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Fulvius Curvus: Spitzenkarriere in Feindesland
ОглавлениеMachen wir einen Sprung von rund anderthalb Jahrhunderten, vom frühen 5. in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. Der Mann, mit dem wir uns nun befassen wollen, heißt Lucius Fulvius Curvus. Er trägt die tria nomina des römischen Bürgers: Lucius ist der Vorname (praenomen), Fulvius der Familienname (nomen gentile), und Curvus der Beiname. Ein solches cognomen kennzeichnet einen speziellen Zweig einer gens, und nimmt oft auf Eigenheiten des Trägers Bezug: curvus bedeutet „krumm“, kann aber auch „gewölbt“ meinen (im historischen Rückblick lässt sich also nicht mehr entscheiden, ob bei diesem Fulvius der Rücken oder der Bauch besonders auffällig schien).
Fulvius Curvus war Konsul im Jahr 322 v. Chr. Er führte mehrmals römische Heere gegen das kriegerische Hirtenvolk der Samniten, die in den unwirtlichen Regionen des Apennin lebten und immer wieder zur Geißel ihrer Nachbarn in fruchtbareren Tieflandregionen der italischen Halbinsel wurden. In einer militärischen Krise im Jahr 316 v. Chr. wurde Curvus zudem zum magister equitum (Befehlshaber der Kavallerie) gemacht, er war damit Stellvertreter des Diktators Aemilius Mamercinus, den man in der Notlage ernannt hatte.
All das ist insofern bemerkenswert, als Fulvius Curvus der Erste seines Geschlechts ist, der überhaupt in den Listen der römischen Konsuln und sonstigen wichtigen Amtsinhaber auftaucht. Offensichtlich war dem Newcomer sofort ein Aufstieg in politische und militärische Spitzenpositionen gelungen. Solche Positionen hatte nach ihm auch sein Sohn Marcus Fulvius Curvus Paetinus inne (das zusätzliche cognomen bedeutet „der Schieler“), und in den folgenden Jahrhunderten spielten Fulvier immer wieder eine wichtige Rolle in der römischen Politik.
In den letzten rund 100 Jahren der Republik hatte der Clan jedoch offensichtlich seine politische Blütezeit hinter sich; von Marcus Fulvius Bambalio weiß man z. B. nichts weiter, als dass er der Vater der berühmt-berüchtigten Fulvia war (für Frauen gab es keine Vornamen und damals auch noch keine cognomina, sie hießen einfach nach der gens des Vaters). Fulvia hatte mehrere Ehemänner, als dritten und letzten Marcus Antonius. In jüngerer Zeit hat sich die Forschung um eine differenziertere und vor allem positivere Bewertung bemüht, in der historischen Überlieferung jedoch kam sie lange Zeit sehr schlecht weg: als Furie, herrschsüchtiges Mannweib und dergleichen mehr. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Erstens nahm sie aufseiten ihres Mannes in den Bürgerkriegen nach Caesars Ermordung sehr aktiv am Geschehen teil – politisch und sogar militärisch, was an sich schon für eine römische Matrone skandalös war. Und sie stand dabei auch noch auf der falschen Seite, jedenfalls aus der Sicht des Siegers Octavian, als dieser nach dem endgültigen Bruch den Rivalen Marcus Antonius besiegt hatte.
Doch wenden wir uns wieder ihrem Vorfahren Fulvius Curvus, drei Jahrhunderte früher, zu. Er ist der Erste aus seinem Clan, der für uns historisch greifbar wird, und er stammte ursprünglich nicht aus Rom: Seine Heimat war die latinische Stadt Tusculum, etwa 20 km südöstlich gelegen (Abb. 3). In diesen beiden Punkten ist seine Karriere vergleichbar mit der des Attus Clausus, es handelt sich aber trotzdem nicht um dieselbe Geschichte.
Der erste Unterschied besteht darin, dass Tusculum nicht allzu lange zuvor im Krieg mit Rom gewesen war, als Curvus seine Karriere startete: Im Latinerkrieg 340 – 338 v. Chr. hatte die Stadt, zusammen mit anderen Latinern, gegen die Römer gekämpft, und in Tusculum hatte sich ein Lucius Fulvius Curvus dabei als Anführer ausgezeichnet. Es lässt sich nicht mehr sagen, ob das unser Mann war, oder wohl eher sein Vater gleichen Namens. Plinius der Ältere behauptet in Buch VII seiner Naturgeschichte sogar, dieser Anführer aus Tusculum sei noch während des Latinerkrieges zu den Römern übergegangen und gleich Konsul geworden, um noch im selben Jahr über seine alte Heimat zu triumphieren (es scheint, als könnte Plinius hierbei die Chronologie verschiedener Fulvier durcheinander geraten sein; man kennt sonst keinen Konsul Fulvius schon um 340 v. Chr.).
So oder so, Fulvius Curvus stammte aus einem Umfeld, das sich im Kampf gegen Rom exponiert hatte, und zwei Jahrzehnte später gelangte er in Spitzenämter eben dieser Stadt. Die Fähigkeit des römischen Staates, Fremde und selbst ehemalige Gegner zu integrieren, zeigt sich hier noch deutlicher als bei der Einwanderung des Clausus.
Der andere, wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Fulvier zwar in die römische Oberschicht aufgenommen wurden – aber nicht unter die Patrizier. Denn mittlerweile hatte jenes Phänomen stattgefunden, das die moderne Forschung als „Abschließung des Patriziats“ bezeichnet. Der Zirkel der erlauchtesten Familien Roms war nunmehr geschlossen, eine gens war „schon immer“ patrizisch oder eben nicht, neue patrizische Clans konnte es nach dieser Logik nicht geben.
Abb. 3: Vom antiken Tusculum (bei Frascati) ist nicht mehr viel erhalten; Blick über den archäologischen Park.
Die soziale und politische Struktur des frühen Roms ist für uns nur in groben Umrissen erkennbar. Über einige Fragen kann man trefflich streiten, und die Gelehrten haben das auch mit Leidenschaft getan: Waren alle Mitglieder des Senats automatisch auch Patrizier? Waren alle Patrizier – genauer: alle Oberhäupter von patrizischen Clans – automatisch auch Senatoren? Und waren alle Nichtpatrizier automatisch Plebejer?
Wir lassen diese Fragen auf sich beruhen und halten nur folgende Eckpunkte fest: Anfänglich monopolisierten die Patrizier offensichtlich alle Führungspositionen, politisch, militärisch und auch die angesehenen Priesterämter. Bereits im 5. Jh. v. Chr. begannen deshalb die Ständekämpfe, bei denen es den Plebejern wohl um einen Mix aus Forderungen ging, der heute nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden kann: Die materielle Lage (Stichwort Schuldenkrise) spielte eine Rolle, aber auch die Frage der Beteiligung an der Führung des Staates. Im Jahr 367 v. Chr. kam es zur Einigung; es wurde festgelegt, dass ab jetzt die beiden Konsulämter immer von je einem Patrizier und einem Plebejer besetzt werden sollten. Die übrigen Spitzenämter wurden ebenso geöffnet, von einigen Ausnahmen wie etwa bestimmten Priesterschaften abgesehen. Eine Übergangszeit mit weiteren Konflikten schloss sich an, aber ab 342 v. Chr. wurde diese Regelung strikt eingehalten (sie wurde bis 172 v. Chr. beachtet; danach spielte die ständische Herkunft der Konsuln keine Rolle mehr). Weitere Elemente waren die Abschaffung der Schuldknechtschaft und die Einführung des Volkstribunats, eines Amtes, das dazu diente, Plebejer vor der Willkür von Magistraten zu schützen.
Die Einigung der beiden Stände im 4. Jh. v. Chr. stellte einen Meilenstein der römischen Geschichte dar. Er zeigt eine besondere römische Kunst des politischen Ausgleichs, die schon den Zeitgenossen aufgefallen ist. So heftig die Auseinandersetzungen der Ständekämpfe auch gewesen sein mögen, sie hatten niemals zu einem offenen Bürgerkrieg geführt, wie er für die griechischen Poleis geradezu eine Epidemie darstellte.
Es gibt allerdings einen Aspekt an dieser Einigung, der oft übersehen wird, obwohl er schon lange bekannt ist: Die neuen plebejischen Familien, deren Angehörige jetzt vermehrt in der Führungsetage Roms auftauchten, stammten fast nie aus Rom selbst, es handelte sich also nicht um Aufsteiger aus der stadtrömischen Plebs. Vielmehr waren es überwiegend Aristokraten, die schon zur führenden Schicht in anderen Städten gehörten. Viele von ihnen waren in ihrer jeweiligen Heimat ebenso tonangebend und altehrwürdig wie die Patrizier in Rom. Nur dadurch, dass sich deren Reihen mittlerweile fest geschlossen hatten, konnten Neuankömmlinge in Rom nicht mehr den Patrizierstatus erlangen, obwohl sie sich nach ihrer sozialen Herkunft durchaus auf Augenhöhe befanden.
Deshalb ist hoffentlich klar, dass der Latiner Fulvius Curvus nicht zufällig für die Darstellung ausgewählt wurde, sein Fall ist exemplarisch. Neben Latium stellten insbesondere Etrurien und Campanien solche neuen Familien der römischen Führungsschicht. Die Licinii etwa waren Etrusker, die Plautii Latiner aus Tibur. Aber auch aus den Reihen der Volsker kamen solche Familien. Sie waren ein kriegerisches Bergvolk, das in den Abruzzen südöstlich von Latium lebte, ihre Sprache gehörte wie das Sabinische zur umbrischen Sprachenfamilie. Lange Zeit waren sie durch ihren Expansionsdrang Richtung Latium ein Hauptgegner der Römer und Latiner gewesen, nun stellten sie Männer wie Gaius Marcius Rutilus, der zwischen 357 und 343 v. Chr. viermal Konsul wurde und weitere hohe Ämter als erster Plebejer bekleidete. Eine ähnlich beeindruckende Karriere machte der Volsker Marcus Popillius Laenas, der es auf fünf Konsulate im Zeitraum 359 – 348 v. Chr. brachte.
Diese Entwicklung hat das Gesicht der römischen Politik grundlegend verändert und überhaupt erst den Menschenschlag hervorgebracht, den wir als typisch römischen Politiker bezeichnen würden. Eine neue Elite entstand, die Nobilität (nobilitas), die sich aus Patriziern und Plebejern, aus Römern und Nicht- bzw. Neurömern zusammensetzte. Diese Familien waren übrigens nicht nur durch politische Bündnisse vernetzt, sondern ebenso durch Heiraten. Manch verarmter patrizischer Clan auf dem absteigenden Ast war auf die Zufuhr nicht nur frischen Blutes, sondern vor allem auch frischen Geldes dringend angewiesen, und das spielte auch eine Rolle bei der Aufnahme der neuen plebejischen Geschlechter. Sie alle gemeinsam bildeten nun das personelle Reservoir, aus dem für rund drei Jahrhunderte die meisten Spitzenposten besetzt wurden.
Damit einher ging die Entstehung eines neuen Politikverständnisses oder, wenn man so will, einer neuen Ideologie: Der adelige Anführer, der mit seiner privaten Gefolgschaft „sein eigenes Ding macht“ wie in den Tagen des Attus Clausus, war passé. Für die Nobilität – und jeden, der vielleicht eines Tages dorthin aufsteigen wollte – zählten nun nur noch solche Taten als bewunderungswürdig und nachahmenswert, die im Namen und zum Wohle der Republik vollbracht wurden. Die Vorstellung vom Dienst am Vaterland als höchstem Ideal kam jetzt zur vollen Entfaltung. Gegen Ende der Epoche war es noch einmal der Neuling Marcus Tullius Cicero, ein homo novus, der diesem Politikideal in seinen Schriften einen beredten Ausdruck verlieh.
Dieser gemeinsame Einsatz für Rom bildete also eine ideologische Klammer, die es Neuankömmlingen relativ einfach machte, sich zu integrieren, selbst wenn sie noch vor nicht allzu langer Zeit Kriegsgegner gewesen waren: Nicht „römisches Blut“ oder die „rassische“ Zugehörigkeit spielten die wesentliche Rolle; alles Kompromittierende der eigenen Herkunft konnte man im Prinzip hinter sich lassen, wenn man bereit war, sich voll und ganz in den Dienst der neuen Heimat zu stellen.
Die Umwälzungen des römischen Staates um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. betrafen zudem nicht nur die innere Organisation, sondern auch nach außen das Verhältnis zu verbündeten und unterworfenen Gemeinwesen. In Rom sprach man Latein, wie in den übrigen Latinerstädten, und Latiner stellten im archaischen Rom sicher den größten Bevölkerungsanteil. Doch hier verlief, wie im vorigen Kapitel beschrieben, die urbane Entwicklung wesentlich dynamischer, und schon am Beginn der Republik bildete Rom einen Machtblock, der allen übrigen 29 Städten, die im Latinerbund zusammengeschlossen waren, gleich stark gegenüber stand.
Nach kriegerischen Auseinandersetzungen wurde im Jahr 493 v. Chr. unter Federführung des Konsuls Spurius Cassius ein Vertrag mit den Latinern geschlossen, das foedus Cassianum, der für lange Zeit die Beziehungen regelte: Alle Verbündeten verpflichteten sich, untereinander keine Kriege mehr zu führen; gegen äußere Feinde sollte stets gemeinsam gekämpft werden, wobei der Oberbefehl zwischen Vertretern Roms und des Latinerbundes wechselte. Mit eingeschlossen in den Vertrag war auch das kleine Völkchen der Herniker, das von den gleichen Feinden bedroht wurde wie Römer und Latiner und deshalb froh war, unter den gemeinsamen Schutzschirm zu schlüpfen.
Mindestens ebenso wichtig waren aber die rechtlichen Regelungen, die eine zumindest partielle Integration der einzelnen Bürgerschaften bewirkten: Alle römischen und latinischen Bürger erhielten in allen anderen Städten des foedus Cassianum das Recht, dort mit einem entsprechenden Rechtsschutz Handel zu treiben (commercium); alle diese Bürger konnten über die Stadtgrenzen hinweg rechtlich voll gültige Ehen eingehen (conubium; diese Regelung war wichtig im Hinblick auf das Erbrecht und vor allem für die Weitergabe des eigenen Bürgerrechts an die Nachkommen); und jeder hatte schließlich das Recht, sich in einer der anderen Städte niederzulassen (migratio).
Trotz dieser Regelungen wuchs aber im Laufe der Zeit der Unmut der Latiner über die Vormachtstellung Roms, und es kam im Latinerkrieg 340 v. Chr. zum Aufstand. Die wichtigste Forderung war eine rechtliche Gleichstellung mit den römischen Bürgern, also die volle Teilhabe an politischen Entscheidungen. Auch die Volsker schlossen sich an, und ebenso Campanien unter Führung Capuas, das zwischenzeitlich auch schon mit Rom verbündet gewesen war.
Die Einzelheiten sind, wie für diese Epoche üblich, verwickelt und nicht mehr genau rekonstruierbar. Jedenfalls besiegte Rom 338 v. Chr. die Koalition seiner Gegner, löste den Latinerbund und alle anderen Vertragssysteme auf, und schuf in der Folge ein völlig neues politisches Gebilde. Das hatte außenpolitisch ebenso weitreichende Konsequenzen wie innenpolitisch der Aufstieg der Plebejer. Die besiegten Gegner – und ebenso die Stadtstaaten, die loyal geblieben waren – wurden in ein konzentrisches Bündnissystem eingeteilt. Dabei spielten sprachliche oder ethnische Kriterien keine Rolle, man ging nach pragmatischen Gesichtspunkten vor.
Die äußerste Zwiebelschale bildeten Staaten, die den Status von Verbündeten hatten (socii). Sie blieben politisch autonom, waren aber verpflichtet, im Kriegsfall Hilfstruppen zu stellen. Die innerste Zwiebelschale waren jene Latinerstädte, die von Rom komplett annektiert wurden. Sie verloren jegliche außenpolitische Autonomie, ihre Bürger bekamen dafür jedoch das volle römische Bürgerrecht (und behielten zudem das Bürgerecht ihrer jeweiligen Heimatstadt). Paradoxerweise war dies eine Hauptforderung der Latiner gewesen, die Rom hier im Nachhinein erfüllte. Zu den Städten dieser Gruppe gehörte u. a. Tusculum, die Heimat der Fulvier, obwohl die Stadt aufseiten der Aufständischen gekämpft hatte.
Zwischen diesen beiden Schichten gab es weitere Gemeinwesen mit einem Zwischenstatus: Einige Latinerstädte wurden auch voll in den römischen Staat integriert, ihre Einwohner erhielten jedoch noch kein volles römisches Bürgerrecht mit Wahlrecht. Sie behielten nur ihr jeweils eigenes Bürgerrecht und die Privilegien von commercium, conubium und migratio, die schon vor dem Latinerkrieg bestanden hatten. Diese Zwischenstufe hieß dementsprechend latinisches Bürgerrecht. Ähnlich war die rechtliche Position der Campaner und Volsker: Auch ihre Gebiete wurden Teil des römischen Staatsgebietes, unter Beibehaltung der innerstädtischen Autonomie, und die Einwohner erhielten römisches Bürgerrecht, allerdings in einer Light-Version. Diese civitas sine suffragio, also Bürgerrecht ohne Wahlrecht, umfasste alle bürgerlichen Rechte eines Römers, dazu auch die Pflichten (Steuern, Kriegsdienst), jedoch nicht die politische Mitbestimmung.
Auf diese Weise entstand ein „römischer Commonwealth“, wie man das Gebilde treffend genannt hat, eine Gemeinschaft von Städten unter römischer Führung, die unterschiedlich eng an die Metropole gebunden waren. Die wirklich weltgeschichtliche Bedeutung der Regelungen von 338 v. Chr. liegt darin, dass hier der Grundstein für den gesamten weiteren Aufstieg Roms geschaffen wurde. Denn das System war flexibel und gestattete die Aufnahme immer weiterer Völkerschaften – mit dem Wachstumsmechanismus einer positiven Rückkopplung: Je mehr besiegte Gegner integriert wurden, zuerst als Verbündete, später als Halb- und schließlich irgendwann Vollbürger des römischen Staates, desto mehr wuchsen die Machtmittel Roms und schufen so die Voraussetzungen, auch kommende Auseinandersetzungen siegreich zu bestehen.
Stadtstaaten mit imperialen Ambitionen gab es einige im Mittelmeerraum, die Römer standen keineswegs alleine: Athen, Sparta, Karthago, Tarent, Syrakus – sie alle waren der Idee, den eigenen Herrschaftsbereich auf Kosten anderer auszudehnen, keineswegs abhold. Was Rom im Vergleich zur Konkurrenz einzigartig machte und letztlich dazu führte, dass die Welt römisch und nicht attisch oder karthagisch wurde, war in erster Linie die einzigartige Fähigkeit zum „alliance management“, wie man heute sagen würde. Durch die Bereitschaft, besiegten Gegnern eine Perspektive auf Teilhabe an den Früchten zukünftiger Expansion zu bieten, überstieg Roms „Manpower“ schließlich sogar das Potenzial der größten hellenistischen Königreiche. Dass griechische Stadtstaaten wie Athen, die stets eifersüchtig auf die Exklusivität ihrer Bürgerschaft bedacht waren, da nicht mithalten konnten, war schon für Beobachter in der Antike kein Wunder.
Und so kann man über Fulvius Curvus abschließend sagen: Wir wissen nicht viel über ihn, aber das Wenige, was bekannt ist, zeigt eine Karriere, die typisch für das allmählich römisch beherrschte Italien des 4. Jhs. v. Chr. ist.
Literatur: CORNELL 1995, COWAN 2009, ECKSTEIN 2006, FORSYTHE 2005, HÖLKESKAMP 1993, RAAFLAUB 1986, SCHUR 1924