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2 Karrierewege zum Kaiserpurpur

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Kapitel 1 sollte deutlich gemacht haben, dass keine wirklich präzise Stellenbeschreibung für den Job römischer Kaiser existiert – und das hat auch Konsequenzen für die Bewerberauswahl: Ein genau geregeltes und transparentes Bewerbungsverfahren gibt es leider nicht. Die Bewerbung kann ausgesprochen chaotisch ablaufen, bis hin zum Bürgerkrieg, und Sie als Bewerber sollen sich dieser Tatsache immer bewusst sein. Bei der Auswahl eines neuen Kaisers kann es zu Tumulten und Gewalttätigkeiten kommen, die sogar alles in den Schatten stellen, was Bewerber in anderen Branchen im Assessment-Center erleben.

Die Grundlage, auf der Sie den Job antreten werden, ist in der Theorie der consensus universorum, die Zustimmung aller, zu Ihrer Bewerbung. Das hört sich nicht nur vage an, es ist auch vage. Mit der Einwohnerschaft der Hauptstadt sollten Sie sich jedenfalls gut stellen, vor allem aber sind es zwei Instanzen, die konkret über Ihre Einstellung entscheiden: die Soldaten und der Senat. Nach der Akklamation zum imperator durch die Soldaten wird Ihre Ernennung von den Senatoren formell bestätigt. Der Senat hält sich aus dem operativen Regierungsgeschäft weitestgehend heraus, er wacht aber über Ihre Leadership Performance und ist gewissermaßen der Aufsichtsrat des Imperium Romanum.

Die Soldaten sind überwiegend in den verschiedenen Armeen und Garnisonen des Reiches verstreut; besondere Bedeutung für die Kaiserwahl haben daher die Gardeeinheiten in Rom (vor allem die cohortes praetoriae; nach deren Auflösung durch Constantin d. Gr. die scholae palatinae). Sie bilden gewissermaßen die Personalvertretung des römischen Heeres und sind entsprechend selbstbewusst, was die Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl eines neuen Kaisers angeht. Sogenannte Senatskaiser, die gegen den ausdrücklichen Willen der Soldaten ihr Amt antreten, kommen meist auf eher kurze Regierungszeiten im Bereich von einigen Tagen bis Monaten.

Relativ gute Chancen haben Bewerber, die schon Söhne oder andere Verwandte des vorherigen Kaisers waren (siehe Kapitel 7) oder als dessen „rechte Hand“ bereits zu seinen Lebzeiten an der Macht teilhatten (dazu mehr in Kapitel 3). Für alle anderen, die sich von außen auf eine solche Stelle bewerben, wollen wir hier kurz darstellen, welche Karriereplanung Sie am ehesten zum Ziel bringen wird. Im Idealfall ist dies ohne Bürgerkrieg möglich, wenn es keine Parallelbewerbungen anderer Kandidaten gibt. Sie sollten aber grundsätzlich der Tatsache ins Auge sehen, dass auch erst die Waffen sprechen könnten, bevor eine endgültige Auswahl erfolgt.

Als beste Grundlage für eine aussichtsreiche Bewerbung ist eine vorangegangene erfolgreiche Laufbahn als Senator anzusehen. Und während man zu Zeiten der Republik grundsätzlich nur Senator sein konnte, indem man dem Senat auch tatsächlich angehörte, hat sich mit Beginn der Kaiserzeit die Situation gewandelt: Der Deal, den Augustus mit dem Senat aushandelte, umfasste zwar einerseits eine weitgehende politische Entmachtung des Gremiums, andererseits aber eine gesellschaftliche Aufwertung. Es bildete sich nunmehr ein eigener Senatorenstand (ordo senatorius) heraus, der nicht nur die aktiven Senatsmitglieder umfasst, sondern auch ihre gesamten Familien. Söhne von Senatoren werden also bereits als (zukünftiger) Senator geboren. Das Rückgrat einer Senatorenkarriere sind zwar immer noch die vier klassischen Ämter des cursus honorum, aber in der Ausgestaltung haben sich auch hier Unterschiede ergeben.

Eine typische Laufbahn, mit der Sie zielgerichtet auf den Posten des Kaisers hinarbeiten, würde in etwa folgende Stationen umfassen:

Senatorische Ämterlaufbahn in der Kaiserzeit

– Erstes ziviles Amt vor Eintritt in den Senat – Mitarbeit in der Zwanzigmännerkommission (vigintiviri, Mindestalter 17 Jahre, Dauer ein Jahr). Diese Kommission agiert nicht gemeinsam, sondern zerfällt in unabhängige Teile. Das geringste Ansehen haben triumviri capitalis, die Dreimänner zur Aburteilung und Hinrichtung von Verbrechern; das höchste Ansehen genießen die triumviri monetalis, die die Münzprägung beaufsichtigen – versuchen Sie nach Möglichkeit, hier unterzukommen!

– Erste Erfahrungen auf militärischem Gebiet als Militärtribun bei einer Legion (tribunus militum, Mindestalter 18 Jahre, Dauer ein bis mehrere Jahre).

– Eintritt in den Senat – Beginn des cursus honorum: Quaestor (Mindestalter 25 Jahre, Dauer ein Jahr); Aedil oder alternativ Volkstribun (Mindestalter für beide 27 Jahre, Dauer ein Jahr); Praetor (Mindestalter 30 Jahre, Dauer ein Jahr).

– Diverse Ämter in der Pause zwischen Praetur und Consulat (= eingeschoben in den cursus honorum), meist drei Stufen von je einem bis drei Jahren Dauer, z.B.: Assistent eines Statthalters; Aufseher über eine Fernstraße in Italien (curator viarum); Befehlshaber einer Legion (legatus legionis); Statthalter (proconsul oder legatus Augusti pro praetore); Vorsteher einer der beiden staatlichen Kassen (praefectus des aerarium Saturni oder des aerarium militare – vgl. Kapitel 4).

– Abschluss des cursus honorum: Consul (Mindestalter 33 Jahre für Patrizier/43 Jahre für Plebeier, Dauer ca. drei Monate).

– Im Anschluss diverse weitere Ämter in Rom (z.B. curator aquarum – Leiter der städtischen Wasserversorgung; Stadtpraefect – der Ranghöchste im Senat und quasi sein Sprecher gegenüber dem Kaiser); weitere Statthalterposten in den Provinzen; erneuter Consulat – oft als besondere Auszeichnung zusammen mit dem Kaiser.

Wie Sie sehen können, gibt es eine Vielzahl von senatorischen Ämtern mit teils mehr ziviler, teils eindeutig militärischer Ausrichtung. Wenn Sie ernsthaft am Kaiser-Job interessiert sind, dann sollten Sie sich vor allem auf den militärischen Zweig konzentrieren und sich als vir militaris profilieren. Die entscheidende Hürde ist das erste eigene Kommando als Legionslegat, wer sich hier bewährt, kann hoffen, einige Jahre später als Statthalter den Oberbefehl über eine ansehnliche Armee zu erhalten. Wenn dann die Stelle des Kaisers vakant wird, ist die Stunde für Ihre Bewerbung gekommen: Ihr Führungstalent haben Sie bewiesen, und die Truppen, die Sie zum Kaiser ausrufen, verleihen der Bewerbung Gewicht.

Dann der Einzug in Rom, jubelnde Menschenmassen, der erste Auftritt im Senat, Bestätigung der Imperatorakklamation – alles erledigt? Fast, denn eine Kleinigkeit fehlt noch. Bewerbern auf Führungspositionen wird zwar generell geraten, sich im gesamten Bewerbungsverfahren entschlossen und zupackend zu zeigen. Für einen angehenden Kaiser gilt an dieser Stelle, kurz vor dem Ziel, jedoch eine besondere Etikette: Man erwartet von Ihnen, dass Sie sich zunächst weigern, den Posten tatsächlich zu übernehmen! Diese Weigerung (recusatio imperii) ist ein fester, ritualisierter Bestandteil Ihrer Ernennung. Die Senatoren werden Sie jedoch bedrängen, denn schließlich sind Sie und nur Sie (zumindest in der Theorie) derjenige, der kraft seiner überragenden auctoritas (vgl. Kapitel 1) berufen ist, den Staat zu führen. Nach angemessenem Zögern – üblich sind maximal drei Tage – geben Sie endlich dem Senat nach und akzeptieren den Posten.

Absurd, finden Sie? – Es geht schlicht um den Beweis, dass Sie sich der Bürde des Amtes bewusst sind, dass Sie keineswegs aus bloßer Gier nach Macht und Ruhm danach streben und es nur aus Pflichtbewusstsein übernehmen.

Berufsziel: römischer Kaiser

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