Читать книгу Staub und Regenbogensplitter - Stella Delaney - Страница 6

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Gelb:

Der Weg vor uns

Der Himmel hatte die tiefblaue Farbe eines Samtvorhangs, noch ohne jede Spur eines verheißungsvollen Glanzes im Osten. Vor dem Fenster kämpfte das Licht einer einzelnen Straßenlaterne beharrlich gegen die Dunkelheit an, gedämpft durch die vielen Schneeflocken, die von dem warmen Leuchten angezogen wurden wie Motten in einer klaren Sommernacht.

Sommer. Die Erinnerung war schwer und golden und glänzend. Endlose Getreidefelder, strahlendes Licht und Wärme. Sonnenblumen, soweit das Auge reichte, die Wahrzeichen der Gegend, in der er aufgewachsen war. Sommer … das schien eine Ewigkeit her zu sein, nicht nur ein paar Monate.

Aiden seufzte. Die Nacht, die zum größten Teil bereits hinter ihm lag, war gleichzeitig endlos und viel zu kurz gewesen. Jetzt kniete er auf den Boden vor dem Spind und überprüfte ein letztes Mal sorgfältig den Inhalt seines Rucksacks. Alles war an seinem Platz, wie auch schon bei den vorherigen drei Kontrollen. Einen Moment zögerte er, dann griff er in das unterste Fach des Spinds, um etwas leuchtend Gelbes herauszuziehen. Ein wollener Schal, den seine Mutter heimlich in nächtelanger Arbeit gestrickt und ihm dann mitgegeben hatte, als er das Dorf verließ. Ganz schwach konnte man noch den Duft des Apfelkuchens erahnen, den sie immer gebacken hatte, und den Geruch von Wäsche, die in der Sonne trocknet. Wärme. Sommer. Zuhause. Ohne noch einmal zu zögern, legte er den Schal zuoberst auf seinen Rucksack.

Als er sich wieder erhob, bemerkte er sein Spiegelbild im dunklen Glas des Fensters. Ein Junge, an der Schwelle zum Mann. Ein Fremder. Seine Augen wirkten schwarz statt des wirklichen Dunkelbrauns, und seine Haare waren seit einigen Tagen militärisch kurz. Ein Anblick, an den er sich immer noch nicht gewöhnt hatte.

Obwohl er wusste, dass er sich langsam beeilen musste und dass es keinen Sinn hatte, das Unvermeidliche hinauszuzögern, trat er näher und legte seine Hand auf die kühle Glasfläche. Ein Teil des Fensters war mit Eisblumen bedeckt. So kalt. So zerbrechlich.

„Gabriel, das ist kindisch.”

Der Blick seines besten Freundes schlug ihm unmittelbar darauf wie Hagel ins Gesicht.

„Habe ich dich etwa gebeten, mir dauernd nachzurennen und dich wie meine Mutter aufzuführen? Habe ich das, Aiden?“

„So war das nicht gemeint. Ich wollte …“

„Und du tust es schon wieder. Glaubst du, ich kann die Bedeutung von ein paar einfachen Worten nicht verstehen, ohne dass du mir einen Vortrag darüber hältst?“

Sein Atem beschlug das Glas. Er fühlte sich fiebrig, gereizt, unsicher und besorgt – alles zur selben Zeit. Die Mischung verursachte einen Druck in seinem Magen, wie von zu vielen Süßigkeiten. Und dabei mochte er Süßigkeiten nicht einmal.

„Ganz ernsthaft, ich glaube wirklich nicht, dass es irgendwas mit dir zu tun hat. Du bist nicht weniger fähig als alle anderen, und sicher kein bisschen weniger als ich. Es ist einfach nur noch nicht der richtige Zeitpunkt. Du warst einige Wochen lang krank, und man will wahrscheinlich sichergehen, dass du dich völlig erholt hast.“

Doch statt einer Antwort erntete er nur Schweigen.

In Gedanken versunken, zog Aiden mit dem Finger die Muster der Eisblumen nach. Wie konnte eine Person voller Feuer plötzlich so kalt sein? Es ergab einfach keinen Sinn.

Er hatte es noch einmal versucht. „Es sind nun mal Befehle. Und die muss man befolgen, ob es einem passt oder nicht.“ Dann trat er näher und wollte seinem Freund die Hand auf die Schulter legen.

Zu seiner Überraschung wich Gabriel jedoch so heftig zurück, als hätte Aiden ihn schlagen wollen. Mit einem Blick, der brannte, aber gleichzeitig nichts als Kälte versprühte, herrschte ihn sein Freund an: „Verdammt nochmal, wie kann jemand, der so intelligent ist wie du, so unglaublich schwer von Begriff sein?“

Und ohne ein weiteres Wort ließ er Aiden stehen.

Sie waren seit Jahren beste Freunde, aber es war natürlich nicht so, dass sie nie gestritten hätten. Gabriel hatte ihm die Türe mehr als einmal vor der Nase zugeschlagen, aber immerhin hatte Aiden stets gewusst, warum. Sicher ging es Gabriel nahe, dass er nicht ausgewählt worden war – Aiden wäre es umgekehrt genauso gegangen – aber warum musste er das an seinem besten Freund auslassen?

„Gabriel, ich will das doch auch nicht. Wenn ich gesagt habe, dass es Befehle sind und dass man nichts machen kann, habe ich damit nicht gemeint, dass ich mich darüber freue. Der Gedanke, dich allein zu lassen …“

„Meinst du wirklich, ich bin so unfähig? Dass ich es nicht eine Sekunde ohne dich aushalte? Überraschung: du kannst aufhören, dir Sorgen um mich zu machen, und dich stattdessen um dich selbst kümmern. Schließlich habe ich mehr Erfahrung im Alleinsein als du.“

Danach hatte Gabriel nicht mehr mit ihm gesprochen, auch letzte Nacht nicht. Er hatte sich einfach umgedreht und so getan, als schliefe er.

Es war so sinnlos, so ungerecht. Und es war eigentlich nicht Gabriels Art. Vielleicht wurde er wieder krank? Eine Erkältung vielleicht, oder gar eine Grippe, oder … Hör auf, unterbrach Aiden sich selbst. Du klingst wirklich wie seine Mutter, nicht wie sein bester Freund.

*

Als er wenig später sein Zimmer betrat, saß Gabriel auf dem Bett. Angespannt, blass, aber bereits vollständig angezogen und sehr entschlossen. Sein Blick lastete schwer auf Aiden, während dieser seine warme Winterjacke vom Bett nahm und überzog. Einfache Handgriffe, notwendige Vorbereitungen, die kein weiteres Nachdenken erforderten. Schließlich war es kalt draußen. Als letztes legte er den gelben Schal um. Nicht ganz standesgemäß, aber wenigstens würde er ihn warmhalten, bis er seine Uniform und die dazugehörige Ausrüstung erhielt.

Während er nach seinem Rucksack griff, um ihn zu schultern, erhob sich sein Freund mit einer einzigen, fließenden Bewegung. Sie wechselten einen kurzen Blick, doch Gabriel wandte sich wieder ab, bevor Aiden irgendetwas in seinen Augen lesen konnte. Keine Geste, kein Flüstern, nicht einmal das kleinste Lächeln – dies alles war deutlicher als Worte es jemals sein konnten.

Dann drehte sich Gabriel um und begann, in forschen Schritten den Flur entlangzulaufen, ohne sich darum zu kümmern, ob Aiden ihm folgte oder nicht. Auch wenn er nicht die geringste Lust hatte, das Ende des Flures zu erreichen, beschleunigte Aiden fast automatisch, um ihn einzuholen.

Verstohlen musterte er seinen Freund von der Seite. Unglaublich, wie sehr Gabriel in den letzten Monaten gewachsen war. Er war immer noch kleiner als Aiden, und würde es wahrscheinlich auch bleiben, aber wenigstens sah er nicht mehr so aus, als würde er in seinem Mantel geradezu ertrinken.

„Gab…” Im letzten Moment zwang Aiden sich, den Rest zu verschlucken.

„Hör mir doch wenigstens kurz zu, Gabby.“

„Den Teufel werde ich, wenn du mich weiterhin so nennst. Ich hab’s dir schon tausendmal gesagt, Aiden: ich bin kein kleiner Junge mehr.“

*

Als sie das Gebäude verließen und auf den Vorhof hinaus traten, war es, als würde die Welt um sie herum den Atem anhalten. Der Schnee, der den harten Betonboden bedeckte, reflektierte das Licht der zahlreichen Lampen und verwandelte es dabei in ein sanftes, fast übernatürliches Leuchten, das auch auf den dunklen Himmel übergriff. Unendliche Stille, nur unterbrochen vom leisen Knirschen ihrer Schritte.

Es mochte wie ein Spaziergang durch eine Märchenwelt anmuten, aber die allgegenwärtige Kälte holte einen schnell in die Realität zurück. Sie biss erbarmungslos, mit stumpfen Zähnen wie ein alter aber immer noch eifriger Jagdhund.

Wenigstens hatte der heftige Schneefall nachgelassen, und die Flocken schwebten nun langsam und vereinzelt zu Boden. Für einen Moment erinnerten sie Aiden an die Apfelblüten im Frühling. War es nicht erst gestern gewesen, dass sie zusammen durch die Obstgärten des Dorfes gerannt waren?

Er dachte an Gabriels harte Worte, und die Wahrheit in ihnen. Vielleicht mochten sie in den Augen der Welt noch Kinder sein, aber sie beide wussten es besser. Dennoch liefen sie nach wie vor Seite an Seite, und tief in seinem Herzen hoffte er, dass sich zumindest das niemals ändern würde.

Ein Schritt, und noch einer. Gleichmäßig, konzentriert. Ein Mantra aus leisen Geräuschen und wiederholten Bewegungen. Normalerweise liebte Gabriel den Schnee, und der Anblick einer perfekten weißen Schneedecke oder von schwerelosen Flocken erfüllte ihn immer mit einer unerklärlichen, kindlichen Freude. Aber an diesem Morgen waren seine Augen blind für das Wunder. Oder war es vielleicht sein Herz?

Dann tauchten nach und nach weitere Männer auf, manche in Aidens Alter, die meisten jedoch älter. Im fahlen Licht wirkten sie mehr Schatten als menschliche Wesen; Schatten, die sich nahe am Gebäude hielten, um dem Schnee und der Kälte keine Angriffsfläche zu bieten. Es wäre vernünftig gewesen, sich ihnen anzuschließen, aber an diesem Morgen stand Aiden der Sinn nicht nach Vernunft.

Er blickte zurück. Ihre Spuren in der ansonsten unberührten Schneefläche. Zwei Linien, parallel, genau nebeneinander.

Dann blickte er nach vorne. Ein weites weißes Nichts. Jeder Weg, sogar die Hauptstraße, die vom Gebäude wegführte, war von den weichen, aber erbarmungslos fallenden Massen verschluckt worden, und am Horizont verschmolz das fahle Weiß mit dem dunklen Himmel zu einem unergründlichen Grau.

Seine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Und die Tatsache, dass Gabriel immer noch so untypisch still war, machte es kein bisschen besser.

„Warum beginnen solche Einsätze immer so unmenschlich früh? Das ist Psychoterror, wenn du mich fragst.“

Ein schwacher Versuch, die Stimmung etwas zu heben.

Sein Freund antwortete nicht. Aiden bemerkte einen seltsamen, fast fiebrigen Glanz in seinem Blick und fragte sich erneut, ob Gabriels schierer Wille das einzige war, was ihn an diesem Morgen aufrecht hielt. Er hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt, eine Geste, die Distanz und Gleichgültigkeit bedeuten konnte, oder der einfache Versuch, warm zu bleiben.

„Es ist toll, dass du mir Gesellschaft leistet. Wirklich. Aber du musst nicht hier draußen rumstehen, nur wegen mir.“

Immer noch kein einziges Wort. Und war es wirklich die Kälte, die Gabriel die Tränen in die Augen trieb?

Inzwischen wäre Aiden sogar ein weiterer Streit lieber gewesen als diese verdammte Stille. Eine beißende Bemerkung, ein unfairer Vorwurf, irgendetwas. Es war schlimm genug, dass sie zum ersten Mal getrennt sein würden, aber einen Streit zurückzulassen war noch wesentlich schlimmer. Das Gewicht der Verantwortung lastete schwer auf Aiden, so schwer, dass er fast erwartete, im Schnee zu versinken wie in Treibsand.

„Okay, wenn du es nicht anders willst, dann bitte. Aber bei diesem Wetter hättest du dich wenigstens etwas wärmer anziehen können. Keine Mütze und kein Schal?“

Sie standen nun direkt nebeneinander, obwohl sich Aiden nicht erinnern konnte, einen Schritt in die entsprechende Richtung gemacht zu haben. Wie Kaninchen in einem Käfig am Markttag. Teile die Wärme, genieße die Gesellschaft, denk nicht an das Unbekannte, das bevorsteht.

„Ich hasse das”, meinte Gabriel plötzlich.

„Was genau?“

Erleichterung, versteckt hinter ehrlichem Interesse.

„Diese verdammte Kälte natürlich.“

In seinen Augen las Aiden allerdings etwas ganz anderes.

„Wenn das so ist, dann solltest du wirklich wieder rein gehen.“

„Wahrscheinlich.“

Aber Gabriel zeigte keine Anstalten, sich zu bewegen.

Für eine Weile war die Stille zurück, dann näherte sich plötzlich ein Lastwagen durch den Schnee. Die Anderen bewegten sich sofort darauf zu, während Aiden noch zögerte.

„Sieht so aus, als müsste ich los.“

Sein erster Impuls war, Gabriel an sich zu ziehen, ihn zu drücken und ihm zu sagen, dass alles gut werden würde. So, wie er es früher immer getan hatte. Aber sein Verstand beharrte darauf, dass es nicht möglich war. Nicht mehr.

„Mach‘s gut, Gabriel.“

Was schmerzte mehr, nichts tun zu können oder sehen zu müssen, dass sein bester Freund immer noch nicht reagierte, ihn nicht einmal ansah?

Bist du wirklich so stur? So nachtragend? Selbst jetzt noch?

Gabriel starrte in tiefer Konzentration an Aiden vorbei, und sein Blick war klar und hart wie die Eisschicht auf einem See im frühen Winter. Eine Schicht, die noch transparent und dünn war, und das Wasser gerade so abdeckte. Darunter konnte man die dunklen Wellen erkennen, die gegen das Eis drückten. Nur ein bisschen zu viel Druck, und die zerbrechliche Schicht würde bersten.

In diesem Moment entschied Aiden, dass ein kurzer Abschied vielleicht das Beste wäre. Er drehte sich um und begann zu laufen. Einen Schritt. Und noch einen. Jede Bewegung vergrößerte den Abstand zwischen ihnen, genauso wie den dumpfen, ziehenden Schmerz in seiner Brust. Er versuchte verzweifelt, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm lag, nicht auf das, was er zurücklies.

Schon wollte er einem der Soldaten seinen Rucksack reichen, damit dieser auf den Lastwagen geladen werden konnte, als plötzlich -

„Aiden! Warte!”

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern drehte er sich um, breitete die Arme aus und fühlte die verzweifelte Wucht der Umarmung mit jeder Faser seines Körpers. Ein zweiter rasender Herzschlag, direkt neben seinem eigenen.

Und dann verstand Aiden plötzlich. Als wäre ein Schleier gelüftet worden, war alles plötzlich so klar und deutlich, dass er sich fragte, wie er es nur hatte übersehen können.

Das war es also die ganze Zeit. Du warst nie wirklich wütend oder eifersüchtig. Es war nur eine Maske, ein Ablenkungsmanöver. In Wirklichkeit hattest du schreckliche Angst, aber niemand sollte das wissen, nicht einmal ich. „Schließlich habe ich mehr Erfahrung im Alleinsein als du.“ Wenn es darum geht, die richtigen Worte zu wählen, bist du ein Genie. Ich hätte es merken sollen. Du hast Angst um mich, weil du genau weißt, dass ich dich ebenso sehr brauche wie du mich. Und du hast Angst davor, zurückgelassen zu werden. Wieder alleine sein zu müssen. Schon wieder.

Sie hielten sich einfach nur fest. Dieser Moment brauchte keine Erklärung, keine Rechtfertigung. Es war alles gesagt, in einer Sprache, die keine Worte benötigte. Und auch als Gabriels Arme Aiden losließen, tat es sein Blick nicht.

„Es sind zunächst nur zwei Wochen“, meinte Aiden schließlich. Irgendwie fühlte er sich schuldig, dass er nicht mehr Trost bieten konnte.

„Ich weiß.“ Da war wieder dieses Glänzen in Gabriels Augen. Das Wasser hatte einen Riss in der Eisdecke gefunden, und drang erbarmungslos durch. „Aber zwei Wochen sind auch 14 Tage, 336 Stunden und 20’160 Minuten.“

„Und glaub mir, ich werde auch jede einzelnen davon zählen.“ Die Genauigkeit der Zahlen verriet Aiden, dass Gabriel es mehrmals durchgerechnet haben musste. Der Gedanke war irgendwie rührend. „Aber ich weiß, dass wir das schaffen werden. Wir beide.”

Ein winziges Lächeln geisterte über Gabriels Lippen, und er wischte die verräterischen Anzeichen von Tränen mit einer entschlossenen Geste beiseite. Sein Ausdruck besagte, dass jetzt alles ok war, dass Aiden sich keine Sorgen machen musste. Jeder andere wäre darauf hereingefallen, aber Aiden konnte nun hinter die Fassade aus angeblicher Stärke blicken.

Fast zärtlich griff er nach Gabriels Hand und fühlte die Kälte der schmalen Finger durch den Stoff seiner eigenen Handschuhe.

„Ich werde zurückkommen.“

Ein weiteres tapferes Lächeln, aber immer noch überschattet von Zweifel. Ein solches Versprechen musste besiegelt werden, und ein lauter Befehl im Hintergrund teilte Aiden mit, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Ohne lange nachzudenken, nahm er seinen Schal ab und hielt ihn Gabriel entgegen.

Es war beinahe, als würde ein goldenes Leuchten von der dichten Wolle ausgehen. Wie geblendet von diesem Glanz wich Gabriel zurück und schüttelte den Kopf, als hätte ihm Aiden etwas angeboten, das so wertvoll war, dass er es unmöglich akzeptieren konnte.

„Mach dir keine Sorgen. In der Armee kriegt man einen neuen, und ich hätte diesen hier sowieso nicht offiziell tragen können.“

Die Zeit zerschmolz wie Schneeflocken in seinen Fingern, und für einen Moment fürchtete er, Gabriel könnte sich weiterhin weigern. Doch dann trat sein Freund plötzlich näher und ließ zu, dass Aiden den wärmenden gelbgoldenen Schal sorgfältig um seinen Hals wickelte.

Noch einmal trafen sich ihre Blicke, und Aiden stellte fest, dass die schiere Verzweiflung nun von einer ruhigen Zuversicht ersetzt worden war. Das Gesicht eines Kindes, aber der wissende Ausdruck eines Erwachsenen.

„Du weißt, was das heißt, oder?“

„Das ist nicht möchte, dass du dich zu Tode frierst?“

„Nein, du Idiot.“ Gabriel sah ihn an, der Ausdruck todernst. „Es ist eine Abmachung mit dem Schicksal. Ein Handel. Jetzt musst du zurückkommen, damit ich dir deinen Schal wiedergeben kann.“

„Das soll ein Grund sein?“ Aiden schüttelte den Kopf, bevor er hinzufügte: „Glaubst du wirklich, dass ich dich einfach alleine lasse? Die Chance, dass das je passiert, ist die einer Schneeflocke in der Hölle – verzeih das offensichtliche Wortspiel.“ Ein weiteres Lächeln fand seinen Weg auf Gabriels Gesicht, und ermutigt fuhr Aiden fort: „Ich kann nicht immer an deiner Seite sein, aber ich bin immer für dich da. Das hab ich dir versprochen. Und deshalb werde ich auch zurückkommen. Deinetwegen. Du bist schließlich viel wichtiger als irgendein Schal.”

„Vielleicht … ein ganz kleines bisschen zumindest.“

Da war das Lachen wieder, das Aiden so sehr vermisst hatte. Und obwohl er gerade seinen Schal weggegeben hatte, fühlte er die Kälte nicht mehr.

*

Als der Lastwagen abfuhr, sah Gabriel ihm nach, eine Hand auf den goldgelben Schal gelegt wie ein stilles Versprechen. So stand er, bis die Lichter des Wagens vom Schnee verschluckt worden waren.

Staub und Regenbogensplitter

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