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Prolog

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Erst jetzt, kurz nach den grauenhaften Ereignissen, die sich auf der Horsell-Weide bei Woking zutrugen und die in ihrem Verlauf Tod und Zerstörung über die Menschheit brachten, wird mir schmerzlich die Bedeutung jener bizarren Geschehnisse bewusst, deren unfreiwilliger Zeuge ich im Sommer des Jahres 1894 wurde. Konfrontiert mit dem schier Unglaublichen, mit Tatsachen, die mein Weltbild erschütterten, musste ich damals verbittert erkennen, dass jeglicher Versuch, meinen Mitmenschen die wahre Natur jener ungewöhnlichen Meteoritenfälle am Ullswater zu enthüllen, nur auf Unglaube und Ablehnung stieß und damit zum Scheitern verurteilt war.

In den Jahren vor dem großen Erwachen taumelte die Menschheit, berauscht von den Früchten der Wissenschaft, in ein neues, goldenes Zeitalter des Fortschrittes. Die stählernen Straßen der neu erbauten Eisenbahnlinien umspannten ganze Kontinente, Dampfschiffe durchpflügten unabhängig von Wind und Wetter die Ozeane der Erde und Telegrafen sandten Nachrichten pfeilschnell um den Globus. Doch verglichen mit den Jahrtausenden, in denen unsere Vorfahren in ihren klammen, dunklen Höhlenbehausungen dahingedämmert hatten, beflügelte das aufgeklärte, analytische Denken erst verhältnismäßig kurze Zeit den Geist des Menschen. Somit war es kaum verwunderlich, dass sich der intellektuelle Teil der Menschheit zunächst mit rein irdischen Problemen befasste. Die kalten, sternerfüllten Weiten des Weltraumes hingegen waren höchstens Gegenstand hitziger, philosophischer Diskussionen in den Rauchersalons vornehmer Herrenclubs oder wurden von den Gelehrten als Manifestation einer gigantischen, hochkomplexen Himmelsmaschinerie angesehen, die sich nach descartesscher Manier vermessen und kartieren ließ. Niemand dachte auch nur im Traum daran, dass sich uns beim Anblick des nächtlichen Sternenhimmels eine belebte, interstellare Wildnis offenbarte, eine kosmische Menagerie, bevölkert mit verbitterten Wesen, die verdammt dazu waren, ihren Kampf ums Dasein hinaus in die dunkle Leere des Alls zu tragen. Der Mensch, eitel und selbstsicher, ahnte nicht, wie verführerisch sein warmer, wasserreicher Stern am Firmament jener belebten, aber sterbenden Welt strahlte, die nicht unweit seiner eigenen ihre Bahnen durch den Äther zog.

Bereits kurz nach dem Eintreffen der ersten, alarmierenden Meldungen aus Woking wurden meine düsteren Prophezeiungen zur quälenden Gewissheit. Erinnerungen an jenen schicksalhaften Sommer sieben Jahre zuvor verbanden sich plötzlich auf erschreckende Weise mit aktuellen Geschehnissen. Etwas brannte sich mir ins Bewusstsein, eine Erkenntnis, die mich seitdem in einem Käfig nagender Schuldgefühle gefangen hält.

Jene ahnungslosen Schaulustigen, die auf der Horsell-Weide verbrannt waren, die zahlreichen Soldaten, erstickt im schwarzen Rauch, und all die Unglücklichen, die später in den Städten verendet waren, sie alle könnten noch leben, hätte man meinen Worten Glauben geschenkt und jene bizarren Vorkommnisse am Ullswater als das akzeptiert, was sie waren: als Vorboten eines millionenfachen Todes.

A. D. Walden, London, Dezember 1901

Die Dämonen vom Ullswater

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