollen mir doch helfen. Ich will doch wieder noch etwas gesünder werden und wieder nach Hause kommen“. Ich rief den Notarzt. Es dauerte sehr lange, fast eine Stunde bis Hilfe eintraf, aber es geschehen auch noch Wunder. Der Arzt, die Rettungssanitäter waren sehr nett und freundlich. Es stellte sich heraus, sie waren nicht von hier und auch nicht der Rettungswagen. Die Erstversorgung erfolgte ohne Stress und Angst, Mami war sehr ruhig. Der Abtransport erfolge sehr behutsam, sorgsam und leise mit einem Rettungsstuhl. Ich sollte sogar gleich mit dem Notarzt ins Krankenhaus fahren. Das war der beste Beweis, dass es auch anders funktioniert. Woran das wohl liegt? Ich packte die Tasche und fuhr unverzüglich hinterher ins Krankenhaus. Als ich in der Notaufnahme ankam, holte mich die unbekannte Ärztin in den Schockraum zu meiner Mami. Die Untersuchungen waren noch im vollen Gange, Mami ging es gut. Sie wurde sofort mit Sauerstoff versorgt. Mami sah mich, ich drückte und küsste sie, was die Ärztin auch aufnahm. Jetzt sprach die Ärztin mit uns Beiden, nebenbei wurde auch schon begonnen, das Wasser wieder auszuschwemmen. Die Ärztin war sehr freundlich, einfühlsam, kommunizierte mit uns, behilflich – alles Eigenschaften, die wir von dem Standort überhaupt nicht kannten. Kein Wunder, die Ärztin war auch nicht aus dieser Klinik, sie war eine „Leihgabe“ aus der Messestadt Leipzig. Nun fragten wir uns langsam, was hier wohl geschehen war. Bald sollte sich herausstellen, dass es eine Eintagsfliege und ein Ausrutscher war! Unverständlich war der Ärztin, warum ich Mami nicht schon zu Hause mit Sauerstoff versorgte. Ich sagte ihr, dass ich dies bereits tat, genauso, wie es unsere Hausärztin vorschlug und empfahl, ich öffnete die Balkontür. Nun stellten sich die Symptome bei dieser Leipziger Ärztin ein, Hecheln, Atemnot, Maulsperre und Muskelversagen, der Kuli fiel ihr aus der Hand. Es war eine Art Schockstarre … als sie wieder zu sich kam, fragte sie mich, ob das mein Ernst sei. Meine Mami sprach ein klares „JA“. Die Ärztin hob ihren Kuli wieder auf und vermerkte es in der Krankenakte. Nun musste sich die junge Ärztin noch um die anderen eingelieferten Patienten kümmern. Sie war flott unterwegs, auch das kannten wir nicht. Ich denke da nur an die Oberärztin von der Inneren, die ist so pfeilschnell, der kann man während dem Laufen die goldenen Schuhe besohlen. Nur zum Feierabend bewegt sie sich schneller. So manch ein Leser meint jetzt, dass ich ganz schön frech bin. Ich antworte dazu gerne mit „Ja“, dass musste ich lernen, aber es ist ehrlich und die volle Wahrheit. Ich lüge nicht, brauche ich nicht und kann es auch nicht. So wie ich alles beschreibe, haben wir es auch erlebt. Und nicht nur wir, oft gab es dazu nur ein quittierendes Kopfschütteln. Keiner hat den Mut sich dagegenzustellen. Ich habe den Mut, wenn dieser auch gepaart ist mit Kraftlosigkeit, Angst, Panik, Unmut, Selbstzweifel, Wertlosigkeit und Schuldgefühle … auch in mir fliest ostpreußisches Blut und ich kämpfe, vor allem für meine Familie. Nun kam Mami auf Station und ich ahnte schon die bevorstehende Katastrophe. Mami wurde verlegt auf die Station 3 und ich bekam die Ehre, gleich mit hoch zu fahren. Ich traute meinen Augen nicht, Mami kam in das Zimmer, in dem unser Papi für immer eingeschlafen ist. Das konnte nicht sein, das ging überhaupt nicht. Ich hatte keine Chance, mir wurde gleich sehr unfreundlich mitgeteilt, ob ich nicht wisse, was für ein Tag sei, Sonntag, da schieben sie keine Betten hin und her, „die bleibt dort wo sie ist!“ - und die Pflegekraft in Weiß ging ab Richtung Kaffeetasse. Das ist keine Vermutung, nein, dort fand ich sie wenige Sekunden später vor. Ich bestand auf einen Arzt, sie sagte ohne Aufzuschauen „Montag“. Sprachlos zog ich von Dannen. Mami lag alleine in dem Zimmer. Ich packte die Tasche aus, räumte den Nachttischschrank ein, legte Taschentücher und Handy bereit. Jetzt setzte ich mich zu Mami und blieb bei ihr. Mami sagte ich natürlich nicht, dass es das Zimmer ist, indem unser Papa verstarb. Am Abend schaute noch einmal die junge Ärztin vorbei und stellte fest, dass die Schwestern überhaupt noch nicht mit den verordneten Maßnahmen begonnen hatten. Jetzt klärte sie es und es begannen die Verordnungen. Sie versprach mir auch eine Klärung der Zimmerangelegenheit am folgenden Tag. Nach unendlich vielen Aufforderungen, das Zimmer zu verlassen durch die Schwestern, packte ich kurz vor 22 Uhr zusammen, verabschiedete mich von Mami und fuhr unter Tränen nach Hause. Mit Mami verblieb ich so, dass sie mich wie immer jederzeit anrufen kann und ich am nächsten Morgen gegen 10 Uhr Auftauchen, wie aus dem Nichts zur Freude der Frühschicht-Schwestern, werde. Mami strahlte vor Freude. Unser Zuhause war dunkel, kalt und leer für mich. Ich fand weder Ruhe noch Schlaf, sorgte mich um Mami, hatte große Wut im Bauch, weil mir alles wieder durch den Kopf ging – Danke Grübelzwang für die Grübelschleife. Es war eine ganz unruhige Nacht, ich konnte einfach nicht schlafen. Ich hätte nach Glashütte gehen können und dort als innere Unruhe im Uhren-Kombinat Geld verdienen! Am Morgen rief ich erst einmal Mami auf ihrem Handy an und freute mich, sie zu hören. Sie freute sich auch. Ich erfuhr, das gegen Morgen eine schwer kranke Frau mit zu Mami ins Zimmer gelegt wurde. Jetzt packte ich kleine Leckereien für Mami zusammen, etwas Kräuterquark, gekochte Eier, Tomatensalat, Mandarinen-Kompott und ein paar Stückchen unserer eingelegten Senfgurken. Das mochte sie so sehr gerne. Kurz nach 10 Uhr stand ich unerwartet auf Station und wie immer bekam ich wieder einmal mehr reichlich Probleme mit Patienten und Angehörigen mit. Uns oder mich betraf es also nicht alleine, es gab noch mehr unzufriedene Menschen. Das passte natürlich weder den Schwestern noch den Ärzten. Und bekannt war und ist sind die Probleme im gesamten Haus und das schon seit Jahrzehnten. Ich ging einfach zu Mami ins Zimmer, sie freute sich unendlich sehr, mich zu sehen. Im anderen Bett lag die schwerkranke Frau und die Tochter saß weinend am Bett ihrer schlafenden Mutti. Zum Mittag bekam Mami einfach so Milchreis hingestellt. Tagesmotto „ Friss oder stirb.“ Der Pampf war dazu auch noch lauwarm mit Tendenz zu kalt. Die Kirschen über dem Milchreis trugen schon eine dunkel angetrocknete Haut. Es war ungenießbar. Auch die andere Frau bekam das gleiche Essen wortlos mit freundlichem Schwung und selbigem Motto auf den Nachttisch geknallt. Die Küchenfee verschwand auf nimmer Wiedersehen. Mami bekam von mir etwas Quark, ein Ei und Tomatensalat. Mami war wie immer glücklich und zufrieden. Nach dem Mittag bekamen wir unerwarteten Besuch von Schwestern der anderen Inneren Station. Die junge Ärztin vom Vortag hatte Wort gehalten und Mami zog um mit der Begründung, dass sie nichts für die Station 3 ist, sie ist eine „Fünfer Patientin“. Mami rollte mit dem Bett voran, ich packte die Sachen aus dem Nachttisch zusammen und folgte in Zimmer 505, das Bett am Fenster. Zwei weitere sehr nette Frauen lagen noch mit im Zimmer. Sie freuten sich über meine tatkräftige Unterstützung und Mami konnte mit ihnen erzählen. „Sie sind ja schon wieder bei uns, Frau Kabela“ – so kamen die Schwestern der Spätschicht in das Zimmer. Ja, so war es. Ich saß die ganze Zeit bei meiner Mami am Bett, war bei ihr und das tat ihr sehr gut. Ich machte ihr das Abendbrot und fuhr am späten Abend, kurz vor 22 Uhr, nach Hause in das einsame Zuhause. Zur Ruhe kam ich nie und nimmer. Nachts machte ich die Wirtschaft und den Haushalt. Ich kochte für den nächsten Tag für Mami Essen vor, mal Eintopf, Königsberger Klopse, marinierter Hering oder Kartoffelpuffer zur Überraschung, bereitete alles weitere zum Mitnehmen vor, kümmerte mich um die Wäsche. Alles ging sehr langsam, denn mir fehlte die Kraft und die Gedanken kreisten in mir. Manche Nacht legte ich mich erst gar nicht in mein Bett. Ich schlief oft nur kurz oder nicht. Das schlauchte und eine kalte Dusche und starker Kaffee half am Morgen. Obwohl es ihr schon wieder etwas besser ging, hatte ich keine Ruhe. Der liebe Gott wusste schon warum! Das 2020 unser Schicksalsjahr sein würde, ahnte ich, nein wusste ich. Die große Angst ließ mich zittern und frieren und die Wut in mir ließ mein Blut kochen. Mir ging es schlechter wie schlecht, dass konnte ich Mami aber nicht zeigen. Das wollte ich nicht, Mami wusste es aber und sah es auch an meinen Augen. Die waren rot und verquollen von den vielen Tränen. Kaltes Wasser half nur bedingt. Und dann waren immer noch die Gedanken im Kopf, was mich dann wieder in der Klinik erwartet, täglich etwas Anderes. Was wird werden, was wird kommen?!?! Weder Omis noch Papis Tod hatte ich nur ansatzweise verarbeitet. Auch nicht den Verlust der anderen Familienmitglieder, Verwandte, Freunde, Bekannte. Es geschah einfach viel zu viel in unserem Umfeld.Am nächsten Morgen telefonierte ich wieder zuerst mit Mami um zu erfahren, ob sie einen Wunsch hat. Ihr größter Wunsch war ich in ihrer Nähe, bei ihr. Den erfüllte ich sofort und war wieder kurz nach 10 Uhr bei ihr. Für diesen Tag organisierte ich mir einen Termin für ein Arztgespräch, was mir täglich zustand, ich es aber nicht täglich nutzte. Die Schwester schaute mich an, fragte nach, ob ich noch kein Gespräch hatte. Ich verneinte und sie versprach mir es weiterzuleiten. Ich wollte nur wissen, wie es mit Mami behandlungsmäßig weiter geht. Mehr eigentlich nicht. Und das sollte nun zum Problem werden, ein hausgemachtes, alt bekanntes Problem. Kein Personal zeigte sich im Zimmer, nur die Lehrschwester 1. Lehrjahr und der Praktikant, ein junger Kerl mit mittel-dunkler Hautfarbe. Beide waren sehr nett und freundlich zu den kranken Menschen und zu uns Angehörige und Besucher. Ich hatte schnell Kontakt zu ihm, sprach mit ihm und er vertraute mir. Sein Ziel war es, Rettungssanitäter zu werden. Nur leider erging es ihm auf der Station nicht gut, davon konnte selbst ich mich überzeugen. Er klagte und erzählte mir viel über seine Erlebnisse auf der Station, auch über Schikanen durch das Personal. Meine Ohren hörten viel und meine Augen sahen auch einiges, ich war informiert, allerdings mehr alarmiert. Was ich da sah gefiel mir nicht, es war richtiges Mobbing. Und das muss sich niemand antun, aber was dagegen tun, wenn man keine Hilfe hat. Für den großen Manitu ein echtes Problem! Das ist sehr schwer und auch ich habe das schon am eigenen Leib nicht nur einmal erlebt. Ich wusste, was er da durch macht. Ich blieb bei meiner Mami, wir unterhielten uns und Mami schlief immer mal wieder ein. Sie wusste, ich bleibe bei ihr, wenn sie aufwacht bin ich da. Sie schlief ganz zufrieden, friedlich und ruhig. Am Abend kamen dann die welligen Mischbrotschnitten. Zwei Küchenfrauen waren sehr freundlich und hilfsbereit zu den Patienten, an diesem Abend hatte ein anderes „Exemplar“ Dienst. Ich bereitete Mami ihr Abendbrot und blieb am Bett sitzen. Die „Wellbemmen“ lagen auf dem Teller, ein Arzt hielt es nicht nötig auf ein Gespräch mit mir zu erscheinen. Die andere Angehörige hatte auch nicht ihr angemeldetes Gespräch. Wir reklamierten gemeinsam. Die Schwester verstand es nicht und schwor, dass sie es an die Ärzte weitergeleitet hat. Nun waren nicht nur wir Angehörige sauer, sondern auch die Schwester. Sie wollte sich am nächsten Tag intensiv um die Arztgespräche kümmern. Wir hatten zwar Hoffnung, aber keinen Glauben mehr daran. Ich blieb noch eine Weile bei meiner Mama am Bett sitzen. Mami erfreute sich immer an den kleinen Blumengestecken auf ihrem Nachttisch. Mami mochte die kleinen selber gemachten Gestecke sehr und sie wurden auch immer bewundert von anderen Menschen. Ich kaufte mir die Schnittblumen, steckte die Gestecke zu Hause in Kombination mit Blüten von den heimischen Orchideen. So hatte Mami auch etwas von Zuhause an ihrem Bett. Mami freute sich auch immer , wenn andere Menschen sie bewunderten, wie sauber und gepflegt sie ausgesehen hat. Auch ihre Alter sah man Mama nicht an, sie wurde immer viel jünger geschätzt. Bewundert wurden immer die schönen Nachthemden, Handtücher und Waschlappen die für Mami täglich immer neu, gewaschen und sauber vorrätig waren. Alles duftete sauber und Mami antwortete auf Nachfrage immer ganz stolz „das macht alles mein Sohn für mich und noch viel mehr, er macht alles für seine Mama“. Mich machte es auch stolz, für mich war es aber normal. Ganz normal, denn ich wollte immer für meine Familie und für meine Mama da sein. Ich machte es nicht nur gerne, sondern auch mit viel Liebe. Und so gestaltete sich im Normalfall der Tag, im Moment allerdings wieder einmal die Nacht. Alles was Mami sehr mochte, machte ich auch für sie und nahm es mit ins Krankenhaus. Die eine Küchenfrau fragte schon immer nach, mit was Mama morgen wieder zum Mittag verwöhnt wird, „von dem Essen hier kann niemand gesund werden, nur noch Magenkrank“ – so die nette Dame. Also wurde die Nacht zur Nacht der Küche und des Herdes. Ich machte Kartoffelsalat, Nudelsalat, Gurkensalat, Schnellgurken, Tomatensalat, Rote Bete, nahm Wienerle, rohen Schinken, Obst wie Mandarinen, Trauben und Mango mit, das mochte sie gerne essen. Und nun war es wieder so weit, es war kurz vor 22 Uhr und ich fuhr wieder einmal sehr traurig nach Hause. Auch mir blieb nicht verborgen, dass sich Mami veränderte, sie wurde immer schwächer und schläfriger. Das war kein gutes Zeichen und ich machte mir noch mehr Sorgen. Zuhause angekommen begann die zweite Schicht für mich, die Gedanken waren immer bei Mami. Und so war es auch wieder eine arbeitsreiche unruhige Nacht.
In den Gedanken sitze ich fest. Und heute ist auch noch so ein schrecklicher Tag, Tief Gisela liegt über dem Freistaat und bringt jede Menge Regen. Es regnet schon seit 1 Uhr heute Morgen, teilweise schüttet es. Es ist richtig dunkel und ich kann nicht auf den Friedhof fahren. Da steht alles unter Wasser, das ist mir bekannt. Ich bleibe zu Hause, da leben die Erinnerungen und ich schaue immer auf die aufgestellten Fotos meiner Lieben. Heute Mittag vor 37 Wochen hat das Herz meiner Mami aufgehört zu schlagen. Ich höre mich immer noch rufen, weil ich es nicht wahr haben wollte, ich sehe die Bilder vor mir und vernehme die Stille im Raum. Nur noch das Sauerstoffgerät brummte vor sich hin. Zu dieser Zeit entzündet sich die aufgestellte Kerze wie jeden Tag und ich werde am Bild und an ihrem Platz beten. Dann bin ich ihr ganz nah und auch meiner Omi und meinem Papa. Seit heute Morgen wasche ich die Gardinen. So nutze ich gleich den Regentag sinnvoll.
Zeitig am Morgen des nächsten Tages ging ich schnell zum Einkaufen, beeilte mich, dass ich kurz nach 10 Uhr wieder in der Klinik sein konnte. Allerdings durfte unser Morgentelefonat nicht fehlen. Mami war noch sehr geschafft vom Waschen durch die Schwestern. Ich verstand es nicht, zu Hause war es doch auch nicht so. Was ist da nur los? Mami freute sich schon wieder auf mich. Und dann war es auch bald soweit, Mami wartete schon auf mich und sie hatte ein schönes Lächeln im Gesicht. Die Oberärztin kam mir auf dem Gang entgegen und sprach mich an. Zum wiederholten Male wollte sie mir einreden, dass Mami Drogen nimmt und Alkohol über Maß trinkt. Mir verschlug es gleich wieder die Sprache und ich teilte ihr mit, dass meine Mama weder Drogen zu sich nimmt und überhaupt keinen Alkohol trinkt. Von meiner Maulsperre musste ich mich dann erst einmal erholen. Ich war entsetzt und erbost. Mami war irgendwie verändert, schlapp, müde, schlief sehr viel, allerdings sehr ruhig ohne die Alpträume. Es machte mich stutzig, ich hatte keine Erklärung. Deswegen bestand ich auf ein Arztgespräch, Frau Oberarzt entwickelte sich ja zum „Drogenspürweißkittel“ und war „not amused“. Nur durch Zufall erfuhr ich, dass Mami wieder eine Sepsis hat, die Nieren sehr schlecht arbeiten, das Herz sehr vergrößert ist. Nur leider immer noch nicht durch einen Arzt. Allerdings bekam ich jetzt eine Information, die mich aufhorchen ließ. Niemand hat darüber weder mit Mami noch mit mir gesprochen – sie gaben Mami Angstmittel und Morphin. Aber warum und wieso? Keine Ahnung. Fragen über Fragen – und keine Antwort. Am Nachmittag wartete ich gemeinsam mit der anderen Angehörigen auf unser Arztgespräch und erfuhr davon, dass die Tochter der anderen Patientin ebenfalls mit dem Drogen- und Alkoholkonsumproblem konfrontiert wurde. Viele Fragezeichen um mich herum und keine Antwort. Wissen eigentlich die Weißkittel noch, was sie tun? Diese Frage stellt sich und ich lasse sie auch stehen. Die Loreley lässt grüßen – sag mir was soll es bedeuten! Noch wussten und ahnten wir nicht, dass wir wieder nur veralbert wurden. Am späten Nachmittag mahnten wir die Arztgespräche an und erfuhren, dass die Ärzte die Information bekommen haben aber nun im Feierabend sich befinden. Wir Angehörigen waren nun noch mehr sauer und auch die Schwester, die verstand das auch nicht. Wie immer fuhr ich am Abend mit keinem guten Gefühl und große Sorgen heim. Ruhe fand ich überhaupt nicht und so machte ich mich an das Waschen der Gardinen von allen Fenstern.
Die Erinnerungen tun sehr weh, es sind große Schmerzen. Jeder Tag ist schmerzlich aufs Neue, es ist ein sehr schmerzlicher und großer Verlust, dass meine Mami, meine kleine Familie nicht mehr bei mir ist. Ich sitze fest in einem tiefen schwarzen Loch – Leere, Kälte, Dunkelheit bestimmen mein Leben und sind immer präsent und extrem grauenvoll. Ich pendele zwischen Zuhause und unserem Grab. Ich hatte gehofft auf etwas Beistand durch Familie und Freunde. Hilfe und Unterstützung wollte ich doch gar nicht und auch kein Mitleid. Das kann ich nicht gebrauchen. Beistand und Verständnis in meiner tiefen Trauer , verbunden mit meiner furchtbaren Krankheit, wäre schön gewesen. Die Realität ist eine bittere Enttäuschung. Hoffen kann man, auch ich, obwohl ich es eigentlich schon wusste, was werden wird. Ich muss den Weg alleine gehen und werde ihn auch gehen, in aller Konsequenz.
Der nächste Tag begann wie jeder andere Tag. Ich rief Mama an und wir sprachen kurz miteinander. Mami hatte einen Wunsch, ein paar ihrer Lieblingsbonbons. Auch diese packte ich noch mit ein. Ich packte Obst ein, nahm Käse und Schinken und ihr Ei mit. Zum Mittag machte ich ihr marinierten Hering mit Pellkartoffeln. Das mochte sie sehr. Es war der 16. Oktober 2019, der 65. Hochzeitstag meiner Eltern. Ein kleines Gesteck aus roten Rosen und Orchideen steckte ich für den Nachttischschrank und fuhr Richtung Klinik. Mami freute sich über mich und über das schöne Gesteck. Nach der Gratulation versprach ich ihr auch einen schönen großen Strauß, welchen sie zu Hause dann von mir bekommen wird, wie immer. Damit hatte keine gerechnet, dass Mami einmal ihren Hochzeitstag, den 65. auch noch, im Krankenhaus verbringen wird. Es war halt nun so und es sollte ihr geholfen werden, glaubten wir immer noch. Noch vor dem Mittagessen tauchte ein Arzt auf, fletzte sich gelangweilt auf den Tisch, schaute mich an und fragte lustlos und überheblich „Was ist denn.“ - ich war baff. Die ganze Art erschreckte mich, aber wundern tat es mich dann nicht mehr, sein Dialekt verriet es. Somit erklärte sich die Fletzigkeit, die Art, die Arroganz und vieles mehr, was aus westlicher Himmelsrichtung kam. Meine Frage war ganz einfach nach dem was jetzt vorliegt und wie es weitergeht. Kurz und knapp bekam ich meine Antwort, welche mir die Luft zum Atmen nahm – noch arroganter im Tonfall „am biologischen Ende steht nun mal der Tod, noch was“ – er kam aus der Fletzhaltung, stieg vom Tisch und verschwand mit wehenden Rasterlocken-Haaren schlaksig durch die Tür. Das hat gesessen. Meine größte Sorge war jetzt nur, hat es Mami mitbekommen? Ich hatte keine Ahnung. Ich war nur geschockt und fassungslos. Kurze Zeit später hatte die andere Angehörige auch so ein nettes Zusammentreffen mit dem gleichen Weißkittel und ein so ähnliches Erlebnis. Jetzt rebellierten wir beide und ließen eine Schwester antreten. Ihr übermittelten wir unsere Beschwerde über das unmögliche Verhalten dieser Gestalt – sie nahm es mit sich und verschwand. Am Abend tauchte die Oberärztin auf und teilte uns mit, dass mit dem Arzt bereits gesprochen wurde und sie entschuldigte sich für die Art. Diese Entschuldigung ging ihr sehr leicht über die Lippen, denn sie war unehrlich. Wieder blieb ich bis kurz vor 22 Uhr bei meiner Mama und verschwand dann in die kalte Nacht mit noch mehr Gedanken im Kopf, sie kreisten in der Endlosschleife und brachten mich zum Weinen, großen Sorgen und eiskalten Schauern über dem Rücken. Der Hochzeitstag ging nun so zu Ende.
Und genau jetzt, ein Jahr später, bin ich ganz alleine. Heute vor 66 Jahren haben Mama und Papa geheiratet. Vor 16 Jahren hatten sie ihren gemeinsamen großen Tag, ihre Goldene Hochzeit. Gerne hatte ich diesen Tag für meine Liebsten gestaltet. Und auch jetzt hätte ich liebend gerne wieder etwas organisiert, aber leider. Am Vormittag bin ich schon in den Blumenpavillon gefahren und habe einen schönen Blumenstrauß mit roten Rosen und roten Buschrosen und mit einer weißen Schleife mit schwarzem Ahorn-Blattlaub gekauft, auf ihr, unser, Grab gestellt. Nur noch das kann ich jetzt tun und das mache ich wie immer mit viel Liebe. Jeden Tag vergieße ich unendlich viele Tränen. Mama würde jetzt immer zu mir sagen, ich höre es ständig, „Weine doch nicht …“, aber es geht nicht.
Am nächsten Morgen fuhr ich wie jeden Morgen zuerst auf den Friedhof und betete am Grab meiner Omi und meines Papi für unsere Mama. Danach fuhr ich ins Krankenhaus. Unser morgendliches Telefonat schwirrte noch in meinem Kopf herum, Mama klang so müde und kaputt am Telefon, aber sie sagte, dass alles gut sei. Als ich in ihr Zimmer kam freute sie sich, mich zu sehen. Sie wirkte sehr schwach, schlief viel und ich konnte erkennen, dass es ihr noch schlechter ging. Ich erfuhr von der Bettnachbarin, dass Mami während des Waschens schlecht Luft bekam. Eine Schwester spritzte ihr etwas. Und wie immer wussten wir nichts. Mal sehen, was der Onkel Doktor beim nächsten Arztgespräch dazu zu sagen hat. Ich hatte ja nur die Info der einen Schwester. Trotzdem Mama viel schlief, blieb ich den ganzen Tag bei ihr am Bett sitzen, erst gegen 22 Uhr fuhr ich wieder nach Hause, in mir ein ganz komisches Gefühl. Zuhause warteten der Haushalt, die Waschmaschine und der Herd auf mich. Ich machte das alles für meine Mama!
Freitagmorgen, der nächste Tag, bereitete ich alles für meinen Kliniktag vor und stieg unter die Dusche. Gerade damit fertig klingelte das Telefon und ich sah, dass Mama anrief. Ich freute mich, sie zu hören. Sie klang aber nicht gut und fragte mich, wann ich kommen würde. Ihr ginge es nicht gut, sie hatte große Sehnsucht nach mir. Ich versprach ihr, alles zusammenzupacken und bald bei ihr zu sein. Da freute sie sich , ich spürte es richtig. Nun hielt mich nichts mehr. Ich schoss in aller Eile durch die Räume, schnappte meine Tasche und eilte zu unserem Auto. Ich fuhr schnell noch auf den Friedhof und auf dem Weg zum Krankenhaus an die Tankstelle. Dort stellte ich fest, dass ich mein Telefon zu Hause vergessen hatte. Darauf konnte ich allerdings verzichten, ich war auf den Weg in die Klinik. Als ich dort ankam, erfuhr ich von einer Schwester, dass man mich schon mehrfach versucht hat anzurufen. Der Schreck saß sofort tief in meinem Körper. Oft genug hatte ich schon solche Gespräche zwischen Arzt und Angehörige miterleben dürfen, grauenvolle Gespräche, und nun war ich dran. Mitten auf dem Gang im hektischen Klinik-Treiben zwischen Putzfrau und Pflegekraft, Küchenfrau und Patienten teilte mir der Arzt mit: “Ihre Mutter liegt im Sterben, Sie können von jetzt an 24 Stunden zu ihr.” - mir war gleich ganz schlecht, ich zitterte am ganzen Körper und Tränen liefen mir übers Gesicht. Als ich die Augen wieder öffnete , konnte ich gerade noch erleben, wie der Weißkittel davon rauschte. Also war es nun soweit - ich rang nach Fassung und kam mir so hilflos vor. Eine Schwester sagte dann zu mir „Das haben wir auch schon durch, Sie können immer rein und bei ihr bleiben, so oft und so lange Sie wollen, auch über Nacht, Sie könne auch bei ihr schlafen, wenn Sie das wollen“ – was mir jetzt erst einmal egal war. In meinem Kopf ging es drunter und drüber, alles war durcheinander. Ich erkannte aber einen kleinen unscheinbaren roten Faden in meinem Kopf und an den klammerte ich mich jetzt. Ich musste stark sein und für meine Mama da sein. Egal wie mistig es mir jetzt ging, ich wollte nur noch zu Mami und bei ihr sein! Mami lag so friedlich in ihrem Bett und schlief. Ich hatte zu meiner ständigen Angst nun noch eine schmerzlichere Angst und Panik, es tat alles furchtbar weh. Eine Patientin hatte schon das Zimmer verlassen, die andere Patientin packte schon ihre Tasche für ihre Entlassung. Ich setzte mich zu Mami ans Bett und schaute sie an. Ich konnte es einfach alles nicht fassen. Fragen über Fragen und keine Antworten – Wieso das alles, wieso gerade wir, wieso meine Mami, warum, weshalb? Mich zerriss es fast. Und genau jetzt merkte ich, Mami wusste und spürte das ich bei ihr war. Ich hielt ihre Hand unter der Bettdecke fest und sprach mit ihr. Ihre Hand bewegte sich und drückte meine Hand. Ich wusste, Mami gibt nicht auf und kämpft. So aufgeben wollte ich auch nicht. Ist wirklich die Zeit schon gekommen, dass der liebe Gott Mami holen kommt und uns trennt. Das kann er doch nicht wollen! Meine Entscheidung war schon längst gefallen, ich bleibe bei meiner Mami, komme was wolle. Und immer wieder die vielen Fragen in meinem Kopf: Wacht Mami noch einmal auf? Schläft Mami gleich über? Sehen wir uns noch einmal? Spürt Mami das ich bei ihr bin? Können wir noch einmal miteinander reden? Am Nachmittag ging die andere Mitpatientin nach Hause und verabschiedete sich von mir. Sie machte mir Mut, wünschte mir Gottes Segen und Kraft und für Mami Stärke , Willenskraft und alles Gute. Das war sehr nett von ihr. Jetzt waren wir alleine in dem Zimmer. Zwischendurch wachte Mama immer wieder auf, freute sich mich zu sehen. Mami hatte keinen Hunger, allerdings Appetit auf ihren Schinken, Obst und ihre Eier. Und das fütterte ich ihr ganz langsam. Ich war sehr froh darüber. Das Wochenende stand vor der Tür. Langsam dämmerte es mir auch, das Mami nun bereits separiert war im Zimmer. Es war also sehr ernst. Irgendwie begriff ich es alles nicht. Für mich stand fest, ich bin für Mami da, wir machen alles gemeinsam. Ich blieb neben ihr sitzen, passte auf sie auf und wachte an ihrem Krankenbett. Mir war alles egal, ich schiss einfach auf alles, nur Mama war wichtig, mehr nicht. Kurz nach 23 Uhr fuhr ich nach Hause und war vollkommen aufgelöst. Kurz nach Mitternacht rief ich auf Station an, Mami schlief ruhig, so die Auskunft. Kurz vor 2 Uhr fuhr ich wieder in die Klinik um nach Mami zu schauen. Das Vertrauen in die Klinik war verspielt. Mama schlief ganz ruhig und ich war nach einer halben Stunde wieder zu Hause. Mein Bett blieb unbelegt, um kurz nach Halbvier stieg ich unter die Dusche und eine Dreiviertelstunde später war ich bereits wieder auf Station. So begann der Samstag für uns, ich setzte mich ganz dicht neben ihr an ihr Bett und schaute sie an, wie sie schlief. Was sollte ich ihr sagen, wenn sie aufwachte, ich wusste es nicht. Mami wusste, dass ich bei ihr bin, dass spürte und merkte ich. Natürlich wusste Mama, dass etwas nicht stimmt und ihr nicht gut geht. Ich konnte es ihr nicht sagen, dass sie im Sterben liegt. Das brachte ich nicht fertig. Ich konnte noch nicht einmal daran denken, dass Mami bald nicht mehr bei mir sein wird. Der Gedanke belastete mich sehr, machte mich sehr traurig und die Gedanken kreisten in allen Richtungen. Das Mami im Krankenhaus von mir geht, das wollte ich nicht für sie. Ich wusste, der liebe Gott steht uns bei und hilft uns. Ich betete alleine und auch mit Mama ihrer Hand. So saß ich nun den ganzen Tag und die halbe Nacht bei ihr. Erst wieder gegen 23 Uhr fuhr ich heim, rief zwischendurch auf Station an und fuhr auch zwischendurch kurz zu meiner Mama ans Bett. Nun war es nicht mehr ihr Krankenbett, ihr Pflegebett, nein es war ihr Sterbebett, was ich nicht akzeptieren konnte und wollte. Auch ich gab nicht auf. Das war keine Option. Spätestens früh Halbfünf saß ich wieder bei Mami am Bett, ich war bei ihr, wir kämpften gemeinsam. So ging es die nächsten Tage weiter, Montag, Dienstag, Mittwoch. Mein Bett sah mich in dieser Zeit nicht, die Arbeit zu Hause musste auch weitergehen und so kümmerte ich mich in den Stunden um Mitternacht um die Wäsche, Haushalt, Wohnung. In Zeiten der Ruhe schlief ich auf dem Stuhl sitzend neben Mama ein. Jede kleinste Bewegung bekam ich mit. Wachte Mami auf, freute sie sich, mich bei ihr zu haben. „Bist du schon lange da?“ - war dann ihre Frage, wunderte sich und schlief wieder ein. Ich wusste genau, sie spürte meine Anwesenheit. Mami wusste, dass ich sie nie allein lassen werde und das machte sie glücklich. Sehr viel bekam ich in dieser Zeit natürlich auch auf Station mit. Es gab auch Pflegekräfte, Personal, was mir Trost spendete und sich um mich kümmerte und mich mit Tee und Kaffee versorgte. Nur leider gibt es zu wenig Menschen mit Herz, Verstand und Mut. Die Weißkittel sprühten über vor Arroganz und Wichtigtuerei. Hauptsache die weißen Kittel wehten beim Gehen hinterher, es sah wichtig aus. Der nette Praktikant, der farbige junge Kerl, kam oft zu mir, brachte mir auch etwas zu Trinken und unterhielt sich sehr gerne mit mir. Er vertraute mir viel an, Privates, seine Pläne und die Schikanen mancher Pflegekraft auf der Station. Auch ich war Hetze und Schmäh ausgesetzt, weil ich mich so um meine Mami kümmerte. Eines Morgens hörte ich, wie sich die beiden Schwestern über mich unterhielten. „Die Beiden tun mir so leid, es ist so schön zu sehen, wie der um seine Mutti kämpft und sich um sie kümmert, dass macht sonst niemand. Einmal in meiner ganzen Zeit als Schwester habe ich so etwas erlebt. Hut ab vor ihm“ – das machte mich natürlich stolz. Sie wussten nicht, das ich es mitbekam. Andere Schwestern sprachen da schon härtere Töne aus, wie: „Der Arsch sitzt doch immer noch bei der“ oder „Was will der hier, der soll sich Heeme scheren“. „Hat das faule Schwein Heeme nischt zu dun!“ - auch das gab es . Mich störte es nicht. Sie mussten nur auf die Retourkutsche aufpassen, die kam nämlich auch. Dann wussten sie, dass ich es mitbekommen hatte. So meinte ich dann nur. „Achtung, der Arsch steht am Servicewagen und hört mit“ … schlagartig war Ruhe im Schwesternzimmer oder Aufenthaltsraum und die Köpfe waren hochrot. Natürlich nicht vor Scham, sondern vor Peinlichkeit. Das nette Personal bekam auch von mir kleine Aufmerksamkeiten, wie Kuchen, Pralinen aus der Schoko-Bude oder Plätzchen und das machte ich sehr gerne, als kleiner Dank. Manchmal ging auch die Zimmertür ganz leise auf, eine Schwester schaute herein und meinte nur: „Der ist da, sitzt am Bett und pennt“ – ja, er war da, saß am Bett und schlief nicht. Eines Abend saß ich auf dem breiten Fenstersims innen im Fenster und die Übergardine verdeckte mich. Im Zimmer war nur die kleine Spiegelbeleuchtung an. Ich beobachtete das Treiben auf dem untenliegenden Parkplatz und konnte meine Tränen nicht bändigen. Die Tür wurde ganz leise geöffnet und eine Schwester schaute Richtung Bett und dann Richtung Toilette, ich beobachtete es im Spiegelbild des Fenster. Dann sprach es mit rauer Stimme „die Alte is alleene, der ist weg“ , sie kamen rein und schauten im Nachtisch nach einem Zettel nach, wo ich am Nachmittag etwas aufgeschrieben hatte. Der Zettel war allerdings weg, er war in meinem Beutel. Jetzt steckte ich meinen Kopf hervor, die waren ganz schön erschrocken und hauten sofort ab. Jetzt stellte sich für mich die Frage nach dem Sinn der Aktion. Nachdem sich die Schwestern überzeugten das ich am Bett saß und schlief und der Folgeschicht mitteilen konnten, dass ich immer noch da bin, bekam ich mit, wie die Arbeitseinteilung erfolgte. „Bimbo“ oder „der Neger“ oder „der Schwarze“ muss putzen, aufräumen oder noch niederer Arbeiten erledigen. Oft genug verschlug es mir die Sprache. Ich sprach mit ihm darüber, es war ihm allerdings bekannt. Auch solche Sprüche musste er von manchem Mitarbeiter einstecken wie „ich trete dir gleich in den Arsch dann wirste schneller“. Bohh eh, da fällt mir nichts mehr dazu ein. Er berichtete mir auch von seinen Plänen, das er sich das in dieser Klinik nicht mehr antun wollte. Er war stolz auf seine Pläne und erduldete somit die Art der Mitarbeiter. Früh freute er sich schon auf seinen Feierabend, es richtete sich immer danach, wer Dienst hatte. Es waren nicht alle Pflegekräfte so menschenverachtend und unverschämt. Der Mittwoch war der Tag der Herausforderung für mich. Das Personal machte sehr lange Pause, die Zeit war schnell vorbei und die Patienten noch nicht für den Nachmittag versorgt wurden. Das Schichtende nahte, nun musste alles sehr schnell gehen. Ich war auf dem Weg zum Servicewagen auf dem Gang um eine Flasche Wasser zu holen. Der Pfleger schoss mit dem Urineimer um die Kurven in die Zimmer und verfehlte vor Hektik den Türpfosten. Der Urin der kranken Patienten spritze viele Meter weit und ergoss sich über den Boden, die Wände , den Materialwagen, den Pfleger und auch mich. Mein rechtes Hosenbein bekam einiges ab, der Pfleger musste seine Arbeitskleidung wechseln gehen. Er war furchtbar schlecht gelaunt. Eine andere Schwester versuchte mein Hosenbein zu putzen. Als er wiederkam war seine Laune komplett unten und er ließ es sich so richtig anmerken. Er war doch selbst schuld. Ich fuhr schnell heim, zog mich um und zurück in die Klinik. Spät an diesem Abend ging ich wieder zum Servicewagen um mir einen Tee zu machen. Auf der Station war es ganz ruhig, eine Schwester war in den Überwachungszimmern unterwegs und die andere Schwester saß im Aufenthaltsraum der Schwestern. Bei ihr war ein Doktor. Der Weißkittel säuselte etwas und die Schwester kicherte leise vor sich hin. Anmache! Liebesgeplänkel! Ich hatte dafür keine Erklärung, machte mir meinen Tee und ließ ihn kurz ziehen. Die Beiden waren so sehr mit sich beschäftigt, dass sie mich nicht bemerkten, wie ich auf dem Gang an der halb geöffneten Tür stand. Nun offenbarte sich mir, was dort so los war. Herr Doktor saß mit geöffneten Schenkeln am Tisch und die Schwester saß ihm gegenüber an der anderen Tischseite. Ihr Gummischuh stand alleine unter dem Tisch, ihr Bein hatte sie auf dem Stuhl des Doktor liegen. Mit ihrem Fuß streichelte sie ihn im Schritt, beide genossen die Zärtlichkeiten. Nun ertönte auch noch die Klingel und ein Blick auf Technik sagte Beiden, dass es nicht so wichtig sei. Ein zweites Signal ertönte aus dem Nebenzimmer. Das einzige was sich bewegte, war der Fuß der Schwerster an Doktors Männlichkeit, was ein Lächeln in sein Gesicht zauberte. Offensichtlich genoss er sehr die Zärtlichkeiten der Station! Durch Zufall entdeckten sie mich und brachen ihr Abenteuer ab. Die Schwester fand nicht so schnell ihren Schuh und der Doktor rauschte ab in das Arztzimmer. Mit roter Rübe lief die Schwester an mir vorbei in das Krankenzimmer. Blöde Patienten, mussten die jetzt gerade Stören!!! Ich konnte nur Grinsen, meine Ohren bekamen Besuch von meinen Mundwinkeln.